Benno Sabath - Aus meinem Leben


[up] [1862 - 1888] [1888 - 1900] [1900 - 1939] [1939 - 1943]


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Abstract:

After 1888 Benjamin Sabath first worked on the “Novara”; later he changed to the “SMS Stephanie”, and attended a journey from Pola to Sweden and Kiel. 1893 he moved to Vienna, where he married 1894 Adele Wilheim. 1900 their first child Annie was born.


Mit 1. November 1888 erfolgte meine Beförderung zum Marine-Artillerie-Ingenieur 3. Kl. (Oberleutnants-Charge). Nun bezog ich schon einen Jahresgehalt von 1000 fl und ein Quartiergeld von zka. 300 fl, ich konnte also daran denken, meine Schulden beim Schneider abzutragen. Ein übriges tat noch der Marine-Spar- und Vorschuß-Verein, der zwar seinen Schuldnern hohe Zinsen auferlegte, dagegen den Sparern geringe Zinsen für ihre Einlagen bezahlte. Ich konnte aber mit meinem Gehalt gut auskommen, daneben mir nebst der Uniform auch anständige Zivilkleider beschaffen.

Anfang November kamen geänderte Dienstbestimmungen, ich mußte mit Mifka tauschen, dieser wurde als Feuerwerksmeister nach Vallelunga, ich auf das Artillerie-Schulschiff „Novara“ bestimmt. Ich war mit dem Tausch sehr zufrieden, da ich ziemlich unabhängig, nur meinen Schiffsoffizieren: Kommandant Schiffskapitän Baritz, Artillerie-Unterrichtsleiter Korvettenkapitän Adamovich, Detailoffizier Schiffsleutnant Schweißgut, Artillerieoffizier Schiffsleutnant Lehnhart untergeordnet war. Daneben bezog ich ein Schiffskostgeld von 1 fl täglich und ein Dienerpauschale von 15 fl monatlich.

Mein Dienst war vorwiegend Unterrichtserteilung im Seeaspiranten- (angehende Seeoffiziere), im Geschützmeister- und Artillerieinstruktoren-Kurs, im Artilleriewesen, Chemie und Technologie der Rohstoffe. Schiffsdienst hatte ich natürlich keinen, nur Inspizierung, ob das vorhandene Artilleriematerial in Ordnung war und sonst viel freie Zeit. Ich hatte an Bord eine schöne lichte Kanzlei, die gleichzeitig mein Wohnraum war. Ich schlief auch an Bord, um das Wohnungsgeld an Land zu sparen.

Ich wurde auch ordentliches Mitglied des Marine-Kasinos, das der Sammelpunkt der Offiziere und Beamten in der freien Zeit war, mit Kaffeehaus, Restaurantbetrieb, Lese- und Studiersaal, Schreibzimmer, großer Saal, in welchem Konzerte und Theatervorstellungen stattfanden.

Im Marine-Kasino war es auch, wo wir Ende Januar 1889 durch den Sekretär die tragische Nachricht vom Tode des Kronprinzen Rudolf in Mayerling erhielten. Wir trugen durch sechs Monate Trauerflor am Arm und schwarzumhülltes Portepée am Säbel.

Die Zeit an Bord verlief ungeheuer schnell, ich erfreute mich des uneingeschränkten Vertrauens meiner Vorgesetzter und guter Kameradschaft bei den Offizieren. Mit einigen der letzteren fuhr ich zeitweilig in der Nacht im Boot auf Fischfang aus, wodurch unser Mittagstisch angenehme und billige Abwechslung erfuhr.

Im Jahre 1889 wurde auf der Werft in Pola das Schlachtschiff „Kronprinz Erzherzog Rudolf“ von Stapel gelassen. Ich wohnte das erste Mal einem Stapellauf bei. In Triest waren schon früher das Schlachtschiff „Kronprinzesssin Erzherzogin Stephanie“ und der Kreuzer „Kaiser Franz Josef I“ vom Stapel gegangen. Die beiden Schlachtschiffe und der Kreuzer erhielten ganz neuartige mit Druckwasser (hydraulisch) betriebene 30.5 bzw. 24 cm Geschützanlagen. Erstere wurden in England von Armstrong, letztere in Essen von Fried. Krupp hergestellt und an Bord montiert. Mir oblag es, den Offizieren der „Novara“ vom Kommandanten abwärts bis zum letzten Fähnrich über diese neuen Anlagen Vorträge zu halten.

Im Jahre 1890 wurden diese drei Schiffe und ein kleinerer Kreuzer „Tiger“ zu einer Eskader zusammengestellt unter Kommando des Konteradmirals Hinke. Um das Verhalten der neuen hydraulischen Geschützanlagen an Bord zu überwachen und eventuell auftretende Havarien rasch zu beheben, wurden ich sowie Wassmundt und Schwanda, die mittlerweile auch zu Artillerieingenieuren 3. Klasse befördert worden waren, auf die erstgenannten drei Schiffe eingeschifft und zwar ich auf „Stephanie“, Wassmundt auf „Franz Josef“ und Schwanda auf „Rudolf“.

Das war der erste Fall, daß Artillerieingenieure auf ausgerüstete in See gehende Kriegsschiffe eingeschifft wurden. Außerdem wurde Elektroingenieur Schaschl auf „SMS Stephanie“ eingeschifft. Mitte Juli 1890 übersiedelte ich von der „Novara“ auf „Stephanie“. Kommandant dieses Schiffes war Linienschiffskapitän Schellander, Geamtdetailoffizier Korvettenkapitän Holecek und Artillerieoffizier Linienschiffsleutnant Jenig Ritter von Casadsky.

Die eingeschifften Artillerieingenieure und der Elektroingenieur waren von jedem Schiffsdienst befreit, hatten aber außer der Beobachtung der in ihr Fach einschlagenden Schiffsausrüstungen die Einrichtungen der Schiffe anderer Nationen, mit denen wir zusammentrafen, nach Tunlichkeit, nämlich soweit sie nicht geheimgehalten wurden, zu studieren und nach Beendigung der Eskaderreise an die Marine-Sektion zu berichten. Die Schiffskommandanten hatten daher den Auftrag, uns in jedem eingelaufenen Kriegshafen sofort auf Wunsch ein Boot zur Verfügung zu stellen, mit welchem wir an Land oder an das gewünschte Kriegsschiff fahren konnte. Nach der Ausrüstungsmusterung der Eskader durch den Hafenadmiral von Pola verließ dieselbe den Kriegshafen und begab sich nach Triest, von wo die Reise angetreten wurde. Am 24. Juli 1890 verließ die Eskader Triest und fuhr nach Süden, wobei verschiedene Schiffsevolutionen (Fahrt in Kolonnen, im Kielwasser, in Staffelformation etc.) durchgeführt wurden. Daneben wurden diverse Schiffsübungen durch die Mannschaft, z.B. Feueralarm, Wasseralarm, Klarschiff zum Gefecht, Seeminen- und Torpedoübungen sowie Schießübungen der Geschütze gegen die fix verankerte oder geschleppte Zielscheibe vorgenommen. Das Wetter war herrlich, kein Wind, kein Seegang, keine Rollbewegungen des Schiffes.

Als wir die Straße von Otranto passiert hatten, wurde die mitgenommenen, vom Stab (Offiziere) und der Mannschaft bestellten Tabak- und Zigarrenvorräte verteilt. Mit diesen hatte es folgende Bewandtnis: Im Ausland, also außerhalb der Meerenge von Otranto, durften wir die billigen, zum Regiepreise (ca. ½ des normalen in den Trafiken zu zahlenden Betrags) erworbenen Tabaksorten rauchen. Bei Rückkehr des Schiffes mußten die noch erübrigten Reste auf den normalen Preis verzollt, bzw. in den Hafen eingeschmuggelt werden. Außerhalb der Straße von Otranto erhielten wir auch unsere Gebühren in Gold ausbezahlt; in diesem Fall, da unser nächster Bestimmungshafen Gibraltar war, in englischen Pfund.

Unsere Eskader hatte den Hauptzweck, den im Vorjahr von einer deutschen Eskader in Pola und Triest der k.u.k.öst.-ung. Kriegsmarine abgestatteten Besuch zu erwidern, also im ersten deutschen Kriegshafen: Kiel. Wir fuhren durch die Straße von Messina (zwischen dem Festlande Italiens und der Insel Sizilien), sahen von der Ferne den Ätna mit seinem rauchenden Gipfel, an der Insel Stromboli vorbei in das Mittelländische Meer. Die Fahrgeschwindigkeit betrug im Durchschnitt 10 Seemeilen (1 Seemeile = 1.8 km). Herrlich waren die mondhellen Nächte auf Deck des Schiffes in der vollkommen glatten See und zeitweilig das phosphoreszierende Meer. Die Zeit außerhalb der Schiffsübungen vertrieb man sich durch diverse Spiele in der Offiziersmesse. So bildete sich eine ständige Tarockpartie. Ich spielte gewöhnlich mit dem Schiffsarzt, Linienschiffsarzt Kappelmann, Domino. Ich erinnere mich noch heute, daß ich dabei ausgesprochenes Pech hatte, vielleicht spielte ich auch schlechter als der Arzt. In der Offiziersmesse waren wir 22 Personen, nämlich der Detailoffizier Korv.Kap. Holecek, 6 Schiffsleutnante, 5 Schiffsfähnriche (späterhin Fregattenleutnant im Range der Oberleutnants genannt), der Marinegeistliche Kurat Kasparek, der Flaggenauditor Hauptmann Czap, der Chefarzt Kappelmann, ein Fregattenarzt, der Leitende Maschinenbeamte Ob.Ing. Ritter von Purschka, der Maschinenbauingenieur Fiedler, meine Wenigkeit, Elektroingenieur Schaschl, der Marinekommissär Arbeiter und noch ein jüngerer Kommissär.

Naturgemäß, wie es in Pola der Fall war, hielten sich die Seeoffiziere für etwas besseres als die anderen und sonderten sich merklich von den anderen ab, so daß die Nichtoffiziere mehr untereinander verkehrten. Ich muß aber ausdrücklich festlegen, daß auch der Verkehr mit den Seeoffizieren in jeder Hinsicht korrekt war.

Auch die weitere Fahrt gestaltete sich sehr angenehm, wir passierten die Südküste von Sardinien und kamen am 30. Juli in die spanischen Gewässer. Da wir in der Nacht nicht den Hafen von Gibraltar anlaufen wollten, wurden noch Nachtübungen veranstaltet, so daß wir am 31. Juli nach 8 Uhr früh auf der Reede von Gibraltar ankerten. Das Flaggenschiff „Rudolf“ gab den Territorialsalut von 21 Kanonenschüssen ab, wobei die englische Flagge von allen Escaderschiffen gehißt wurde. Von der englischen Batterie am Felsen von Gibraltar wurde der Salut mit 21 Schuß erwidert, wobei die österreichische Kriegsflagge gehißt wurde.

Die Fahrt von Triest nach Gibraltar hatte volle 7 Tage gedauert. Die Besuchszeremonien wurden in der normalen Weise ausgeführt. Der Eskaderkommandant Hinke machte in „großer Dienstuniform“ begleitet von seinem Stabschef den Besuch beim Festungskommandanten und Hafenadmiral, der nachher von diesen beiden Herren an Bord des „Rudolf“ erwidert wurde.

Ich selbst begab mich so bald es möglich war ans Land, wo mich mein Freund Wassmundt schon erwartete. Wir machten zusammen unsere Studien im Hafen und besuchten die Batterien am Felsen, die galerieartig in Serpentinen bis zu einer großen Höhe angeordnet waren. In diese Galerien wird sonst niemandem Zutritt gewährt, aber wir fanden nichts besonderes, lauter veraltete gußeiserne Geschütze, die einem Angriff von der Seeseite kaum Widerstand leisten konnten.

In Gibraltar mußten wir unsere Uhren um mehr als eine Stunde zurückrichten. Die Stadt machte einen günstigen Eindruck, rein, zahlreiche Parkanlagen, einige schöne Gebäude, Denkmäler englischer Seehelden und Staatsmänner. Die Stadt ist zum größten Teil von Spaniern bewohnt, die auch gut italienisch sprachen, die Zivil- und Militärverwaltung natürlich englisch. Ein bis zwei Kilometer hinter der Stadt ist eine einige hundert Meter breite neutrale Zone, an welche sich das spanische Gebiet anschließt. Schon damals hörten wir in spanischen Kreisen von den Bestrebungen, die Rückgabe von Gibraltar seitens der Engländer an Spanien zu erlangen. - Doch damit hat es noch seine guten Wege.

Schon am ersten Abend unseres viertägigen Aufenthaltes in Gibraltar wollten wir uns von dem (übrigens ganz guten) Essen an Bord erholen und gingen in ein erstes englisches Hotel zur Table d'hote. Es war recht amüsant, uns mit den Engländern zu unterhalten, doch mir passierte ein Mißgeschick. Nach der dortigen Sitte mußte ein Gast das aufgetragene Huhn tranchieren, wobei die Wahl auf mich fiel. Ich war hiebei so sehr ungeschickt, daß es schon nahezu an „shocking“ grenzte. Mit Ach und Krach wurden die zerfleischten Teile weitergegeben. Ich nahm mir vor, im Leben nicht mehr an einer englischen Table d'hote teilzunehmen.

Ansonsten Arsenalbesuch, einige veraltete englische Kriegsschiffe wurden besucht, einen Lichtblick gab es: im Hafen lag der neue italienische Kreuzer „Fieramosca“, der viel Interessantes bot. Auch über die neutrale Zone gingen wir in das nächstgelegene spanische Städtchen (der Name ist mir entfallen) und erquickten uns dort an einem guten Chianti-Wein. Sonderbarerweise schloß sich mir auf meinen Exkursionen (mit Ausnahme der technischen) der Schiffskaplan Kasparek an, der zu mir eine besondere Vorliebe gefaßt zu haben schien (les extremes se touchent), katholischer Geistlicher und Jude. Aber er war ein umgänglicher Mensch, kein Fanatiker, Ceche, früher in Falkenau in Böhmen Kooperator, ich selbst auch schon damals Freidenker. Einmal, wir waren eine Gruppe von 5 Personen, auch Kasparek darunter, gelangten wir in ein Lokal, das wir erst nach dem Betreten als ein Freihaus erkannten. Entsetzt wollte der Kaplan die Flucht ergreifen, doch wir ließen ihn nicht alleine fortgehen, sondern gingen alle mit. Seitdem war er sehr vorsichtig beim Betreten von Lokalitäten.

Das Wetter war andauernd günstig, wir machten auch Spaziergänge bis zum südlichsten Punkt des Festlandes und konnten mit dem Feldstecher die gegenüberliegende afrikanische Küste mit der Stadt Ceuta sehen.

Nach Ergänzung der Kohlen- und Ölvorräte und nach Einschiffung von Proviant verließen wir nach viertägigem Aufenthalte in den Abendstunden den Hafen mit dem nächsten Reiseziel Portsmouth. Wir hatten uns gerade zum Abendessen in der Offiziersmesse niedergelassen, aßen vergnügt unseren Risotto, passierten das Kap Tarif und gelangten in den atlantischen Ozean, als Riesenwellen bei heftigem Winde unser Schiff erfaßten und in starke schaukelnde Bewegung versetzten. Der erste, der die Messe verließ, um seinen Tribut an den Meeresgott zu entrichten, war der Kaplan. Aber auch ich mußte mich bald darauf von der Tafel erheben, die noch folgenden Gänge verschmähend; ich begab mich auf das Oberdeck, wo mir leichter wurde. Trotz Wind und Seegang hielt ich oben einige Stunden aus und begab mich dann in die Kabine zur Ruhe. Ich war wirklich seekrank, hatte keinen Appetit, dafür aber Kopfschmerzen. Die liegende Stellung im Bett tat mir wohl, ich glaube, ich habe die ganze Nacht durchgeschlafen.

Am anderen Tage, als ich erwacht war und mich auf das Oberdeck begab (der Seegang und der Wind hatten noch nicht nachgelassen), war ich aufs höchste überrascht, als ich die drei anderen Schiffe unserer Eskader nicht mehr sah. Was war denn geschehen? Beim Einschiffen der Kohlen hatte der Lieferant unseren leitenden Maschineningenieur betrogen, indem er zu wenig und qualitativ schlechte Kohle (Staub) lieferte. Dies wurde erst nach dem Verlassen des Hafens von Gibraltar konstatiert, worauf die Meldung an das Eskaderkommando erstattet werden mußte, daß man mit den vorhandenen Kohlenvorräten nicht bis Portsmouth gelangen könne. Das Escaderkommando gab der „Stephanie“ den Auftrag, den nächsten spanischen Hafen (Kriegshafen) d.i. Ferrol anzulaufen und die Kohlenvorräte zu ergänzen. So fuhr die „Stephanie“ allein längs der portugiesischen Küste nordwärts bei stürmischer See, die sich erst beruhigte, als wir den Hafen von Ferrol anliefen.

In diesem Moment erschien mein Freund Kaplan Kasparek auf Deck, von der Seekrankheit befreit. Die Hafeneinfahrt von Ferrol erinnert an die von Pola, ebenfalls langgestreckt und durch Befestigungen an beiden Ufern leicht zu verteidigen. Wieder Territorialsalut von 21 Schuß und Erwiderung seitens einer Strandbatterie. Besuche unseres Kommandanten Schellander bei Hafenadmiral und sonstigen Würdenträgern, Gegenbesuche, Besichtigung des Arsenals und der im Hafen liegenden Kriegsschiffe. Zu Mittag Dinner an Bord des Hafenwachschiffes, zu welchem die ganze Offiziersmesse geladen war. Am Nachmittag machten einige Seeoffizieren einen Ausflug nach der nahegelegenen Stadt La Curuna, um einem Stiergefechte beizuwohnen.

Unser Aufenthalt galt nur der Kohlenergänzung und war daher von kurzer Dauer. Wir verließen schon am nächsten Morgen den Hafen, durchquerten den Golf von Biscaya, der ausnahmsweise sehr ruhig dalag, da das stürmische Wetter aufgehört hatte. Nach Passierung des Kap Ouessant liefen wir in den Kanal ein und nahmen Kurs auf Portsmouth.

Die Fahrt gestaltete sich jedoch sehr unangenehm: Unser Koch hatte in Ferrol für die Offiziersmesse ein halbes Schwein eingeschifft. Es erwies sich jedoch als im höchsten Grade trichinös, daher ungenießbar und mußte über Bord geworfen werden. Wir hatten einen ganzen Tag nichts zu essen, da auf unseren Wunsch der Schiffskommandant die Verabfolgung von Mannschaftskost (Konserven) nicht bewilligte. So kamen wir am Nachmittag des nächsten Tages hungrig auf die Reede von Portsmouth und vereinigten uns mit den übrigen Schiffen der Eskader.

Wir wurden von Booten, die Lebensmittel zu verkaufen hatten, umringt. Ich wählte eine Wurst, die sich aber als eine Pferdewurst herausstellte und mir widerstrebte, trotz meines intensiven Hungers. Anstatt nun ans Land zu fahren und uns in einem Restaurant zu erquicken, begab ich mich mit mehreren Offizieren, die mich als der englischen Sprache mächtig gut brauchen konnten, auf die gegenüberliegende Insel Wight, wo in Anwesenheit der Königin Victoria und des deutschen Kaisers Wilhelm II. Segelregatten abgehalten wurden. In später Abendstunde kehrten wir nach Portsmouth zurück, erschöpft, da wir seit mehr als 24 Stunden keine Nahrung außer trockenes Brot (Galetten) zu uns genommen hatten. Meine erste Sorge war, in der mir unbekannten Stadt ein Speisehaus ausfindig zu machen. Ein policeman führte mich auf die richtige Spur in das erste Stockwerk eines Hauses, wo uns eine behäbige Frau empfing. Wir waren etwa 5 bis 6 Gäste und bestellten die landesübliche Speise: Beefsteak. Die Zubereitung dauerte mehr als eine halbe Stunde. Mittlerweile tranken wir pale ale (helles Bier) und da uns dieses nicht schmeckte stout (dunkleres) und schließlich porter. Wir saßen gemütlich beisammen bis halb 12 Uhr nachts, um dann mit der letzten Dampfbarkasse (das Sammelboot für die Nachzügler aller Schiffe) an Bord zu fahren. Da traf ich auch Wassmundt, mit dem ich für den folgenden Tag den Besuch einiger Kriegsschiffe verabredete.

Da der Gesamtaufenthalt in Portsmouth für 5 Tage bestimmt war, von welchen „Stephanie“ mehr als 2 Tage versäumt hatte, mußte ich mich tummeln, um soviel als möglich von der ersten Kriegsflotte der Welt zu sehen und für meinen Schlußbericht zu verwerten.

Ich hatte von meinem Kommandanten ständig ein Boot zur Verfügung. Ich besuchte das Seearsenal und mehrere Kriegsschiffe, die mir besonders interessant schienen. An Bord wurde ich sehr liebenswürdig von den Offizieren begrüßt, sofort in die Offiziersmesse geführt und hier mit Cocktail traktiert. Erst auf wiederholtes Drängen ließen sich die Offiziere herbei, mir die artilleristischen Einrichtungen vorzuführen, doch sehr widerwillig und mit Einschränkungen. Alles bekam ich nicht zu sehen, so wurden mir beispielsweise die Visiereinrichtungen, die mich besonders interessierten, gänzlich vorenthalten. In Portsmouth lag auch das alte seinerzeitige Flaggschiff des Admirals Nelson, auf welchem er im Jahre 1802 bei Trafalgar den Sieg über die französische Flotte errungen hatte, vor Anker. Ein Holzschiff, Victory genannt, war es nun bestimmt, als Museumsstück und Sehenswürdigkeit zu dienen.

Ich hatte auch Gelegenheit, die schon damals sehr alte Königin Victoria, die etwa 10 Jahre später starb, zu sehen, als sie auf ihrer Yacht eine Rundfahrt auf der Reede, die als Besuch unserer Schiffe zu gelten hatte, unternahm. Die Yacht fuhr knapp an den Escaderschiffen vorbei, wobei sie durch Wantensalut und durch Hurrah-Rufe seitens der auf Deck stehenden Stabspersonen begrüßt wurde. Sie war, wie stets, in Schwarz gekleidet. Eine Hoftafel, zu der nur die Schiffskommandanten geladen wurden, auf Schloß Osborne auf der Insel Wight, bildete den Abschluß unseres Aufenthalts auf der Reede von Portsmouth. Die Anker wurden gelichtet und die Fahrt durch die Straße von Calais in die Nordsee angetreten.

S.M.Schiff „Tiger“ wurde in besonderer Mission nach Helder in Holland beordert, während S.M.Schiff „Stephanie“ nach Cuxhaven abgehen sollte, um auf dem dortigen Friedhofe einen Kranz für die in der Seeschlacht bei Helgoland gegen Dänemark gefallenen österreichischen und deutschen Marinesoldaten niederzulegen (1864).

An einem schönen Augustmorgen trafen wir in Cuxhaven ein, begrüßt von dem im Hafen liegenden seegehenden Artillerieschulschiff „Mars“. Der Tag hielt aber sein Versprechen bezüglich des Wetters nicht ein. Unter strömendem Regen begaben wir uns auf den Friedhof, woselbst sich auch die Offiziere und Mannschaften der „Mars“ eingefunden hatten. Unser Kommandant Schellander hielt eine Gedenkrede und legte den Kranz nieder. Es schlossen sich Ansprachen deutscher Offiziere an. Regendurchnäßt in unseren Galauniformen kehrten wir an Bord zurück. Zu Mittag vereinigten wir uns an Bord der „Mars“ zu einem erlesenen Verbrüderungsdinner. Besonders der germanische Nationalfisch Steinbutt mundete mir gut, von den Mosel- und Rheinweinen gar nicht zu reden. Am Nachmittag war das Fest zu Ende, wir kehrten an Bord zurück und verließen bei schönem Wetter Cuxhaven.

Auf der Höhe von Helgoland vereinigten wir uns mit dem übrigen Teil der Eskader, fuhren nach Norden längs der Westküste von Holstein, Schleswig, Jütland, durch den Skagerrak und Kattegatt und schließlich durch den Sund und verankerten uns bald darauf auf der Reede von Kopenhagen. Hier wiederholte sich alles in gewohnter Weise: Territorialsalut, offizielle Besuche, Besichtigung der Schiffe und des Arsenals, Besichtigung der Sehenswürdigkeiten der Stadt und der Umgebung.

Von besonderem Interesse war Thorwaldsens Museum, das ich zwei bis dreimal besuchte, dann die Gemäldegalerie in Schloß Rosenborg. Auch die Börse, ein prächtiges Gebäude am Kai, stand in meinem Programm. Einige Offiziere vom Adel wurden zum Hofdinner und zum nachherigen Hofball geladen und mit dem Danebrog-Orden dekoriert. Abends waren wir gewöhnlich im Tivoli (ähnlich unserem Prater). Dort kamen wir mit Kopenhagener Bürgern zusammen, die ihrer Sympathie für Österreich lebhaften Ausdruck gaben, dagegen ihre Antipathie gegen Preußen nicht verhehlen konnten. Wir blieben in anregender Unterhaltung bis zur letzten Dampfbarkasse an Land. Unser Aufenthalt in Kopenhagen währte 4 Tage.

Nachdem die Anker gelichtet waren, setzten wir unsere Reise fort mit dem nächsten Ziel Karlskrona, Kriegshafen an der Südküste Schwedens. Dahin begaben sich aber nur die drei Schiffe „Stephanie“, „Franz Josef“ und „Tiger“. Bei S.M.Schiff „Rudolf“ wurde ein Heißlaufen des Pockholzlagers der Schiffswelle konstatiert, so daß dieses Schiff direkt von Kopenhagen nach Kiel gehen mußte. Ein Schiffsbauingenieur wurde telegraphisch aus Pola nach Kiel beordert um die Ausbesserungsarbeiten im Dock zu leiten.

Ich habe vergessen zu berichten, daß wir des Kaisers 60. Geburtstag am 18. August an Bord des Schiffes „Stephanie“ durch eine Festmesse feierten. Mein Freund Kurat Kasparek leitete dieselbe, zu der Abordnungen der anderen Schiffe sowie der in Kopenhagen befindlichen dänischen Kriegsschiffe entsendet wurden. Als Vertreter des Königs von Dänemark erschien der alte Prinz von Schleswig-Glücksburg-Sonderburg in österreichischer Oberstuniform mit einem unmöglich hohen Czako, der allgemeine Heiterkeit erregte, an Bord. Natürlich war dieser Tag dienstfrei, alle Schiffe im Hafen hatten die große Flaggengala gehißt, Festdinner etc. etc.

Karlskrona, eine hübsche kleine befestigte Stadt, obwohl Schweden keinen ausgesprochenen äußeren Feind besaß, damals noch mit Norwegen unter einem Herrscher vereinigt. Eine ganz kleine Kriegsflotte, nichts bemerkenswertes an ihr. Hübsche Umgebung, ich machte auch kleinere Ausflüge ins Innere des Landes, bemerkenswert durch seine ausgedehnten und dichten Waldungen. Ich war in Ronneby und Lückeby, reizende Städtchen, aber die Bewohner sprachen nur schwedisch. In Karlskrona konnte man sich mit Not englisch oder französisch verständigen, mit deutsch kam man nicht vorwärts. Bemerkenswert sind die „Hindernisse“. Vor dem Dinner bedient man sich nach Belieben der auf dem Serviertisch aufgestapelten Vorspeisen: Sardinen, Schinkenbrötchen, Eier, Rauchfleisch, Butter, Käse etc. die man en masse verspeisen kann, ohne dafür zu bezahlen. Was mir aber um diese Zeit am besten gefiel, war das milde Klima und ich wäre sehr gern in diesem Land längere Zeit geblieben, wenn es möglich gewesen wäre. Wir blieben aber nur 3 Tage und begaben uns an unseren eigentlichen Bestimmungsort Kiel. Die Fahrt durch die Ostsee war sehr stürmisch und mein Freund Kurat Kasparekt blieb wieder unsichtbar, während ich die Überfahrt gut überstand.

In Kiel war mittlerweile „Rudolf“ unter Leitung unseres Schiffbauingenieurs Gattinger ins Trockendock gebracht worden. Die Zeitdauer der Reparatur wurde mit ca. 1 Monat angegeben. So lange mußten wir also in Kiel bleiben.

Unser Gegenbesuch in Kiel hatte auch den Zweck, mit der deutschen Flotte gemeinsam Flottenübungen auf der Höhe von Eckernförde zu veranstalten. Da der Admiral und der ganze Flottenstab von „Rudolf“ auf „Stephanie“ übersiedeln mußte, wurde ich von meinem Kommandanten veranlaßt, meine Kabine dem Stabschef zu überlassen. Mir wurde freigestellt, entweder in der Hängematte zu schlafen, oder für die Dauer der Übungen einen Urlaub von 14 Tagen zu nehmen. Ich wählte das letztere und beschloß, eine kurze Deutschlandreise zu machen. Das gleiche Los traf auch den Elektroingenieur Schaschl. Nach zwei- oder dreitägigem Aufenthalt in Kiel, der dem Besuch der deutschen Kriegsschiffe und der Schiffswerften galt, trat ich meinen Urlaub an, der mich zunächst nach Hamburg führte.

Ich verweilte in Hamburg etwa drei Tage, traf am letzten Tag meines Aufenthaltes dort Ingenieur Schaschl, der mich überredete, mit ihm Vergnügungslokale in St.Pauli (Altona) zu besuchen. In meinem Hotel merkte ich den Abgang von 100 Mark, nämlich 5 goldene 20-Markstücke, die ich mir für die Urlaubsreise reserviert hatte. Ich zeigte den Verlust bei der Polizei an, doch kam ich nicht mehr zu meinem Gelde.

Ich reiste sodann nach Berlin auf der damals schnellsten Eisenbahn (die Strecke wurde in drei Stunden zurückgelegt) Ich wohnte bei meinem Bruder Ignaz und seiner Gattin Klara. Mein kleiner Neffe Walter war damals erst vier oder fünf Jahre alt. Mein Bruder hatte damals die Gastwirtschaft eines Theaters in der Michaelstraße gepachtet. Ich mußte dort auch Dünn- oder Weißbier (Kühle Blonde) trinken. Nachdem ich die Sehenswürdigkeiten Berlins unter Führung eines Cousins meiner Schwägerin absolviert hatte, reiste ich nach mehrtägigem Aufenthalt dort nach Essen zur Besichtigung der Werke von Fried. Krupp.

Diese Firma war Lieferantin der k.u.k.Kriegsmarine, weshalb ich dort eine gute Aufnahme bei dem Direktorium und dem Chefkonstrukteur Ing.Krone fand. Unter Führung meines ehemaligen Kollegen Ing.Berka, der jetzt bei Krupp als Konstrukteur in der Abteilung für Schnellfeuergeschütze angestellt war, besichtigte ich die Fabriksanlagen, soweit sie für mich von Interesse waren und soweit sie nicht geheim gehalten wurden.

Von Essen fuhr ich über Münster, Minden nach Bremen. Die Sehenswürdigkeiten nahmen einen Tag in Anspruch. Natürlich war auch darunter der Bremer Ratskeller, der von Hauff in seinen „Phantasien“ verewigt wurde. In Hamburg hielt ich mich nur bei der Polizei auf, mit negativem Resultat. Dann kam noch Lübeck an die Reihe und als die 14 Tage um waren, war ich wieder in Kiel. Die Flottenmanöver waren zu Ende, „Rudolf“ lag noch immer im Dock, aber meine Kabine auf „Stephanie“ war schon frei. Wir blieben bis zum 29. September in Kiel, ich sah mir noch mancherlei an, so die Schiffswerft „Germania“, die Fabrikation der Kieler Sprotten etc. Um meinen Bedarf zu decken, nahm ich noch einen Gagevorschuß.

Nach mehr als einmonatigem Aufenthalt verließen wir Kiel am 29. September, fuhren durch den Großen Belt, Kattegat, Skagerrak, Nordsee, heimwärts in den Kanal La Manche und ankerten in dem französischen Kriegshafen Cherbourg. Die Aufnahme unserer Eskader war wohl eine korrekte, wenn auch nicht als Verbündete Deutschlands übermäßig freundliche. Überdies wurde, wie ich annehme, übel vermerkt, daß wir aus einem deutschen Kriegfen direkt einen französischen Hafen anliefen. Es wäre wohl angezeigt gewesen, um Empfindlichkeiten zu schonen, einen Zwischenhafen, etwa in Holland oder Belgien zuvor anzulaufen. Aber offiziell war der Verkehr korrekt. Es wurden uns auch Besichtigungen gestattet. Besonderes Interesse erregte das Kanonenboot „Flamme“, das mittschiffs auf Deck ein elektrisch betriebenes Geschütz besaß. Wiewohl unsere hydraulisch betriebenen Geschütze sich gut bewährten, wurden solche nur noch auf dem in Bau befindlichen Kreuzer „Kaiserin Elisabeth“ aufgestellt, während schon vier Jahre später ausschließlich elektrische betriebene schwere Geschütze auf den Schiffen der k.u.k. Kriegsmarine zur Installierung gelangten. Meinem Kollegen Ing. Schwanda passierte in Cherbourg ein Malheur: Er war so unvorsichtig, an Bord eines Kriegsschiffes sein Skizzenbuch zur Hand zu nehmen und sich einige Aufzeichnungen zu machen. Er wurde von einem Unteroffizier des Schiffes gestellt und entging nur mit Mühe seiner Verhaftung. Nach drei Tagen Aufenthalt verließen wir Cherbourg, fuhren durch den Atlantischen Ozean und den Golf von Biscaya, der sich diesmal von seiner normalen, nämlich stürmischen Seite zeigte. Mein Freund Kasparek war wieder einmal seekrank und erschien nicht zu den Mahlzeiten. Nach mehrtägiger Fahrt ankerten wir an der Mündung des Tejo in Lissabon, einer der drei europäischen Städte, die sich um den Schönheitsrang streiten. Die zwei andern Städte heißen Neapel und Konstantinopel.

In Lissabon fühlten wir uns schon wie zu Hause, da wir mit unserem Italienisch vorwärts kamen. Es gab dort sehr viel zu sehen, die vielen Kirchen, Denkmäler, Museen und die großen Plätze mit dem Pflaster, bei dessen Anblick man seekrank werden konnte. Pferde sah man wenig, nur Maultiere, die Straßenbahnen und Omnibusse mit solchen bespannt. Die Kriegsmarine unbedeutend, wenig sehenswertes, desgleichen das Seearsenal.

Ich sah mir in der Nähe von Lissabon einen Stierkampf an. Zum Unterschied von den spanischen Stierkämpfen endigen die portugiesischen nicht mit dem Tode des Stieres. Nachdem dieser eine Anzahl von Pfeilen im Nacken sitzen hat, werden einige Kühe in die Arena getrieben, die den Stier in ihre Mitte nehmen und mit ihm im Laufschritt die Arena verlassen. Der Stier wird dann ausgeheilt und nicht mehr zum Kampf geführt. Die Stierkämpfer sind ziemlich feige und springen häufig über die Barriere, allerdings werden sie dann geschmäht oder verspottet. In einem der Kämpfe mußte ein Roß sein Leben lassen, indem es von einem Stier aufgespießt wurde.

Die Portugiesen sind ein kleiner Menschenschlag, auch die Matrosen im Durchschnitt viel kleiner, als es unsere Matrosen waren. Dafür hat das Volk ein lebhaftes Temperament, ich habe an keinem Orte in den Gasthäusern einen so großen Lärm vernommen wie in Lissabon.

Die Lage der Stadt ist herrlich und zieht sich terrassenförmig gegen die Gebirgshänge. Weingärten und sonstige Prachtgärten überall (außerhalb der inneren Stadt) erfreuen das Auge. Viel Wein, wenig Wasser, dieses wird in porösen Steinkrügen aufbewahrt, wodurch es frisch bleibt. Ich kaufte mir zur Erinnerung zwei solche Krüge. In der Nacht, als wir Lissabon verlassen hatte, wurde ich durch ein heftiges Gepolter aus dem Schlafe geweckt. Bei den starken Rollbewegungen, die im Atlantischen Ozean herrschten, waren die beiden Krüge (besser gesagt Flaschen mit schmalem Halse) von der Etagere, auf der sie unversichert gestanden, herabgefallen und zerbrochen.

Am anderen Morgen, als ich aufwachte, ging schwere See, heftige Roll- und Schlingerbewegungen. Freund Kasparek blieb wieder unsichtbar. Das ging so fort bis wir die Meerenge von Gibraltar und den Felsen von Gibraltar passiert hatten und wieder in das Mittelländische Meer einfuhren. Das Meer war ruhiger, wir verbrachten die freie Zeit wieder mehr auf Deck, wenngleich das Wetter kühler war, es war ja Oktober. Wir fuhren tagelang, Meer, nichts als Meer. Wir waren schon ziemlich abgestumpft, die Gesellschaft war schon einander überdrüssig. Endlich, nach mehrtägiger Fahrt, ankerten wir in Palermo an der Nordküste Siziliens. Dies war der letzte ausländische Hafen unserer Eskader, da hieß es sich noch fleißig umzusehen und recht viel für den Schlußbericht zu sammeln. Nachdem alles sehenswerte gesehen war, durchstrich ich mit Freund Wassmundt die Stadt und die nächste Umgebung.

Zwei senkrecht zueinander stehende Hauptstraßen durchziehen die Stadt, der Kreuzungspunkt ist ein großer Platz (Quatro cantoni) mit einem Riesenbrunnen in der Mitte. Eine schöne saubere Stadt. Auffallend die große Zahl Fiaker, die uns Fußgänger ständig verfolgten und nicht Ruhe gaben, bis wir einen solchen Wagen bestiegen, um durch die Stadt zu fahren, die Stunde eine Lira. In einem nahegelegenen Kloster besichtigten wir die berühmten Katakomben von Palermo. Unterirdisch mehrere heiße Räume mir vertikalgestellten Holzbrettern, an denen die frommen abgestorbenen Patres hingen: Skelette, noch zum Teil mit Haut überzogen. Man zeigte uns einen vor 200 Jahren verstorbenen geistlichen Herrn, dessen Kopfhaar noch ziemlich gut erhalten war und dessen Gesichtszüge noch deutlich erkennbar waren. Die trockene Luft in den Katakomben hat die Leichen gut konserviert. Jedes Skelett ist fein säuberlich mit einer Nummer versehen und sind die näheren Daten: Name, Geburtsjahr, kurzer Lebenslauf, Todestag etc. in einem Buche verzeichnet. Ich muß sagen, daß mich dieser Ort aufs höchste interessiert hat.

Den vor den Toren Palermos liegenden Monte Peregrino, der eine Ähnlichkeit mit dem Monte Maggiore in Istrien aufweist, zu besteigen, hatte ich keine Lust, da es zu heiß war und die Besteigung nach Ansicht der Einwohner nicht lohnend sein sollte.

Nach etwa viertägigem Aufenthalt verließen wir den Hafen, fuhren an der prachtvoll gelegenen Stadt Messina vorüber in die Meerenge gleichen Namens, an Reggio di Calabria vorüber in das Ionische Meer, sodann in die Adria nach Triest. Um den 20. Oktober 1890 ankerten wir in diesem Hafen und hiemit hatte meine Eskaderreise den Abschluß gefunden. Wir drei Artillerieingenieure und Elektroingenieur Schaschl wurden auf S.M.Schiff „Tiger“ überschifft, das uns nach Pola brachte (Kommandant Rudolf Ritter von Brosch, der 1883 die Nordpolexpedition als Schiffsleutnant mitgemacht hat und jetzt Fregattenkapitän war).

Meine neue Dienstbestimmung war: Feuerwerksmeister in Vallelunga. Ich trat sofort meinen Dienstposten an, Oberfeuerwerksmeister war Ob.Ing. Riha. Bekanntlich war ich schon einmal, im Oktober 1888, zum Feuerwerksmeister ernannt worden, die Ernennung wurde aber wegen meiner Jugend damals rückgängig gemacht. Ich verfaßte meinen Schlußbericht über die Wahrnehmungen meiner dreimonatigen Einschiffung an das k.u.k. Reichskriegsministerium /:Marinesektion:/ und widmete mich nun voll meiner Aufgabe, der Beaufsichtigung der Munitionsherstellung. Ich war, wie mir später mitgeteilt wurde, ein gewissenhafter Ingenieur, ein wohlwollender, aber strenger und gerechter Vorgesetzter.

Im Munitionsetablissement blieb ich bis Anfang 1893. Die Amtsstunden waren sehr ausgedehnt, stets bis 4 Uhr nachmittag. Mai bis August Beginn um halb 6 Uhr früh, dann sukzessive abnehmend um je eine halbe Stunde, im Dezember und Jänner um 8 Uhr früh, dann wieder zunehmend bis halb 6 Uhr. Ich hatte als Feuerwerksmeister wiederholt Missionen zur Übernahme von Geschoßen, so in Edlach und Ternitz, welche Werke dem Schoeller gehörten, hauptsächlich aber in Streiteben in Kärnten, wo die Erzeugung von Stahlgranaten, die bisher von Krupp in Essen geliefert wurden, aufgenommen wurde. Mit Herrn Marine-Ob.Ing. Jenc, dem besondere Fachkenntnisse nachgerühmt wurden, war ich wiederholt dort, später war ich allein berufen, die Übernahme durchzuführen. Das gräfl. Thurn'sche Stahlwerk Streiteben liegt an der Drau beim Marktflecken Guttenstein (Station Prävali) und wurde damals von Oberbergrat Marischler geleitet. Ich wohnte stets in der Villa dieses Herrn, um mich besser meinem Dienste zu widmen. In der freien Zeit betrieb ich Touristik, da die Gegend herrlich war. Ich bestieg öfter den Ursulaberg (Ausläufer der Karawanken), von dem eine prachtvolle Aussicht zu genießen war. Mit den Honoratioren des Ortes (Pfarrer, Kaplan, Oberlehrer, Beamte des Werkes) trafen wir uns oft im Gasthaus, so daß ich schon zu den Ihrigen zählte.

Ende April 1892 war ich wieder in Streiteben, als mich aus Pola die telegrafische Nachricht von meiner Beförderung zum Ingenieur 2. Kl. (Hauptmann) ereilte. Die Nachricht verbreitete sich mit Schnelligkeit im Orte, Gratulationen von allen Seiten. Ich mußte etwas zum Besten geben, und zwar einen Bierabend den Sängern unter Leitung des Meisters des Stahlwerkes. Zwei Fässer Bier wurden unter Gesang vertilgt, ich war natürlich auch anwesend. Wir saßen zusammen bis in die frühen Morgenstunden, bis der letzte Tropfen geleert war. Am andern Tag gab ich ein Souper, ebenfalls im Gasthaus Kleinlercher, an welchem der Oberbergrat, Hauptmann Brundula, einige Beamte des Werkes, im ganzen 10 Personen teilnahmen. Ein auserlesenes Essen, Bier, Wein, Toaste, wie es eben bei solchen Gelegenheiten zugeht.

Mit meiner Beförderung haben sich meine materiellen Verhältnisse bedeutend gebessert. Im Jahre 1892 unternahm ich auch meine Urlaubsreise nach Prag, wo eine 100-Jahr-Gedenkfeier mit Ausstellung im Baumgarten stattfand. Überhaupt habe ich fast jedes Jahr meinen vierzehntägigen Urlaub ausgenützt.

So ging das Jahr 1892 zu Ende. Ich hatte noch als Feuerwerksmeister verschiedene Missionen in Fabriken, namentlich in Streiteben, wo ich schon fast als ein Bürger begrüßt wurde.

Anfang 1893 wurde ich als Feuerwerksmeister abgelöst und als Objektsingenieur in das Seearsenal abkommandiert. Artilleriedirektor war Ob.Ing. Abele, Detailingenieur Ing. Brandl. Neben sonstigen laufenden Arbeiten hatte ich hauptsächlich die artilleristische Ausrüstung des neuen Kreuzers „Kaiserin Elisabeth“, ein Schwesterschiff des „Kaiser Franz Joseph I“ zu besorgen. Ich hatte viel mit den besonderen Wünschen des zum Gesamt-Detailoffizier des Schiffes bestimmten Korvettenkapitäns Ritter von Jedina zu tun, der allerlei Mögliches und Unmögliches verlangte. Endlich war das Schiff fertig und konnte seine Missionsreise nach Ostasien antreten. Damit war aber auch meine Tätigkeit nach kaum 2 Monaten Arsenal beendigt.

In Gesprächen mit Ing. Brandl ließ dieser stets das Wort „Glückspilz“ fallen, so daß ich für mich eine angenehme Dienstbestimmung erwartete. Dies traf auch ein und einige Tage später wurde ich laut Hafenadmirals-Tagesbefehl zum k.u.k. Reichs-Kriegsministerium (Marinesektion) zur Dienstleistung bestimmt.

Anfang März 1893 reiste ich nach Wien ab, um den dort befindlichen Ing. Jedliczka abzulösen. Dieser blieb noch einen Monat in Wien, um mich gründlich in den Dienst einzuführen. Während dieser Zeit hatte ich kleine Missionen zu Pulverübernahmen in Felixdorf, zu Patronenhülsenübernahmen in Berndorf und zu Schießversuchen auf dem Steinfelde bei Wiener Neustadt. So kam ich wieder unter die direkte Leitung meines Gönners und Freundes Ob.Ing. Sikic.

Auf meinem Wiener Posten blieb ich bis November 1898. Hiebei gewann ich Einblick in das Getriebe der k.u.k. Kriegsmarine, nicht nur meines eigenen Faches sondern auch anderer Abteilungen, da alle Fäden in der Marine-Zentralstelle zusammenliefen. Ich war während dieser Zeit auch berufen, größere Missionsreisen zur Erprobung und Übernahme von Artilleriematerial vorzunehmen, so hauptsächlich zu den Skodawerken nach Pilsen, wohin ich mindestens sechs Mal im Jahre kam, nach Karlsruhe zur Firma Lorenz, nach Essen und Meppen zur Firma Fried. Krupp. Außerdem hatte ich wiederholt und mehrmals in Jahre die Pulverfabriken Mayr & Roth in Felixdorf, Dynamit Nobel in Poszony (Preßburg), Patronenfabriken Krupp in Berndorf, Keller in Hirtenberg, Zünderfabrik Lenz in Traisen, ferner Ternitz, Prager Eisenindustrie und Poldihütte in Kladno, Artillerie-Schießplatz auf dem Steinfeld, Manfred Weiß in Budapest, Schießplatz der Donau-Monitore in Erczi a.d.Donau zu besuchen. Dies wäre in Kürze bezüglich des Dienstlichen.

Im Privaten bleibe ich chronologisch.

Ich wohnte, da damals die Marine-Sektion in der Währingerstraße, Maria-Theresienhof, untergebracht war, im Hause Währingerstraße No.52 beim Juwelier Hendl, in dessen Familie ich freundschaftlich verkehrte, ansonsten mit den Verwandten Herczka, Herrnfeld und der Tante (Onkel Adalbert war mittlerweile verstorben und Heinrich Engel nach Amerika ausgewandert).

Ich lernte späterhin meine nachmaligen Schwäger Sigmund Schindler und Adolf Willheim kennen. Gelegentlich einer Urlaubsreise nach Prag Anfang Jänner 1894 hielt ich mich in Brünn auf, wo ich der Schwester Adolf Willheims, Frl. Adele Willheim, sowie ihrer Mutter Fr. Therese Willheim und den noch ledigen Schwestern Paula und Elsa vorgestellt wurde. Adolf Willheim und sein Bruder Moritz bewirtschafteten gemeinsam ein Gut in Schelletau bei Mähr. Budwitz. Frau Willheim übersiedelte im Feber 1894 mit den drei Töchtern nach Wien in das Eckhaus Praterstraße - Kaiser Josefsstraße (heute Heinestraße). Ich verkehrte viel in dem Hause und verlobte mich im April 1894 mit Frl. Adele.

Ich kam dadurch in eine große Familie:

Frau Therese Willheim (Witwe nach dem im Oktober 1893 verstorbenen Herrn Lazar Willheim), und deren Kinder

  1. Fanny Weiss (Simon Weiss, Spiritusraffinerie in Iglau)
  2. Jenny Broch (deren Gatte Ing. Broch auf dem Gute des Bruders meiner Braut in Schelletau beschäftigt)
  3. Charlotte Meissner (Ignaz Meissner, Zündholzfabrik in Triesch bei Iglau)
  4. Cilli Weiss (Julius Weiss, Realitätenbesitzer in Wien)
  5. Hermine Strakosch (deren Gatte Ingenieur in Wien)
  6. Amalie Schindler (Sigmund Schindler, Beamter der Länderbank)
  7. Adele (meine Braut)
  8. Paula
  9. Elsa
  10. Adolf, noch ledig, wiewohl damals schon Mitte dreißig
  11. Moritz, verheiratet mit Sidonie, geb. Boschan

außerdem eine Anzahl Kusinen und Kusins der Töchter und Söhne.

Am 15. Juli 1894 fand nach Erteilung der Heiratsbewilligung durch meine vorgesetzte Behörde die Trauung im Leopoldstädter Tempel durch Rabbiner Dr. Schmiedel statt. Zu dieser hatten sich außer meinen Eltern und Brüdern aus Prag sowie den Geschwistern, Schwägern, Nichten und Neffen und sonstigen Verwandten meiner Frau und meinen in Wien anwesenden Verwandten auch die Oberingenieure und Ingenieure der Marinesektion in Parade, an der Spitze Ob.Ing. Sikic eingefunden. Mein greiser Vater (er stand damals im 82 Lebensjahr) hat die Reise nach Wien in der heißen Jahreszeit gut überstanden, worüber ich außerordentlich glücklich war. Nach dem Hochzeitstage (nachdem sich die Teilnehmer am Feste zu einem Buffet im Hause meiner Schwiegermutter vereinigt hatten) traten wir unsere Urlaubsreise (14 Tage) an. Meine Angehörigen (Bruder Rudolf war während seiner Waffenübung als Reserveleutnant auf 3 Tage von Caslau (Tschaslau) nach Wien beurlaubt worden) kehrten tags darauf in ihre Heimat zurück.

Unser Urlaub erstreckte sich auf den Semmering und alle Kurorte des Salzkammergutes und schließlich nach Schelletau, wo meine Gattin noch einige Tage verblieb, während ich nach Wien zurückkehrte, wo mittlerweile unsere Wohnung in IX, Porzellangasse No.52 von Heinrich Bäck eingerichtet worden war.

Am Ostersonntag des Jahres 1895 kam unser Erstgeborener Ernst am 14. April zur Welt. Heller Jubel im Hause Sabath, besonders da acht Tage später, am 21. April, das Patenpaar Adolf Willheim und Fritzi Buchsbaum ihre Vermählung feierten.

Im Sommer 1895 mieteten Schindlers (die inzwischen nebst der ersten Tochter Marianne einen Familienzuwachs, Riesa, erhalten hatten) und wir eine gemeinsame Sommerwohnung in Mödling. Dort erhielten wir Besuch meiner Mutter sowie meiner beiden Brüder, auch der Vater Schindler kam zu Besuch aus Ung.-Hradisch.

Zum Stapellauf S.M.Sch. „Wien“ in Triest nahm ich Urlaub und reiste mit Bruder Rudolf und Schindler dahin, nebstbei besuchten wir Pola und Venedig. Es war eine sehr schöne, etwa achttägige Tour.

Ganz gegen meine Absicht kaufte mir Schwager Adolf Willheim an der Berliner Börse einen Schluß Aktien Dynamit-Trust und damit war das Schicksal der Mitgift meiner Frau besiegelt. Da bis Mitte 1895 die Börsen sehr fest waren, und Adolf sowie Schindler viel Geld an der Börse verdient hatten, kam ich notgedrungen auch hinein, aber zur Unzeit, da von diesem Momente die Papiere zurückgingen und am 9. November 1895 (dem schwarzen Freitag) mit einem Krach endigten. Der Großteil der Mitgift war verloren und der Rest bröckelte nach und nach ab. In meinem Optimismus überwand ich den Schlag, da meine Gage hoch genug war um Frau und Kind zu ernähren, aber Adolf Willheim und Schindler kamen arg ins Gedränge, da nicht nur die Gewinne sondern auch die Vermögensstände nahezu verloren waren. Es waren dies in meiner jungen Ehe sehr trübe Tage.

Aber das Jahr 1895 hatte auch seine schönen Zeiten. Besonders als wir mit dem viereinhalb Monaten alten Ernst eine Urlaubsreise nach Prag unternahmen und dabei unsere Eltern, Geschwister, den Vater aber leider zum letzten Mal lebend sahen. Am 21. November dieses Jahres starb er im 84. Lebensjahr nach kurzem Leiden. Ich reiste zum Begräbnis nach Prag, wo meine Angehörigen noch immer in der Neumühlgasse wohnten. Der Vater, den ich sehr verehrt hatte, war nicht mehr! Sein Begräbnis war zwar schlicht, aber eine große Menschenmenge beteiligte sich daran und der Prager Oberrabbiner hielt ihm einen warm empfundenen Nachruf.

Da wir einen Familienzuwachs erwarteten, mußten wir uns um eine größere Wohnung umsehen und mieteten im Hause Berggasse 30 eine Vierzimmerwohnung im zweiten Stocke. Im Jahre 1896 machte ich eine kurze Missionsreise nach Hirtenberg zu Fridolin Keller. Als ich Freitag, den 17. Juli zu Hause eintraf, mußte die Hebamme gerufen werden und bald darauf war mein zweiter Sohn Richard zur Welt. Ich telegraphierte meiner Mutter nach Prag, die tags darauf eintraf und einige Wochen bei uns verweilte. Als sie Anfang August nach Prag zurückkehrte und wir zur Bahn fuhren, begann der Wetterumsturz. Bis dahin war es sehr heiß gewesen, von nun ab den ganzen Sommer verregnet und kalt.

Im Sommer 1897 wurden wir von Schwager Adolf nach Dubrava in Ungarn (bei Angern an der Ferdinand-Nordbahn) eingeladen. Dieses Gut hatte er inzwischen gepachtet und bewirtschaftet und damit er nicht mit seiner jungen Gattin und der im Jänner 1896 geborenen Tochter Mitzi allein dort hause, uns gebeten, den Sommeraufenthalt dort zu verbringen. Für mich war dieser Aufenthalt etwas strapaziös, da ich täglich um 3 Uhr nachmittag nach Angern mit der Bahn und von da auf dem Zweirad nach Dubrava, ebenso frühmorgens per Rad von Dubrava nach Angern, sodann per Bahn Wien-Nordbahnhof fahren mußte; um 9 Uhr mußte ich bereits im Büro Währingerstraße sein. Zudem hatten wir in Dubrava stark unter der Gelsenplage zu leiden, da dieser Sommer sehr feucht war und im Marchgebiet Überschwemmungen herrschten. Meinen Urlaub verbrachte ich in diesem Jahr in Prag. Nachdem wir unseren Sommeraufenthalt in Dubrava beendigt hatten, fuhren wir alle samt dem Kindermädchen nach Prag und hatte namentlich die Großmutter mit den Kindern große Freude. Meine Frau und ich benützten die Gelegenheit um einen Abstecher nach Dresden zu machen.

Die Chefs der Marinesektion und Marinekommandanten unter denen ich meine Dienstleistung in Wien absolvierte, Baron Sterneck und später Baron Spaun, die erst in ihrem reiferen Alter geheiratet hatten, legten Wert darauf, daß die Marineangehörigen in ihrem Hause verkehrten und so fanden auch wir, meine Frau und ich, uns bei den gesellschaftlichen Veranstaltungen im ersten Stock, den Prunkräumen des Marinekommandanten, ein.

Im Herbst 1897 heiratete die Schwester meiner Frau, Paula, den Herrn Gustav Koralek. Das Dinner fand im Hotel Europa, Asperngasse, statt.

Im Frühjahr 1898 heiratete mein Bruder Rudolf das Fräulein Anna Karpeles in Dobruschka bei Chotzen (an der Staatsbahnlinie). Mit unserem Ältesten (Ernst), der drei Jahre alt war, fanden wir uns in Dobruschka ein. Es war ein wahrer Festzug zum Tempel, die ganze Stadtbevölkerung stand Spalier, da Herr Karpeles unter seinen Mitbürgern sehr beliebt war. Mit meiner Mutter und meinem Bruder Alfred trafen wir dort zusammen und lernten natürlich die ganze Verwandtschaft der Familie Karpeles kennen. Das Hochzeitsmahl dauerte von Mittag bis in die späten Abendstunden, die Anzahl der Gänge kann ich heute auch nicht annähernd angeben.

Im Sommer 1898 wurde mir von meinem Chef, Ob.Ing. Sikic, schonend mitgeteilt, daß meine Ablösung von Wien bevorstände und ich im Herbst nach Pola einrücken müsse. Vorher konnte ich jedoch einen zweimonatigen Urlaub nehmen. In den chronologisch aufgezählten Erlebnissen habe ich vergessen zu erwähnen, daß ich 1. Mai 1897 zum Artillerieingenieur 1. Kl. befördert wurde. Bevor ich meinen achtwöchigen Urlaub (nicht zweimonatigen) 1898 antrat, kam schon mein Ersatzingenieur aus Pola nach Wien und ich führte ihn einen Monat lang in den Dienst ein.

In Seewalchen bei Kammer am Attersee mieteten wir, die Familie Simon Weiss aus Iglau (mit drei Töchtern, Ella, Hedwig und Grete) sowie meine Schwiegermutter mit der damals noch ledigen Schwägerin Elsa eine ganze einstöckige Villa, wo wir einen angenehmen Sommer verbrachten. Auch meine Mutter besuchte uns dort für einige Wochen. Im Orte Attersee nahm auch die Schwägerin von Simon Weiss, Frau Julie Weiss, mit ihren Kindern, Frl. Ritschie (nachmals Frau Dr. Wachstein), Hermann und Sigmund (nachmals Dr. Weiss, vermählt mit seiner Kusine Ella und Besitzer des Sanatoriums Rekawinkel) Sommeraufenthalt, so daß wir eine große Gesellschaft beisammen waren.

Im September 1898 kam die Nachricht aus Genf, daß dort die Kaiserin Elisabeth von dem italienischen Anarchisten Luccheni ermordet wurde.

Nach Beendigung unseren Sommeraufenthaltes in Seewalchen reisten wir nach Wien zurück und trafen Vorbereitungen für die Übersiedlung nach Pola. Mein Nachfolger in der Marinesektion (dies mußte ich mit Verwunderung konstatieren) kannte sich trotz gründlicher Einführung in den Geschäftsgang noch immer nicht aus. Er wurde auch deswegen als unfähig bald darauf nach Pola abkommandiert und ein neuer Ersatz herangezogen.

Obwohl ich bis 12. November meine Wiener Wohnung geräumt haben mußte, wurde ich dennoch einige Tage vorher noch mit einer Mission nach Pilsen betraut. Sehr zu meinem Leidwesen, da ich die betreffende Geschützübernahme gegen den Protest des vorgesetzten Fregattenkapitäns über alle Maßen beschleunigte, was mir seine Ungnade zuzog. Unbeirrt hievon beendigte ich diese Mission knapp vor dem Termin.

Endlich reisten wir nach Pola ab, meine Frau, ich, zwei kleine Kinder und Berta Ferdini als Kindermädchen. Letztere war ein Familienstück, das schon seit Jahren bei der Schwägerin Amalie und später bei Paula bedienstet war. In Pola bezogen wir eine Wohnung in der Via Muzio im Hause Taschi als Nachbarn des Ing. Baumann. Ich bezog meine Stellung als Werkstättenleiter bei der Artillerie-Direktion des Seearsenals, ein sehr angenehmer Posten, auf dem mir meine Erfahrungen meiner Praxis bei Breitfeld, Danek & Co, Prag-Karolinenthal, sehr zustatten kamen. Übrigens blieb ich nur drei Monate Werkstätttenleiter.

Im Feber 1899 ließ sich der Oberfeuerwerksmeister in Vallelunga ein Verschulden zukommen, infolgedessen er pensioniert wurde. An seine Stelle kam Ob.Ing. Filla, als dessen Nachfolger ich auf das Artillerieschulschiff „Radetzky“ bestimmt wurde. Ich kam somit auf denselben Posten, den ich schon im Jahre 1888 bekleidet hatte. Mein Kommandant war Schiffskapitän Paul v.Pott, ein sehr strenger und gefürchteter Herr, Unterrichtsleiter Korvettenkapitän Karl Adamovic, ein Landsmann, Gesamt-Detailoffizier Korvettenkapitän Bersa und Artillerieoffizier Linienschiffsleutnant Emil Fath. Mit dem Kommandanten stellte ich mich von allem Anfang an auf guten Fuß, da ich auf seine erfinderischen Ideen einging und dieselben konstruktiv ausführte. Nur der Artillerieoffizier war mir zuwider und sollte meine Abneigung durch die Ereignisse des Jahres 1909, wie sich noch später zeigen wird, gerechtfertigt werden.

Mit der Gesellschaft in Pola hatten wir viele Verbindungen. Besondere Freundschaft hielten wir zu Artillerieingenieur Peter Rusch und den Elektroingenieuren Josef Schaschl und Wladimir Cermak. Diese vier Familien (uns eingerechnet) hielten Jahre hindurch treu zusammen.

Den Sommer 1899 verbrachten wir in Pola. Wenn es auch sehr heiß war, verging doch die Zeit sehr rasch. Frau und Kinder badeten recht fleißig in der Marine-Schwimmschule, an den Spätnachmittagen wurden Spaziergänge in die Umgebung unternommen, Konzertabende, gewöhnlich Mittwoch und Samstag im Casinogarten, verbrachten wir in Gesellschaft unserer Freunde.

Meinen vierzehntägigen Urlaub verbrachte ich mit meiner Gattin auf einem Radausflug in Krain. Meine Frau hatte sich nämlich auch ein Fahrrad angeschafft, da das Radfahren damals in Mode war. Beide Ehegatten Schaschl und Cermak huldigten dem Radsport, warum sollten wir zurückbleiben? Unser Radfahrurlaub erstreckte sich zunächst per Schiff nach Triest, sodann zu Rad nach Krainburg und Bad Veldes. Bei der Abfahrt über einen steilen Weg stürzte meine Frau vom Rad und zog sich leichte Verletzungen am Gesichte zu. Dieser Fall war sehr bedenklich, da meine Frau wieder in guter Hoffnung war.

Später, nach der Geburt meiner Tochter Annie hat sich meine Mutter in Prag die Geschichte zusammengereimt und uns Vorwürfe gemacht, daß meine Frau sich in ihrem Zustande aufs Rad gesetzt hat. Doch ist der Unfall ohne Folgen geblieben. Die Rückfahrt machten wir zum Teil per Bahn, per Rad, und von Triest aus wieder per Schiff nach Pola.

Im Dezember 1899 war in Pilsen bei den Skodawerken wieder eine artilleristische Erprobung, zu welcher mein Kommandant und ich, sowie von Wien Ob.Ing. Sikic kommandiert wurden. Für mich war dies die erwünschte Gelegenheit, mit meinem Kommandanten mich näher vertraut zu machen. In Pilsen waren wir drei wie gewöhnlich im Gasthaus Knobloch, wo das beste Pilsner Bier zu haben war.


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