Grete Schröfl - Robert Schröfl: Korrespondenz


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Wien, 4. XII.1920

Mein Liebster!

Herzlichen Dank für Deinen lieben Brief vom 1. XII. Bin recht froh, daß er wieder in besserer Laune geschrieben wurde als die beiden Tage vorher. Mir scheint, da ist’s Dir so ähnlich ergangen wie mir beim ersten „Cakes“ backen hier im Geschäft. Heute geht’s mir aber nicht viel besser. Hab’ schon gestern mittag angefangen und bin nochj nicht fertig. Das Holz kocht, das Wasser läuft heraus und brennen tut’s natürlich nicht. Weiß nicht, ob das Zeug heute noch fertig wird! Aber geärgert hab’ ich mich nur einmal und nicht wieder. Es nützt ja nichts! Man wird dabei nur sich und anderen zur Qual!

Wie waren die Herren mit der Besichtigung der Arbeit zufrieden? Hoffentlich waren sie nicht auch nervös. Ihr scheint ja alle nur aus Nerven zu bestehen, noch dazu aus unbrauchbaren!

Freut mich aber, daß Du durch den „sonderbaren“ Traum ein bißchen besserer Laune wurdest. Ich habe vor Kurzem aber wirklich sonderbar geträumt. Ich träumte Montag früh, daß ich von Br. Fuhriman einen Brief erhielt, worin er schreibt, ich soll kommen. Dienstag erhielt ich den Brief von ihm und - das Sonderbare - er schreibt, wenn auch nur im Scherz, ich soll kommen. Du siehst, meine Träume werden sogar manchmal wahr. ’s ist mir aber übrigens nie vorher passiert. Etwas aber war sonderbar. Als Fuhriman das erste Mal von uns Abschied nahm, war’s, wie wir alle und auch er selbst meinten, für immer. Ich aber fühlte, daß ich ihn wiedersehen werde und mein Gefühl täuschte mich nicht. Schon nach drei bis vier Wochen schrieb er mir, daß ihn Präs. Cannon beauftragte, wieder nach Wien zu kommen. Heute beendete ich seinen Brief. Hat gar nicht so lang gedauert wie das letzte Mal. Bin aber auch gar nicht zufreieden mit ihm, das mußte ich ihm doch schnell sagen. Dr Brief war schon beinahe so, daß er mich an Wenty gemahnt. Er fühlt sich fremd zu Haus, kommt sich vor wie ein verlorenes Schaf u.s.w. Lauter Gejammer! Zu guter Letzt meint er gar, nun da ich Dich habe, werde ich ihn ganz vergessen! So ein Unsinn! Ich glaube aber, ich werde meinen erstgefaßten Plan, Dir den Brief schriftlich zu übersetzen, nivcht ausführen, sondern lieber warten, bis Du kommst und ihn Diur dann vorlesen. Vorlesen muß ich ihn Dir natürlich, weil auch für Dich etwas drinnen steht. Nun, Schatz, Du hast schon wieder über die Post geschimpft und sie kann doch nicht dafür, wenn ich so wenig Zeit habe. Montag werde ich wieder zu Olga gehen, damit sie nicht wieder schauen muß, ob ich noch lebe. Nun, Liebster, den Bericht über Deine Arretierung in Rußland bekam ich nicht! Wie’s scheint, werden wir also zu Weihnachten ziem,lich viel zu reden habern. Bin schon neugierig, wielange wir Zeit haben werden. Wenn Olga novhmals sagt, daß wir verrückt sind, werde ich sie ruhig reden lassen. Denn ob sie und Bernhard sich jeden Tag sehen oder nicht, geht mich doch nichts an. Im übrigen aber habe ich die Gewohnheit, derartige Dinge ganz einfach nicht zu hören. Zu beleidigen bin ich überhaupt sehr schwer. Fuhriman hat einmal mit Gewalt versucht, mich bös zu machen. Da sagte ich ihm, er würde das nie zu Stande bringen. „Oh, wenn ich wirklich will, Sie werden gleich beleidigt sein.“ - „Nun, dann probieren Sie’s einmal! Von Menschen, die ich lieb habe, laß ich mir alles gefallen und die andern sind mir zu dumm um mich beleidigen zu können!“ Da hat er’s dann gelassen.

Also meinst Du, ich hab’ Unrecht mit meinem Urteil über Deinen Kameraden? Na, ich nehm’ es aber doch nicht zurück. Wenn er nicht „wirklich dumm“ ist, dann soll er sich schämen, Langeweile zu empfinden.

Schau, manchmal kommt auch ins Geschäft so ein ganz junger Mensch (22.-25. J.), der ist zwar auch sehr gebildet, abver so blasiert, daß ich mich immer über ihn ärgern muß. Diese Art Leute sind trotz alles Wissens - nicht Weisheit - doch wirklich dumm. Sie besitzen nicht die nötige Lebensklugheit, sich die Genüsse des Lebens richtig einzuteilen, sondern genießen so viel, daß sie dann übersättigt sind, an nichts mehr Gefallen finden und ihnen alles, und wär’s noch so schön, schal erscheint. Das soll aber kein Urteil über den „langweiligen Alois“ sein. Denn ich glaube nicht, daß er zu der Sorte gehört. Es fiel mir nur eben ein.

Dein Reisebericht hat mich sehr belustigt. Ich dachte nicht, daß mein kleiner Robert auch so kleinlich ist, sich vor andern als etwas aufzuspielen, was er nicht ist! Wird also nur von Nutzen gewesen sein - die Seekrankheit! Gelt, Schatz?

Nun Schluß, muß mein Buch noch in Ordnung bringen. Leb wohl, Liebling! Mit innigen Küssen,

Deine Gretel

Mähr.-Ostrau, 5. XII., abends

My Dear!

Verzeih, wenn ich auf einem Serviettenpapier schreib’, doch hab’ ich nichts anderes und schreiben muß ich, obwohl eigentlich gar nichts vorgefallen seit Mittag. Aber diese, wenn auch einseitige Plauderei mit Dir, mein Liebes, ist nötig!! Hab’ nun schon alles versucht, bin spazierengegangen, war im Bahnhofsrestaurant, nichts hilft - na, Du weißt ja, verrückt. Und für diese Verrücktheit is ka Kräut’l g’wachsen, außer Dir. Was bist Du eigentlich für ein Kräut’l? Heute hatte ich, geradezu eine Ironie, den ganzen Tag das Lied „Wo Du hingehst“ im Kopf. Und geh’ doch immer weiter von Dir. Aber das wird wieder eine schnelle Montage. Heute nachmittags habe ich so ein bißchen Ahnung von der Arbeit bekommen. Wenn’s gut geht, in einem Monat.

Gegenüber von mir ißt eine Frau eben mit ihrem Mäderl das Nachtmahl aus einem Häferl. Es ist geradezu rührend, wie andächtig das kleine bleiche Ding an seinem Erdäpfel nagt. Wenn das in Österreich wäre und es ein Ausländer sehen würde, wäre gewiß wieder in einem englischen oder amerikanischen Blatt ein Artikel über die armen Kinder. Aber es gibt auch hier solche, wie überall.

Mir scheint gar, ich krieg einen Schlaf! Wunder ist’s zwar keines - die heutige Nacht geht wieder drauf, aber dafür morgen. ’s ist übrigens morgen Feiertag und wer weiß, ob ich Quartier bekomme.

Ich ärgere mich über die viele Zeit, die heut’ vertandelt worden ist. Wenn wir die nur hätten! Werd’ jetzt ein bisserl schlafen, wenn’s geht. Fortsetzung folgt, wo, weiß ich noch nicht.

Viele Bussi,

Dein Boy.

12 Uhr nachts. Habe recht gut geschlafen, da weckt mich so ein ekliger Polizeiagent auf betreffs Paßrevision. Das ist schon das zweite Mal heute. Der Zug geht nach 5 Uhr morgens. Viele 1000 Küsse,

Obiger

Wien, 6. XII.1920

Mein Liebstes!

Heute erhielt ich, wie fast jeden Montag, zwei Briefe, und zwar vom 2. und 3.d. M. Mußt schon verzeihen, wenn Du jetzt öfter „durchfällst“. Du weißt, ich habe viel zu tun. Und wenn Du auch nach Feierabend noch arbeiten mußt, muß ich mich eben auch gedulden! 16 Tage noch Geduld! Aber es gab eine Zeit, da mußte ich noch viel länger warten!

Daß Du mir früher schreibst, wann Du kommst, erwartete ich auch. Ich dachte nur, es sei vielleicht irgendetwas Unvorhergesehenes eingetreten, so daß Du herfahren mußtest.

Es tut auch mir leid, daß ich Rudolf nicht besser kennen lernte, doch ist ja noch Zeit, dies nachzuholen. Und wenn Du hier bist, ist’s für mich viel leichter. Du weißt doch, was ich für ein dummes Ding bin. Mit Olga war die Sache viel leichter. Sie ist doch ein Weib! Da findet man sich auch leichter. Mit Männern aber sprach ich selten mehr als das unbedingt Nötige.

Nun fand ich doch noch keine Zeit mit Papa zu plaudern. Aber, daß wir uns nicht vertragen würden, glaub’ ich nicht. Warum auch?

Br. Niederhauser ist zwar kein Deutscher sondern ein Schweizer, aber einen Kopf hat er wie Eisen. Und doch, oder gerade deshalb, haben ihn seine Hoffnungen nicht getrogen! Er hat jeden Widerstand bezwungen und ALLE zur Überzeugung gebracht, daß sie unrecht haben. So erfolgte denn gestern in der Fastversammlung eine allgemeine gegenseitige Abbitte, bei der Thilde den Anfang macht, Karl fortsetzte. Dann folgten der Reihe nach alle, die an den Mißhelligkeiten irgendwie beteiligt waren.

Du siehst, Schatz, Br. N. wirkt; trotzdem er anscheinend nichts untersucht, nicht urteilt noch verurteilt, bezwingt er alle. Soviel ich beurteilen kann, hatten wir seit Br. Rocko noch keinen so guten Missionar hier. Ich meine natürlich jetzt nicht gut als Mensch, als Charakter, sondern gut für die Sache, obzwar das im Grunde genommen kaum zu trennen ist. Als schlechter Mensch könnte er doch kein so guter Missionar sein. Aber umgekehrt kann ein Mensch noch so gut sein und sich doch nicht in der Weise zum Predigen eignen wie Br. N. Auf jeden Fall bin ich froh, daß die Dinge sind, wie sie sind. Bleibt es so, dann haben wir wohl alle profitiert davon. Vielleicht werden wir in Zukunft klüger sein und uns nicht gegenseitig das Leben verbittern und schwermachen.

Gestern schickte ich am meinerstatt Br. N. mit Mutter ins Konzert, weil ich der Theaterprobe wegen nicht gehen konnte. Und seine Freude hat mir fast mehr Genuß bereitet als sonst das Konzert! Wir haben uns übrigens zu Haus recht gut unterhalten. Konrad erzählte Helene nach der Probe von der Zeit im Felde und 146 oder 187 Gedichten, die er während der Kriegszeit machte. Eines sogar mit 56 Strophen. Nun, Helene zeigte großes Interesse und Konrad war in seinem Element.

Wann das Fest ist, weiß ich immer noch nicht. Ich wünsche und hoffe am 25. Unser Quartett ist überhaupt nicht besonders schwer! Nur muß ich eben einen Sopran haben, der die schwindelnde Höhe des „gis“ erreicht. Nun, ich hoffe, er ist in Frau Hon gefunden. Natürlich müssen wir einige Male zusammen proben, wegen des Einsatzes. Ein G’frett ist’s nur mit den Proben überhaupt, weil keines Zeit hat. Frau Hon hat sich Mittwoch anstatt zu kommen mit ihrem Herrn Gemahl gestritten, ob sie um 7 oder um 8 Uhr kommen soll. Franz konnte gestern vormittag nicht proben, weil wir bei uns Priesterratsversammlung hatten. Nachher ist seine Frau fortgegangen und er mußte auf Klein-Lenchen aufpassen. Es folgt wie immer der Stoßseufzer: „’s is a Kreiz mit meine Leit!“ Aber noch machen sie mich nicht nervös!! Das kommt erst! Wahrscheinlich bis Du kommst, damit Du mal eine Idee kriegst, wie ich bin, wenn ich nervös bin!

Freut auch mich, wenn Wien viel Arbeit hat, aber ob auch das dazu nötige Material vorhanden ist!? An Dein Fortgehen will ich aber doch lieber jetzt schon denken, sonst, wenn’s zu überraschend kommt, ertrag ich’s nicht! und muß doch!

Mit meiner Freude auf den 22. bin ich aber jetzt nicht allein in Wien. Erst gestern abends sagte Br. N. etwas (?) vom 22. Ich hatte nicht aufgepaßt. „Der ist für uns, Schwester Mühlhofer!“ Dabei ist er ganz „freudige Erwartung“. Und siehst, bei anderen kommt mir das, wenn auch verständlich, doch immer ein bißchen komisch vor. Dann kommt es mir ganz verzeihlich vor, wenn uns die Leute verrückt nennen.

Nun, Schatz, wie ich sehe, begegnen sich unsere Gedanken wieder einmal bezüglich des Briefs von Br. Fuhriman. Ich habe nämlich wirklich nicht Zeit jetzt! Du, ich bin überhaupt sehr ungezogen. Eine meiner Kusinen hatte am 13.v. M. geheiratet und ich habe ihr bis jetzt noch keinen Glückwunsch geschickt! Das ist doch eine saumäßige Wirtschaft, nicht?

Ja, Liebstes, ich glaube fast, Du hast recht, daß mein Bravsein und die Folgsamkeit nicht zu oft vorkommt. Wenn Du’s natürlich in der Weise meinst.

Weil wir aber just bei dem Punkt sind! Frau Dont erzählte mir gestern, daß Emmy wahrscheinlich noch vor Weihnachten nach Bayern fahren muß oder wird. Frau Dont hatte gestern wieder recht viel geweint.

Na weißt, Liebster, mir ist’s zwar nicht „wurst“, wenn man Dich gleich wieder wegschickt, aber wenn’s schon sein muß, bleibt sich’s vielleicht wirklich gleich, wohin Du gehst. Habe mir eben die Lunge herausgeblasen, verlor’ne Müh’!

[Schluß fehlt]

Dienstag, 7. XII.20

Liebste Gretel!

Nun ist die Einschalterei endlich vorüber, einen Tag früher sogar, also wir dachten, und unsere Korrespondenz kommt wieder ins alte Geleise. Alles klappt und wenn’s so fort geht, komm ich wahrscheinlich schon um einige Tage früher. Doch freu Dich nicht drauf! Morgen ist Feiertag, aber ich setzte alle Hebel in Bewegung, daß ich mit meinen Leuten arbeite, trotzdem das Werk steht. Außer den Hochöfen natürlich, denn da geht’s ununterbrochen.

Nun zur Beantwortung Deines lieben Briefs vom 4. Recht bedaure ich Dich mit Deinem Kochen. Hab’s doch selbst oft erfahren, wie’s ist, mit nassem Holz zu heizen.

Ob die Herren nervös waren, weiß ich nicht, da ich sie gar nicht gesehen. Na, übermorgen kommen sie ja wieder, werde dann schauen. Daß wir hier aber alle nur aus, sogar unbrauchbaren Nerven bestehen, glaub’ ich doch nicht, obwohl ich Nerven als Gebrauchsartikel nicht kenn’, höchstens beim Zahnarzt braucht man einen, das hab’ ich aber selten. Es wär’ übrigens gar kein Wunder, wenn man manchmal an der Seite Herrn Kulhaneks anziehen möchte. Aber das macht nix, deswegen hab ich ihn doch gern.

Nun haben wir mit Br. Fuhrimans Brief wieder gleiche Gedanken gehabt. Werde gerne warten.

Wie lange wir Zeit haben werden um uns auszuplaudern, weiß ich leider selbst noch nicht, doch erwarte ich jeden Tag Nachricht von Schuckert. Auf 8 Tage aber rechne ich bestimmt.

Eben fällt mir ein, daß ich Dir gar nicht mitgeteilt hab’, daß ich vom Karl H. eine Karte bekam. Freut mich, daß er antwortete. Von Emmy natürlich keine Antwort bekommen. Aber ein drittes Mal schreibe ich nicht! Dies ganz ohne Trotz, doch muß ich annehmen, daß Emmy nicht antworten will.

Deine Ansicht über die Einteilung der Genüsse des Lebens (aber bitte nicht vielleicht auch Gemüse zu lesen) teile ich vollständig mit Dir. Erinnere mich, daß auch Mama mir so ähnliches sagte betreffs des Lebens.

Also dachtest Du nicht, daß Dein kleiner Robert ein Seebär sein wollte? Du siehst also, oder wirst vielmehr noch vieles sehen, was Du Dir nicht dachtest. Beuge mich aber reumütig unter Thildes Ratschläge und sehe aus Deinen Worten, daß Dich also die Kälte doch nicht so zusammenschrumpfen ließ, denn dann könntest Du Dich denn doch nicht so groß fühlen.

Nun hab ich eben Deine liebe Karte vom 3. vorgefunden und zwar, auch ganz sonderbar, ohne Marke mit dem ganzen Wiener Poststempel, ohne Strafgebühr.

’s ist nur gut, daß Du einsiehst, daß Du mich nicht so lange warten lassen darfst, doch wenn Du viel Arbeit hast, dann wart’ ich halt. Bin wohl auch nicht braver gewesen, obwohl eben auch hier die Arbeit der Grund. Nun aber wird’s meinerseits nicht mehr vorkommen.

Wie geht denn das Lied? Bin schon neugierig, wie unsere erste Probe ausfällt. Es ist möglich, daß ich doch bis 19. in Wien bin, wann fährt Br. Niederhauser fort? Ob ich aber dann das Lied so schnell kann? Dann auch wegen der bengalischen Beleuchtung. Frage bitte Papa, ob er nicht weiß, aus welchen Bestandteilen dieselbe gemacht wird. Auch mein Briefpapier geht zu Ende. Gute Nacht, träum wieder etwas Schönes! Mit den innigsten Küssen,

Dein Robert

Mittwoch, 8. XII.20

Meine Gretel!

Nachdem der Brief von gestern noch immer auf dem Tisch lag, als ich abends nach Haus kam, will ich Dir heute gleich einige Zeilen beilegen. Wirst mich vielleicht doch hinauswerfen, wenn ich Dich durch meine Schuld so lange warten lasse, da muß ich Dir gleich sagen, daß ich wahrscheinlich schon am 18. in Wien bin. Werde mit Herr Kulhanek fahren. Kind, wie freu ich mich aufs Wiedersehen. Glaub nun schon selbst, daß ich verrückt bin. Heute hab’ ich von Olga einen sehr lieben Brief bekommen. Diesmal sogar mit einem Urteil über Dich. Die Antwort liegt bei. Freu’ mich, daß unsere, Olgas und meine Ansichten doch übereinstimmen, trotz Atheismus und Theismus. Auch schrieb mir Olga, daß die Bekanntwerdung Rudolfs und Bernhards wahrscheinlich peinlich war für Dich, da ja eben Olga mit einer Kunde beschäftigt war. Zu Weihnachten fahren wir zu Rudolf. Frag’ Dich gar nicht, ob Du willst, aber willst schon, gelt, Schatz? Über Urlaub noch nichts erhalten.

Nun Schluß und Kuß, Dein Dich sehnsüchtig wiedersehenwollender

Robert

Wien, 9. XII.1920

Liebster!

Wie Du siehst, wurde trotz meines guten Willens auch gestern nichts aus meinem Schreiben. Dafür aber kann ich Dir die erfreuliche Mitteilung machen, daß der Sopran unseres Quartetts bereits sattelfest ist. Frau Hon kam gestern endlich einmal zur Probe. Das erste Mal. Aber wie ich erwartet hatte, konnte sie’s auch gleich aufs erste Mal.

Abends sollten wir dann Theaterprobe haben. Natürlich hat wieder eines fehlen müssen. Edi ist nicht gekommen. Konrad aber war wieder glänzender Laune. Wir haben den ganzen Abend gelacht.

Allerdings nicht genug für ein Jahr. Ich glaube, soviel wie damals bei Huber werde ich wohl im Leben nicht wieder lachen, war aber auch urkomisch, wenn Fritz immer wieder auf dem Boden lag ohne das vorgesteckte Ziel je zu erreichen. Werde Dir das einmal erzählen, wenn’s mir gerade einfällt.

Momentan ist’s recht kalt bei mir, weil ich heute gar nicht heizte und auch nicht die Absicht habe, es zu tun. Bitte also zu entschuldigen, wenn mein Gehirn der Kälte wegen seine Funktion manchmal einstellt. Nun zur Beantwortung Deines Briefes vom 4. und der lieben Karten vom 5. und 6.

Vor allem also, wenn man sich über etwas ärgert, dann schreibt man nicht gleich. Das zieht nämlich gewöhnlich die unangenehme Folge nach sich, daß einen das Geschriebene dann reut. Meinst Du nicht, Schatz? Wenn sich’s um die Art handelt, bin sogar ich gegen das Schreiben. Übrigens hat sich Olga durchaus nicht in einer mir unangenehmen Art geäußert. Und von ihrem Standpunkt gesehen, hat sie auf jeden Fall recht. Wäre mein Fühlen und Denken auf denselben Grundlagen aufgebaut wie das ihre, hätte ich vermutlich auch dieselben Ansichten.

Also meinst Du nicht, Liebstes, daß ich mit Deiner Antwort sehr unzufrieden gewesen wäre? Na, werden ja sehen! Betreffs meiner „Bekehrung“ zu Deinen Ansichten meinte ich auch nicht, daß Du versuchen solltest oder würdest mir dieselben aufzudrängen, sondern daß, wenn mir dieselben ganz logisch erscheinen, die Bekehrung von selbst erfolgt. Zwar wird die wirkliche Logik immer angezweifelt, aber da mein Mütterlein so manches Mal schon die Behauptung aufstellte: „Du bist grad so dumm wia a Mann!“ Sehr schmeichelhaft für das starke Geschlecht, gelt? Also vielleicht ist um dieser „Dummheit“ willen auch ein wenig Logik in mir.

Mit Deinen anderen Ausführungen wirst Du wohl recht haben. Br. Niederhausers Frau sagte ihm zwar einmal, es wäre viel schöner, wenn sie sich manchmal streiten würden, denn sie hat gehört, daß die Versöhnung dann so schön sei, aber - meine Ansicht geht nicht dahin.

Sag, Liebling, ist es nciht eigentlich eine sehr unrichtige Auffassung, daß man mit denen, die uns nahestehen, weniger höflich sein darf als mit Fremden? Es ist dies zwar Regel und auch ich mache keine Ausnahme davon, aber eigentlich recht finde ich’s nicht. Und doch hat auch mein Bruder, den ich als Kind höher und unfehlbarer einschätzte als irgendjemand anderen zu Valerie gesagt: „Je weniger Dujemand leiden kannst, desto höflicher mußt Du mit ihm sein.“ Ich glaube, Valerie war einmal genau so ein mürrisches Ding wie ich selbst.

Betreffs des „gemeinsamen Schaffens“ hast Du das Ding man wieder von der schlechten Seite genommen. Ich liebe es aber, wenn irgend möglich, alles von der guten zu betrachten. Eben darum, weil wir’s auch nicht ändern werden und ich grundsätzlich jeden Anlaß zum Ärger zu vermeiden trachte. Wo wir am ersten Feiertag sein weden? Wahrscheinlich in der Hirschengasse. Aber wie wir uns die Sache einteilen werden, daß die Deinen nciht zu kurz kommen, weiß ich vorläufig noch nciht. Daß Do so viel arbeit hast, ist mir nur recht. Da hast Du doch nicht Zeit immer an Wien zu denken und das Warten wird erträglicher?! Nein, ich bin nicht bös, weil Du vergessen hast den brief aufzugeben. Nebstbei bemerkt, bin ich überhaupt nie bös. Wenn mir etwas nicht recht ist, werd’ ich’s Dir sagen, aber bös sein werd’ ich nicht. Das hat doch keinen Sinn. Hierin bin ich ganz der Ansicht meines Bruders. Einmal waren Robert, meines Bruders Freund, und drei junge Damen, von denen die älteste

[Schluß fehlt]

Donnerstag, 9. XII.20

Mein Lieb!

Nun ist’s heute wieder früher Schluß geworden. Das ist recht gut, denn ich brauch ja Zeit, um Deinen heute erhaltenen Brief vom 6. und einen von Olga zu beantworten. Letzterer ist Antwort auf meine „wutige“ Karte. Meine Wut ist übrigens schon verraucht, als ich aus Olgas erstem Brief ersah, daß sich die ganze Sache anders verhielt als ich dachte. Aber eben, mein Kind, weil ich glaubte, daß es Dich etwa kränkt oder unangenehm ist, ärgerte ich mich, wußte ja nicht, wie Du Olgas Ansichten aufnimmst oder auffaßt. Sehe aber, daß Du auch hier, wie immer, die Gute, meine Gretel, bist. Eigentlich drängt es mich weiter über die Sache zu sprechen, wenn auch schriftlich, doch laß ich’s lieber bleiben, bis wir mündlich darüber sprechen können. Ob’s mir da ebenso leicht fällt, weiß ich zwar nicht. Du schreibst mir, daß ich weiß, was Du für ein dummes Ding bist. Nun, Liebchen, ich glaub’, daß wir auch hier recht zusammenpassen, den mit dem Gesprächigsein geht’s auch mir herzlich schlecht. Und doch beneide ich die Leute, die etwas Empfundenes in Worte kleiden können um das den Nebenmenschen mitzuteilen. Aber mit Dir, Schatz, wird’s schon gehen mich recht auszusprechen, alles was ich am Herzen hab’! Ich weiß nicht, ob Olga Karten bekommt zur Beethoven-Feier, aber wenn, dann wird’s mich recht freuen, wenn Du gehst. Würde so, so gern auch dabeisein.

Auch schrieb mir Olga, daß Papa bei Rudolf einen Ohnmachtsanfall, welcher mit starkem Nasenbluten geendet hat, bekommen. Das beunruhigt mich sehr, denn Papa ist ja schon, wenn auch rüstig, so doch alt. Hoffe nur, daß es bei diesem einen Anfall bleibt.

Daß Br. Niederhauser mit seinem eisernen Kopf den ganzen Unfrieden ausgeräumt hat, freut mich. Glaube auch, daß ihm das dadurch gelungen ist, weil er sich eben für die Ursachen nicht interessierte, sondern nur das Ziel, den Frieden vor sich sah. Im andern Fall würde es ihm wohl nicht besser ergangen sein als den Wiener Brüdern. Nun glaube ich aber doch nicht, daß unser Quartett leicht ist, schon durch den Rhythmus nicht. Umsomehr wird’s mich freuen, wenn’s geht, was aber, wenn „Deine Leit“ nicht braver werden, vielleicht nicht der Fall sein wird. Da ich aber nun wahrscheinlich schon morgen in einer Woche fortfahren werde, so ist ja meinerseits noch Zeit zum Proben, kannst also früher nervös werden. Es wird das wohl der letzte Brief sein, dessen Beantwortung ich noch bekomme. Nach dem 14.schreib nicht mehr, bitte. Wie freut’s mich, daß ich das schon schreiben kann! Wir wissen noch nicht, ob wir über Lundenburg oder Preßburg fahren, mir wäre letztere Fahrt lieber, denn es wäre das erste Mal. Auch soll’s kürzer sein und leichtere Revision. Mitnehmen tu ich zwar nichts, denn ich möchte mich viel zu viel ärgern, wenn mir etwas weggenommen werden möchte.

Eines gefällt mir zwar nicht, nämlich, daß Emmy doch nach Bayern fährt. Obwohl das für Lina eine Erleichterung bedeuten würde, welche ich ihr gewiß gern wünsche, wiegt das doch die Kränkung nicht auf, die Emmy Mama zufügt. Werde vielleicht meinen Vorsatz, Emmy nicht mehr zu schreiben, doch untreu werden, ob ich recht handle, darüber bin ich mir noch nicht im Klaren vor der Welt, in meinem Herzen schon. Schrieb darüber Emmy zwar schon einmal in dem letzten Brief,

[Schluß fehlt]

Freitag, 10. XII.20

Meine Liebste!

Freuen wir uns, Gretel, ich habe 8 Tage Urlaub! Mittags sagte es mit Ing. Wild, welcher von Ostrau kam. Nun ist die Sache doch endlich erledigt und ich bin recht glücklich. Aber jetzt kommt die andere Frage, wann soll ich denselben antreten? Am liebsten wäre es mit natürlich am 24., doch haben wir schon beschlossen, am 17. abzufahren, wären dann schon am 18. in Wien. Wenn ich aber schon dort bin, kann ich auch nicht sagen, ich will drei oder vier Tage nichts machen, denn für so kurze Zeit wohinzufahren zahlt sich wohl nicht aus und dann erste meinen Urlaub haben. Wenn wir uns treffen, Herr Kulhanek und ich, abends werden wir noch darüber reden. Vielleicht läßt sich ein bißchen schwindeln. Nicht schön zwar, aber angenehm, gelt? Wie mir H. K. sagte, fahren wir über Preßburg und zwar hier ab um 8 Uhr abends, sodaß wir Samstag, den 18. vormittag in Wien wären. Da brauchen wir natürlich nicht gleich zu Schuckert gehen, übrigens ist Samstag sowieso um 12 Uhr Schluß. Wenn wir dann Montag hingehen, müßte ich ab Dienstag den Urlaub nehmen, das wär’ den 21. Da nun der Urlaub 48 Arbeitsstunden dauert, gilt er bis 28. Ist eigentlich auch ganz gut! Deine liebe Karte vom 7. erhalten und danke Dir dafür. Würde mich eigentlich sehr freuen, wenn Du mit Olga und Bernhard ins Konzert gingst, würdest dabei Bernhard kennenlernen.

Auch freue ich mich, daß ich morgen trotz des lockenden Buches einen Brief bekommen werde. Glaubst Du nicht, Schätzchen, daß ich einmal meine „Kochkunst“ geltend machen kann, wenn Dir grad einmal ein so lockendes Buch in die Hände fällt? Na, wenn’s nicht zu oft vorkommt, tu ich’s ganz gern, doch weiß ich nicht, ob Du dann mit mir zufrieden sein wirst.

Brrrr. Alles über’n Haufen geworfen. Eben war H. K. da. Soll noch vor Weihnachten nach Schönbrunn fahren, in eine Spiritusraffinerie. Wie lang dort zu tun ist, weiß man nicht. Morgen wird der Brief betreffs des Urlaubs kommen. Am Montag fahr’ ich weg von hier, schreibe daher einstweilen nicht mehr, bis ich die neue Adresse angib. Glaube aber, daß ich selbst früher komme. Also ist das Wiedersehen wieder um einige Tage verschoben worden. Aber am 24. komm’ ich bestimmt. H. K. ärgert sich, daß wir nicht mitsammen fahren können. ’s ist das meine Schuld, weil ich dem Ingenieur sagte, daß ich lieber am 24. nach Haus fahr’. Mir selbst ist’s auch nicht sehr angenehm, doch weiß man nicht, zu was es gut ist. Übrigens ist dort wieder ein alter Obermonteur, ein guter Bekannter von H. K., welcher ein sehr guter Mensch sein soll. Siehst also, Lieb, ich hab’ Glück mit meinen Ober. Für den Fall, daß wirklich etwas Dringendes vorfallen soll, ist meine Adresse: R. S., p. Adr. Österr. Siemens-Schuckert-Werke, Vertretung, Mähr. Ostrau, Teschengasse 8, C. S.

Nun geh’ ich essen. Mir ist eigentlich die ganze Sache ein wenig in die Knochen gefahren. Heute ist wieder ein Monteur nach Wien gefahren, diesmal aber ohne meinen Sehnsuchtsseufzer, denn jetzt, wo ich bestimmt weiß, daß uns eine ganze Woche zu unserer Verfügung steht, warte ich schon noch diese kurze Zeit. Habe eben schon einige Sachen hergerichtet, darunter auch Deine Briefe. Du, ’s ist schon ein ganz schönes Packerl, Deine Post. Wenn ich da noch ein halbes Jahr wäre, würde ich wohl schon einen kleinen Handkoffer dazu brauchen. Wenty schreibt schon ebenso fleißig wie ich ihm das letzte Mal. Oder denkt er sich, er schreibt mir erst dann, wenn er bei Dir war und schiebt das Zu-Dir-Gehen immer auf. Na, wenn ich komm’, wird auch das besser gehen. Samstag früh

Bin gestern, mein Lieb, nicht fertig geworden. Damit Du aber den Brief Montag bekommst, will ich ihn so früh aufgeben, wenn also diesmal ein wenig freies Papier bleibt, bitte um Nachsicht.

Heut hab’ ich noch vieles zu erledigen, Gemeinde, Polizei, Mehl holen, ebenfalls Zucker, Handtücher soll ich mir kaufen, meine Stiefel vom Schuster holen, es wird wohl der ganze Tag ausgefüllt sein. Freu’ mich schon auf den Brief heute. Weißt, wenn ich am 24. erst komme, bleibt eigentlich gar keine Zeit zum Proben, das heißt, wenn am 25. das Fest ist. Montag und Dienstag wird recht wohl im Herumfahren vergehen, denn am Dienstag hab ich die Verhandlung, muß also schon von Schönbrunn hinfahren. Möglicherweise bekomme ich da noch meine 40 Mark und die 35 K nebst dem Paß.

Na, viel Platz ist ja doch nicht übergeblieben!

Grüße alle die Unseren, Dich küßt innigst Dein

Robert

Wien, 11. XII.1920

Liebster Robert!

Bitte entschuldige, daß ich Dich gestern wieder ganz ohne Nachricht ließ. Berta fuhr heute nachmittag für einige Zeit nach Troppau, dem „lieblichen Städtchen“, wo die Gänse vor dem Fenster herumlaufen. Erinnerst Du Dich noch der Beschreibung, die Du mir einmal schicktest? Nun waren, da die Sache unter zwei Tagen gehen mußte, eine Menge Reisevorbereitungen zu treffen, dadurch kamst Du wieder um Deinen Brief. Als ich heute Dein liebes Schreiben von Dienstag und Mittwoch erhielt, habe ich mich, laut Befehl, gar nicht gefreut. Es ist mir ja sehr gleichgültig, ob Du am 22. oder am 18. kommst. Weiß auch gar nicht, warum Du Dich eigentlich darüber freust?! Wahrscheinlich, weil Du jetzt um vier Tage weniger zählen brauchst, Dir also eine Arbeit ersparst, was bei der jetzigen Überhäufung mit Arbeit ohnehin ein Vorteil ist.

Jetzt wirst Du Dir bald denken, ich bin verrückt, und somit hat die öffentliche Meinung wieder eine neue Stimme bekommen. Schadet aber nichts; wenn Du hier sein wirst, werde ich wieder vollkommen vernünftig, oder meinst Du nicht?

Also glaubst Du nicht, daß Nerven auch Gebrauchsartikel sind? Wozu hätten wir sonst welche? Freut mich auch, daß Dir Karl Hirschmann antwortete. Er ist überhaupt seit Sonntag auch mir gegenüber der Alte. Sogar, daß wir per Du sind, ist ihm wieder eingefallen. Er hatte es fast zwei Jahre vergessen. Wir haben natürlich seit 4.2.1919 nicht miteinander gesprochen und wenn er genötigt war, das Wort an mich zu richten, tat er’s mit strikter Umgehung des Du. Hat mich aber gar nicht zur Nachahmung angeeifert, wenngleich in dem Fall ich die Beleidigte gewesen bin. Aber ich weiß, er litt mehr darunter als ich. Wozu also noch extra zürnen?! Die Abbittegeschichte hat aber mit dem allen nichts zu tun, das war ja mehr Sache seiner Frau. Na, nun ist dies und jenes vorüber und bleibt’s hoffentlich. Das würde mich sehr froh machen. Nun, wenn Emmy Dir jetzt nicht antwortet, sehe ich’s recht gut ein, daß Du nicht mehr schreibst. Wenn sie so nicht in Wien bleibt, ist’s auch schließlich egal.

Deine Aufforderung bezüglich „Genüsse“ - „Gemüse“ war unnötig. Ich kann Deine Schrift recht gut lesen. Wenn Dir Mama betreffs des Lesens ähnliches sagte, bin ich übrigens ganz ihrer Meinung. Habe nämlich selbst schon oft die Erfahrung machen müssen, daß mir auf einmal alles zu fad wurde, aber wenn ich dann ein paar Wochen aussetze, dann interessieren mich sogar Märchen wieder. Momentan bin ich aber dabei, die Geschichte der Mormonen zu lesen, die im Jahre 1869 von Dr. Moritz Busch verfaßt wurde. Ist übrigens haarsträubendes Zeug. Den zweiten Band hat übrigens Br. Niederhauser und ich kann nicht weiterlesen. Dafür aber hat er den ersten nicht gelesen. Müssen eben dann tauschen.

Meinst Du, daß ich noch vieles sehen werde, was ich nicht dachte? Bin neugierig, ob Du Dich nicht täuschst. Ich glaube, ich kenne Dich ziemlich gut.

Übrigens fühle ich mich nicht nur groß, sondern bin es auch. Wenigstens im Verhältnis zur Familie Schröfl. Andererseits aber bin ich eben größenwahnsinnig. Das ist doch feststehende Tatsache, also nicht mehr nötig zu erwähnen.

Ich glaube nicht, daß ich auf die Karte vom 9. eine Marke klebte, das fällt mir mindestens dann ein, wenn’s zu spät ist. Nützt zwar dann nichts mehr, aber ich habe wenigstens das unangenehme Gefühl, daß der Adressat meinetwegen Strafe zahlen muß.

Sag, Schatz, wenn Du schon befürchtest hinausgeworfen zu werden, ist’s Dir dann am 18. lieber als an einem anderen Tag? Oder soll ich deshalb Milderungsgründe gelten lassen? Das muß ich wohl auch so. Kann doch mein Liebstes nicht fortschicken, wenn’s endlich kommt!

Wie wohl Olgas Urteil über mich ausgefallen sein mag? Ich denke, sie kennt mich noch sehr wenig! Ich könnte noch kein eigentliches Urteil über sie abgeben, trotzdem sie sicher mehr aus sich herausgeht als ich. Nur soviel kann ich Dir sagen, ich habe Olga sehr lieb, soweit ich sie eben kenne.

Über meine Bekanntwerdung mit Rudolf uns Bernhard mach Dir weiters kein Kopfzerbrechen. Wenn die Situation auch tatsächlich etwas peinlich war, es wird mit der Zeit schon besser werden.

Ja, Schatz, ich gehe mit Dir wohin Du willst, Kannst Dir also wirklich die Frage ersparen.

Hansi memoriert ihre Rolle. Wirst gleich ein Stück da im Brief haben. Das Fest wird auf keinen Fall am 19. sein, ob Du da bist oder nicht. Warum etwas überstürzen, wenn’s nicht nötig ist? Br. Niederhauser wird schon schadlos gehalten werden.

Nun, Liebster, schlafe wohl und träume süß! Heute in einer Woche sollen wir uns wiedersehen! Ob ich’s erwarte? In Sehnsucht,

Deine Gretel

Samstag, 11. XII.20

Mein Gretel!

So, nun ist schon das meiste verpackt. Auch Du, mein Lieb, mein Tisch ist wüst und leer. Gehe eigentlich gar nicht gerne fort von hier, wer weiß, was ich dort für ein Quartier bekomme. Habe auch meine Gänge erledigt, nur meine Stiefel habe ich noch nicht. Auch eine „saumäßige Wirtschaft“.

Sonntag, 12. XII.20

Liebste!

Habe gestern riesig viel geschrieben, gelt? War aber lange beim Müller und nachher flickte ich wieder einmal bis 11 Uhr. Nun sitze ich hier im Mantel, mit Hut, nicht weil’s kalt ist, sondern weil beim Müller Frühschoppenkonzert ist, und das will ich nicht versäumen. Mein Abschiedskonzert. Das Wetter ist zwar nicht zum Reisen, denn es schneit, was’s kann, mittags sogar Quatsch. Gestern kam zwar der erwünschte Brief nicht, wohl aber eine Karte von meinem Jugendfreund, dem Mühlndorfer Hansl. Vielleicht erzählte Dir Olga von ihm, wenn nicht, werd’ ich’s tun bis ich komme, denn heut’ ist keine Zeit dazu. Es ist also hier beinah’ so wie mit den … Büchern. Jetzt geh’ ich, leb wohl einstweilen, nachmittags Fortsetzung.

Nun schon zurück. Bin aber gar nicht recht befriedigt, wenigstens musikalisch nicht, denn durch die Bekanntschaft eines Regierungskommissärs wurde unsererseits durch politische Gespräche, welche ich zwar sonst nicht sehr liebe, das Konzert vernachlässigt. Aber weil ich eben beim Konzert bin, wäre mir sehr lieb, wenn wir nach den Feiertagen ein solches oder eine Oper besuchen würden. Vielleicht würde es Olga oder Bernhard möglich sein Karten zu bekommen. Wenn beide mitgehen, um so lieber.

Heut 14 Tage sitzen wir wahrscheinlich in Weidlingau bei Rudolf, sollte das Fest am 25. sein. Einen der weiteren Tage könnten wir dann benutzen, zu Fredel zu fahren. Freu mich schon so auf die Zeit. Sonst bin ich aber fürchterlich vernünftig. Das macht wohl, weil’s nun Bestimmtheit ist. Mein Kommen. Wenn ich nach Deutschland fahren müßte, wäre trotz Urlaub alles zu Wasser, denn da streiken die Eisenbahner. Der morgige Tag soll schon vorüber sein, hab’ gar nicht gern das Bekanntwerden und ’s muß doch sein!

Das nächste Schreiben bringt Dir schon die neue Adresse. Leb recht wohl bis auf’s Wiedersehen!

Mit tausend innigen Küssen

Dein Robert

Brief vom 14.12. fehlt

Mittwoch, 15. XII.20

Liebste Gretel!

Nimm wieder einmal etwas zurück und zwar mein gestriges „Na ja“. Ich bin zufrieden, sowohl mit dem Quartier als auch mit meiner Umgebung. Ich glaube, besser hätten sich nicht zwei Menschen zusammenfinden können als Herr Götz und ich. Er trinkt nicht, raucht nicht, und auch in anderen Dingen „ganz mein Fall“. Natürlich ist das nur ein gegenwärtiges Urteil. Möglich, daß sich’s ändert, Du weißt, neue Besen kehren gut.

Die Gegend ist hier deutsch, denn sie gehörte früher zu Deutschland und, obwohl nicht so gebirgig wie in Trzynietz, landschaftlich schön. Nur ist’s hier recht kalt, so daß heute das erste Mal meine Rodelmütze in Aktion trat. Das Essen habe ich bei der Hausfrau, wie die andern zwei Monteure, zwar reichsdeutsch, aber es geht. Sehr angenehm ist mir, daß ich nicht ins Gasthaus gehen brauche sondern abends gleich „z’Haus“ bin.

Arbeit ist hier nicht besonders viel, vielleicht ein bis zwei Monate, also unser zweites Wiedersehen ist nicht mehr ferne. Und heut’ in einer Woche bin ich schon bei Dir! Werd’ mit dem Zug, der um halb 7 von Ostrau wegfährt, abdampfen, um zka.3 Uhr nachts kommt derselbe in Lundenburg an, so daß ich am 22. früh in Wien wäre. Also doch am 22. Ich freu mich GAR NICHT!

Nun zu Deinem lieben Brief vom 11.

Also ist Berta in Troppau. Sind wir ja gar nicht weit voneinander. Aber sag, Lieb, die öffentliche Meinung, glaub’ ich, hält uns ja beide für verrückt.

Dich freut’s, daß mir K. H. schrieb und mich freut’s, daß er auch zu Dir wieder der Alte ist. Glaube übrigens den Grund zu wissen, warum Ihr nicht miteinander geredet.

Auch von Emmy bekam ich zwei Briefe. Daß sie wirklich fortfahren soll, tut mir leid, um Mamas willen. Hab ihr auch geschrieben darüber. Hoffe sie aber noch zu Weihnachten zu treffen. Also glaubst Du, daß Du mich gut kennst! Na, ich weiß’s nicht, daß Du nur nicht enttäuscht wirst. Weiß nicht, mein Schatz, welche Frage ich mir ersparen kann, hab’s schon vergessen.

Daß Du Olga lieb hast, weißt ja, wie’s mich freut. Auch ist Olgas Urteil ganz der Zeit, welche Ihr Euch kennt, angemessen. Aber richtig!

Weißt, wir wohnen hier zu dreien und mir ist’s sonst gar nicht unangenehm, nur beim Schreiben

[Schluß fehlt]

Samstag, 18. XII.20

Mein Liebstes!

Wenty hat doch recht! „Alles scheitert an der Tatsache.“ Diesmal zwar nur Ansichten, aber doch Widersprüche, die eben durch die veränderten Umstände entstehen. Vor einigen Wochen war ich noch fest überzeugt, daß es doch allein am schönsten ist, auch von den Idealen unserer Einsiedelei und heute - ? Sitz’ nun alle Tage mit noch zwei Menschen zu- oder besser beisammen und fühle mich ganz wohl dabei. Schrieb sogar einmal, daß ich Romane nicht besonders gern lese und eben jetzt mußte ich das Buch mit einem energischen Ruck schließen, da ich ja die Zeit meines heutigen Alleinseins zu einer Plauderei mit meiner Gretel nutzen will. Wir kommen also immer mehr auf die Richtigkeit des Sterns, bezüglich der Widersprüche in Briefen. Nun Schatz, bin ich aber recht zufrieden mit der hiesigen Montage. Ludgerstal ist ein Dorf mit zka. 500 Häusern, meist deutsch, da es früher zu Deutschland gehörte. Auch hier laufen die Gänse unterm Fenster herum, sogar Schweindln und Ziegen. Auch ein Hund, der in der Nacht oft so jämmerlich heult, daß man gar nicht schlafen kann. Aber das macht nichts, wenn man auch einige Stunden gestört wird, denn Du mußt wissen, daß man hier ganz anständig ist, sich schon um spätestens 8 Uhr niederlegt und um 7 Uhr aufsteht. Es ist schon beinahe unanständig anständig. Aber man gewöhnt’s, muß’s gewöhnen, da auch hier wenig Petroleum ist. Nach 7 Uhr wird gefrühstückt, diesmal bitterer Kaffee, welcher aber mittels eigenem Zucker doch „zuckersüß“ wird. Um halb 8 fangen wir mit der Arbeit an, bis 12 Uhr. Dann gibt’s reichsdeutsches „Mittagsbrot“, an das muß man sich erst gewöhnen, sowie an das „Abendbrot“. Heute z. Bsp. schwamm eine Wurst in einer Dörrobstsauce. Es erinnert mich das an die Menage am „Herbert Horn“, unser Schiff auf der Überfahrt nach Stettin. Nach dem Nachtmahl kommt Tee. Wieder zuckersüß durch unseren Zucker, welchen ich hier wieder mittels einer Karte bekam. 2.25 kg. Von 1 bis halb 5 wird wieder gearbeitet.

Was die Arbeit betrifft, geht’s auch gut, denn wie schon erwähnt, vertragen wir 3 Monteure uns gegenseitig sehr gut. Die beiden anderen sind Brüder, der ältere, welcher die ganze Sache über hat, war auch in russischer Gefangenschaft und ist ein Mustermensch, soweit ich ihn bis jetzt kenne. Der jüngere auch ganz lieb, nur - nun, das hebe ich mir auf, damit nicht wieder ein Widerspruch später einmal herauskommt.

Meine Hausfrau ist wohl meiner Trzynietzer nicht gleichzustellen, denn soweit ich bemerken kann, schaut sie sehr auf sich, aber wenn ich alles bekomme, bin ich zufrieden. Ich habe Dir von hier schon zweimal geschrieben, doch eben heute sagte mit Götz, daß er 60 h Marken draufgab. Weiß also nicht, ob Du ebenso Emmy, die Briefe bekommst, uns wenn, dann bitte ich um Entschuldigung wegen des Strafportos. Morgen will ich vormittag nach Hultschin, nur eine schwache Wegstunde entfernte Stadt, wo sich auch die Bezirkshauptmannschaft befindet, wo ich meine Reise anzeigen muß. Wenn alles so geht wie ich denke, bin ich Donnerstag vormittag in Wien. Möglicherweise gehe ich vom Nordbahnhof gleich zu Schuckert, ’s kommt ganz drauf an, wann der Zug ankommt. Wie oben erwähnt, lese ich jetzt von Spielhagen „Opfer“. Das Buch gefällt mir sehr gut. Wirst’s ja wahrscheinlich kennen. Bin schon neugierig, wie Herr Kulhanek nach Hause kam. Er versprach mir, die Post, welche bis zu seiner Abfahrt kommen sollte, mitzunehmen. Lieber wär’s mir, ich hätte sie hier. Nun schon der vierte Tag ohne solche, bin das gar nicht mehr gewöhnt. Auch bei Dir werden Pausen entstanden sein, nun, die werden wir schon einbringen. Gelt, Herzlieb? Ich schrieb Die ja schon, freuen tu ich mich gar, gar nicht!! Sehr vernünftig? Dies ist wahrscheinlich der letzte Brief, daher auch die letzten brieflichen Küsse von Deinem

Robert

Die nächsten sind schon „mündlich“!

Sonntag, 19. XII.20

Liebste!

Du hast vollkommen recht, es ist eine Dummheit (eine große sogar), daß man sich über geschriebenes Zeug so aufregt, zu dem man doch gar keine Beziehung hat. Mir ging’s nämlich grad so mit dem „Opfer“. Da hab ich aber geschwind wieder das Buch zugeklappt und Papier und Feder genommen.

Heute, Lieb, war ich schon weit. In zwei Städten hab’ ich mir den Goldenen Sonntag angeschaut. In der Früh schon um halb 8 Uhr ging ich nach Hultschin, dachte nämlich, daß ich dort einen kleinen Handkoffer kaufen kann, den ich ja brauche, aber leider mußt’ ich unverrrichteter Dinge wieder zum Städtle hinaus. Es ist aber wirklich ein „Städtle“ und noch dazu ein sehr kleines. In nicht ganz einer Viertelstunde hatte ich alle die „Straßen“ durchwandert, sogar den sogenannten Ring, der so zka. die Länge der halben Capistrangasse hat und dabei ganz grad läuft. Wieso und woher der Name kommt, weiß ich nicht. Aber für die Enttäuschung wurde ich durch dies schöne Wetter bei meiner Rückwanderung entschädigt, Rauhreif und Sonnenschein. Nach dem Mittag machte ich mich wieder auf nach Ostrau. Nachdem nur früh uns abends das Auto geht, heißt’s wieder auf Schusters Rappen trabben. Dort war wohl schon anderes Leben, obwohl ich mir’s für den Goldenen Sonntag lebhafter vorstellte. Hab halt noch immer die Friedenserinnerung. Da fand ich wohl, was ich wollte, aber - der Preis. Ging zu dem zweiten Geschäft, da war der Preis wieder annehmbarer aber - die Ware. Beim dritten waren wieder nur größere Reisekoffer, übrigens auch nur für Kriegsgewinnler. So pendelte ich nun über 1 Stunde zwischen zwei Geschäften und wußte nicht was tun. Soll i - soll i net! Als ich nun schon das fünfte Mal bei dem einen Geschäft war und übrigens schon in 20 Minuten das Auto ging, da nahm ich mir einen Anlauf und schwups, war ich drin, und schwups, war ich wieder draußen, um 235 K leichter, dafür aber mit Koffer. Ist zwar ein imitiertes Zeug, aber was machen, wenn man’s braucht. Hab’ nun schon alles zurecht gepackt, ’s wär’ nur zu wünschen, wenn schon Mittwoch da wäre.

Dies ist aber wirklich der letzte Brief!

Nun, mein Gretel, kommt doch schön langsam die Zeit. Freude, schöner Götterfunke . . .

Mit tausend Küssen bis zu Wiedersehen.

Dein Robert


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