Grete Schröfl - Robert Schröfl: Korrespondenz


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Prag, Dienstag, 25.8.25

Mein gutes Weiberl!

Nachdem ich jetzt zum dritten Mal Deinen lieben Brief vom 21.-23. durchgelesen habe, muß ich ja doch zur Beantwortung schreiten, sonst wird’s zu spät.

Draußen wetterleuchtet es, wahrscheinlich kommt wieder ein Gewitter in der Nacht. Es gibt jetzt deren viele und alle sind viel heftiger als in Wien. Macht das die Großstadt oder hört man’s weniger, ich weiß es nicht.

War eben bei Brodils und habe ihnen die Busserl und die Entschuldigung betreffs des Schreibens ausgerichtet. „Ja“, sagte Mutter Brodil, „früher hat Gretel so oft geschrieben und jetzt gar nimmer mehr.“ „Ja, seit Schw. Gretel verheiratet ist“, meinte die Fanny, „ist sie uns ganz untreu geworden.“ „Desto treuer aber mir“, hab ich d’rauf gesagt und wir haben gelacht.

Heute bekamen Brodils einen Brief aus Dresden von Br. Wunderlich in welchem er schreibt, daß wahrscheinlich in kurzer Zeit Präs. Tadye und Apostel Tschugge nach Prag kommen werden. Das ist ein hoher Besuch, was?

Ich selbst bin jetzt durch ein vielleicht unbedachtes Versprechen in eine mir sehr unangenehme Lage gebracht worden. Ich habe mich nämlich mit Mutter Brodil gleich am ersten Tag an welchem ich sie besuchte, oder besser gesagt, wir haben uns ausgesprochen betreffs der Kirche und auf ihr Bemerken, daß man den Mädeln ihren Glauben nicht rauben darf, habe ich versprochen, ihnen gegenüber keine derartigen Bemerkungen zu machen. Nun kannst Du Dir denken, wie schwer es für mich ist, über etwas eine Meinung zu geben, ohne daß man heuchelt oder das Versprechen bricht. Z. Bsp. war hier einmal ein Vortrag über Darwin, in welchem die Mädels waren, wahrscheinlich infolge des Affenprozesses, wie gerne hätte ich mich da ehrlich ausgesprochen mit Fanny, welche mir davon erzählte, und konnte mich nur so wie die Katze um den Brei drücken. Und wenn die Brüder kommen, möchte ich doch auch nicht nur dort sitzen und amen sagen, sondern mich aussprechen oder überhaupt nicht hingehen.

Übrigens war Bruder Hansen schon hier, aber leider habe ich ihn nicht gesehen. Er war nur bei Brodils. Nun, vielleicht ist er noch in Wien, wenn Du zurückkommst, ich glaub’, er erinnert Dich an Fuhriman, gelt? O, könnt ich mich so freuen auf das Kommen der Brüder, wie die beiden, Fanny und Hansy. Ich wäre glücklicher, weil ich Dich glücklicher wüßte. Aber ich glaube, ich werde lieber jetzt wirklich Dein liebes Schreiben beantworten. Denn mit dem angefangenen Thema werde ich nicht so schnell fertig und es ist jetzt schon 10 Uhr.

Ja, also aus Deinem Brief ersehe ich und aus meinen Briefen erkenne ich und in mir fühle ich, daß wir zuviel verliebt sind. Du weinst, ja was soll denn das werden? Das ist also eine sehr traurige Geschichte wenn man sich gerne hat und ist nicht beisammen, gelt, mein Kinderl, das ist halt das Traurige? Aber bald, Herzerl, haben wir uns wieder, auf eine Zeit wenigstens und denke nicht, daß es dann schlechter wird, Du hast ja die Kinder, zu denen Du zurückfährst. Und so um Weihnachten ’rum komme ich dann, o, wie freu ich mich auch auf unsere Buben. Du kannst ganz recht haben, daß ich den Kleinen nicht mehr kennen werde. 4 Monate machen bei so einem Kinderl ja auch was aus. Sag, ist er dicker geworden?

Mit dem Geld ist das eine wirkliche Wirtschaft. Nun, hoffentlich hast Du wenigstens das gesendete Geld von mir bekommen. Bin neugierig, was man mir über die Wirtschaft sagt am Freitag, bei der Auszahlung.

Liebes, es geht mit dem Schreiben heut nimmer, ich bin wirklich schon zu schläfrig.

Viele Busserl Euch allen. Gute Nacht!

27.8.25

Mein Lieb! Gestern war ich sehr beschäftigt abends und Du mußt nicht böse sein, daß ich Dir nicht schrieb und Du einen Tag länger warten mußt. Weißt, ich habe mir ein neues Band auf meinen Hut genäht. Das alte ist ganz schleißig geworden. Habe heute Deinen Brief vom 24.-25. erhalten und bin beruhigt, daß Du endlich das Geld erhalten hast. Daß die Firma das Geld zweiwöchentlich schickt, denke ich nicht, und ich werde morgen auch noch diesbezüglich dem Beamten, welcher hier die Verrechnung überhat, meine Meinung sagen. Aber hast recht, wir wollen nicht viel Worte machen drüber, spanisch ist mir die Sache bis heute auch. Von Olga bekam ich eine wunderschöne Karte aus Vorarlberg.

Wie freue ich mich, daß Du doch am 26.9. kommen kannst. Wie ich mir das im Geiste so oft vorstelle. Man ist doch wirklich ein großes Kind, gelt? Heute habe ich von Weinberge auf die Bahn heruntergeschaut, mit der Du kommst. Weißt, bevor Du nach Prag kommst, fährt der Zug durch ein langes Tunnel, grad unter den Weinbergen durch, das ist dann für Dich das Zeichen zum Aussteigen.

Hoffentlich seid Ihr beide, Du und Fredy, wieder ganz gesund und es ist recht, wenn Du in der Nacht das Fenster zumachst, denn wenn er, wie Du schreibst, recht strampelt, so könnte er sich ernstlich verkühlen. Sag, wie denkst Du denn über’s Impfen? Wollen doch vielleicht lieber warten bis zum Frühjahr, nicht? Ich versäume eigentlich jetzt bei Fredy eine sehr schöne Zeit. Da er sich schon allein aufsetzt, ist das ein Zeichen, daß er recht kräftig ist. Na, er wird schon ein ordentlicher Bub werden, wenn er auch kein Dickerl ist und wenn er’s so weitermacht, wird er mir vielleicht zu Weihnachten schon entgegen kommen. Du sollst Dir aber Fredys Fortschritte aufschreiben, damit wir sie auf unserer Liste eintragen können. Robert lasse ich recht schön grüßen und schicke ihm viele, viele Busserl.

Das mit den Läusen ist wohl eine sehr unangenehme Sache, doch werdet Ihr’s ja wieder wegbringen. Du schreibst ja gar nichts von Mutter. Ist sie in Wien oder draußen? Und wie ist’s denn mit Igels ausgegangen? Waren sie in Ternitz? Bitte schreibe mir die Adresse Hannis. Möchte ihr einmal schreiben. Auch betreffs Berlin. Grüße mir auch Richters und alle Bekannten. Der Zustand von Schw. Brodil dürfte sich wirklich bessern, sie wird im Gesicht förmlich dick. Das freut mich. Es ist die Hauptsache, daß sie selbst wieder Hoffnung bekommt. Habe einen sehr passenden Artikel im „Kosmos“, welchen ich hierher bekomme, gefunden, und ihr ihn heute hingetragen.

Es ist halt schon wieder 10 Uhr. Wie die Zeit vergeht. Und gut ist’s so, es ist ja noch nicht der 26. Dann darf’s und muß’s langsamer vergehen.

Mein Butzerl, lebet wohl und werdet gesund!

Viele Busserl von

Deinem Robert

Ternitz, 27.8.1925

Mein lieber Mann!

Muß Dir doch schreiben, wenn ich auch seit Montag keinen Brief von Dir erhielt. Mir scheint, jetzt wirst Du mir langsam untreu, gelt? Na Schatz, ich warte schon geduldig. Wenn ich mich auch immer nach einem lieben Wort sehne. Immer kannst Du doch nicht schreiben.

Unser Kleines ist heute nach drei Tagen zum ersten Mal wieder bei Appetit. Ich dachte schon, er wird wieder so mager. Aufsetzen tut er sich nun schon sehr häufig.

Gestern hatten wir den ganzen Tag Regen. Und heute geht wieder dieser schreckliche Sturm. Es ist wie im Spätherbst, man mag gar nicht hinausgehen; meine Augen brennen, wie wenn ich in einem rauchigen Lokal wäre.

Und nun den zweiten Tag schon eingeschlossen in diesem kleinen Raum. Wenn ich nicht jetzt immer so guter Laune wäre, wär’s zum Verzweifeln. So aber sagte mir Trude gestern: „Tante, Du singst aber den ganzen Tag!“ Ich wußte das gar nicht.

Etwas vergaß ich Dir zu schreiben. Die Schuhe habe ich schon Montag bekommen und kosten auch nur 50.000 K.

Muß während des Schreibens immer ein wenig mit Fredy spielen. Robert schläft heute. Weil das Wetter so garstig ist. Wir werden schon wieder viel weißer. Aber Kind, vorgestern hätte ich Dich so notwendig gebraucht. Der Himmel war vor und nach dem Gewitter so wunderschön. Und kein Mensch hier sieht das, oder besser gesagt fühlt, daß das schön ist.

Liebling, da habe ich mich so einsam gefühlt. Wenn man so keine Menschenseele hat, die mitempfindet!

Heute mußte ich übrigens über Robert lachen. ’s war alles kohlschwarz, vom Schneeberg keine Spur. Da sagte er mir: „Schau Mutter, der Schneeberg ist heute so schön.“ Weil ich ihn immer aufmerksam mache, wenn ein reiner Tag ist. Er ist doch zu klein.

Kathie-Tante hat mich gebeten, ob ich nichts habe für die kleine Hannerl zum Anziehen. Ich denke, ich mache ihr von dem Rest meines neuesten Kleides ein Kleiderl. Gar so dringend braucht Fredy ja das Tragkleiderl nicht.

Robert hat heute von Mutter eine Karte erhalten, „Kammermusik“. Es sitzen neun Kinder mit Musikinstrumenten auf dem Topf. Natürlich hat er sich sehr gefreut darüber. Besonders über die Cinellen.

Ich habe mir gestern 20 Karten gekauft. Hoffentlich erledige ich damit alle Post. War Br. Hansen schon in Prag? Es ist ja schon Ende des Monats? Bin neugierig, ob ich ihn nochmals sehe.

Habe heute für Tante Fleisch geholt und mir da mir’s so sehr gefiel, ein Stückchen Selchfleisch gekauft. Du siehst, ich kann auch manchmal über die Schnur hauen.

28.8.

Du mein Lieb! Auch heute keine Post von Dir! Was ist nur los? Bist Du krank, mein Kind? Mir hat das Herz so weh getan, als der Briefträger heute wieder vorbeiging, ohne zu mir zu kommen. Ich glaube, ich kann heute gar nicht „den ganzen Tag singen“.

Das Wetter ist auch noch immer miserabel. Sturm und Kälte. Der Himmel grau und trüb.

Fredy ist sehr grantig. Schläft heute gar nichts. Ganz wie in vergangenen Zeiten.

Ich selbst habe so Schmerzen in der linken Bauchseite, daß ich nicht einmal Wasser schöpfen kann. Sonst aber geht’s mir wieder besser, Halsweh und Husten sind so ziemlich verschwunden.

Trude kommt eben, weil sie gerauft haben. Sie und die anderen Mädels. ’s ist halt ein Kreuz.

Na, ich will lieber schließen mit meiner Trauerbotschaft, sonst kommt an Ende noch was.

Lieb, mein Lieb, meine Sehnsucht wächst ins Unendliche. Viel viel tausend Busserl

Deine Gretel

Prag, 30.8.25

Mein Weiberl!

Endlich habe ich mich zu einer Tinte aufgeschwungen, nachdem ich gestern die Ansichtskartenpost erledigte.

Der heutige Sonntag ist sehr schön vergangen. Bin schon um 8 Uhr früh in einen 5/4 Std. entfernten Wald gegangen, habe mir eine Zeitung mitgenommen und dort gelesen. Das ist dort schon ein schönerer Wald, auch ist er nach Deinem Gusto, mit grünem Untergrund. Mittags war ich dann wieder herinnen. Nachmittags war ich bei Brodils bis 6 Uhr. Hier haben wir wieder einmal gesungen bis wir heiser waren, auch neue Lieder, die beiden Mädels singen nämlich vom Blatt. Danach habe ich wieder einen Spaziergang auf Visehrad gemacht, dort ein wenig einer Musik zugehört und beim Tanzen zugeschaut. Aber jetzt bin ich anständig müde. Man ist das Gehen nicht gewöhnt. Hansi hat mir ein Buch geliehen von „Hauffs Werken“. Brodils haben eine sehr schöne Bibliothek, leider aber das meiste Tschechisch.

Wie wird das schön sein, wenn wir in 4 Wochen schon beisammen sein können! Aber lange wird uns die Zeit dauern.

Eine Frage, die mir sehr unangenehm ist, ist die Patentsache. Am 17. September läuft die Priorität ab, kann also das Verfahren im Auslande nachgemacht werden. Nun wäre es ja möglich, mir das Geld aufzutreiben, Emmy würde mir’s ja einstweilen ohne weiteres geben, aber wird sich’s rentieren? Nach den jetzigen Erfahrungen habe ich wirklich nicht viel Lust, noch so viel, es handelt sich ja um 2.6 Mill. hineinzustecken. Wie denkst Du darüber? Am liebsten möchte ich den ganzen Kram zu S.u. H. schicken, die sollen machen, was sie wollen. Hast Du schon wieder ein Geld bekommen? Ich denke doch, daß die Kinderkrankheiten überwunden sein werden. Jetzt gehe ich schlafen. Eben war meine Zimmerfrau da und wir haben eine Viertelstunde getratscht.

Meinen Kindern viele Busserln und Dich umarmt in Liebe und Sehnsucht

Dein Mann

Ternitz, 30.8.1925

Du mein lieber, lieber Schatz!

Meine Feder ist irgendwie kaputt geworden. Also schreiben wir mit dem Bleistift.

Geschrieben muß ja werden, wenn Du’s auch gar nicht verdienst. Die ganze Woche habe ich keinen Brief von Dir bekommen. Und mein Herz ist solch’ dummes Ding, das gleich so weh tut. Warum nur? Ich weiß doch, daß Du mich lieb hast, kann auch kaum glauben, daß Du krank bist. Wissentlich also kränke ich mich gar nicht so viel darüber, weil ich denke, es wird sich schon klären, warum Du nicht schreibst. Aber das Herz tut doch so sehr weh, Tag und Nacht.

Wenn Du erreichen willst, Lieb, daß ich noch mehr an Dich denke. als ich es ohnehin tue, kannst Du’s auf die Art am besten.

Die Kinder habe ich zu einem Seiltänzer mit einem Affen gehen lassen. Eintritt 2.000 K. Sie waren beide schon ganz der Erwartung voll. Du bist wohl wieder bei Brodils. Kind, wie gern wär’ ich bei Euch! Nun, wenn mir Fredy nicht einen Strich durch die Rechnung macht, bin ich ja heute in vier Wochen bei Dir, Liebster! - Fredys Kiefer ist so geschwollen, daß ich in 4 bis 5 Wochen Zähne erwarte. In dem Fall möchte ich Mutter nicht gerne allein lassen. Weil sie dann wohl Tag und Nacht keine Ruhe hätte.

Fredy wird jetzt auch bissig. Er hat mich schon ein paar Mal in die Brust gebissen. Trinken will er überhaupt nicht mehr. Ich glaube, auf die weitere Stillprämie werde ich vergessen müssen. Bis 19.d. M. habe ich gestern das Geld erhalten. Ich denke, ich werde es unangetastet an Dr. Karl Meier weitergeben.

Ja, etwas habe ich vergessen Dir zu schreiben. Der zweite Kupon von Firma S.u. H. trug auch die Nummer 1.

Das Wetter ist noch immer scheußlich. Regen und Sturm in schönster Abwechslung.

Schatzerl, ich muß heute schließen, denn unser Jüngster fordert gebieterisch, daß ich ihn nehme. Daß Du aber am Sonntag ganz leer ausgehen sollst, das wollte ich auch nicht.

Grüße und Küsse an Brodils! Viel viel Busserl von Deiner

Gretel

Prag, 31.8.25

Mein Liebes!

Wie freue ich mich, daß Du, trotzdem ich vorige Woche weniger schrieb, mir nicht auch untreu bist. Bist doch mein liebes, gütiges Weiberl! Aber weißt, so ganz hast Du doch nicht recht, denn ich hatte oder eigentlich habe noch immer einiges zu lernen, aber es ist gewiß nicht recht, daß Du darüber zu kurz kommst.

Eben lese ich die vierte Seite, die ich ganz übersehen habe, weil wieder eine liebe Überschrift drauf ist, so daß ich dachte, es ist der Anfang. Aber liebes Butzerl, wer wird sich denn immer gleich so Sorgen machen. Mir geht’s doch gut und wenn ich krank wäre, würde ich Dir’s doch am ersten mitteilen. Hoffe, daß Du doch vielleicht Samstag nachmittag den Brief bekommen hast, da ich ihn doch Freitag früh aufgegeben. Und daß Du gleich wieder Herzweh bekommst! Wirst Du mir noch am Ende krank. O Lieb, wenn ich Dich nur da hätte, um Dich so fest zu drücken und abbusserln und unsere Sehnsucht so zu stillen. Diese Zeit wird noch sehr schwer für uns werden, die 4 Wochen weniger zwei Tage. Betreffs der Bauchschmerzen solltest Du doch zum Doktor gehen, wenn dieselben anhalten. Das Wetter ist hier grad so wie bei Euch. Richtiges Herbstwetter, ich glaube, es waren noch keine 5 Tage, wo es nicht geregnet.

Schw. Brodil läßt Dich ersuchen, Du möchtest ihr einen Spiritusbrenner von Wien mitbringen und zwar einen mit Docht zum Schrauben. Ich weiß nicht, ob Du aus der Skizze die Art entnehmen kannst. Und dann einige Waschel, da man hier dieselben nicht bekommt.

Daß Ihr wieder gesund seid, ist recht, ich meine mit Husten und Halsweh. Du hast jetzt wenigstens nur eine Sehnsucht, ich aber habe zwei, eine nach Dir mein Lieb und eine nach den Kindern. Ich schreibe schon im Finstern und hoffe, daß Du es lesen kannst. Ich seh’s nimmer.

Viele Busserln sendet Euch Euer Vater und Dich umarmt innigst

Dein Robert

Ternitz, 31.8.1925

Herzlieb!

Endlich! Der ersehnte Brief ist da! Nun hat die arme Seele Ruh’! Auch das Herzweh ist weg, wie fortgeblasen.

Wenn Du so viel Arbeit hast, wie Hutband annähen u.dergl., muß ich allerdings warten lernen. Habe übrigens heute vor lauter Lesen Deines Briefes die Milch übergehen lassen.

Nachmittag, im Walde

Heute (weiter bin ich nicht gekommen, weil Fredy schon wieder weinte) ist halbwegs schönes Wetter. Es stürmt zwar auch, aber doch nicht so kalt ist’s wie die Tage vorher. Bin jetzt mit Fredy noch eine Stunde herumgefahren, damit er fortschläft. Die Kinder haben beide Pockerln gesucht.

Will nun versuchen, Dein Schreiben zu beantworten so gut es geht, in dem Rummel, den die zwei Kinder machen. Fredy liegt stillschweigend neben mir und sieht mir zu. Der Trude ist schon wieder sooo fad.

Ja, sag, Schatz, warum hast Du denn meinen Brief so oft gelesen? Ich lese zwar die Deinen auch meist zwei oder drei Mal.

Wir haben jetzt schon weniger Gewitter. Vor ein zwei Wochen war’s ärger. Jetzt glaube ich ist’s zu kalt. Also Brodils sind mit mir gar nicht zufrieden! Na, sag ihnen, wenn ich komme, werde ich mündlich alles Versäumte nachholen.

Ich denke, untreu bin ich noch niemand geworden. Wenn ich mal jemand liebgewonnen habe, dann ist’s für die Dauer. Fanny soll also nicht klagen. Wenn ich mal in die Versorgung gehe, dann schreibe ich wieder viel, weil ich viel Zeit habe.

Nun, wenn in kurzer Zeit Präs. Tadje u.s.w. kommt, dann kommen sie wahrscheinlich nach Wien auch. Dann steht Br. Hansens Entlassung bestimmt bevor.

Ja, Liebling, Hansen erinnert mich an Fuhriman. Letzterem habe ich übrigens noch immer nicht geschrieben. Ich bin ihm wohl gleichermaßen untreu geworden wie Brodils. Und hab ihn doch so lieb! Am 11.wird’s ein Jahr, daß ich ihm zum letzten Mal schrieb. Na, desto mehr Briefe bekommst Du, mein Liebes, gelt? Ich glaube, Du bist so ganz zufrieden mit mir?!

Schatz, Dein Versprechen an Mutter Brodil war zwar etwas voreilig, und ich kann Dir vollkommen nachfühlen, daß Dir die Heuchelei unangenehm ist. Ich glaube, sie ist wider unsere Natur. Dennoch muß ich beipflichten, wenn Mutter Brodil Dich bat, den Mädels den Glauben nicht zu rauben.

Kind, ich wäre glücklich, hätte ich meinen Glauben noch. Oft sehne ich mich nach früheren Zeiten, nach Versammlungen und Gesangstunden, nach Gesellschaft, die mir lieb war. Nun müßt Ihr mir alles ersetzen. Du und die Kinder. Und doch, ’s ist wie Hanni Igel sagte: „Man braucht außer dem Mann noch jemand.“

Ich glaube, auch Dir genügt’s nicht, allein mit mir zu verkehren. Du hast Deine Geschwister, Kind. Ich aber bin allein.

1.9.1925

Lieb, mein Lieb, denke aber nicht, daß ich unglücklich bin. Ich bin nur vielleicht zu viel auf Dich angewiesen, was unter Umständen (jetzt z. B.) nicht gut ist. Ich hänge so mit Leib und Seele an Dir, daß ich ohne Dich nicht glaube existieren zu können, ’s ist nur gut, daß man sich wenigstens schreiben kann.

Wundere Dich nicht, Schatz, wenn die Schrift etwas viel eckig wird. Fredy liegt rechts von mir im Grase und zupft fortwährend an meinem Ärmel herum. Manchmal reißt er auch Gras aus. Überhaupt freut er sich, wenn wir in den Wald gehen.

Heute ist endlich wieder ein schöner Tag. Prachtvoll schön sogar. Fast zu heiß. Robert spielt Briefträger, er hat mir eben einen Brief vom Vater gebracht und VIEL Geld. Aber von Großmama hat er keinen Brief. Fredy hat jetzt getrunken und nun spielt er mit Roberts Ball.

Ich habe Dir übrigens gar nicht geschrieben, daß ich den Kindern Bälle gekauft hab’! Gelt? Erst nur einen, als ich in Wimpassing war. Dann hat mich Trude auch um einen gebeten und ich sagte ihr, sie soll sich und Fredy einen holen. Das Stück zu 4.000 K, ganz schöne, nicht kleine Salonbälle.

Wenn mein Geld halbwegs reicht, möchte ich vor der Abreise Vollgummibälle für Weihnachten kaufen gehen. Was denkst Du darüber?

Kind, ich glaube doch, daß die Firma vierzehntägig das Geld schickt, denn diese Woche habe ich wieder nichts bekommen. In dem Fall werde ich das von Dir erhaltene Geld wohl auch brauchen. Zumal mir immer neue Auslagen erwachsen. Die Birne in unserem Zimmer ist durchgebrannt = 18.500 K, Apotheke wieder 11.000 K. Da muß ich jetzt doch schon mit den 200.000 K Heimfahrt rechnen. Den Zins wollte ich Hans gestern abends geben, er hat ihn aber nicht genommen, nur 10.000 K für Licht. Ich muß abends doch schon brennen, Kerzen glaube ich kämen noch teurer.

Fredy kugelt ganz zu mir her. Er will spielen. Ich beginne übrigens bereits ihn zimmerrein zu machen. Dreimal war er heute schon wischerln.

Du frägst um Mutter. Ich konnte Dir doch nicht von ihr schreiben, wenn ich selbst nichts weiß. Morgen oder übermorgen aber kommt sie wieder heraus. Denke dann noch 14 Tage hierzubleiben. Muß dann auch für Pauline nähen. Einmal möchte ich mit Trude um Brombeeren gehen.

Hannis Adresse Wien VI., Linke Wienzeile 42, Frau Richard. Aber ich denke, Schatz, es ist besser, Du schreibst nicht über Berlin. Es sind das Dinge, die einen Dritten schließlich nichts angehen. Selbst Tante hat ihr geschrieben, sie soll machen, was sie will. In 14 Tagen kommt sie übrigens schon heraus um ihren Paß.

Sag, Kind, Du glaubst, ich brauche gar keine Paßbilder? Der Paß ist doch noch auf meinen Mädchennamen.

Viel viel tausend Busserln von den Kindern und Deiner

Gretel

Robert hat mir die Busserl für Dich sogar gegeben.

Prag, 2.9.25

Lieb!

Denke Dir, heute hatte ich drei Briefe auf meinem Tisch als ich nach Hause kam. Einen von Klauda und zwei von Dir. Mir scheint, je schlimmer ich bin, desto braver bist Du, mein guter Schatz. Aber daß Du eine ganze Woche keinen Brief bekommen hast, das dürfte doch Verschulden der Post sein, ich glaube sogar, daß ein Brief verloren gegangen ist. Nun da aber jetzt wieder alles im Geleise ist, will ich gleich Deine lieben Briefe beantworten. Ich will doch nicht, daß Du unter solchen Umständen an mich denkst, bei Herzweh. Ich denke, daß dasselbe auch auf Nervosität zurückzuführen ist. Da es - -

Siehst so ist’s! Eben holte mich Frau Vich in ihre Küche und wartete mir mit grünen Fisolen und Krautpogatscherl auf. Damit mir meine Frau nicht so abgeht. Als ob so ein Weiberl mit Krautpogatscherln zu ersetzen wäre. Natürlich mußte ich auch ein wenig tratschen und so ist’s schon halb Neun.

Du machst mir Angst mit Fredys Zähnen. Soll doch dieses dazwischenkommen? Nun Lieb, es ist natürlich dann notwendig, daß Du bei Mutter bleibst, aber lieber ist’s mir, wenn die Zähne noch ein paar Wochen warten. Ich freue mich doch schon so! Na ja, es ist ja gewöhnlich so, wenn man sich recht von Herzen freut. Aber ich sage Dir, in Prag bleibe ich nicht, da komme ich die zwei Tage nach Wien. Wir werden’s ja sehen.

Wenn Fredy nicht mehr trinkt, so ist’s ja besser, wenn Du ihn jetzt entwöhnst, d.h. er ist ja schon entwöhnt, die Stillprämie diese paar Tage macht’s ja nicht mehr aus. Weißt, trotz der Untreue Deinerseits freuen sich doch Brodils schon riesig auf Dein Kommen. Und was Dein Schreiben an Fuhriman betrifft, so wirst Du dieses hier, d.h.wenn Du kommst, am besten erledigen können, denn hier hast Du dann Ruhe. Und dann, ein klein wenig Egoismus steckt auch dahinter, brauchst Du mir ja dann nicht schreiben, so daß ich also nicht dadurch zu kurz komme. Im Gegenteil habe ich Dich ja ganz bei mir. Du schreibst, mein Lieb, ob ich mit Dir zufrieden bin? Nein gar nicht!

Wie kann ich doch, wenn Du mir gleich zwei Briefe an einem Tag schickst! Und so viel Liebes und Freudiges darinnen. Du schreibst wohl, Du wärest glücklicher mit Deinem alten Glauben, doch ich denke immer, wir beide bilden uns das wohl nur ein. Weißt, wenn Du heute in dieser Reife in frühere Zeiten zurückversetzt werden würdest, ich glaube, Du würdest anders urteilen, als Du früher es getan. Lieb, ob es schön ist oder nicht, ich freue und freute mich so, daß mir alles zu enge wurde und ich eine halbe Stunde spazieren gehen mußte. Schwinden damit doch so viele trübe Gedanken, die sich wieder in uns hineindrängten, manches Mal. Weißt, wenn Kinder da sind, so ist es doch nicht alles eins, wie Mann und Frau von einer Sache denken, und man will überhaupt doch verstanden werden und das kann man doch nur, wenn man annähernd gleich denkt.

Liebes Butzerl, ich will jetzt nicht mehr weiter philosofieren, so komme ich zu keinem Ende, vielmehr geduldig warten bis Du da bist, d.h.wenn Du kommst.

Unsere Hansi hat an Hansi geschrieben und auch da hat mich etwas ganz traurig gestimmt, nämlich daß sie so immer allein ist und so gar keinen Anschluß findet. Ein junges Mädel mit 20 Jahren! Sag mir, Lieb, ist da nicht auch der Glaube die Ursache? Und bei ihr ist’s noch schlimmer, weil sie selbst draußen keine Gesellschaft findet, weil Hansi ja doch in gewisser Hinsicht darüber hinaus ist. Mit der Brodil-Hansi ist es ähnlich, aber lange nicht so, weil selbe doch Umgang hat. Fanny, glaube ich, ist in dieser Weise anders, zwar ist das natürlich nur Vermutung. Aber daß man auch außer der Familie Gesellschaft braucht, das glaube ich bestimmt und fühlte es auch so manches Mal. Aber mein Lieb, es müssen nicht immer Geschwister sein. Nur kostet es dann mehr Anstrengung und wird vielleicht bald enttäuscht. Doch schadet auch das nicht, die Hauptsache ist ja doch die Ablenkung vom Alltag.

Liebes Schatzerl, ich muß schließen und küsse Dich tausend Mal - und auch die Kinder.

Robert

Ternitz, 2.9.1925

Liebes Kind!

Mutter ist heute wieder gekommen, Schatz, und das alte Dilemma ist da. Hörst Du die Seufzer nicht?! Mutter hat sich nämlich bei mir bitter beklagt, daß Du wohl einen Gruß an Stibals und Broßmanns geschickt, nicht aber an sie. Als Du nämlich an Hansi schriebst.

Schau, Liebling, ich weiß, daß das nicht mit Absicht geschah, aber ich glaube, Du könntest wissen, wie riesig empfindlich Mutter ist. Wie oft hat sie mir schon geklagt, daß Du nie zu ihr sprichst. „Wann i ihn net anred, er wird zu mir net a Wort sagen.“ Wie oft, wie oft hab ich das schon hören müssen. Und leider kann ich nicht einmal direkt widersprechen, wenn ich auch tausend Entschuldigungsgründe für Dich fand.

Kind, Du sollst das alles nicht als Vorwurf auffassen, ich hab Dich viel zu lieb, um Dir Vorwürfe zu machen, aber denk selbst einmal darüber nach, ob es nicht wahr ist. Und solch ein Verhältnis zwischen den beiden Menschen, die mir die liebsten sind!

Wenn ich wenigstens in Deinen Armen das Weh vergessen könnte, wie so manches Mal vorher. Es tut so sehr weh, Kind, wenn ich sehe, wie Mutter unter diesem Mißverhältnis leidet. Und sie tut doch so viel für uns. Ich glaube, es ist ihr kein Opfer zu schwer, wenn sie nur glaubt, uns etwas zuliebe tun zu können.

Nun Schatzerl, sei mir nicht bös deshalb; ich mußte mir das noch von der Seele herunterschreiben, sonst kann ich heute gar nicht schlafen. Deine lieben Briefe vom 30. und 31.v. M. beantworte ich Dir morgen.

Für heute ein recht herzliches „Gute Nacht!“ und tausend Busserl.

4.9.1925

Herzlieb! Aus dem Morgen ist ein Übermorgen geworden. Sei nicht bös, mein Lieb! Ich war eben auch so beschäftigt, und zwar nicht mit Hutbandannähen, aber Waschtag hab’ ich gehabt. Die Wäsche ist übrigens tüchtig geschwemmt worden. Ich hab sie erst um 6 Uhr abends aufhängen können und als ich heute morgens erwachte, regnete es. Ich war ganz entsetzt. Ein Papierstrick und Regen. Na, es hat aber nicht viel geschadet. Gegen 10 Uhr hörte es auf und um 2 Uhr war Wäsche und Strick trocken. Jetzt ist schon gebügelt. Dachte, ich kann Dir heute nachmittag schreiben, Fredy war aber sehr grantig, so ist nichts daraus geworden.

Also, ich werde nicht verfehlen, einen Spiritusbrenner (ganz laut Skizze) und einige Waschel mitzunehmen.

Daß die Mädels vom Blatt singen, dachte ich mir, da sie als Kinder schon beinahe so weit waren. Sind ja Musikerkinder. Freue mich schon sehr auf einige Abende bei Brodils. Ich möchte ja auch ein bissel mit Euch singen.

Kind, die Patentsache. Ich muß Dir ehrlich sagen, daß ich mir gar nichts mehr davon erhoffe und es meines Erachtens unnütz ist, dafür noch so viel Geld auszugeben. Du hättest mit den 2.6 Mill. doch auch erst das deutsche Patent erkauft, nicht? Und was ist dann mit den übrigen Ländern? So viel ich mich entsinne, hast Du mir von 36 Mill gesprochen. Ergo bin ich ganz Deiner Ansicht, übergib die Sache S.u. H., vielleicht erwächst Dir dann immer noch einiger Nutzen daraus. Na, und wenn nicht, kann man auch nichts machen.

Ja, ich habe am Mittwoch 40 S 81 gr von der Firma erhalten. Ich kenne mich immer weniger aus. Sag, hast Du mit dem Beamten über die Sache gesprochen? Glaubst Du nicht, daß es am besten wäre, wenn ich nach meiner Heimfahrt mich im Lohnbüro darüber erkundigen würde?

Ich habe wieder immense Auslagen. 100.000 Installation (wäre schon voriges Monat zu bezahlen gewesen, aber Du bist angeblich davongelaufen), 36.000 K Zins, 30.000 K Fußbodenlack. Mutter hat nämlich unseren Boden einmal überstrichen. 20.000 oder besser 40.000 K Radio für v. M. und d. M. Dann kommt am 8. die doppelte Gasrechnung, ungefähr 300.000 K. Ich habe Hansi geschrieben, sie soll mir den Stand des Messers schreiben und den Betrag der letzten Rechnung. Die Juni-Rechnung habe ich bei mir, so kann ich mir dann ausrechnen, wieviel es ausmacht und ihr das Geld schicken.

Igels waren vorige Woche Freitag und Samstag in Wien. Fanni ist noch in Berndorf, ihr Mann nach Hause gefahren. Fanni schaut sehr elend aus, ich hätte sie gar nicht erkannt. Auch Hansi und Trude kannten nur ihren Mann.

Kann sein, Schatz, daß ich mich in 8 Tagen schon zur Heimreise anschicke, wenn ich hier mit dem Nähen fertig bin. Das Wetter ist gar nicht verlockend.

Lebe und schlafe wohl, mein Lieb. Ich wollte, ich wär’ schon bei Dir!

Ja, Kind, wie stehts mit Mutters Geld? Viele Grüße von allen hier. Viele Grüße an Brodils. Bin jetzt halb erfroren und so schläfrig, daß mir die Augen zufallen.

Dich umarmt und küßt in treuer Liebe und heißer Sehnsucht

Dein Weiberl

Prag, am 5.9.25

Liebes Weiberl!

Mir scheint, jetzt geht’s mir so ähnlich wie Dir vorige Woche. Dein letzter Brief ist am Mittwoch gekommen. Nun will ich Dir aber doch schreiben, damit Du wenigstens am Montag was bekommst. Hoffentlich geht’s heute noch weg.

Bekam heute von Hansi einen Brief mit einer Rüge, daß ich Mutter nicht einmal einen Gruß sende. Nun Lieb, wußte ich doch gar nicht, daß Mutter in Wien ist, d.h. bis auf Deinen vorletzten Brief. Ich habe auch sofort an Mutter geschrieben, hoffentlich ist sie jetzt in Wien. Wenn nicht, dann bitte entschuldige mich einstweilen bei ihr. Gestern abend habe ich an Olga geschrieben.

Wäre natürlich schon neugierig, was mit Fredys Zähnen ist und damit mit Deinem Kommen. Wenn er nur noch ein paar Wochen warten würde.

Auch von Emmy bekam ich einen sehr herzlichen Brief, den Du lesen mußt, wenn Du kommst. Es ist so schade um sie, daß sie so verkümmern muß. Wie Du siehst, bekommen ich ja ziemlich viel Post, das ist ja recht, aber - das Antworten! Daß dabei mein Lieb nicht zu kurz kommt. Und zu lernen gibt’s auch noch. Da hast Du’s halt besser, Du kannst Dir’s doch einteilen.

Bei uns ist’s sehr kalt, obwohl heute wieder einmal ein heiterer Tag ist. Mein Lieb, sei so gut und bringe mir meinen Raglan mit, es ist schon wirklich notwendig. Heute ist hier Regatta, brrr, bei dieser Kälte. Mitte September werde ich wahrscheinlich nach Weinberge kommen. Dann habe ich es zu Brodils sehr nah und Du kannst immer da auf mich warten.

Ich will nun gleich den Brief zur Post tragen, daß er noch weggeht mit dem Nachtschnellzug.

Mit vielen Küssen, auch an die Kinder,

Robert

Ternitz, 6.9.1925

Mein Lieb!

Mir scheint, als Du Deinen Brief vom 2.d. M. schriebst, warst Du ein wenig konfus. Obzwar ich nicht weiß, was Dich jetzt aus der Fassung bringen kann. Du mußt ja eine heilige Ruhe haben in Deinem Heim. Bei dem Brief mußte ich nämlich immer erst suchen, auf welcher Seite es weitergeht. So hätte ich bald zwei Seiten vollständig übersehen.

Und gerade die zwei, wo Du mir schreibst, daß Du Dich so riesig freutest, daß Du spazierengehen mußtest. Hm, Schatz, schön ist das wirklich nicht von Dir. Aber was kann man machen. Freue Dich halt. Ich freue mich auch, aber nur, weil schon bald der 26. ist. Schatzerl, ich glaube doch, daß ich zu Dir kommen kann. Und ist das nicht schon wieder trotzig, wenn Du gleich denkst, die zwei Tage nach Wien zu kommen? Das wäre doch Unsinn, Kind! Für zwei Tage so viel Geld auszugeben.

Also mit Fisolen und Grammelpogatscherln will man mich Dir ersetzen. Immerhin sehr liebenswürdig von Frau Vich. Aber, daß wir einander ein bißchen mehr wert sind, denke ich doch auch. Ich muß dabei an Fuhriman denken. Als er wegfuhr, hat er mir, es war 1 Uhr nachts, eine große Tafel Schokolade gegeben. Da mußte ich trotz aller Tränen lächeln. Gerade wie man ein Kind tröstet, nicht? Ich möchte noch immer wissen, was er dabei dachte.

Mit meinem Schreiben an F. hast Du vielleicht auch recht, daß das in Prag am ehesten zu erledigen ist. Nur ist’s schon 1 2/3 Jahre, daß er den letzten Brief von mir erhielt. Und zu kurz kommen würdest Du doch auf keinen Fall, Liebling. Ehe die Post für Dich erledigt ist, kommt nichts und niemand anderer. Das könntest Du wohl schon wissen.

Also Du glaubst, „wir beide“ bilden uns nur ein, daß wir glücklicher wären mit unserem Glauben! Nun Kind, das glaube ich mal wieder nicht. Ich für mein Teil weiß, daß ich mich wohler fühlte als jetzt. Weiß, daß es unzählige kleine Freuden für mich gab, die ich heute entbehren muß. Daß sich mit Alter und Reife vieles ändert, da hast Du wohl recht. Wäre es nicht so, auch Du wärest nicht imstande gewesen, mich anders denken zu lehren.

Ich weiß nicht, Lieb, ob es Dich gerade so traurig stimmen muß, daß Hansi so allein ist. Als ich so alt war wie Hansi, hatte ich eigentlich so wenig Anschluß wie sie. Aber ich habe mir selbst vollständig genügt und war letzten Endes immer froh, wenn man mich mit meinen Gedanken in Ruh ließ. Wie oft war mir zuwider, wenn Mitzi kam. Und ich weiß nicht, ob’s nicht mit Hansi ebenso ist. Allerdings - ich habe eben jetzt vergessen. Ich hatte eine Schwester, an der mein ganzes Herz hing. Na, lassen wir die Sache. Wir ändern’s doch nicht.

Gestern habe ich fast den ganzen Tag für Pauline genäht und morgen wird’s ebenso.

Ja, doch noch etwas wegen Hansi. Gesellschaft würde sie schon finden. Sie möchte alle Sonntagsausflüge machen mit ihren Kolleginnen. Aber das liebe Geld reicht halt nicht. Nicht Glaube oder Unglaube sondern fast immer das Geld ist Hauptursache alles Unheils.

Heute war ich mit Pauline und Robert ziemlich weit spazieren. Ungefähr zweieinhalb Stunden. Fredy und Rolf waren auch dabei, Trude und Mela haben Brombeeren gesucht und wir haben sie dann abgeholt.

Mutter war in der Baptistenversammlung. Hat ihr aber nicht besonders gefallen.

Mir scheint, wir bekommen schon wieder Regen, weil mir mein Fuß gar so weh tut.

Viele, viele Busserl an Brodils. Und herzlichen Dank an Frau Vich, daß sie sich Deiner so annimmt.

Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich Dich jetzt halbtot drücken als „Gute Nacht“-Gruß!

Deine Gretel

Prag, am 6. Sept.25

Liebes Weiberl!

Wieder ist ein angenehmer Sonntag vorbei und ich will Dir gleich mitteilen, daß Dich Frl. Ruschenka ganz speziell grüßen läßt. Natürlich auch von Brodils Grüße und Küsse. Vormittag also war ich nach dem Frühstück, das war um ½ 9 Uhr, in einer Kirche, wo eine sehr schöne Orgelmusik war. Danach spazierte ich auf den Weinbergen herum und ging um 11 Uhr zu Brodils, da ich daselbst zu Mittag geladen war. Wir speisten aber erst um ½ 1 und in der Zeit kam eine Freundin Hansis, ein lustiges hübsches Fräulein, leider spricht sie wenig deutsch. Nach dem Essen, Suppe, Ente (damit Du nicht vielleicht Eule liest), Knödel und Kraut und Zwetschkenkompott, fuhr ich mit Hansi zu Frl. Ruschenka. Schw. Brodil wollte nicht mit, da das Wetter nicht besonders gut war. Fanni war in der Messe, die heute hier eröffnet wurde. Draußen in, ja wenn ich das wüßte, wie der Ort heißt, also bei Frl. Ruschenka angekommen, wurden wir sehr freudig empfangen und ich kam eben recht, um beim Picken eines Fahrradschlauches mitzuhelfen. Später gingen wir spazieren, jedoch kamen wir nur bis zum sogenannten Bahnhof. Da stehen nämlich 8 oder mehr Waggons, aber nur das Oberteil, in welchem Leute wohnen. Personen- und Lastwaggons, teilweise ganz nett eingerichtet. Es ist natürlich auch hier Wohnungsnot. Nun, im Sommer läßt sich ja in solchen Waggons recht gut leben, im Winter jedoch dürfte es nicht sehr angenehm sein. Da es aber anfing zu regnen, so mußten wir wieder nach Hause, wo ich eine Uhr reparierte und dabei immer wieder zum Harmonium hinüberschielte, da Hansi und Ruschenka Lieder spielten und sangen. Dann jausten wir Kakao, Apfelstrudel und Keks, wobei Ruschenka immer bedauerte, daß sie uns gar nichts geben könnte und zuletzt Zwetschken. Mit einem großen Blumenstrauß für Mutter und Fanny beladen, kehrten wir heim, natürlich mußte ich dort Nachtmahl essen, wenn ich daran gedacht hätte, wäre ich gar nicht hinaufgegangen. Zuhause mußte ich natürlich Frau Vich Bericht erstatten und so ist’s schon ½ 11 Uhr geworden. Auf morgen freu ich mich schon wieder, weil wahrscheinlich ein Brief von Dir kommt. Hoffentlich, denn Dein letzter ist vom 31.8., also von Montag.

Schlaf gut und träume, daß wir in drei Wochen vielleicht schon beisammen sind.

Viele, viele Küsse

Dein Robert

7.9.25

Mein Lieb! Anscheinend konfusionieren wir mit unseren Schreiben. Aber diesmal EINMAL ohne meine Schuld. Erstens: der Fall mit Mutter. Du schriebst mir am 29.8., daß Mutter hineinfährt, damit sie schon drinnen ist, wenn Igels kommen. Habe angenommen, daß sie nur zu dem Zweck hineingefahren ist und dann wieder nach Ternitz fährt. Daß Mutter dauernd in Wien bleibt, ist aus Deinen Zeilen nicht zu entnehmen. Weiters habe ich bestimmt in einem der Briefe an Dich an Mutter Grüße gesendet ohne daß Du mir geschrieben hättest, daß Mutter ja nicht in Ternitz ist. Nun glaube ich, daß der Irrtum aufgeklärt ist, denn wenn die Post normal ging, hat entweder Mutter schon ihren Brief oder Du den Deinen, worin ich Dir schrieb, daß Du mich einstweilen entschuldigen möchtest. Was den „Vorwurf“ Deinerseits betreffs dieses Fehlers anbelangt, so sehe ich eine Aussprache in einer Sache, wo irgendeine Ungerechtigkeit die Ursache ist, nicht als solchen an. Und gerade Menschen, die sich so lieb haben wie wir, sollen sich gegenseitig auf solche manchmal ganz ungewollte Ungerechtigkeiten aufmerksam machen.

Muß mir einen Apfel zur Stärkung nehmen.

So, also weiter! Es ist dies ein altes Lied, daß Du das nicht immer, und grad in Fällen, wo’s notwendig wäre, kannst. Nicht nur mir, sondern auch Mutter gegenüber. Und doch würde das das Mißverhältnis zwischen Mutter und mir, glaube ich, verkleinern. Denn ich würde dann vielleicht so manches einsehen und auch Mutter würde dann leichter erkennen, daß WIR BEIDE verheiratet sind und uns unser Leben so einrichten, wie WIR es als gut befinden. Wir sind ja schließlich keine Kinder sondern alt genug, um über uns entscheiden zu können. Wenn Mutter nur weiß, daß Du wirklich so willst, wie Du mir gegenüber eine Sache gutheißt. Aber wenn man sieht, mein Lieb, daß gerade gegen unseren Willen etwas gemacht wird, dann muß auch Mutter zugeben, daß man sich darüber nicht freuen kann, und ihr wird selbst viel Bitterkeit erspart bleiben, wenn das eben nicht getan wird. Kannst Du Dich vielleicht noch an den Fall erinnern mit Trude, wir waren damals noch gar nicht verheiratet. Trude hätte ruhig sein sollen und ist immer noch am Strohsack auf der Erde herumgesprungen. Ich hab sie damals ins Kabinett ins Bett getragen. Natürlich hat sie geweint und nach Großmama geschrieen und natürlich ist Großmama hineingegangen und hat sie abgebusselt und ist bei ihr geblieben, bis sie eingeschlafen ist, wo sie doch sonst immer allein schlafen gegangen ist. Dieser Fall ist typisch und zeigt, daß Großmama oft ihre Liebe nicht am richtigen Platz gebraucht, damit aber viel in einer Familie ruinieren kann. Nun wir haben ja oft zur Genüge darüber gesprochen, und sei auch Du nicht böse, wenn ich meinem Denken hier ein wenig Raum gebe. Ich glaube, daß unsere Trennung heilend auf die Zustände, die so manches Mal bei uns waren, wirken wird und es liegt jetzt an Dir mein Lieb und mein Weib, daß Du den Grund zu UNSERER Familie festigst, indem Du unsere Kindern nach Deinem, aber auch wirklich nach Deinem eigenen Denken erziehst.

Jetzt kommt aber No.2, Folgen von No.1. Habe am 22.8. an Deine Adresse, natürlich weil ich ja dachte, Mutter ist in Ternitz, 55 Schillinge gesandt und jetzt schreibst Du, was mit dem Gelde ist. Werde Dir Samstag 40 Schillinge senden, leider habe ich nicht den ganzen Betrag. Nur schreibe mir vorher, denn sonst kommt wieder ein Palawatsch heraus. Weißt, auch da sei bitte so gut, wenn Du Geld brauchst, so schreibe mir wieviel, denn wenn Du mit dem Geld einmal im Gleichen bist, ich meine, daß Dir S.u. H. regelmäßig sendet, dann werden wir ja sehen, wenn Du nicht auskommst, muß ich Dir halt eines senden. Übrigens nach Deinem Kommen werde ich dann regelmäßig, sagen wir 40 Schillinge senden, für die Sparkasse. Ich denke, mit S.u. H. ist das schon erledigt und Du wirst alle Wochen 408.000 K bekommen. Daß Du weniger bekommst als Du rechnest, kommt daher, daß ich hier nur 432 Kc Zulagen bekomme, jedoch 450 Kc Vorschuß nehme, so daß diese 18 Kc, d.s.37.800 K vom eigentlichen Lohn abgezogen werden. Nachdem alle diesen Vorschuß nehmen, muß auch ich das machen, damit die Firma glauben soll, daß wir mit weniger nicht leben können. Ist zwar Mumpitz, denn die weiß es ja so, aber es ist einmal eingeführt. Zur Firma hingehen hat glaube ich keinen Wert, da ja die Verrechnung stimmt. Zur Freude kann ich Dir mitteilen, daß ich heute vom Ingenieur erfuhr, daß die Zulage schon erledigt ist von 10.000 auf 11.000. Sind doch auch 50.000 K. Schade, daß sie sich nicht in Kc auswirkt. Also als Abschluß zu No.2 schreibe mir vielleicht ein paar Tage vorher, was Du für Geld brauchst, detaillieren kannst Du’s ja dann im Buch, wenn Du willst. Mit der Patentsache werde ich’s so machen, aber vorher noch Ing. Feigl schreiben.

Daß Du, wenn das Wetter schlecht ist, früher hereinfährst, wird ganz gut sein, denn Ihr habt ja nicht viel davon. Und dann hast Du wenigstens Zeit zur Vorbereitung, wenn Du kommst.

Ja, wie geht’s denn Fredy? Gestern lachte man draußen über mich als ich sagte: „Ja, wenn nur mein Kleiner keine Zähne bekommen möchte!“

Ich möchte Dir einen Vorschlag machen. Wenn Du Brodils ein so ein großes Gesangsbuch (Chorbuch) mitbringen würdest, sie möchten gewiß große Freude haben. Auch ich, wenn Du nur schon in der Lage wärest. Mein Lieb, wie ich auf Dich warte!

Jetzt ist aber Zeit zum Essen gehen. Ich glaube, Du bist zufrieden mit der Länge des Briefes. Ob auch mit dem Inhalt?

Leb recht wohl und komme bald! Innigst umarmt Dich und küßt Euch ALLE

Robert

Ternitz, 8.9.25

Mein lieber Mann!

Hoffentlich hast Du nicht auch Herzweh bekommen, wenn es Dir auch ähnlich erging wie mir. Ich habe aber nur drei Tage ausgesetzt mit dem Schreiben. Eine Woche kannst Du da denn doch nicht haben warten müssen. Aber auf jeden Fall herzinnigen Dank, mein Lieb, daß Du mich trotzdem nicht so lange auf Post von Dir warten ließest.

Also von Hansi hast Du eine Rüge bekommen. Und ich schrieb dir auch noch deshalb. Schatz, wenn ich das gewußt hätte, hätte ich Dich wenigstens damit nicht behelligt.

Was mit Fredys Zähnen ist, kann ich Dir ja leider vorher auch nicht schreiben. Ich möchte es wohl selbst schon wissen. Möchte doch wissen, ob ich mein Lieb bald wieder sehen darf. Kind, die Sehnsucht wird immer ärger. Zum Schluß kriege ich dann noch Reisefieber. Lieb, ach Lieb! Ich muß so viel seufzen!

Daß Du viel Post bekommst, ist ja gut für Dich, wenigstens hast Du ein wenig Abwechslung, „aber - das Antworten“. Na, siehst Du, Schatz, in der Beziehung geht’s mir besser. Ich bekomme, außer von Dir, von keiner Menschenseele ein Schreiben. Folglich brauche ich nicht antworten. Selbst als Mutter noch zu Hause war, kam nichts als wöchentlich einmal ein Zettel. „Wie geht es Euch? Was macht Fredy? Ich sehne mich schon sehr nach ihm. Ist Trude brav? An Robert viel Busserl.“ Dies der beiläufige Inhalt von Mutters Briefen. Und meine Antwort fast ebenso lakonisch kurz.

Die langen Antworten muß ich doch für meinen Liebling aufheben.

Fredy war vorgestern sehr unruhig, als ich Dir schrieb und heute ist’s noch ärger. Dann wird es immer spät zum schlafen gehen.

Heute wär’s aber für mich schon höchste Zeit. Ich bin derart schwindelig, daß ich morgens schon beinahe mit Fredy umgefallen wäre. Mein Fuß tut mir auch weh, wie gewöhnlich um die Zeit.

Gestern hatten wir wieder solch famosen Regentag. Heute war’s dafür herrlich schön. Ich war mit Robert und Fredy beim Hüterriegel. Wir sind 4 Stunden ununterbrochen gegangen. Eine Leistung für den Buben.

Also, kalt ist’s bei Euch auch? Vielleicht doch nicht so wie hier. Wir haben ganz frische Schneebergluft, unverfälscht. Und der Schneeberg liegt seit drei Tagen bis zur halben Höhe mit Schnee bedeckt. Morgens ist’s in unserer Wohnung schon so kalt, daß man ganz dick den Hauch sieht beim Sprechen.

Ja, Schatz, Deinen Raglan willst Du. Denkst Du nicht, es ist am besten, ich nehme den Reisekorb, den ich hier habe, und packe Dir alle Deine Sachen ein, und fahre dann mit Deinem Korb zurück. Über das Wäschekaufen für mich müssen wir dann auch erst mündlich verhandeln. Erstens wird Dir besonders viel Geld nicht übrig bleiben. Wenn Du Mutters Schuld erledigst und mir Reisegeld schickst, dann auch rechnen mußt, daß mein Besuch Dir außerdem Verpflegungskosten verursacht, wirst Du nicht viel Überschuß haben. Vielleicht läßt sich’s so einrichten, daß ich die Zeit für uns koche.

Ich habe gestern von der Firma 55 S 21 gr erhalten. Wieder ein anderer Betrag. Das ist mir aber zu dumm. Wenn Du immer die gleiche Stundenanzahl hast, sollte ich doch jede Woche denselben Betrag bekommen, nicht?

Nun bin ich wenigstens ohne Sorge. Ich kann Robert die Schuhe bestellen, habe Reisegeld genug. Und im äußersten Notfall auch für eine Woche zu leben. Außer der jetzigen. Du denkst, daß Schuhe für Robert in Prag billiger wären? Wenn er aber doch Einlagen braucht. Ich gehe noch vorher zu Dr. Sachsel.

Grüße und Küsse an Brodils, Grüße von Mutter und den Kindern.

Robert fällt es manchmal ein, daß er Dich „so lieb“ hat. Einmal aber war er auf mich böse, weil ich morgen nach Prag fahre.

In heißer treuer Liebe

Deine Gretel

Prag, am 8.9.25

Liebe Gretel!

Eben komme ich von Brodils. Die Mädels haben heute konzertiert und die Musik hat heilend auf meine heutige Stimmung gewirkt, in die mich Dein Schreiben vom Sonntag versetzt hat. Du warst wohl übler Laune, als Du den Brief erhieltest? Oder grollst Du mir aus irgend einem Grunde? Das glaube ich doch nicht, denn Du würdest es mir ja doch schreiben. Lieb, ist es wirklich so trotzig von mir und wäre es ein Unsinn, wenn ich meine Sehnsucht nach Dir und den Kindern auf diese Weise stillen möchte, daß ich nach Wien komme? Kind, mir ist diese Freude 180 Kc wert! Und auch mehreren anderen Monteuren, die über die zwei Tage nach Hause fahren zu ihren Familien. Wenn Du doch kommen kannst, dann desto besser, dann können wir uns das Geld auf etwas anderes aufheben.

Im Anfange habe ich beim Lesen gelacht, daß ich Dir erst gestern schrieb, daß wir konfusionieren und heute Du mir schreibst, daß ich konfus bin. Nun, ich weiß wohl nicht, wie diese unrichtige Reihenfolge der Seiten zustande kam, wohl aber, daß mich bis jetzt eigentlich nichts aus der Fassung gebracht hat, es müßte denn sein, daß mehrere solche Briefe kommen wie der letzte.

Mein Rat betreffs Deines Schreibens an Br. Fuhriman von hier aus war gut gemeint, ohne daß ich im leisesten Angst gehabt hätte, im gegenteiligen Falle verkürzt zu werden. Du schreibst, „das könntest Du wohl schon wissen“. Lieb, ich weiß, daß Du F. sehr lieb hast und daß es Dir Freude macht ihm zu schreiben und von ihm Briefe zu bekommen, so wie er sich freuen wird, und wenn Du mir schreibst, daß ich aus diesem Grunde einige Tage keine Post bekommen werde, so werde ich Euch zuliebe warten. Lieb, ich komme anscheinend über diesen Brief nicht hinweg. Ich glaube nicht, daß Du mir wissentlich so weh tun wolltest. Sage, habe ich mich deswegen gefreut, weil ich Dich, nach Deinen Worten, anders denken lehrte? Daß es mir gelungen? Es ist wirklich nicht schön von mir, schreibst Du. Daß ich mich freue, daß wir uns geistig näherkommen? Daß wir auf dem Wege sind, geistig in gleicher Richtung zu wandeln? Du fühltest Dich früher wohler, mußt unzählige kleine Freuden entbehren. Ersetzen wir Dir dieselben nicht, Gretel, die Kinder und zum Teil auch ich? Du schriebst mir in einem der vorigen Briefe, ich soll nicht glauben, daß Du unglücklich bist. Das glaube ich nicht, denn wenn man Kinder hat, kann man nicht ganz unglücklich sein, aber Du bist auch nicht ganz glücklich! Mein liebes, liebes Weib.

Es ist bereits ½ 12 Uhr. Sitze seit 9 Uhr bei den paar Zeilen, denke hundertmal mehr, als ich zum Schreiben imstande bin.

Betreffs Hansi bin ich auch nicht der richtigen Meinung. Magst recht haben, jedoch frage einmal, wieviel Geld Olga zu ihren Ausflügen hatte, wie sie so 15 - 20 Jahre war.

Eine Neuigkeit meinerseits, daß ich seit 10.8. die Aufbesserung bekomme, um etwa 14 Sch. wirst Du diese Woche mehr bekommen.

Nun leb wohl. Grüße von Brodils. Sie freuen sich, daß Du doch kommst.

Noch will ich Dich erinnern, daß Du vor Deiner Abfahrt zu S.u. H. schreibst, daß sie Dir das Geld nach Wien senden.

Grüße an Mutter, Mühlhofers, Richters und alle Bekannten.

Schlaf wohl, Du mein Alles!

Küsse die Kinder und Dich umarmt und küßt innigst

Dein Robert

Ternitz, 9.9.1925

Du, mein lieber Mann!

Ob ich auch mit dem Inhalt Deines Briefes vom 7.d. M. zufrieden bin? Ja doch, mein Lieb! Solch Inhalt muß auch manchmal sein, wenn er mich auch momentan so in Erregung gebracht, daß ich Dir sofort zurückschreiben wollte. Wenn ich nämlich Zeit gehabt hätte. Warum ich mich eigentlich so aufgeregt habe, weiß ich gar nicht. Ich bin doch mehr nervös, als ich gewöhnlich denke.

Deine Sonntage verbringst Du scheinbar immer recht schön. Wenigstens fühlst Du, daß Sonntag ist. Für mich ist jeder Tag gleich. Oft weiß ich nicht einmal, welcher Wochentag ist. ’s ist ja egal.

Essen tut Ihr scheinbar auch nicht schlecht bei Brodils. Sag, wo ißt Du denn während der Woche?

Schlafen kann ich jetzt etwas besser, aber träumen davon, daß ich in drei Wochen bei Dir bin, das kann ich leider nicht. Nie, nie kann ich von Dir träumen, Schatz! Warum nur? Ich denke doch immer an Dich.

Ja, für Frl. Ruschenkas speziellen Gruß einen ebensolchen von mir.

Kind, ich weiß nicht, aber das Schreiben will heute gar nicht gehen. Mein Herz wird immer dummer und läßt mir heute wieder gar keine Ruhe.

Also an der dummen Grußgeschichte bin letzten Endes wirklich ich allein schuld. Du hast am 19.8. Grüße an Mutter gesandt. Ich habe das aber wahrscheinlich nicht weiter beachtet. Na, ich denke, die Sache ist somit schon abgetan. An den Fall mit Trude kann ich mich zwar nicht erinnern, aber typisch ist er unbedingt für Mutters oft unvernünftige Liebe.

Und böse, Lieb, wie kann ich Dir böse sein über ein aufrichtiges Wort?

Nun aber zu der Geldfrage. Ich schrieb Dir, daß ich kein Geld von der Firma erhalten habe, wenn ich nicht irre, am 19.8. Daraufhin sandtest Du am 22.8. die 55 S mit dem Bemerken, „Wenn Du Geld brauchst, nimm es einstweilen von dem.“ Am 24.8. erhielt ich nun gleichzeitig die 55 S von Dir und 78 S von der Firma. Mein Geld war bis zum Null-Punkt ausgegeben. Ich hatte also nun (1 S war Porto) 132 S. Davon sandte ich 20 S sofort an Mutter zur Verrechnung für Schuhe, elektr. Licht, Zins u.s.w. Die nächste Woche erhielt ich kein Geld. Habe also - nein, das stimmt nicht. Die nächste Woche erhielt ich DOCH Geld, nur nicht am Montag, sondern erst Mittwoch den 2.9., und zwar 40.81 S und diese Woche 55 S. Das wären insgesamt

112 + 40 + 55 = 207 S

Da ich pro Woche ungefähr 35 S brauche, macht das in drei Wochen vom 22.8. bis nächsten Montag 105 S. Bleiben 102 S. Davon bekam Mutter 9.6 S für bewußte Auslagen, 20 S schickte ich an Hansi für die Gasrechnung; was es mehr ausmacht, bezahlt Mutter. Ihr müßt übrigens sehr schlecht gewirtschaftet haben, denn meine letzte Gasrechnung betrug 11 S 02 gr, während jetzt die Rechnung für 2 Monate beiläufig 28 S ausmacht. Das nebstbei. Da habe ich noch Windel waschen und Badewasser wärmen müssen.

Also weiter: 102 S - 29.6 S = 82.4 S, ca. 5 S brauchte ich für el. Birne, Schuhreparatur, el. Licht hier u.dergl., bleiben also 77 S, die wohlverwahrt in meinem Kasten liegen. Ich könnte aber, wenn ich wollte, die 55 S an Mutter abgeben. Ich will aber nicht, Kind, weil erstens Robert Schuhe braucht. Ich rechne dafür ca 20 S und ich zweitens nicht wieder ohne Reservegeld dastehen will, wenn die Firma einmal kein Geld schickt oder eine Verzögerung eintritt. 20 S brauchen wir zur Heimfahrt und 20 S für die Schuhe, so bleiben mir just für eine Woche Wirtschaftsgeld. Davon möchte ich allerdings noch die Bälle für Weihnachten erübrigen. Ich denke Schatz, Du bist nun ganz im reinen über meine Geldverhältnisse und mißbilligst auch meinen Standpunkt nicht. Läuft die wöchentliche Geldsendung pünktlich ein, so werde ich wohl auskommen, wenn nicht sehr große Zahlungen kommen. Eine große Rechnung über Dachreparatur haben wir zu erwarten. Bekomme ich nächste Woche wieder Geld von der Firma, so gib ich Mutter die fehlenden 15 S zu den 40 S, die Du schickst. Sende dieselben aber erst Dienstag oder Mittwoch ab, und gleich nach Wien. Es ist immerhin möglich, daß wir erst Mittwoch oder Donnerstag nächster Woche heimfahren. Trude fährt Sonntag früh, weil Montag die Schule beginnt.

Ja, noch etwas. Du schreibst, die Verrechnung stimmt. Wie war das dann mit den 108 S auf Deiner ersten Verrechnung Und wieso ist der Betrag nie gleich? Und was ist mit Deinem Reise-Vorschuß? Das alles läßt mir keine Ruhe, so lange ich nicht klar sehe.

Ein Chorbuch werde ich sehr gerne mitbringen, wenn’s am Lager ist.

Mein Lieb, wie Du auf mich wartest! Wohl kaum sehnsüchtiger als ich darauf, zu Dir zu kommen! Da hast Du’s, bei dem Gedanken meldet sich schon wieder das dumme Herz. Bei dem vorhergehenden Sachlichen hatte ich Ruhe.

Nun, süßes, liebes, gutes Schatzerl, will ich schlafen gehen.

Gute Nacht und träume süß! Nun noch 17 Tage trennen uns. Und dann - Kind, wenn ich d’ran denke, wird mir alles zu eng!

Viele Grüße von allen! Fanny Igel war heute wieder hier. Grüße an Brodils!

Dich küßt so fest und heiß sie kann,

Deine Gretel

Prag, am 10.9.25

Mein Liebes!

Obwohl ich mich so sehr sehnte nach ein paar lieben Worten von Dir, ist doch nichts gekommen. Vielleicht aber hat der Briefträger die Post zur Nachbarin gegeben, da Frau Vich nach Krc gefahren ist. Weißt, dort wo ich Sonntag vor zwei Wochen war.

Heut ist’s hier wieder leidlich warm. die letzten Tage waren halt sehr kalt und ich hoffe, daß Ihr es in Ternitz schöner habt. In Nordböhmen ist schon Schnee gefallen, 5 cm. Im September. So ging’s ja in Sibirien mit dem Winter. Habe auch seit gestern alle Zustände. Schnupfen, Halsweh u.s.w., halt alles Gute, das man von so einem Wetter erwarten kann.

Nun ist der Mechaniker, den ich in Smichow vertreten, wieder vom Urlaub zurück, auch der leitende Ingenieur und ich werde wahrscheinlich bald nach der Weinberger Post kommen. Da werde ich wohl alle Tage nachsehen, was Brodils machen. So bin ich ca alle zweiten Tage dort. Mutter Brodil lamentiert zwar noch immer, ist aber viel lustiger als früher und kann auch schon viel mehr essen. Es wird schon werden und es ist nur schade, daß der Winter kommt, denn sie würde viel Sonne brauchen. Und so ein garstiger Sommer. Beinahe jeden Tag regnet’s. Vielleicht bringst Du uns schöneres Wetter mit, damit wir viel spazieren gehen können. Lieb, wenn Du nur schon da wärst. So so sehne ich den 26. herbei, wo ich Dich wieder habe. Und wie Emmy so schön schreibt, werden wir die Flitterwochen Auferstehung feiern lassen. Gelt, mein Lieb! Hast Du recht gelesen? Flitterwochen. Denn so bald lasse ich Dich nicht fort. Wäre es doch Unsinn, so viel Geld für eine kurze Zeit auszugeben! Mir scheint, ich kann schon wieder eklig werden, gelt? Kann hat das nicht lassen, hast halt schon einmal so einen bösen Mann. Sage, wie machst Du es denn mit einem Koffer? Weißt, sehr viel brauchst Du nicht mitzubringen, aber auch das Notwendigste summiert sich. Ja, was ich noch vergessen. Den Spiritusbrenner für Brodils mußt Du irgendwie vorher verwenden, damit Du ihn nicht verzollen mußt. Jetzt ist es halt schon wieder finster und ich geh’ nachtmahlen und zu Brodils. Leb wohl, einstweilen.

Mein liebes süßes Weib!

Gestern habe ich, von Brodils zurückgekommen, auf Befahl von Frau Vich in’s Bett gehen müssen! „Aber gleich!“, hat sie gesagt, „jetzt kommandiere ich.“ Sie kochte mir einen Kräutertee und gab mir ein Umhängtuch als Decke. Und es war auch gut, mir ist heute ein wenig besser. Nur Fieberblasen werde ich bekommen, kann Dir also gar kein Busserl geben, wenn Du kommst. Mein Lieb, heut hast Du mir wieder viel Freude gemacht mit den zwei Briefen, die ich bekam. Freue mich über all das Liebe, das Du mir schreibst, freue mich über meinen wackeren, tüchtigen Buben, und daß er mich auch manchmal lieb hat. Nun will ich Dir aber der Reihe nach antworten.

Den Reisekorb bringe bitte nicht mit, der ist recht unpraktisch. Schlecht zum Transportieren und daher teuer. Weißt, man tragt ja jetzt noch nicht so warme Überröcke und ich trage mich mit dem Gedanken, mir später vielleicht hier einen zu kaufen. Der Preis ist so von 300 bis 400 Kc. Wenn Du ihn so mitbringen kannst, ich meine in der Hand, ist’s wohl ganz gut, aber wenn’s nicht ist, macht’s nichts. Wie schon früher betont, bring Dir nur das Notwendigste mit. Vielleicht kannst Du Dir dann einen Koffer ausborgen oder einen Reisekorb. Mußt ja nicht unbedingt meinen mit nach Hause nehmen. Und alle meine Sachen wären ja nur unnötiger Ballast hier. Daß es uns hier knapp ausgeht, darüber brauchst Du Dir keine Sorgen machen. Wir werden es uns schon einteilen. Kochen wirst Du auch so können, entweder bei Brodils oder bei Frau Vich. Das machen wir dann aus, bis Du da bist. Wenn ich nämlich bis dahin in Weinberge bin, so könnte ich bei Brodils mittagessen, denn dahin ist’s nicht weit.

Mit dem Geld ist Dir ja klar, das kommt, weil Du die Aufbesserung dabei hast. Die Schuhe lasse in Wien machen, da die Verzollung hier sein würde und dann auch wegen der Einlagen. Mein liebes Weiberl, mit Deiner Nervosität mußt Du Dich zusammennehmen, weißt, ernstlich trachten ruhig zu bleiben. Auch Dein Herz ist ja nur eine Ursache davon. Vielleicht, wenn Du wieder eine Zeit bei mir bist, so verlierst Du sie.

Unter der Woche esse ich im Smichower Brauhaus mit den übrigen Kollegen. Brauhaus ist direkt Ironie, denn wir trinken alle Mineralwasser.

Deine Rechnung macht mich aber jetzt schwindlich. Schau, warum denn die Details? Weißt, ich habe ja jetzt gar keine Idee, wie Du mit dem Geld stehst, dafür ist es besser, wenn Du mir, aber bitte bald, schreibst, wieviel Du noch bis zu Deinem Kommen, einschließlich des Reisegelds, also die ganze Summe, brauchst. Kann leider Mutter diese Woche nur 300.000 K senden, und die übrigen 100.000 , wenn Du diese 150.000 K dazugibst, nächste oder in zwei Wochen. Aber halt, ich sehe eben, daß ich das Geld erst Ende nächster Woche absenden soll. Na, da wird’s ja nichts machen, wenn’s Mutter erst Montag bekommt. Viel Lärm um Nichts. An Papa sende ich nämlich diese Woche 10 Sch. Mein Lieb, wenn Du nach Wien kommst, erledige gleich Deinen Paß, daß Du ihn wenigstens weg hast. Samt Visum natürlich.

Ich muß schon wieder schlafen gehen. Bekomme noch heißes Wasser für Füße waschen und wieder einen Tee. Werde Dienstag nach Wien schreiben, damit die Briefe nicht umsonst nach Ternitz gehen.

Hast Du schon an S.u. H. geschrieben? Wenn nicht, dann vergiß nicht. Damit Mutter dann das Geld pünktlich bekommt.

Betreffs des Reisevorschusses ist derselbe schon abgezogen.

Zur Orientierung: Die Fahrt von F. J. Bahnhof bis Prag, Wilson-Bahnhof kostet ca. 195.000, 3. Klasse Schnellzug, wenn Du mit der ersten Elektrischen fährst, um ¾ 6 Uhr bei der Amerlinggasse, so ist es Zeit genügend. Kannst dann entweder in einen Berliner Wagen oder Prager Wagen einsteigen. Nimm Dir etwas zum Essen mit oder kauf Dir in Gmünd etwas, dort kannst Du in österreichischem Geld zahlen. Halt, da fällt mir ein, daß Du ja tschechisches Geld brauchst, für Eventualitäten. Weiß, löse Dir etwa 50 Kc in einer Bank ein, oder denkst Du, daß ich Dir im Brief solche senden soll?

Sag Robert, ich habe mich sehr gefreut, daß er so tapfer gegangen ist und ich schicke ihm viele Busserl. Fortsetzung morgen. Nun leb wohl, auf Wiedersehen (auch ein Seufzer) in 14 Tagen.

Innige Küsse

Robert


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