Grete Schröfl - Robert Schröfl: Korrespondenz


[up] [CV] [Holydays] [1920] [1921] [1923] [1925] [1926] [1928] [1929] [1930] [1931] [1932] [1934] [1935] [1936] [1937] [1938] [1939] [1940] [1941] [1942]


* Not translated yet * Only german version available *


Ternitz, 11.9.1925

Herzlieb!

Mir ist zwar todübel, schon seit vorgestern abend, aber schreiben muß ich Dir, mein Lieb! Hätte ich nicht für Pauline zu nähen gehabt, hätte ich Dir gleich nach Erhalt Deines Briefes vom 8. geschrieben.

Du mein armer, lieber Mann? So weh hab ich Dir getan? Kinderl, das war nicht mit Wissen und Willen getan. Auch war ich nicht in übler Laune, grolle Dir auch aus keinerlei Grund. Du hast nur wieder einmal so manches anders aufgefaßt, als ich es meinte. Du nimmst es ja leider meistens ernst, wenn ich scherze. Und das tat ich, als ich Dir schrieb, es sei nicht schön von Dir, daß Du Dich so freutest.

Lieb, mein Lieb, nun Du die Sache so ernst aufgenommen, will ich Dir auch ganz ernst antworten. Ich wußte wohl, warum Du Dich freust, Kind, und in gewisser Hinsicht freue ich mich mit Dir, in dem Bewußtsein, daß eine getrennte Geistesrichtung mit der Zeit zu einer dauernden Entfremdung hätte führen können. Denn, ist unsere Liebe auch noch so groß, wer weiß, ob sie im Stande gewesen wäre, die Kluft zu überbrücken. So ist es eben besser, wie es ist. Aber Liebster, daß ich mich oft zurücksehne in jene Zeit, da ich freudigen Herzens zur Versammlung gelaufen bin, das kann ich doch nicht leugnen. Und das ist etwas, was mich eben sonderbar berührt.

Ich weiß nicht, ob Du Dich erinnerst, wir waren einmal bei Ehlers, ehe wir verheiratet waren. Da sagte ich: „Ich wünsche mir keine Stunde meines Lebens zurück, denn war sie nicht schön, braucht man keine Wiederholung, und war sie schön, so verliert sie durch eine Wiederholung an Wert.“ Und nun wünsche ich mir eine ganze Zeitperiode zurück. -

Herzlieb, jene kleinen Freuden könnt Ihr mir nicht ersetzen, weil sie weitab von der Familie liegen. Es soll Dich dies aber nicht wieder kränken, denn ich will damit keineswegs gesagt haben, daß ich nicht Euret- oder besser Deinetwillen gern darauf verzichte. Und ebenso unzählige andere Freuden empfange ich durch Euch.

„Wenn man Kinder hat, kann man nicht ganz unglücklich sein“. Und wenn man solch lieben guten Mann hat, kann man’s auch nicht. Lieb, warum setzt Du Dich so hintan? Zum Teil auch Du, schreibst Du, und dann auch wieder oben angeführten Satz. Hast Du mir auch wehtun wollen, dann hast Du’s gründlich erreicht.

Ich hab Dich doch so lieb, so lieb, und wenn ich Dich wieder habe, bin ich auch wieder ganz glücklich. Nur fehlst Du mir eben so sehr, und darum fühle ich auch das andere mehr.

Nun Punkt 2 Deiner Kränkung. Du selbst schreibst mir, es sei bei Deinem Vorschlag auch ein wenig Egoismus, weil Du dann nicht fürchten muß, verkürzt zu werden. In dem Fall, war das „das könntest Du schon wissen“ allerdings ernst gemeint, aber nicht irgendwie böse, wie Du es scheinbar aufgefaßt, sondern voll meiner unendlichen Liebe, mein Mann!

Kind, auch ich komme mit dem Schreiben nicht weiter, denn ich weine mehr als ich schreibe! Wäre ich bei Dir, wie wollte ich meinen Kopf in Deinem Schoß bergen und Deine lieben Hände küssen. Schilt nicht, Liebling, es ist mir dies in dem Moment Bedürfnis! Wenn Du mich dann in Deine Arme nehmen würdest, so daß ich Dein Herz pochen fühle, Lieb, dann wäre alles, alles wieder gut. Ob’s nicht besser wäre, ich höre auf zu schreiben. Eben mußte ich eine Weile aussetzen, weil alles an mir zittert. Lieb! Wie sehne ich mich nach Dir!

Nun weiter zu Punkt 3. Die ist die Fahrt nach Wien 180 Kc wert. Nun, Kind, vielleicht ist das nicht recht gewesen, daß ich Dir schrieb, es sei Unsinn, denn wenn ich mich in Deine Lage versetze, wär’s mir sicher auch so viel wert, und heimlich hat’s mich sehr gefreut, daß Du uns so lieb hast.

Auch war wohl meinerseits Egoismus dabei im Spiel, denn wenn Du kommst, kann ich nicht zu Dir fahren und ich hätte Dich dann anstatt 14 Tage nur 2 Tage. Daß Du auch die Kinder sehen möchtest, habe ich dabei außer Acht gelassen. Das Fahrgeld, Kinderl, geht aber doch in jedem Fall auf, ob Du zu mir kommst oder ich zu Dir. Tue also wie Du willst, mein Lieb! Ich werde mir auf jeden Fall den Paß besorgen. Bei Fredys Zähnen handelt es sich ja nur um ein paar Tage, wenn welche kommen sollten.

Alles andere ist heute nebensächlich und schreibe Dir daher nichts mehr.

Grüße an Brodils!

Schlafe wohl, mein süßes Lieb! Ich hoffe, daß ich’s auch kann. Grüße von Mutter und allen Bekannten.

Mutter erhielt gestern von Hansi Deinen Brief und alles und alles ist wieder gut. Möchte Dir immer noch etwas Liebes sagen, mein Herz ist so voll und an Worten bin ich so arm.

In inniger Liebe küßt Dich

Dein Weib.

Ternitz, 13.9.1925

Du, mein Liebes!

Ich kann doch nicht schlafen gehen, ohne noch ein wenig mit Dir zu plaudern, so müde ich auch bin.

Heute nachmittag war ich ganz allein am Gfieder um Brombeeren. Da konnte ich ungestört immer an Dich denken.

Lieb, hätte ich Dich bei mir haben können. Na, nur noch 14, nein 13 Tage, dann haben wir einander doch wieder! Ich wollte, sie wären vorbei.

Eben schrieb ich an Emmerl eine Karte. Ich weiß zwar nicht, ob Hausnummer 81 stimmt, aber sie wird’s schon kriegen. Auch an Festus schrieb ich eine Karte, den Brief bekommt er halt dann aus Prag.

Robert kann auf einmal schlimm und schlafen u.s.w.sagen. Er freut sich selbst darüber. Der Kleine aber freut sich seit 3 Tagen auf’s Bad. Vorgestern hab’ ich’s zum ersten Mal bemerkt, daß er’s kennt und gerne hinein möchte. Fangt auch schon zu pantschen an.

Gestern und vorgestern hat es immer geregnet. Heute hatten wir Aprilwetter. Ich freue mich schon auf heim. Nur das Fahren fürchte ich, weil wir jetzt noch mehr Gepäck haben.

Schlaf gut, mein Lieb, ich gehe auch schlafen.

Hoffe, daß morgen von Dir ein Brief kommt und zwar ein besserer als der letzte. Könnte ich doch bei Dir sein!

14.9.1925

Meine Hoffnung trog nicht. Dein Brief vom 10.-11. ist gekommen. Ich bin Frau Vich von Herzen dankbar, daß sie kommandiert. Sonst wird Deine Erkältung noch schlechter und wenn ich komme, liegst Du im Bett. Das würde mir durchaus nicht gefallen. Nicht meinetwegen, Schatz, denn ich bin froh, bei Dir zu sein, ob Du nun im Bett bist oder mit mir spazieren gehst. Aber ich weiß doch, daß Du Dich darauf freust mit mir spazieren zu gehen und mir alles zu zeigen.

Deine Fieberblasen aber fürchte ich nicht, denn bis in 12 Tagen werden die schon wieder verschwinden. Na, und wenn nicht, verzichte ich doch nicht auf mein Busserl oder noch besser auf recht viele. Ich muß ja dann für eine lange, lange Zeit wieder auskommen. Wenn Du’s aber so machst wie in unseren ersten Flitterwochen, daß Du Dich sogar vor den Kühen schämst mich zu küssen, dann werde ich ziemlich zu kurz kommen.

Wie lange stellst Du Dir denn die Flitterwochen eigentlich vor? Kind, mach Dir nicht zu viel Hoffnung, daß ich lange bleibe. Das kann ich schon um Mutters willen nicht tun. Dürfte sich der Schlaganfall wiederholen, so steht sie mit den Kindern allein da. Es ist zwar nicht so zu fürchten, weil sie sich jetzt viel weniger aufregen braucht. Schuld an dem letzten Mal waren ja wir beide, Lieb! Ich wußte es wohl, wollte es Dir aber nicht sagen.

Lieb, daß Du schon wieder eklig werden kannst, freut mich. Sogar sehr. Denn es ist mir der beste Beweis, daß Du über meinen Brief vom 6. doch schon hinweggekommen bist. Ich glaube immer, Du warst schlechter Laune, als Du den Brief gelesen hast!?

Sag’, soll ich nicht auch mit den Wascheln früher abwaschen, damit ich sie nicht verzollen muß?

Bitte nicht ärgern!

Also den Reisekorb soll ich nicht mitbringen. Hast Du nicht auch Dein schwarzes Gewand zu Hause? Deinen Raglan werde ich schon bringen, wenn man auch noch nicht so warme Überröcke trägt, sondern sich lieber Schnupfen und Halsweh u.s.w. holt. Bin auch eklig, gelt?

Robert kaufte ich heute Strümpfe, weil wir gar keine mithaben und er schon halb erfroren war. Hat sich auch wieder einen Schnupfen geholt. Jetzt ist’s ja sogar schon in der Sonne kalt.

Von der Fa. erhielt ich heute 45 S 40 gr. Das wird jetzt wohl endlich die Summe sein, die ich wöchentlich zu erwarten habe. Und da ich nun schon so viel Zutrauen zur Fa. habe, daß ich nicht mehr hängen bleibe, gib ich Mutter die 50.000 K.

Wozu ich Dir Details von meiner Geldwirtschaft schrieb? Nun ich dachte zur besseren Orientierung. Anstatt dessen schreibst Du, Du weißt gar nicht, wie ich mit dem Geld stehe.

Außer dem Reisegeld brauche ich von Dir gar keines. Wenn Du mir cech. Geld schicken willst, gib den Brief halt rekommandiert auf. Ich glaube zwar nicht, daß ich Geld brauche. Mit Essen für die Fahrt werde ich mich schon versorgen. Und esse ich mal 7 Stunden nichts, ist’s auch kein Malheur. Viel Appetit werd’ ich wohl kaum haben, wenn ich zu Dir fahre. Da läßt mich die Freude alles andere vergessen.

Ich gehe schlafen, Lieb, sonst frieren mir die Finger an. Längstens Donnerstag geht’s heim. An unserem Hochzeitstag will ich doch in unserem Bett schlafen, vielleicht kann ich dann von Dir träumen.

Grüße von Mutter und allen Bekannten! Grüße und Küsse an Brodils! Ich freue mich alle Tage mehr, sie wiederzusehen.

Dir gib ich viel, viel tausend Busserl, trotz Fieberblasen. Aus der Ferne ist’s ja nicht gefährlich.

In heißer Liebe,

Dein Weib

Prag, am 14.9.25

Mein lieber, guter Schatz!

Wie machst Du mich glücklich mit Deiner Liebe und Güte, mein Lieb! Ich will Dir aber Deinen Brief vom 11. nicht beantworten, denn in 14 Tagen bist Du ja doch bei mir und dann - küsse mich, küsse meine Hände, ich will Dich gar nicht abhalten davon, mein Kind, nein, ich will ganz stille sein und überglücklich, daß ich Dich wieder habe, Du!

Aber Du schreibst, daß Dir todübel ist. Nun wird es doch schon wieder gut sein? Was war es denn? Wenn es nicht besser wird, dann versäume nicht zum Doktor zu gehen.

Und etwas freut mich aus diesem Brief so sehr. Daß Du schreibst, daß Du doch 14 Tage rechnest dazubleiben. Mein Butzerl, da wirst Du Dich schon nach den hiesigen Gebräuchen richten müssen. Da geben nämlich die Musikkapellen immer 2 Draufgaben. Daß Du darauf nicht vergißt. Bescheidenheit ist … u.s.w. Weiß es ganz gut!

Dies ist der letzte Brief nach Ternitz, denn ich habe nicht gerne, wenn Du vielleicht einen Brief nicht bekommen solltest. Sage dem Hans und Frau, daß ich mich auch sehr bedanken lasse wegen der Wohnung und ich lasse alle recht schön grüßen, auch Richters, Seisers u.s.w.

An Hanni habe ich nicht geschrieben, es ist wirklich besser, wenn man über Sachen, die einen nichts angehen, schweigt.

Es ist halt schon wieder finster. Aber heute zünde ich mir ein Licht an. Ich gehe heut gar nicht fort nachtmahlen, da ich noch von gestern ein Stück Ente habe. Frau Vich und ich haben uns eine solche gekauft, davon gab’s gestern ein Mittagmahl und ein Nachtmahl und heute auch eines. So kommt das billiger als wenn ich ins Gasthaus gehe. Der Sonntag ist wieder ganz gut vergangen und ich habe gestern Brodils mit einem Gesangbuch große Freude gemacht, welches ich ihnen gekauft habe. Es ist mir das sehr recht gewesen, daß ich mich ein wenig revanchieren konnte. Nachmittag waren wir bei Frl. Ruschenka, deren Gruß ich Dir ausrichten soll. Haben dort viele Nüsse gegessen. Auch Frau Vich hat gesagt, daß sie mit Dir fortgehen wird untertags. Fanny hat mit natürlich dann gleich gesagt, daß Du aber nicht immer bei der Frau Vich bleiben darfst, sondern auch viel mit Mutter zusammensein mußt, die ist auch allein. Du siehst, ich glaub auch, Dir wird die Zeit nicht lange werden. Und ein bisserl möcht ich Dich auch haben.

Erwähne nochmals, mein Schatz, bringe mir nichts heraus als den Raglan, und den nur, wenn es leicht möglich ist. Schreibe mir noch, wie Du das mit dem Koffer machst, mir ist eben eingefallen, daß Mila eventuell einen hätte. Vielleicht leiht sie ihn Dir oder verkauft ihn. Noch etwas. Ich habe Rudolf damals die 40 Schillinge gesandt und im vorigen Brief schreibst Du, daß Du Porto zahlen mußtest für das Geld. Es ist mir natürlich sehr unangenehm, daß Rudolf für das Herleihen noch Auslagen hatte, bitte, wenn Du mit ihm zusammenkommst, erledige das. Weiters haben wir daheim ein Glaubensbekenntnis. Oder mir scheint, zwei. Wenn Du ein solches auch mitbringen würdest, wären Dir Brodils, ganz besonders Hansi, gewiß sehr dankbar. Du mußt nämlich wissen, daß der Bann zwischen mir und den beiden Mädels gebrochen ist, entweder hat Br. Hansen oder Schw. Brodil von mir, oder beide zusammen über mich gesprochen. Mir ist’s recht, daß ich mich so zeigen kann, wie ich denke und bin. Seit dem macht Hansi jede Anstrengung, mich über meinen Irrtum zu überzeugen. Sie ist aber ein sehr gescheites Mädel, das muß man ihr lassen und viel gewandter als Fanny, welche gleich unserer Hansi etwas schwerfällig ist. Weiters noch ein Wunsch. Vielleicht ist Schw. Gurt… so gut und leiht Dir die vier Stimmen samt Partitur, nach welcher wir bei unserem Quartett gesungen. Weiters, wenn Du mit Br. Hansen zusammenkommst, sag ihm, daß es mir wirklich ehrlich leid tat, daß wir uns nicht gesehen haben und daß ich ihn herzlichst grüßen lasse. Auch warum er Brodils nicht schreibt. Dann bitt ich für mich: Von Bölcke „Die Entwicklung der Menschheit“, dann „Sinne der Pflanzen“ und ein Buch, welches von den geistigen Fähigkeiten der höheren Tiere handelt. Es hat auch Illustrationen. Sämtliches Kosmosbücher. Dich selbst ziehe warm an, denn es ist noch immer kalt. Heute las ich, daß es in New York 40 Grad Reaumur hat. Eine verrückte Zeit.

An Papa gehen morgen 10 Sch ab, obwohl es mir nicht ganz nach meinem Willen ausgeht. Aber es muß sein. Jedoch denke nicht, daß es mir gar nicht ausgeht, nur so wie ich wollte nicht. Wenn Du Papa einen Sonntag, wenn Du in Wien bist, einladen würdest, würde es ihn, ich weiß es, freuen. Natürlich wenn’s geht. Olga wird Dich ja so besuchen, vielleicht kommt auch Rudolf zu Dir.

So wie die Sachen heute stehen, werde ich in Smichow bleiben und hier eine Gruppe von 2000 Teilnehmern übernehmen. Also ist mir das nächste Jahr so ziemlich gewiß, da wir ein Jahr nach der Einschaltung beim Betrieb dabei sind. Man sagt sogar 3 Jahre, jedoch glaub ich’s nicht. Jedoch werden schon wieder Ausbauprojekte gemacht, also wird’s jedenfalls länger dauern.

Lieb, wenn’s nur halbwegs geht, möchte ich, daß Du nächstes Frühjahr mit den Kindern herauskommst und dableibst. Brodils und ich reden viel davon.

Jetzt ist der zum Großteil sachliche Brief fertig. Aber desto weniger sachlich werden wir dann sein, wenn wir beisammen sind. In 12 Tagen. Viele Küsse meinen Kindern.

Mit innigster Umarmung

Dein Robert

Prag, 17. Sept.1925

Mein einzig Weib!

Dein lieber, lieber Brief vom 13.,14. ist nun doch endlich gekommen und wenn Du Dich wunderst, warum denn endlich, so mußt Du wissen, daß ich so sehr diesmal auf ein Schreiben wartete. Ist’s weil Du schreibst, daß Dir so schlecht ist, oder weil meine Sehnsucht immer größer wird nach Dir, ich weiß nicht. Nun ist er ja da, und dies ist meine Freude, heute an unserem 5. Hochzeitstag. Wenn Du da wärst, wäre dieselbe viel, viel mal größer. Nun aber, da wir ja Aussicht haben uns wieder so ganz einander zu gehören, will ich bescheiden und zufrieden sein und muß ja das sein, enthält doch Dein Schreiben so viel Liebes. Nun bist du wahrscheinlich schon in Wien und kriechst bald ins Bett und denkst an mich. Das weiß ich. Weißt, aber trotz (bin aber diesmal kein Trotzkopf) der Bescheidenheit möcht ich doch heute bei Euch sein. Bei Dir und den Kindern. Um doch auch die Fortschritte meiner Buben zu sehen. Ich freue mich schon, wenn ich einmal nach Hause komme.

Eben war Frau Vich eine Stunde bei mir. Ich habe ihr gleich wegen dem Kochen gesagt und sie ist natürlich einverstanden. Hoffentlich vertragt Ihr Euch auch so gut wie wir. Sie hat mir zwar gesagt, „Was sind Sie für ein Mensch, Ihre Frau kommt doch nicht zum Kochen heraus!“, aber ich hab’ ihr schon die Sache verdeutscht.

Die Fieberblasen sind schon glücklich weg, könntest sogar schon früher kommen und hab keine Angst, daß Du mit den Busserln zu kurz kommst. Dafür werde ich schon sorgen. Kühe gibt es hier Gott sei Dank nicht. Wenigstens nicht frei herumlaufend, und wenn auch, beim III. Stock können sie doch nicht zum Fenster hereinsehen. Aber vis à vis die Einwohner könnten es, jedoch ziehen wir uns den Vorhang herunter, gelt, damit und nur ja niemand sieht. Mein einziges, liebes Butzerl! Du ich glaube, ich werde auch nervös vor Freude. Fang nämlich seit einigen Tagen zum Zwinkern an.

Samstag sende ich das Geld weg. Jedoch bitte schreibe mir, ob Mutter Dir nicht das Fahrgeld auf 2 - 3 Wochen borgen könnte. Wenn es ihr nicht möglich ist, dann sende ich Dir’s sofort nach Erhalt Deines Briefes. Mir geht’s diese Woche nicht gut aus, da mehrere Sachen zusammengekommen.

Wegen des Passes schau gleich dazu, gelt? Damit Du nicht einen Wirbel hast. Bitte vergiß nicht, mir auch die warmen Socken mitzubringen. Den schwarzen Anzug brauch ich einstweilen nicht. Und sonst bitte nur den Raglan. Ich werde Dir doch kein cech. Geld senden, nimm Dir halt ein paar Schillinge mit, aber sie müssen gestempelt sein. 10.000 K mit Aufdruck „ein Schilling“.

Mittagessen werden wir gleich nach Deiner Ankunft. Hast Du denn schon S.u. H. verständigt? Oder willst Du das selbst besorgen? Noch was fällt mir ein. Bitte bringe auch das Radiobuch von der Tagblatt-Bibliothek mit, das zu Hause ist und kauf bitte auch das Buch „Radio daheim“ von derselben Ausgabe. U je, nochwas. Mein Organisationsbuch ist bei Schuckert und ich brauch es aber da. Trude weiß ja den Weg. Sie muß aber beim Portier nach dem H. Klauda fragen und soll auch Grüße von mir ausrichten. Ich hab zwar Klauda schon zweimal darüber geschrieben, jedoch ohne Erfolg.

Ansonsten glaube ich nichts vergessen zu haben. Hast Du Dir alles herausgeschrieben? Es ist wohl ein langer Wunschzettel. Und jetzt geh’ auch ich schlafen. Allein, an unserem Hochzeitstag, und ich freu mich auf die Flitterwochen. Wie lange ich mir’s vorstell, fragst Du? Überhaupt nicht, denn ans Ende will ich gar nicht denken. Vor allem freue ich mich, daß sie überhaupt kommen. Nur noch 9 Tage!

Grüße an die Kinder, Mutter, Hansi und Trude.

Mein liebes Weiberl, schlaf heute recht wohl in unserem Bett und träume Liebes und Schönes. Es drückt Dich im Geiste an die Brust und küßt Dich innigst

Dein Robert

Wien, 18.9.1925

Du, mein Lieb!

Sei mir nicht böse, Schatz, daß ich Dich so lange auf Post warten lasse. Aber Dienstag dachte ich, ich schreibe Mittwoch, da kam aber abends Kathie-Tante zu uns und natürlich war es dann zu spät. Gestern sind wir abends um ½ 7 Uhr nach Hause gekommen. Etwas spät für die Kinder, aber sie hatten beide auf der Bahn geschlafen. Fredy war gestern überhaupt ganz aus der Ordnung gekommen. So hat es bis nach 9 Uhr gedauert, bis die Kinder schliefen. Ich habe dann noch einiges herumgeräumt und als ich schlafen ging, war’s ½ 11 Uhr.

Da las ich im Bett noch einmal Deinen lieben, so lieben Brief vom 14. Habe dann auch mit ihm geschlafen. Was ist mit Deiner Erkältung? Schreibst ja gar nicht davon. Es wird dies wohl der letzte Brief, auf den ich noch Antwort bekomme, wenn alles klappt.

Heute früh war ich gleich auf dem Kommissariat. Den Paß bekomme ich morgen. Gekostet hat er 27.000 K. Das Visum, sagt Helene, die eben jetzt hier war, kostet 15.500 K. Herr Epp meinte zwar, er weiß nicht, ob ich die ganze Ermäßigung bekomme. Na, werden ja sehen. Mit Robert war ich auch bei Dr. Sachsel und dann gleich beim Schuster. Die Schuhe kosten 28 Schillinge. Ich bin ein wenig weg, aber was kann man machen, vielleicht geht er doch damit besser, als wenn ich ihm wieder nur Einlagen in andere Schuhe machen lasse. Nicht?

Betreffs meines Bleiben ins Praha habe ich Dir ja bereits im vorigen Brief geschrieben, Liebling. Mußt wirklich nicht unbescheiden sein. Es ist für Mutter doch eine große Plage mit den zwei Kindern. Und Mutter ist alt geworden. Glaube nicht, Lieb, daß Du mich sonst so schnell losbekommen würdest. Ich würde doch gar nicht gern von Dir gehen. Wie froh wäre ich, Kind, könnt ich im Frühjahr schon zu Dir übersiedeln.

Mir fallen schon die Augen zu. Ich habe Fredys wegen schon drei Nächte sehr wenig geschlafen. Er wird jede Stunde wach und manchmal schreit er dann 2 Stunden gleich fort.

In Prag bewirbt man sich anscheinend von allen Seiten um meine Gunst. Ich werde sie schon gleichmäßig zu verteilen trachten. Es ist nur gut, daß Du mich nur ein bisserl haben willst.

Werde dieser Tage zu Milla gehen, betreffs des Koffers. Die Glaubensartikel haben wir auch, und ich werde das Buch schon bringen.

Daß Hansi die lebhaftere und klügere der beiden Mädels ist, ist eine alte Geschichte.

Aber Kind, ich muß schließen, weil ich vor Schlaf nicht mehr sehe. Auch kribbelt es mir schon wieder überall.

Gute Nacht! Mein süßes Lieb, schlaf wohl. Innigst küßt Dich

Dein Weib

19.9.1925

Mein Lieb! Nur ein paar Zeilen heute, Kind. Ich habe sehr viel noch zu tun, bevor ich nach Prag fahre. Deinen lieben Brief vom 17. hab’ ich erhalten. Innigen Dank, Du lieber Mann!

Meinen Paß habe ich schon, doch konnte ich heute das Armutszeugnis nicht erledigen, weil Samstag ist und kein Parteienverkehr. Ergo ist auch das Visum noch nicht zu erreichen.

Papa möchte ich für morgen nicht einladen, Kind. Es ist mir zuviel Wirbel. Heute muß ich Fredy noch ein Kleid und Parterl nähen. Heute nacht hat er wenigstens wieder bis 4 Uhr geschlafen.

Wie gut Du weißt, mein süßes Lieb, daß ich am Abend unseres Hochzeitstages an Dich gedacht. Und mit welcher heißer Sehnsucht.

Deine Wunschbriefe habe ich doch immer, brauche also nichts herausschreiben. Werde schon alles bringen.

Eine Karte von Ritzler lege ich bei.

Viele Busserl an Dich und Brodils. Fortsetzung der Antwort bei nächster Gelegenheit. Ja, das Geld für die Fahrt borgt mir Mutter.

Deine Gretel

20.9.1925

Mein einzig Lieb! Eben hat Fredy eingeschlafen. Es ist 8 Uhr. Robert schläft schon ein Weilchen. Er ist ein wenig krank. Gestern ist er nachmittag gelegen, weil er Fieber hatte. Heute morgen aber war er ganz frisch. Gegen Mittag mußte ich ihn schon wieder niederlegen. Er ist aber dann nochmals aufgestanden und mit Hansi, Emma, Fredy und mir im Park gewesen.

Nun, da die Kinder schlafen, Mutter und Hansi in der Versammlung sind und Trude wie immer bei Anni ist, kann ich Dir, bei vollster Ruhe, Deine beiden letzten Briefe beantworten.

Liebling, wenn Du jetzt da wärst, wie schön wäre das. Aber ich will nicht raunzen. Nur mehr 5 ½ Tage, dann mein Lieb, mein Lieb, wie ich mich freue!

Zu Milla gehe ich morgen oder übermorgen. Hoffentlich hat sie den Koffer noch. Ob ich die Portosache mit Rudolf noch vor meiner Abreise erledigen kann, weiß ich nicht, es müßte denn sein, daß er zu mir käme. Ich selbst habe wahrscheinlich nicht Zeit, Besuche zu machen. Muß der Laufereien wehen ohnehin den Kleinen oft Mutter überlassen. Mehr als dringend nötig will ich aber nicht.

Nun Schatz, wenn der Bann zwischen Dir und den Mädels gebrochen ist, ist es für Dich wohl besser; ob auch für die Mädels?

Ich war heute in der Sonntagsschule und wieder fühlte ich den Seelenfrieden, der mir früher eigen war. Besser war ich früher als jetzt, Robert. Und störst Du den Mädels den Glauben, zerstörst Du auch bei Brodils das friedliche liebevolle Zusammenleben. Vielleicht sehe ich zu schwarz, aber ich bitte Dich, laß Deine Hände davon. Der Friede ist so leicht entflohen und einmal fort, so leicht nicht wieder zu erreichen.

Sag, Kind, sind das noch immer Prüfarbeiten, die Du jetzt machst? Ist eigentlich Unsinn, wenn ich Dich um etwas frage. Auf den Brief bekomme ich ja bestimmt keine Antwort mehr. Die käme nämlich erst Samstag vormittag und da ich morgens wegfahre, zu spät.

Unser Fredy beginnt jetzt etwas dick zu werden. Ein lieber kleiner Kerl ist er. Aber beschäftigen muß man sich den ganzen Tag mit ihm.

Kind, daß man manchmal noch mehr auf ein Schreiben wartet, das kenne ich. ’s ist mir ja auch sonst so ähnlich gegangen. Als Du noch hier warst, habe ich manchen Tag Deine Heimkunft gar nicht erwarten können.

Liebster, und daß Du auch gerne wieder die Kinder sehen möchtest, das kann ich mir lebhaft denken. Bei Deiner Nervosität aber ist es viel besser, Du bist fern, so lange Fredy so klein ist.

Ich fange schon wieder an, so schläfrig zu werden. Kind, ich glaube, ich werde die 14 Tage bei Dir immer schlafen müssen. Habe gedacht, wenn ich ein wenig warte, geht’s wieder, aber es nützt alles nichts, ich muß jetzt schlafen gehen. Gute Nacht, Du lieber Mann.

22.9.1925

Herzlieb! Alles erledigt! Für das Visum zahlte ich 1 S 40 gr. Bin eben vom Konsulat gekommen. Kannst mich also am Samstag erwarten, Liebling! Ich bin so voll Freude, daß ich gar nimmer weiß wie. Heute vor 5 Jahren, war’s wohl ähnlich, Kind, doch war die Freude getrübt, da ich ja dachte, Du bist schon weg. Nun aber weiß ich, ich komme zu Dir und schon in ein paar Tagen.

Die Geldsache mit S.u. H. ist schon erledigt. Ich erhielt gestern 45 S 54 gr hierher.

Br. Hansen wird mich noch vor der Abreise besuchen und einen Brief für Brodils mitbringen.

Ob ich Dir nochmals schreibe, Schatz, weiß ich nicht. Kränk Dich bitte nicht, wenn kein Brief kommt. Jetzt schreit Fredy. Er möchte gerne ausgehen.

Viele Busserln an Dich und Brodils. Auf Wiedersehen in 4 Tagen und 4 Stunden.

In treuer Liebe

Deine Gretel

Prag, am 20.9.25

Mein Liebes!

Muß Dir doch wieder einen Bericht vom Sonntag geben. Der letzte - ohne Dich. Am nächsten, mein Weiberl, oh wie wird das schön sein, bist Du ja bei mir und da machen wirs auch so wie heute. Vormittag war ich im Kinsky-Garten, mittags zu Hause essen und nachmittag bei Brodils und nach der Versammlung auf den Friedhöfen, es gibt hier nämlich einen alten, einen neuen und einen Weinberger Friedhof. Abends mußte ich wieder bei Brodils essen. Hansi, welche sich nachmittags wieder redlich mit mir geplagt hat mit dem cechisch, spielte einige slovakische Volkslieder und dann ging ich nach Hause und jetzt sitz ich und weiß vor lauter Sehnsucht nicht, was ich meinem Schatz schreiben soll. Mir scheint, je näher die Zeit kommt, desto schreibunlustiger wird man. Morgen erhoffe ich bestimmt ein Schreiben von Dir. Erhofft hab’ ich’s eigentlich schon Samstag, aber leider umsonst. Wirst wahrscheinlich mit dem Umzug viel zu tun gehabt haben, gelt? Ist nun alles gut gegangen? Und hat der Kleine die Fahrt besser bestanden? Morgen vormittag sende ich die 200 Kc hier weg, Samstag ist’s mir nicht mehr ausgegangen. Ist Dein Paß schon erledigt? Brodils lassen Dich grüßen und freuen sich auch schon sehr. Hast Du den Spiritusbrenner schon gekauft?

Nun mein liebes, liebes Weiberl, sende ich Dir zum vorletzten Mal viele 100 Küsse und möcht Dich aber schon so bei mir haben, um sie Dir wirklich zu geben.

Viele Grüße an alle.

Nochmals Busserln

Dein Robert

21.9.25

Mein liebes Weib! Habe heute Dein erstes liebes Schreiben aus Wien erhalten und bin Dir gar nicht böse, daß ich länger als gewöhnlich warten mußte. Dachte ich doch, daß Du in Wien viel Arbeit haben wirst. Nun Schatz, meine Verkühlung ist ganz gut. Bin wieder pumperlgesund und fröhlich, ist’s ein Wunder? Wenn ich Dich in 5 Tagen schon bei mir habe. Und mein Lieb, ich bin wirklich bescheiden und zufrieden mit den 14 Tagen, denn es ist ja wahr, daß die Mutter große Plage mit unseren Kleinen haben wird und wir sind ihr zu Dank verpflichtet. Aber bitte sprich gleich mit Mutter, damit sie uns sofort verständigt, wenn während der Zeit Deines Hierseins etwas vorfallen sollte, was Dich zu Hause notwendig macht. Das nur für eventuelle Fälle. Deine Ermäßigung wirst Du ja doch bekommen haben, denn aus welchem Grund nicht? Auch ich bin vollkommen Deiner Ansicht betreffs der Schuhe Roberts. Es wird ja doch ein Unterschied sein.

Nun Kind, es ist dies wahrscheinlich der letzte Brief, ich glaube, Du weißt alles. Schnellzug, III. Klasse, ab Fr. -Jos.-Bahnhof 7.00 Uhr früh. ¾ 6 geht die erste Elektrische von der Amerlinggasse. Am Bahnhof nicht vorne sondern auf der linken Seite hinein, durch einen Gang bis zu den Kassen. Fahrkarte bis Prag, Wilson-Bahnhof. Einsteigen in einen Wagen Wien-Prag oder Wien-Berlin. In Gmünd brauchst Du zur Revision nicht aussteigen, dieselbe ist im Wagen. Dort gibt’s Würstel, übrigens gar nicht besonders gut, und Du kannst mit österr. Geld, jedoch überstempelt, zahlen. Zirka 8 Minuten vor Prag kommt das Tunnel, am Ende ist schon der Wilson-Bahnhof und da bin ich. Alles andere dann mündlich. Betreffs der Revision kommt zuerst die Paßkontrollierung von österreichischer und cech. Seite, dann muß man die Koffer aufmachen. Gewöhnlich wird gar nicht viel nachgesehen. Lege Dir doch 20 Kc bei, und bitte die Kosmosbücher nicht vergessen.

An Mutter bitte Grüße ausrichten und Dank, daß sie uns das Wiedersehen ermöglicht und auch, daß sie Dir einstweilen das Fahrgeld borgt. Und an Hansi und Trude und natürlich unserem Kleinen viele Busserln. Du schreibst von einem Kleiderl für Fredy. Er muß doch schon recht groß sein. Wenn Du Olga oder Rudolf oder Richard siehst, sag, ich wart auf eine Antwort.

Daß Du Papa nicht eingeladen, sehe ich recht gut ein, wirst es halt dann machen, wenn Du wieder zurück bist. Hast Du das Organisationsbuch? Erhielt einen sehr lieben Brief von zwei Telefonfräuleins von Schuckert. Überhaupt habe ich recht viel Post zu erledigen, vielleicht mache ich jetzt diese Woche noch einen Teil. Auch an Lihotzkys soll ich schon schreiben. Über Ritzler staune ich. Sag, ist aus Salzburg Post von ihm gekommen?

Jetzt darf ich schon schreiben „Sag“, denn bald werde ich Deine liebe Stimme hören. So freu ich mich. Doch bin ich ruhiger als ich gedacht habe, das war nur so vorübergehend. Bekomme morgen in unserer Zentrale eine sehr interessante Arbeit. Auch ein Beruhigungsmittel.

Mein liebes Schatzerl, auf Wiedersehen!

Viele Busserln Dir und den Kleinen Dein Dich um 2 Uhr 10 erwartender

Robert

Wien, 13. Okt.1925

Du, mein Lieb!

Bin glücklich wieder zu Hause gelandet. Muß diesmal wirklich sagen „glücklich“, denn mir war auf der Fahrt so übel, daß ich mir in Brünn ganz ernsthaft überlegte, ob ich nicht aussteigen soll, und erst mit dem nächsten Zug weiterfahren. Na, ich bin dann doch weitergefahren, aber erst mit geschlossenen Augen, so daß ich kaum weiß, wie die Strecke von Brünn nach Wien aussieht. Dafür weiß ich desto besser, wie die Strecke Praha-Brno beschaffen ist. Weißt, Schatz, jetzt ist mir um die 8 Kc nicht mehr leid, denn die Fahrt war so sehr schön. Immer zwischen Wäldern ging’s. Anmutige Dörfer und Flüsse sorgten dafür, das Bild anmutig zu gestalten. Wenn Du mal heimfährst, fahre diese Strecke! Vor Brünn kommen in kurzen Zwischenräumen 10 Tunnels. Die Ausfahrt aus jedem einzelnen ist herrlich. Zollrevision ist gut vorbeigegangen. Die Schokolade hat man nicht gesehen, die Decke nicht beanständet. Wieviel Geld ich bei mir habe, hat man auch gefragt.Übermorgen haben wir Waschtag. Mußt also bitte Geduld haben, Liebling, wenn ich nicht so bald wieder schreibe. Ich muß erst trachten, wieder etwas Ordnung in die Wirtschaft zu bringen. Die Kinder sind gesund. Fredy ist zwar die Nacht etwas unruhig gewesen. Und ist’s jetzt auch wieder. Vielleicht ist doch mit den Zähnen etwas los. Essen tut er beinahe alles und will man’s ihm nicht geben, so schreit er fürchterlich. Ich glaube immer, er wird so zornig wie Du, während Robert mehr meinen Dickkopf geerbt hat. Na, Du willst das zwar nicht glauben! Gelt, Lieb? Ein wenig hab’ ich mich über Olga geärgert. Sie war gerade da, als ich ankam und wollte eben mit Robert zu Richard gehen. Kaum, daß sie mir Zeit ließ, meinen Buben zu begrüßen. Im übrigen läßt sie Dich herzlich grüßen.

Von Kitzler ist wieder ein Brief gekommen. Auch vom Patentamt kam etwas, während ich bei Dir war. Da jedoch Deine eigenhändige Unterschrift verlangt wurde, ist’s wieder zurückgegangen. Mutter hat auch nicht daran gedacht, Deine Adresse anzugeben. Was denkst Du, soll man in der Sache tun?

Emma war eben hier und hat mich eine Weile aufgehalten. Ist mir heute nicht besonders angenehm gewesen; es ist ohnehin schon spät geworden, da ich in der Küche auch gründlich putzen und reiben mußte.

Gestern dachte ich auch, ich werde mich zeitlich niederlegen, da ist Peperl gekommen und gegen ihre Gewohnheit sehr lange geblieben. Heute nachmittag war Hrubesch da. Du siehst, Besuch haben wir mehr als genug.

Noch eine Neuigkeit. Hansi glaubt sich verliebt zu haben. Aber wohlgemerkt, sie glaubt es nur! Übrigens aussichtslos. Es ist nämlich Br. Fischer, den sie vermutet zu lieben. Na, wenn’s wirklich so ist, schadet’s auch nicht. Ich glaube, fast alle müssen mal durch das Feuer unglücklicher Liebe geläutert werden.

Herzlieb, zum Schluß noch meine innigsten Wünsche zu Deinem Geburtstag. Am Abend Deines Geburtstages wirst Du den Brief hoffentlich schon haben.

Und ich danke Dir noch, mein Lieb, für die schönen 14 Tage in Prag. Für alle Deine Liebe, die mir das Dasein verschönert zu jeder Stunde. Wenn Du mir nur bald schreiben könntest: „Komm!“ Als ich Robert sagte, der Vater schickt ihm viele Busserln, hat er mir gleich den Schnabel hergehalten und ich mußte ihm’s auch verabfolgen.

Viele viele Grüße und Busserl an Brodle. Auch an Frau Vich und Frl. Ruschenka (die Busserl aber nicht). Nun geh ich schlafen, Schatz, auf Deinem Platz. Die Decke, die Dich umhüllte, wird auch mir Wärme spenden und ich werde in Gedanken bei Dir sein. Es küßt Dich heiß

Deine Gretel

Prag, 15.10.25

Mein liebes Weib!

Sei mir nicht böse, daß ich mich um einen Tag verspätet, erwartete heute bestimmt Post von Dir und dachte Dir gleich zu antworten. Dann war ich auch gestern bis 8 Uhr in der Zentrale, da H. Rommel mit unserem Ingenieur Schema studierten. Ganz privat natürlich. Das wird jetzt wahrscheinlich öfter der Fall sein. Bin recht neugierig, wie es Dir auf der Reise ging und wie Du alles zu Hause vorfandest. Nachträglich erfuhr ich, daß der Zug über Gmünd um 6.30 ging. Nun, wenn Du mit dem Umsteigen nicht Unannehmlichkeiten gehabt hast, so macht’s ja nichts aus. Wenigstens habe ich Dich um 1 ½ Stunden länger gehabt. Mache jetzt in der Früh wieder meinen gewohnten Spaziergang übern Visehrad, wenn’s nicht regnet. Es ist nämlich, als hättest Du uns den Sonnenschein mitgenommen. Nahezu alle Tage Regen und kalt ist’s auch. Wieder bis 5° Re.

Heute war ich bei Brodils zum Nachtmahl. Erdäpfel mit Butter und Liwanzi. Nach Hause bin ich über die dritte Gasse gegangen und da war gerade die Seiltänzerfamilie, 6 Leute, auf dem Seil. Unten Musik und natürlich eine Menge Leute. Die Seiltänzer selbst waren ganz in Weiß gekleidet und mit farbigen Scheinwerfern bestrahlt.

Und jetzt war ich Tschei-Trinken bei Frau Vich. Bekomme jetzt alle Tage abends ein Heferl voll. Gerechnet habe ich noch nicht, werde das morgen besorgen. Jetzt krieche ich unter Deine Duchent, die ich jetzt habe. Träumte diese Woche schon zweimal von Dir. Zwar dummes Zeug, jedoch ist es recht schön und man muß halt mit diesem Ersatz zufrieden sein. Mein liebes Schatzerl, schlaf auch Du recht wohl, und grüße mir alle. Mit ich weiß nicht wievielen Busserln

Dein Mann

Wien, 18.10.1925

Du, mein lieber Mann!

Es ist halt schon wieder 9 Uhr. Ich wollte Dir eben schreiben gehen, da kamen Frl. Rosa und Emma. Nun mußte ich doch anstandshalber ein wenig hinübergehen. Kaum aber war ich dort, hat Emma wieder einen Anfall bekommen. So sind nun eineinhalb Stunden vergangen.

Gelt, Schatzerl, bist nicht böse, weil ich so wenig schreibe; ich bin abends so sehr müde gewesen. Mittwoch habe ich die Fenster geputzt, Donnerstag war Waschtag, Freitag habe ich Robert eine Spielhose genäht für wochentags. Aus Trudes altem Sommerkleid und mit dem alten Seidenkleid gefüttert. Wenigstens warm ist`s. Es ist nämlich erbärmlich kalt bei uns. Hat meist nur 2 - 3 ° Reaumur. Den Ofen holte ich gestern vom Boden, aber er steht noch in der Küche.

Mit Robert war ich gestern in der Stadt um Fußbodenlack. Wir haben zwar sehr lange dazu gebraucht, denn Robert interessiert sich für alles, ob’s Möbel oder Zuckerl, Damenhüte oder Blumen, Nähmaschinen oder Puppen sind. Fällt mir übrigens ein, eine versenkbare Maschine, Zentralbobbin, Marke Dürrkopp, kostet hier 350 S. So eine schöne Verkleidung wie Ruschenkas Maschine hat sie allerdings nicht.

Wie geht`s Frl. Ruschenka beim Wohnungsuchen? Ich warte so mit Sehnsucht, daß Du mir schreibst: „Komm!“ Lieb, ich glaube, ich bin noch dummer von Prag gekommen als ich hingefahren bin! Daß die Liebe immer noch größer werden kann! Oder bildet man sich’s nur ein? Heute Nacht träumte ich auch von Dir. Aber ich war froh als ich erwachte und der Traum nicht wahr war.

Heute war ich in der Versammlung. Br. Hansen läßt Euch alle auch grüßen. Kommen kann er wahrscheinlich nicht mehr. Eine Weile aber haben wir von Euch geplaudert. Er meinte, „da hat er recht“, als ich sagte, Du seiest sehr oft bei Brodils.

Mich möchte er gerne verleiten, auf das Fest zu kommen. Ich weiß aber noch gar nicht, ob ich’s tue. Was soll ich dort machen? Wenn ich tanze, werde ich schwindlig. Außerdem macht mir der Schlaf viel zu schaffen und ein wenig Rolle spielt auch der Geldpunkt. Kurzum, ich weiß noch gar nichts. Also Schatz, Du schläfst unter „meiner“ Tuchent, und ich unter „Deiner“ Decke. Das ist ganz schön, nicht? Vielleicht ist es darum, daß wir nur von einander träumen können. Unser Fredy ist ein lieber Schneck. Er plaudert so viel und ist meist lustig. Ins Bad geht er sehr gerne, aber heraus will er gar nicht. Ein Wort kann er auch schon sagen, nämlich „hopsa“. Mit riesiger Liebe hängt er an der Großmama. Wenn er sie nur sieht, strebt er sofort hinzukommen. Und ist er dort, so nimmt er mit beiden Händen ihr Gesicht und schmeichelt, daß man meint, er will sie aufessen. Mich hat er zwar auch schon wieder lieb, aber doch nicht so. Als ich kam, war ich ihm ziemlich gleichgiltig. Singen tut er auch, wenn man mit ihm singt und ihm sagt, er soll auch. Ferner kennt er bereits die Uhr und das Licht. Von Robert übrigens auch etwas Neues. Er kann schon alle Buchstaben sagen außer K und Sch. Aber er sagt ganz schön: Herr, Berg, smutzig, slafen, slimm. Eigentlich s gebraucht er auch nicht. ’s ist so ein Mittelding.

Liebling, ob Du sehr bald wieder einen Brief bekommst, weiß ich nicht. Ich glaube, ich werde noch die ganze Woche mit dem Fußboden zu tun haben, bis ich die Farbe weg und wieder drauf bringe. Morgen zerlege ich das Bett und streiche gleich darunter. Fredy muß auch noch ein Kleid bekommen.

So, nun geh’ ich schlafen. Ich bin seit drei Tagen sehr verkühlt. Schnupfen, Halsweh, Kopfweh u.s.w. Wenn dann der Kleine nachts auch unruhig ist, ist’s sehr schlimm. Er schreit nicht, aber wach war er heute 10 mal.

Viele Busserl von mir und Grüße von allen Geschw. an Brodils! Grüße an Frau Vich und Frl. Ruschenka.

In tiefer, heißer Liebe umarmt und küßt Dich

Dein Weib

Prag, am 19. Okt.25

Mein Lieb!

Deinen lieben Brief habe ich, wie Du gedacht, am Abend meines Geburtstages erhalten und danke Dir mein Liebes für Deine Wünsche. Ich habe ja nur den einen Wunsch, Euch bald hier zu haben, ob uns dieser erfüllt wird? Aussichten sind ja vorhanden. Samstag nachmittag war ich in Hrdlozecy. jedoch war Frl. Rusenka noch nicht bei den Leuten, von welchen sie uns sagte, hat zwar schon anderwärts gefragt, jedoch ohne Ergebnis. Eine Frau hatte ein Zimmer vor ein paar Tagen an vier Arbeiter vermietet. Jedoch glaubt Ruschenka, wir werden schon etwas bekommen. Übermorgen wird sie uns durch die Mädels, die sie in der Englischstunde trifft, Post sagen lassen. Auch sie sendet Dir viele Grüße. Bin dann schon im Finstern über Strusnice zu Brodils, habe ihnen die Post gesagt und dort das letzte Grammelschmalz gegessen, bin aber bald nach Hause gegangen, weil ich noch ein Schema zeichnen mußte, mit welchem ich erst um 12 Uhr fertig wurde. Auch Freitag war ich bis 12 Uhr auf, da ich Herrn Kitzler schrieb. Wie Du siehst, hab’ ich schon wieder kein Briefpapier. Sonntag, erst um 8 Uhr aufgestanden, traf ich mit H. Schönbeck zusammen. Wir wollten zum Platzkonzert am Hradschin. Einstweilen regnete es wie aus Schaffeln. Das ist überhaupt ein miserables Wetter jetzt. Du hast’s wirklich schön getroffen. Wir gingen dann ins Urania-Kino, wo der Kulturfilm „Im Motorboot rund um die Welt“ gespielt wurde. Sehr hübsch und interessant. Dann gingen wir beide essen, dann ich wieder zu Brodils, wo ich dann bis 9 Uhr war. Zu meinem Geburtstag hat mit Frau Vich Omeletten gemacht. War natürlich sehr erstaunt, von wo sie das weiß und habe mich gefreut darüber. Jetzt aber zu Deinem lieben Schreiben. Hast also schlechte Fahrt gehabt von Brünn bis Wien. Glaubst Du nicht, daß Du hungrig warst? Nun aber ist’s ja glücklich vorüber und es ist gut, daß Du wenigstens durch den ersten Teil der Strecke im Vorhinein entschädigt worden bist. Werde das nächste Mal wenn möglich auch diese Strecke fahren, lieber ist mir aber, ich habe das nicht nötig und Du mein lieber Schatz kommst zu mir. Jetzt wirst Du wohl sehr viel Arbeit haben und immer sehr müde sein. Weißt, ich werde schon geduldig sein, betreffs des Schreibens. Leg Dich nur ins Bett, damit Du Dich ausrastest.

Was will ich Dir nicht glauben? Daß Du, oder daß der Robert einen Dickkopf hat? Daß Du Dich über Olga geärgert hast, glaub ich Dir. Hätte wohl dasselbe gemacht. Jedoch darfst Du darüber nicht böse sein (na, ich weiß ja, das bist Du ja so nicht), Olga hat eben wieder einmal nicht gedacht und vielleicht fühlt sie auch nicht in dem Sinne. Nur hättest Du ihr ja sagen können, daß Du den Buben jetzt auch haben willst. Wenn er selber gerne zu Hause geblieben wäre.

Das mit dem Patentamt ist glaube ich nicht dringend. Es wird wahrscheinlich die Patenturkunde sein. Sollte es nochmals kommen, so bitte sage, daß ich in Prag bin und meine Adresse. Also Hansi hat sich verliebt! Nur glaub ich’s nicht recht, denn denkst Du, daß man es dann jemandem anderen sagt? Das ist natürlich ganz persönlich. Ich hätte das nicht gesagt.

Du bedankst Dich bei mir für die schöne Zeit hier. Mein liebes, liebes Weib, hätte ich Dich da, wie möchte ich Dich küssen für all das Glück, das Du mir hier gegeben, für die schöne, sonnige, herrliche Zeit, wo ich mich so Dir mitteilen konnte und die man erst dann zu schätzen weiß, wenn sie vorüber. Aber ich hoffe bestimmt, daß sie wieder kommt; einstweilen wollen wir beide der Mutter danken für die 14 Tage.

Heute ist es erst 8 Uhr und auch ich werde zeitlich ins Bett kriechen. Habe während des Schreibens Butterbrot gegessen, daher die Merkmale. So im Stillen erhoffe ich doch morgen einen Brief von Dir. Mit 1000 innigen Küssen an Dich und den Kindern

Dein Robert

Wien, 21.10.1925

Du, mein Lieb!

Vor allem - Fredy hat heute den ersten Zahn bekommen! Und gar nicht so arg z’wider war er. Die heutige Nach war wohl schlecht. Aber vorher nur die Nacht von Samstag auf Sonntag. So wie bei Robert war’s überhaupt nicht. Er wurde ziemlich oft wach und schrie, beruhigte sich aber wieder, während ich unseren „Großen“ in Weingarth einige Nächte nacheinander umtragen mußte. Heute abend war Fredy kreuzfidel. Er wollte absolut nicht einschlafen, strampelte und lachte und sang, kurzum, von Schlaf keine Rede.

Nun ist’s aber doch erreicht und ich kann Dir schreiben, Schatzerl! Weißt Du, daß der Kleine den Zahn gerade einen Monat früher bekam als Robert? Und noch etwas: gerade am 21.

Na, ich gähne ja schon wieder. Aber macht nichts, geschrieben wird doch.

Heute bin ich mit dem Fußboden endlich fertiggeworden. Montag habe ich das Bett ausgesucht, den Boden gründlich mit heißem Sodawasser gerieben und einmal ganz gestrichen. Da habe ich gerade von 7 Uhr früh bis 9 Uhr abends gebraucht dazu. Gestern habe ich dann den Ofen aufgestellt und nochmals gestrichen außer unter dem Bett. Und heute aufgewaschen und eingelassen. Nun wird’s doch hoffentlich gründlich genug sein und die Farbe eine Zeit halten.

Morgen möchte ich dann anfangen die Wäsche wegzubügeln. Wir haben ca. zwei Waschkörbe voll. Aber wenn der Ofen steht, geht’s ja schneller.

Gestern bin ich schon um 8 Uhr schlafen gegangen. Ich bin aber auch richtig müde.

Trude hat gestern vom Frauenhilfsverein Chiffon auf zwei Hemden und Barchent auf zwei Unterhosen bekommen. Auch war sie mit Schw. Hrubesch Schuhe anmessen. Die bekommt sie Sonntag nebst Übersocken. Von Peperl hat sie auch 50.000 K bekommen, wofür ich ihr gestern Turnschuhe kaufte. Und Sonntag bekommt sie auch ein neues Kleid aus dem roten Tuch, von dem ich mir ein Kleid machen wollte. Ich hab’ es ihr als Ersatz gegeben für ihre alten Kleider, die ich für Robert verbrauchte. Handschuhe hat ihr Mutter auch gekauft, so daß sie vollkommen ausgestattet ist. Br. Hansen hat mich gestern besucht, aber nicht lange. Br. Dedd, der mit ihm war, hatte nämlich Deutschstunde. Ja, von B.e.Ö. K. ist etwas gekommen. Schreibe mir, ob ich’s bezahlen soll. Den Scheck behalte ich hier. Der Brief vom Patentamt kam Montag wieder und ich habe Deine Adresse angegeben. Nur wirst Du Strafporto bezahlen müssen. Für nächsten Sonntag lade ich Papa ein. Olga wird es ihm ausrichten. Ich war heute mit Robert bei ihr im Geschäft. Sie war aber schon weg. So habe ich meinen schwarzen Mantel Frau Schwarzbeck übergeben zum Auffärben. Als ich nach Hause kam, sagte mir Mutter: „Die Olga war da.“ Sie kam aber nachher nochmals, da hab’ ich ihr die Post für Papa mitgegeben. Robert bemerkte heute: „Die Tante Olga ist so komisch, wie unser Vater.“ Wahrscheinlich ist ihm die Ähnlichkeit aufgefallen. Übrigens hat er heute nach geträumt, Du seist im Park gewesen. Darüber hat er sich sehr gefreut.

Sag’ Schatz, hast Du H. Kitzler 7 Bogen Briefpapier geschrieben, daß Du schon keines mehr hast? Du erwähnst das nämlich gleich nacheinander.

Bezüglich des Regens kränk Dich nicht. Bei uns ist’s auch nicht besser. (Unseren Fredy mußte ich eben wieder umdrehen, damit er nicht anbrennt.)

Also in Prag gibt es auch Urania-Kulturfilme? Nur leider mit cech. Text, gelt? Weißt, ich möchte auch manchmal in die Stöbergasse gehen, nur muß ich erst sehen, ob’s meine Kasse erlaubt.

Lieb, ich glaube nicht, daß ich hungrig war während der Fahrt, ich habe doch gegessen. Helene sagte mir übrigens Sonntag, ihr ist es ebenso gegangen, als sie einmal den Schnellzug nach Prag benützte. Ja, Hanni ist noch in Wien bei Regine. Der betreffende Herr hat nämlich eine Jodvergiftung und kann vor 3 bis 4 Wochen nicht wieder hergestellt sein.

Was Du nicht glauben willst? Na, daß Robert und ich dickköpfig sind, glaubst Du bestimmt; aber daß Robert den Dickkopf von mir geerbt hat, wie Fredy seinen Zorn von Dir, DAS glaubst Du nicht. Hätte das aber gar nicht schreiben brauchen, denn Du wolltest mich doch nur zum besten halten, gelt, mein Schatz?

Na weißt, die Sache mit Olga ist lange wieder vorbei, und ich habe eben auch daran gedacht, sie kann ja nicht wie eine Mutter fühlen. Es ist ihr da wohl das Beste und Schönste vom Leben vorenthalten geblieben. Robert wäre sicher gern zu Hause geblieben, denn er hat mir vielleicht 10 mal beteuert: „Wir kommen aber gleich wieder, Mutter, wie kommen eh gleich wieder.“

Daß ich’s auch nicht glaube, daß Hansi liebt, schrieb ich Dir ja schon gleich. Obzwar sich der Zustand bei verschiedenen Personen verschieden äußert. Somit das, daß sie’s erzählt, kein Gegenbeweis sein kann. Na, man wird ja sehen, was die Zukunft bringt.

Lieb, mein Lieb, Du möchtest mich küssen, ich möchte Dich küssen, und wir kommen vor lauter „küssen möchten“ gar nicht mehr heraus. Es ist nur gut, daß wir beide so beschäftigt sind, daß die Zeit darüber rasch genug vergeht. Nichtsdestoweniger glaube ich manchmal ich halt’s nicht länger aus, dann rebelliert aber auch gleich wieder mein Herz und ich muß mich zur Ruhe zwingen. An Frau Vich meinen innigsten Dank, daß sie Deinen Geburtstag nicht vergaß. An alle Bekannten beste Grüße! Von den Kindern und mir recht viele Busserl! Trude sehnt sich nach Dir. Es umarmt und küßt Dich heiß

Dein Weib

Prag, 21. Okt. 1925

Mein liebes gutes Weib!

Nun habe ich wieder ein so liebes Schreiben und bin Dir gar nicht böse, wenn ich ein wenig länger warten muß. Weiß ich doch, daß Du mein armes Lieb der Ruhe dringend bedarfst, wenn Du so viel Arbeit hast und daheim alles so schön machst. Sehr erfreut war ich über den Bericht über die Buben. Nun wird Fredy schon sichtlich größer und ich möchte ihn allzu gerne sehen. Und die Fortschritte beider, besonders Fredys - mir wird ganz angst und bang vor meinem Sohn. Mit 7 Monaten schon die Uhr kennen - aber was wundere ich mich denn. Hat er doch mein so sehr geliebtes Weiberl zur Mutter. Da ist doch alles möglich, nicht? Auch Roberts Interesse ist gut, er wird wohl viel fragen und Du wirst ihm wohl viel erzählen müssen. Laß Dir’s nicht verdrießen, mein Lieb, auch wenn ein bißchen Zeit draufgeht.

Die Nähmaschine ist ja bei uns teuer.

350 Sch = ca.1670 Kc.

Na, es bleibt sich so ziemlich gleich.

Mir geht’s hier grad so wie Dir daheim. Du mein Liebes, wir müssen halt vernünftig sein. Aber viel viel schwerer geht dies jetzt nach unserer schönen Zeit. Heute erfahren die Mädels, ob etwas erreicht wurde von Frl. Ruschenka. Ich jedoch muß bis morgen warten. Weiters ist jetzt aber wieder ein Lohnkonflikt, mit uns diesmal. Man will uns von unseren Zulagen etwas abziehen. Morgen ist betreffs dessen Versammlung, bis jetzt ist man allgemein der Ansicht, daß man sich das nicht gefallen lassen muß, und wir, wenn das wirklich eintritt, nach Hause fahren. Meist ist ja natürlich heißer gekocht als gegessen wird, jedoch weiß man nie, war wird. Das schafft immer so unangenehme Stimmung.

Von den Kollegen erfuhr ich, daß das Fräulein den Stoff schon abgeholt hat.

Wenn Du Lust hast, zu dem Fest zu gehen, so geh doch. Wann ist dasselbe? Ich denke am 12. November. Wenn ja, dann gehst Du wohl, bis die Kinder schlafen, gelt? Ob aber Mutter nicht auch gerne gehen möchte? Wegen des Geldes laß Dich’s nicht verdrießen, das bringen wir wohl noch auf. Gestern war ich bei Brodils, und wenn Ruschenka nichts findet, werde ich annoncieren. Mutter Brodil meint, daß wir uns eine leere Wohnung mieten sollen, um 200 - 300 Kc monatlich bekommt man schon solche. Nun möchte ich Deine Meinung darüber hören.

Morgen nach der Versammlung und nach Besuch Brodils setze ich fort. Bis dahin und immer küsse ich Dich innigst.

22.10.1925

Mein Liebes! So, und nach einer Schlüsselmisere sitzt ich endlich zu Hause. Mein Schlüssel war in meinem Raglan zu Hause und ich läutete Sturm, jedoch Frau Vich dachte, ’s ist jemand anderer und machte nicht auf. Ging natürlich in der Meinung, daß sie nicht zu Hause ist, es war aber schon halb 9, wieder fort, kam um halb 10, na, dann machte sie mir endlich auf. Bis nach 8 Uhr dauerte unsere Versammlung. Also die Sache steht so: Die Wiener Monteure haben eine Lohnforderung eingebracht. Die Unternehmer willigten zwar ein, jedoch mit der Bedingung, daß die cech. Zulagen erniedrigt werden. Heute waren, oder morgen sind, Verhandlungen zwischen dem Metallarbeiterverband und den Industriellen. Nächste Woche kommt ein Funktionär unserer Organisation, um uns über das Ergebnis der Verhandlungen zu unterrichten. Also wird die Hauptbesprechung erst nächste Woche sein. Mach Dir einstweilen keine Gedanken, es schaut nicht so sehr arg aus.

Bei Brodils war ich leider nicht, sende Dir aber gleich morgen Nachricht. Diesen Brief wirst Du hoffentlich Sonntag bekommen. Nun liebes Butzerl, habe ich heute wieder von Euch allen geträumt. So ganz schön. Ich bin auf einmal nach Hause gekommen. Robert ist mir entgegen gekommen und hat mir ein Busserl gegeben, Du bist mit Fredy beim Ofen gesessen und hast ihm die Fußsohlen ans Ofentürl gehalten, daß sie schon ganz heiß waren. Er war aber wirklich ein sehr lieber Schneck. Die Patenturkunde habe ich heute erhalten. Bitte sende mir „Vorschriften und Normalien bei elektr. Montage“ oder so ähnlich. Das Buch ist blau, ca. 1 cm dick und ist bei den anderen technischen Büchern. Es hat am Rand hie und da so gedruckte Striche. Nun mein lieber Schatz, schlaf recht gut und träum auch so was Schönes. Mit vielen langen Küssen

Dein Robert

Wien, 25.10.1925

Du einzig lieber Mann!

Na, mir scheint, ich sitze und träume, anstatt zu schreiben. Das macht Dein so sehr liebes Schreiben vom 21.d. M. Kind, erinnerst Du Dich, als wir das erste Mal sicher wußten, daß ich schwanger sei, da sagtest Du einmal: „Wie Deine Augerl leuchten!“ Ich glaube, Schatz, sie leuchten jetzt sehr oft so. Wenn ich einen Brief von meinem Lieb bekomme, wenn ich ihn wieder und wieder lese, wenn ich meine Kinder ansehe, u.s.w. Kurzum, es kommt mir immer mehr zum Bewußtsein, daß ich ein glückliches Weib bin. Glücklich in Eurem Besitz. So ganz weiß ich das aber erst, seit ich bei Dir war, mein Lieb! Nun Schatz, ist für eine kleine Weile die anstrengende Arbeit für mich vorüber. Nun habe ich nur zu nähen, außer der gewöhnlichen Aufräumerei. Papa war heute hier und konnte sich gar nicht sattsehen an unserem Buben. Immer wieder sagte er: „Na, so a liabs Kind. I muaß’n immer anschaun. So a liabs Kind find’t ma net bald wieder.“ Aber Liebling, ich glaube, ich mache Dir das Herz noch schwerer, wenn ich Dir immer von den Kindern schreibe. Aber Du weißt, weß das Herz voll ist… Aber wenn Du mich mit Komplimenten traktierst, das kann ich gar nicht leiden. Daß ich nicht gerade dumm bin, das weiß ich wohl, aber so sehr gescheit, das will ich dann doch dahingestellt sein lassen. Fredy könnte ja, da er Dir sonst nachgerät, auch seine Weisheit von meinem „so sehr gescheiten“ Mann haben, nicht? Jetzt möcht ich Dich gerade wieder so recht herzhaft abbusseln.

Roberts Interesse zu befriedigen, laß ich mich nie verdrießen, Kind. Erstens weiß ich, daß es zu meinen Hauptpflichten als Mutter gehört und zweitens tue ich’s doch so gern. Es ist mir doch so viel Freude zu sehen, wie der Geist immer reifer wird.

Euer Lohnkonflikt macht mir vorläufig wenig Kopfzerbrechen. Wenn man Euch wirklich etwas abzieht, ersparst Du Dir halt etwas weniger. Schlechter wär’s schon, wenn Ihr wirklich heimfahren würdet. Ein Streik verschlingt doch immer mehr als er einbringt. So gerne ich Dich da hätte. Viel, viel lieber noch, als ich am 12. zu dem Fest gehen würde. Wenn ich gehe, auf jeden Fall erst, wenn die Kinder schlafen und Mutter würde mit mir gehen, Hansi bei den Kindern bleiben. Aber ehrlich gesagt, ist mir um das Geld leid.

Also Mutter Brodil meint eine leere Wohnung. Kind, das wäre mir in einer Art noch viel lieber. Wenn sich die Beschaffung der notwendigsten Möbel nicht gar zu hoch stellt. Wir würden halt nur so ein Provisorium errichten müssen. 2 Betten, 1 Kasten, eventuell ein paar verkleidete Kisten. Ich wäre sofort dabei, wenn wir mehr beieinander sein könnten. Unter Umständen wäre wohl der Transport von Roberts Bett nicht mit allzu großen Kosten verbunden. Es ist ja weder groß noch schwer.

Frau Vich macht ihre Sache gut. Einfach nicht aufzumachen. Das ist wieder so ganz sie.

Also Du träumtest, daß ich Fredys Fußsohlen angebrannt habe oder so ungefähr, und da hast Du Dich nicht einmal geärgert? Übrigens glaube ich nicht, daß er sich das so ruhig gefallen ließe. Er versteht sich schon ganz verzweifelt zu wehren, wenn ihm etwas nicht paßt. Beim Spazierenfahren rauft er immer mit mir, weil er kein Hauberl aufhaben will. Er greift dann immer hinauf und schaut mich an. Wenn ich dann sage, das darf man nicht herunternehmen, dann läßt er’s, aber wenn ich nicht hinschaue, ist’s auch schon herunten. Ja, ich hab Dir ja noch gar nicht geschrieben, daß er am 22. schon den zweiten Zahn bekommen hat. Aber mit etwas mehr Geschrei. Ich wurde am 21. abends um halb 11 Uhr fertig mit dem Brief an Dich. Den Moment fing er an zu schreien und schrie ununterbrochen bis 3 Uhr früh. Dann war wohl das Ärgste vorbei.

Robert hat von gestern auf heute bei Olga geschlafen. Papa hat ihn heute mitgebracht. Rudolf, Mitzi, Willi und Richard waren auch gestern bei Olga. Annerl kann sich immer noch nicht eingewöhnen. Richard geht Samstag nachmittag gar nicht mehr nach Hause, weil sie mit ihm nirgends hingeht. Schau, Kind, das kann ich gar nicht verstehen. Wo ich Mann und Kind, ja sogar meine Möbel habe, da muß ich mich doch heimisch fühlen können?!

Nun mein Lieb, gehe ich schlafen in der Hoffnung, bald günstige Nachricht von Dir zu bekommen!

Grüße mir alle Bekannten recht herzlich. Das Buch sende ich morgen.

Grüße von allen! Mit viel viel tausend Busserl von den Kindern und

Deinem Weiberl

Prag, am 25. Okt.1925

Mein liebes Weiberl!

Vor allem muß ich Dir leider mitteilen, daß ich noch nichts gefunden. War heute in Hrdlozese mit Ruschenka bei der einen Familie. Sie haben einige Zimmer und würden uns ihre große Küche lassen, jedoch unter der Bedingung, daß wir ihnen einen schwedischen Ofen kaufen. Derselbe würde ca. 500 Kc (ohne Transport) kosten. Also das zahlt sich ja wirklich nicht aus. Übrigens hat auch Ruschenka wie auch ich das Gefühl, als ob die Leute sehr auf’s Wurzen ausgingen. Bei der anderen Frau war Ruschenka allein. Die hat 3 Zimmer, kann aber aus familiären Gründen nicht vermieten, weil sonst irgendein Schwager auch einziehen möchte. Also ist heute nichts. Ruschenka hat aber noch Hoffnung und hat uns, mich und Dich, getröstet, sie glaubt, wir kriegen noch was. Nämlich ein Zimmer, meine ich. Also warte ich noch 8 Tage. Dann werde ich annoncieren. Denkst Du, daß ich’s tun soll? Deinen lieben Brief vom 21., Samstag, mit einem Brief von Kitzler aus Berlin erhalten. Freue mich,, daß unser Kleiner schon anfängt Zähne zu bekommen und daß er Dir nicht viel Wirtschaft dabei macht. Hast ja so genug zu tun mit der Wohnung. Du mein gutes armes müdes Butzerl. Jedoch mein Lieb, Du mußt doch wirklich auch Deine Erholung dabei haben und wenn Du in die Stöbergasse gehen willst, so werde ich Dir, wenn es Deine Kasse nicht erlaubt, Geld senden. Wenn wir einmal wissen, was überhaupt wird, dann sende ich Dir ja regelmäßig. Die hiesige Urania, die ich meine, es gibt noch ein cech. Urania-Theater, ist ganz deutsch. Schade, daß wir nicht dahingegangen, wie Du bei mir warst. War übrigens auch ein Intermezzo bei unserer Vorstellung. Hinter uns war eine Familie mit einem etwa siebenjährigen Knaben, welcher für sein Alter sehr gut und schnell den Text las. Er sprach dabei ganz laut, so daß man’s im ganzen Saal hörte. Unter andern Münchner Bildern war auch das der „Universität, Brutstätte der Studenten“ und da hat der Kleine sich verschaut und las „… die Brautstätte der Studenten“. Kannst Dir vorstellen, daß das ganze Theater gelacht hat.

Samstag nachmittags wollen die Mädel und ich in „Pan Twardowsky“, einem Ballett, ins Nationaltheater gehen, wenn wir Karten bekommen. Am Mittwoch ist in Hrdlozese eine Akademie des Jugendbundes, bei welcher Fanny und Hansy auch einige Lieder spielen werden. Ob ich hingehe, weiß ich nicht. Hinausfahren werde ich wohl. Weißt, es ist dies ja der hiesige Revolutionsfeiertag. Heute war auch Frau Vich bei Brodils und wir waren in der Gratowka spazieren.

Morgen oder übermorgen werden wir wieder Versammlung vom Geschäft haben, bin schon neugierig, was dabei herauskommt. Nach dem vorhergegangenen glaube ich nicht, daß es irgendwie zu einer Änderung unsererseits kommt. Am 10. November schalten wir in Smichow die ersten Probeabonnenten, 300 Numero, ein. Es gibt daher jetzt sehr viel Arbeit. Auch gut für mich, denn ich bin, wie Schw. Brodil sagt, wie ein verlorenes Schaf. Ein herziger Ausdruck, was? Wenn Du früher nicht kommst, werde ich wahrscheinlich so Ende Nov. oder Anf. Dez. nach Wien kommen. Wenigstens versuchen. Trude lasse ich herzlich grüßen. Auch ich sehne mich schon sehr nach allen. Schreib mir nur recht viel, wie in Deinen letzten Briefen, von unseren Kindern. Ich habe immer Freude darüber. Bleibt mir ja so so viel unerreichbar bei ihnen. Dein Herz, mein Lieb, mußt Du wirklich zur Ruhe zwingen. Es kommt ja doch wieder die Zeit, wo wir uns wiederhaben. Mein Schatz, Du guter. Grüße von Ruschenka, Frau Vich, und natürlich auch von Brodils. Grüße an alle Bekannten und Küsse an Mutter und die Kinder. Mit vielen Küssen

Dein Robert

Prag, am 27.10.1925

Mein liebes Weib!

Mit Deinem Brief hast Du mir heute wieder eine so große Freude gemacht. Du fühlst also immer mehr, daß Du glücklich bist. Mein Lieb, wie schön ist das für mich, dieses von meinem Weib zu hören. Wie wünsche ich, daß dieses, unser Glück, nie getrübt werden möchte, durch diese Unstimmigkeiten, die ja manchmal zwischen uns waren. Aber daß wir dieses Glück so recht fühlten, dazu hat unser Alleinsein sehr viel beigetragen. Ich erinnere mich, daß mir Frl. Ella, Du weißt ja, von Schuckert, erzählte, daß ihre Mutter einmal sagte, sie hat erst nach 25jährigem Verheiratetsein gefühlt, daß sie glücklich ist, erst als sie sich ein eigenes Haus bauten. Früher waren sie in dem Haus ihrer Schwiegereltern und noch dazu wohnten dort einige Schwäger und Schwägerinnen. Hätten wir die Möglichkeit des Alleinwohnens gehabt, ich glaube, Du und ich hätten schon früher unser Glück verspürt.

Das soll natürlich nicht Undankbarkeit sein, mein Lieb, es ist nur eine Tatsache, die ja allgemein und logisch ist. Wie sehr möchte ich Deine lieben leuchtenden Augen küssen. Mein liebes Weib, Du hast mich wohl sehr sehr glücklich gemacht, wie Du bei mir warst, aber auch recht unvernünftig, denn so groß das Glück ist, so groß ist die Sehnsucht. Also mit dem so sehr gescheiten Mann ist’s nichts. Denke jedoch nicht, daß Du mir das Herz schwer machst, wenn Du von den Kindern schreibst. Im Gegenteil. Ich möchte doch auch meine Kleinen besser kennenlernen und teilnehmen an dem Reifen ihres Geistes. Hansy sagte heute, als ich der Mutter wegen der leeren Wohnung vorlas: „Na, haben Sie nichts mehr von den Kindern?“ und als ich dann weiter vom zweiten Zahn und vom Hauberlherunternehmen las, sagte sie wieder: „Sonst nichts?“ Oh ja, hab ich gesagt, es ist noch viel drinnen, sogar sehr viel Schönes und Liebes, jedoch gehört das nur mir allein. Da haben sie gelacht uns Mutter sagte wieder: „Weils a so dumm fragen muaß.“

Für die Lieder den besten Dank von den Mädeln. Wir wollten sie heute singen, jedoch ging „Das Gebirge“ gar nicht. Man muß es erst umschreiben.

Morgen ist, wie Du ja weißt, der hiesige Revolutionsfeiertag. Sag, mein Lieb, wie wäre es, natürlich wenn ich bis zum 12. Nov. noch nichts gefunden hätte, wenn ich auf 4 Tage kommen möchte. Herr Rommel fährt heute nach Hause und bringt die Zeit nach 5 Uhr ein, arbeitet also tatsächlich für die versäumten 22 Stunden 15 Stunden, da ja die Überstunde eineinhalb normale gilt. So verliert er nichts, im Gegenteil, er bekommt noch für diese Zeit seine Diäten. Viel lieber wär’s mir natürlich, es fände sich was und Du könntest mit den Kindern kommen.

Morgen begleite ich die Mädel nach Hrdlozese, vielleicht weiß Ruschenka schon etwas Neues. Weißt, ich denke, wenn wir eine möblierte Wohnung bekommen würden, wäre es doch besser, denn wenn Du Dich hier so g’fretten müßtest wie in Ternitz, das wäre auch nicht gut. Wollen noch abwarten.

Nachdem morgen doch keine Post abgeht, so setze ich morgen fort. In der Hoffnung, daß ich Dir morgen schon was Neues schreiben kann, gehe ich jetzt ins Bett. Schlaf wohl, mein einziger Schatz! Viele, viele Küsse!

28.10.25. Mein liebes, liebes Butzerl

Ich habe heute eine Wohnung gefunden! Jetzt, Lieb, bin ich überglücklich! Nun aber laß Dir’s erzählen: War mit den Mädels draußen. Als wir zu Ruschenka kamen, sagte sie mir voll Freude, daß sie etwas hat. Wir gingen gleich hin. Es ist ein neugebautes Häuserl mit Zimmer und Küche. Drinnen wohnt ein Ehepaar, dir Frau in Deinem Alter, die wollen das Zimmer vermieten. Nur haben sie keine Möbel. Er und sie sprechen rein deutsch, so da0 ich selbst mit ihnen verhandeln konnte. Die Frau machte den Vorschlag, daß wir ihnen vorauszahlen sollten, damit sie die Möbel kaufen kann. Der Zins ist wöchentlich 100 Kc, jedoch brauchen wir uns nichts kaufen, als eventuell einen Korb für Fredy. Ich fahre Sonntag hinaus und zahle 8 Wochen voraus, jedoch gilt dies erst von Sonntag den 7.11. Muß Dir eine kleine Skizze machen, so beiläufig

Zeichnung

Ich hab so eine große Freude !!! Und Brodils und Ruschenka auch. Kochen kannst Du in der Küche, waschen und alles was Du willst. Gleich vor dem Haus ist ein Weg und daneben das Mühlbacherl. Ein Hof ist auch da, wie’s mit dem Trinkwasser ist, weiß ich noch nicht. Drei oder vier Häuser von Ruschenkas Haus. Ich glaub, ich kann gar nicht mehr ordentlich denken und schreiben vor Lust. Also teil Dir’s so ein, daß Du Ende nächster Woche kommen kannst. Samstag wäre es am besten. Bettzeug hat die Frau. Das Zimmer ist erst heute ausgeputzt worden. Nun werde ich Dir morgen das weitere schreiben. Heute bin ich zu froh und glücklich.

Mit 1000 Küssen

Dein Mannerl

Sende den Brief expreß, damit Du auch früher eine Freude hast.

Muß Dir jedoch erst noch was sagen. Bitte teile mir sofort mit, was Du für Geld brauchst, wenn Du Samstag, den 7.11.fortfährst. Des weiteren nimm bitte nur das Notwendigste mit. Nur Metallgeschirr. Was wir hier kaufen können, wenn’s natürlich nicht zu teuer ist, nimm nicht mit. Für die Kinder und Dich nur Wintersachen, denn wenn es länger dauert, kannst Du Dir ja hier das machen. Werde mir wahrscheinlich von Schw. Brodil einstweilen Geld ausleihen müssen. so 200 bis 300 Kc.

Viele Grüße von Brodils. Die armen Mädels haben so ein Pech gehabt. Bei dem Harmonium war der Blasbalg defekt, das lispelte nur, und die Fanny hat sich von einem Herrn die Geige stimmen lassen „verstimmen“ nämlich, und überdies hat ihr Ruschenka die Noten von rückwärts gehalten und dabei vorne zugehalten. Also eine Katastrophe. Mutter Brodil war ganz weg, als sie es hörte. Busserl und Schluß!

Wien, 28.10.1925

Liebster!

Vielen Dank für Deinen lieben Brief vom Sonntag und die Karte von Samstag. Schatz, warum fragst Du, ob Du annoncieren sollst? Du weißt doch, daß ich so sehr gerne bei Dir sein möchte, na, aber wenn Du nicht willst, kann man auch nichts machen. (Bitte, nicht zu ernst nehmen, sonst ist’s Malheur wieder fertig.)

Den Ofen zu kaufen wäre vielleicht Unsinn, Kind. Da wär’s jedenfalls besser wie Mutter Brodil meint, wenn’s zu erreichen ist, eine Wohnung zu mieten und uns selbst für die 500 Kc etwas Einrichtung zu kaufen. Glaubst Du nicht auch?

Ja aber Liebling, wenn es gar nicht gehen sollte, daß wir zu Dir kommen, so mache Dir meinethalben kein Kopfzerbrechen. Ich habe noch immer ertragen, was ertragen werden mußte und würde mich auch da in’s Unvermeidliche fügen. Am meisten leid wäre mir nur immer, daß Du die Kinder so entbehren mußt. Na, warten wir ab und reden wir von etwas anderem. Ich bin jetzt zwar nimmer so sehr müde, aber in die Stöbergasse ginge ich doch sehr gerne. Am Sonntag abend gibt man „Rigoletto“ im Kostüm bei vereinfachter Szene. Aber ich habe wirklich kein überschüssiges Geld. Habe wieder eine Menge Kleinigkeiten gebraucht. Ein Paar Strümpfe für Robert 18.000 K. Für Fredy nähte ich einen Mantel (zum Umhängen) aus meinem letzten Blusenstoff (gobelinblaues Tuch), das Zugehör kostete mich 30.000 K. Robert möchte ich als Wechsel das Lederhoserl anziehen. Folglich kaufte ich Stoff für einen Bauernjanker, 25.000 K. Mir habe ich zu 10.000 K eine neue Nadel für meinen Hut gekauft. Es sind dies einzeln keine großen Posten, aber es summiert sich leider.

Ja, es fällt mir eben ein, ich schrieb Dir noch nicht, was ich für die Kc bekam. Also für 50 Kc 102.000 K. Die Kc stand auf 2090 K.

Diese Woche haben wir wieder etwas schönere Tage, aber heizen muß ich doch ein wenig.

Habe diesmal um 8.000 K weniger bekommen bei der Auszahlung. Wahrscheinlich hat man nachträglich abgezogen, was Du bei meiner Abfahrt versäumtest.

Daß heute cech. Revolutionsfeiertag ist, weiß ich, Kind. Und unser Fredy ist 7 Monate alt. Heute hat er so lieb Verstecken gespielt. Er hat sein Gesichterl immer ganz in meinen Mantel vergraben und dann schaute er wieder heraus auf die Hansi.

Ja, Hansis Liebestraum ist schon so gut wie zu Ende. Br. Fischer ist nämlich nach Linz versetzt worden und heute schon abgefahren. Zum Abschied habe ich ihr noch gesagt, kann sie ihn Sonntag zum Abendessen laden. Er hatte aber Sonntag nicht Zeit und kam Montag. Ich glaube, ich habe das Mädel noch nie so selig gesehen wie den Abend. Das hat mich reichlich belohnt für die Kosten. Nun hofft und harrt sie auf ein Wiedersehen bei der nächsten Konferenz am 15.11.

Nun Liebes, wenn Du viel Arbeit hast, ist’s gut für Dich. Ich sehe es bei mir, ich habe zum Glück immer nur abends Zeit zum Grübeln. Meist gehe ich aber zu Bett und schlafe sehr bald ein.

Daß Dich Schw. Brodil ein verlor’nes Schaf nennt, ist auch nicht schlecht. Wenn ich Schw. Huber ein bißchen zum Besten hielt, sagte sie immer: Du Schaf du! ’s war dies ihr Kosename für mich. So passen wir nun umso besser zueinander, Liebes. Gelt? Kind, vor einem Monat war ich bei Dir. Wie schön das doch war! Ob ich wohl am nächsten 28. wieder bei Dir oder Du wenigstens bei mir bist? Meine Sehnsucht ist grenzenlos!

Olga war Dienstag wieder hier, sie läßt Dich herzlich grüßen. Robert war sehr brav bei ihr. Ich aber muß mich seit Sonntag immer über ihn ärgern. Dann wieder denke ich, es fehlt ihm vielleicht doch etwas. Er klagt immer über Müdigkeit, ißt beinahe nichts und will gar nicht gehen.

Heute nacht hab ich von Dir geträumt. Wir waren irgendwo in den Bergen.

Du hast mir nicht geschrieben, ob ich den Plenny-Beitrag erlegen soll. Vielleicht fahre ich nächste Woche mal zu Wentys.

Viele Busserl von allen! Grüße mir alle Bekannten!

In treuer heißer Liebe

Deine Gretel


[up] [CV] [Holydays] [1920] [1921] [1923] [1925] [1926] [1928] [1929] [1930] [1931] [1932] [1934] [1935] [1936] [1937] [1938] [1939] [1940] [1941] [1942]




We appreciate your comments, please send them to Paul Schröfl (pauli schroefl.com). The usage of this Web Site underlies our usage policy. © 1990- 2024 Paul Schröfl, Lisl Schröfl. Last changes made on december 7th, 2021