Ahnennummerierung

Die Ahnennummerierung in den Zeiten des Computers

Paul Schröfl

Genealogen stehen immer wieder vor der Frage, ob und auf welche Weise zwei Personen miteinander verwandt oder verschwägert sind. So einfach die Frage scheint, so schwierig ist sie oft zu beantworten.

Vor über 50 Jahren schrieb Siegfried Rösch : „Es ist zunächst nützlich, sich darüber klar zu werden, daß das Zurechtfinden im Labyrinth der genealogischen Beziehungen einen festen Ausgangspunkt erfordert, sozusagen einen Koordinaten-Nullpunkt; ihn stellt der „Proband“ dar, bei dem „alle Fäden zusammenlaufen“, wie dies recht klar auch das obige Bild zeigt. Alle exakte Familienforschung muß Zentralstruktur haben.“

Die Vorteile der auf einen bestimmten Probanden bezogene Genealogie scheinen auf der Hand zu liegen, und sie brachten Artefakte hervor, um Verwandschaftsverhältnisse übersichtlich darzustellen. Die Ahnentafel zeigt die Vorfahren des Probanden, der Stammbaum dessen Nachfahren. Neuere Darstellungen kombinieren diese zu Sanduhrtafeln oder zeigen gar alle Nachfahren der bekannten Vorfahren des Probanden.

Kekulé, Matyas

Um Ordnung in die Menge an vorhandenen Daten zu bringen, mit dem Ziel der Beschreibung von Herkünften, Blutsverwandschaften, mit Betonung der agnatischen Linie, wurden Nummerierungssysteme geschaffen. Eines der bekanntesten ist jenes von Kekulé v. Stradonitz, eines der neuesten die Ahnenzahl nach Matyas . Den Vorfahren des Probanden werden Zahlen oder Symbole zugeordnet, die den Grad der Verwandtschaft ablesen läßt.

Beide Systeme bilden letztlich einen Binärbaum (ein Baum, dessen Äste sich jeweils in genau zwei Zweige aufspalten) ab, der dadurch entsteht, daß jeder Mensch zwei Eltern, einen biologischen Vater und eine biologische Mutter hat. Die Nummerierung ergibt sich nach einem mehr oder weniger einfachen Algoritmus. Bei Kekule etwa werden der Frauen mit 1, Männer mit 0 kodiert; der Proband erhält unabhängig von seinem Geschlecht den Code 1. Durch Aneinanderreihung ergibt sich eine Zahl im Dualsystem; schreibt man diese im Dezimalsystem an, ergibt sich die Kekulezahl (Der Vater des Vaters der Mutter der Mutter des Probanden ergibt also 1(Proband) 1(Mutter) 1(Mutter) 0(Vater) 0(Vater) -> Dual 11100 = Dezimal 28). Bei Matyas hingegen ist der Proband mit 0 kodiert. Der erste Teil der Matyaszahl berechnet sich ähnlich Kekule: 0(Proband) 1(Mutter) 1(Mutter) 0(Vater) 0(Vater) -> Dual 01100 = Dezimal 12). Der zweite Teil berechnet sich aus 100 - Anzahl der Ahnengenerationen, in unserem Fall also 100-4=96. Die Matyaszahl ergibt sich daher zu 12.96. Hat man nun eine Datensammlung von beliebigen Personen, von denen die Vorfahren des Probanden nummeriert wurden - welche Fragen können Kekulé und Matyas beantworten?

  1. Welche Personen sind Vorfahren des Probanden?
  2. Welche Personen bilden den Mannesstamm?
  3. Welche Vorfahren des Probanden sind miteinander verheiratet?
  4. Wieviele Generationen liegen zwischen zwei Vorfahren des Probanden?
Doch solche Fragen bleiben offen:
  1. Welches Geschlecht hat der Proband?
  2. Wie ist eine Person, die nicht Vorfahre des Probanden ist, mit diesem verbunden?
  3. Wie sind zwei beliebige Personen der Datensammlung miteinander verbunden?
Denn diese Binärsysteme sind nicht geignet, andere, komliziertere Verwandschaftsverhältnisse abzubilden; die Tante meiner Cousine kann ich damit ebensowenig einordnen wie meine Schwiegermutter, oder selbst meine Schwester. Die realen Verhältnisse einer Patchworkfamilie sind nicht beschreibar, genau wie Adoption oder in neuerer Zeit Leihmütterschaft. Praktisch unmöglich ist auch ein Wechsel des Probanden, also die Beschreibung des Verhältnisses zwischen zwei beliebigen Personen meines Verwandtschaftsbaumes. Bei Kekule und Matyas ist das nur dann möglich, wenn der neue Proband entweder Kind oder Vorfahr des ursprünglichen ist. Mein Kekule 28 wird zu dem Kekule 60 meiner Tochter : 11100 + 100000 = 111100 (28+32=60) oder zum Kekule 12 meiner Mutter: 11100 - 10000= 1100 (28-16=12). Zu meinem Vater hat mein Kekule 28 allerdings gar keine Beziehung (obwohl man die Beziehung ganz einfach mit „Großvater der Schwiegermutter“ beschreiben könnte). Heinzelmann Hier zeigt sich das Bedürftnis nach einer erweiterten Nummerierung, um auch weitere Verwandt- oder Schwägerschaft zu systematisieren. Das System von Heinzelmann ist diesen Schritt gegangen, verwendet eine sehr abstrakte, aber exakte Schreibweise. Heinzelmann weist darauf hin, daß man die Codierung am besten von rechts nach links liest.

Heinzelmann kann nun die Frage beantworten: • Wie ist eine beliebige Personen der Datensammlung mit dem Probanden verbunden? Es zeigt sich aber, daß sein System nicht mehr intuitiv interpretierbar ist:„11(II. ooI.)A0 wäre dessen [des Sohns aus erster Ehe der zweiten Frau seines agnatischen Ahnherrn in der 6. Generation, der also eine Witwe mit Kind geheiratet hat] Vater, der also mit mir so kompliziert verschwägert ist, dass man es verbal kaum beschreiben kann.“ Gedcom Während die genannten Systeme mit Zettel und Bleistift erstellbar sind, geht Gedcom einen völlig anderen Weg. Es handelt sich um ein wohl allen Genealogen bekanntes Datenformat, das 1985 von den Mormonen vorgestellt wurde. Obwohl es kein Nummerierungssystem im klassischen Sinne ist, gibt es Antwort auf alle Fragen betreffend der Verwandschaft zweier oder mehrerer Personen. Da Gedcom neben der Verknüpfung der Personen auch alle zugehörigen Daten und Ereignisse speichern kann, können Gedcom-Files sehr umfangreich werden. Die Grundstruktur von Gedcom ist jedoch sehr einfach. Gedcom beschreibt im Wesentlichen zwei unterschiedliche Objekte, Individuen und Partnerschaften. Jedes dieser Objekte bekommt als eindeutiges Kennzeichen eine Nummer: 0 @I4711@ INDI bezeichnet etwa die Person (Individual) mit der Nummer 4711, 0 @F123@ FAM bezeichnet die Partnerschaft (Family) mit der Nummer 123. Zwischen den Personen bestehende Beziehungen werden über die Partnerschaften definiert. Nehmen wir an, eine kleine Familie (F4) bestünde aus folgenden Personen: Mutter (I12), Vater (I25), Sohn (I17), Tochter (I56). Nun finden wir bei der Partnerschaft F4 folgende Einträge: 0 @F123@ FAM 1 HUSB @I25@ 1 WIFE @I12@ 1 CHIL @I17@ 1 CHIL @I56@

Im Datensatz einer Person kann angegeben werden,

Ziele einer Kodierung Wie könnten wir die Ziele einer Kodierung beschreiben? 1. Einfache Verständlichkeit des Codes, auch für Laien und Nicht-Mathematiker. 2. Eindeutige Beschreibung des Verwandschfts- bzw. Verschwägerungsverhältnisses. 3. Einfache Umrechnung bei Wechsel des Probanden 4. Vereinfachung komplizierter Verwandtschaftsverhältnisse (mit akzeptablem Verlust an Exaktheit), angelehnt an den Sprachgebrauch 5. Automatisierbarkeit durch EDV 6. Einfache Berechnung bei vorhandenen Gedcom-Daten.

Einfache Verständlichkeit Der Nachteil der erwähnten Systeme liegt darin, daß sie sehr abstrakt sind. 28 ist nur mit großer Erfahrung als Ururgroßvater (bzw. Altvater) zu bestimmen. Der zweite Nachteil liegt darin, daß sie am besten von rechts nach links zu lesen sind: 28=11100, von rechts also: der Vater des Vaters der Mutter der Mutter des Probanden. Während ein Mathematiker diese Decodierung im Kopf durchführen kann, braucht ein Laie wohl Zettel und Papier; der Praktiker lernt die Zahlen für einige Generationen auswendig. Würde man nur die Leserichtung dem allgemeinen Gebrauch anpassen, und die abstrakten Ziffern durch Textkürzel ersetzen, käme man zu einem für jedermann lesbaren Ergebnis. Die Person mit der Kekule-Zahl 28 ist der Ururgroßvater des Probanden. Da der Proband normalerweise 8 Ururgroßväter hat, müssen wir aus der Kekule-Zahl die genaue Ahnenreihe ermitteln. Dazu wandeln wir die Dezimalzahl 28 in die Dualzahl 11100 (28 = 1×16 + 1×8 + 1×4 + 0×2 + 0×1) um. Von links nach rechts gelesen, bedeutet der erste Einser den Probanden, der zweite seine Mutter, der dritte deren Mutter, der erste Nuller deren Vater, der zweite dessen Vater. Statt 0 schreibt man einfach Vater, und kürzt mit Va ab. Statt 1 nimmt man Mu für Mutter. Eine Ausnahme stellt der Proband dar, der immer der erste Einser ist. Sein Geschlecht ist aber bei Kekule unbekannt. Daher Verwenden wir X, mit m und w als Geschlechtskürzel, also Xw für einen weiblichen, Xm für einen männlichen Probanden. Der Vorfahr 28 eines Mannes wird dadurch zu XmMuMuVaVa. Dreht man nun die Schreibweise um, erhalten wir VaVaMuMuXm. Ohne große Mühe kann die genaue Herkunft herausgelesen werden: 28 ist also der Vater des Vaters der Mutter der Mutter des männlichen Probanden. Eindeutige Beschreibung Die Lesbarkeit haben wir etwas verbessert - aber rechtfertigt das allein ein neues System? Nein. Der große Vorteil liegt in der Erweiterbarkeit. Während Keküle durch den binomischen Aufbau nur die direkten Blutslinien in Richtung der Ahnen beschreiben kann, bleiben andere Verwandtschaftsverhältnisse unberücksichtigt. Durch die Einführung von Nachfahren und Geschwistern wäre es möglich, alle Verwandschaftsverhältnisse abzubilden. Auch hier es wichtig, das Geschlecht der Personen anzugeben. Zu Va und Mu kommen nun Bruder (Br) und Schwester (Sw), sowie Sohn (So) und Tochter (To) hinzu. Das Verhältnis von Ehegatten wird mit Mann (Ma) und Frau (Fr) beschrieben.

Ein Onkel kann nun BrVaX (Der Bruder des Vaters) oder BrMuX (Bruder der Mutter) sein, ein Bruder eines Elternteils also. Eine Enkelin kann ToSoX (Tochter des Sohs) oder ToToX (Tochter der Tochter) sein, die Tochter eines Kindes des Probanden. Ein Halbbruder wäre, im Gegensatz zum Bruder Br, der SoVaX (Sohn des Vaters). Die Schwiegermutter wäre MuMaXw (Mutter das Mannes der Probandin) oder MuFrXm (Mutter des Frau des Probanden, je nach Geschlecht des Probanden. Zusätzlich wäre es möglich, eine Reihung der Kinder nach Geburtsdatum vorzunehmen: Der dritte Sohn des Probanden wäre So3X, eine Tante könnte (schwierig!)

Ein Cousine zweiten Grades könnte die ToSoBrVaMuX (Die Tochter des Sohnes des Bruders des Vaters der Mutter) sein.

Hier sieht man, daß man sich die exakte Beschreibung durch eine recht lange Kette von Beziehungen erkauft.

Mit Verlust von Exaktheit erlaubt es das System nun zu „kürzen“. Dies wird man wohl hauptsächlich bei der Präsentation der Daten, etwa in einem Ausdruck tun. Die exakten daten bleiben dann erhalten, werden aber zur besseren Übersichtlichkeit vereinfacht.

Ein Cousin etwa, mit Cs abgekürzt, wäre der Sohn des Bruders (der Schwester) der Mutter (des Vaters). Sei es mit der Hand, sei es mit dem Computer, kann man etwa die also die Texte “SoBrVa”, “SoBrMu”, “SoSrVa” und “SoSrMu” durch Ce ersetzen. Aus ToSoBrVaMuX würde daurch ToCsMuX (Tochter des Cousins der Mutter). Lange Ketten von Vorfahren könnten durch Einführung von Generationszahlen abgekürzt werden: Ein Urgroßvater (etwa VaMuVaX) wird so zum Va(3)X.

Wechsel des Probanden Ein weiterer Vorteil ergibt sich bei der Änderung des Probanden. Nehmen wir an, ich will meine Großmutter (MuVaXm) aus Sicht meiner Cousine (ToBrMuXm) betrachten. Es handelt sich also um die Mutter des Mannes der Schwester des Vaters meiner Cousine. Wie läßt sich das nun berechnen? Den Code kann man auch als „Weg“ vom Probanden zur Zielperson sehen. Die „Wege“ von mir (als Probanden) zu meiner Cousine und zu meiner Großmutter sind ja bekannt - es sind deren Codes. Um von meiner Cousine zu meiner Großmutter zu kommen, muß man also einfach von meiner Cousine zu mir, und von mir zu meier Großmutter gehen. Um das Verhältnis meiner Cousine zu mir zu beschreiben, drehen wir einfach den Weg um; aus ToBrMuXm wird nun schrittweise: Dazu sehen wir uns die codierten Verwandtschaftsverhältnisse in Zweiergruppen genauer an. Beginnen wir rechts mit MuXm, die Mutter eines männlichen Probanden. Dieser ist der Sohn der Mutter, wird also jetzt mit So codiert. Wir gehen den gesamten Code nach links durch bis wir den neuen Probanden erreichen. 1. MuXm (Mutter eines Mannes) -> So (Xm ist der Sohn der Mutter) 2. BrMu (Bruder der Mutter) -> Sr (Mu ist die Schwester des Bruders) 3. ToBr (Tochter des Bruders) -> Va (Br ist der Vater der Tochter) 4. To (Tochter) -> Xw (neuer weiblicher Proband, meine Cousine) also SoSrVaXw (Sohn der Schwester des Vaters) Nun stellen wir meine Großmutter (MuVa,) davor: MuVa SoSrVaXw Vereinfachung komplizierter Verwandtschaftsverhältnisse Der VaSoSr (Vater des Sohns der Schwester) ist aber nichts anderes als der Mann der Schwester (MaSr), wir können ohne Genauigkeitsverlust kürzen und erhalten also MuMaSrVaXw. Einen Genauigkeitsverlust würden wir erleiden, wenn wir den MaSrVa mit On (Onkel) abkürzen und MuOnXw (Mutter des Onkels) erhalten; dies würde aber etwa der Genauigkeit entsprechen, in der meine Cousine ihr Verwandschaftsverhältnis beschriebe.

Offenes Problem: Sprache: Landessprache? latein? Englisch?? Sonja: To(1)Br(2)Mu(1)Xm Grete: Sr(2)Xm(1) Christa To[1] (1) Va(1)Xm[2](1) Sabine To[2](1)MuTo[1](1)VaXm[2](1)

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