Benno Sabath - Aus meinem Leben


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3. Teil

Die letzten Nachrichten

30.12.1940

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Von der lieben Mali hat Marianne keine guten Nachrichten, sie ist sehr schwach und hat noch dazu jetzt einen schmerzhaften Ausschlag bekommen. Die arme Risa plagt sich sehr und soll elend aussehen, Marianne hat große Sorge, ein Glück, daß ihnen die Mieterin kocht und sie es halbwegs warm haben.

Heute haben wir von Ilka einen Brief bekommen, es geht ihr gut, sie ist zufrieden, hat einige Schülerinnen und brave Mieterinnen.

Von Ernst hatten wir Anfang Dezember eine Karte, es geht ihnen gut, der Junge gedeiht prächtig und macht ihnen viel Freude. Das Wetter dort ist jetzt herrlich, alles in vollster Blüte, wahrscheinlich bekommen wir bald wieder Nachricht.

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Deine Mutti

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Prag, 12. 2.1941

Als ich heute von der Kultusgemeinde nach Hause kam, fand ich Deinen Brief vom 8.2. vor. Ich war ganz entsetzt, als ich erfuhr, daß Du Ernst ersuchtest, dringendst das Visum für uns zu beschaffen.

Abgesehen davon, daß Ernst und Familie hiedurch in die größte Unruhe versetzt werden, ferner ihm solche Kosten erwachsen, die er in seiner jetzigen Lebenslage noch nicht zu tragen vermag, ist die ganze Aktion überflüssig, da wir in unserem hohen Alter nicht nach P(olen) gesendet werden und hier voraussichtlich unbehelligt bleiben, wir unser Auskommen hier haben und es zweifelhaft ist, ob wir die weite Reise überdauern könnten, und wenn schon, dort Ernst ganz zur Last fallen müßten, da wir unseren Lebensunterhalt nicht selbst verdienen könnten.

Liebe Annie, Da hast übereilt und unüberlegt gehandelt und hättest mindestens vorher telefonisch bei mir anfragen sollen. Jetzt mußt Du alles wieder auf telegrafischem Wege rückgängig machen mit der Motivierung, daß es gar nicht notwendig ist und ich kein Visum benötige. Übrigens spreche ich heute nach 20 Uhr telefonisch mit Dir, damit Du so rasch als möglich widerrufen kannst. Schade um die Aufregung und die Kosten. Ich empfehle Dir, liebe Annie, mehr Ruhe, Geduld und Überlegung. Hans hat sich ja persönlich von unserem Wohlbefinden überzeugt.

Nochmals herzliche Grüße und Küsse,

Benno

Meine Lieben, ich bin vollkommen mit Papa einverstanden, übrigens werden wir ja abends alles miteinander besprechen. Es küßt Dich innigst

Deine alte Mutti.

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(Sommer 1941)

Liebes Annerl, es tut mir schrecklich leid, daß Du Dich so abrackern mußt, aber von hier geht auch kein Mädel ins Reich, selbst hier will jede nur als Bedienerin gehen, damit sie um 5 Uhr frei ist, wir haben überall nachgefragt; leider sind die Mädels nicht so, wie sie früher einmal waren.

Von Ernst haben wir vorige Woche einen Brief von 18.Juli erhalten, mit einem reizenden aber sehr kleinen Foto, Pepe ist ein süßes dickes Pauxerl, sollen wir Euch das Bildchen senden? Sonst nichts von Belang, alles gesund und wohlauf, dort, wie hier. Daß Ernst keine so schönen Aufnahmen zu Stande bringt, wie Du es immer gemacht hast - von 8 Aufnahmen, schreibt Lisl, ist das die beste.

Euch und die lieben Kinder umarmt und küßt innigst Deine treue

Mutti

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TELEGRAMM AUS MEXIKO; VIA HAPAG BRESLAU; AN BRAUNEIS WIEN 13.Nov.1941

MEXICOPERMIT UND KUBADURCHREISE GESICHERT = SABATH

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TELEGRAMM VON SONDEREGGER (SCHWEIZ) AN BRAUNEIS WIEN vom 3.Feber 1942

TRUDY KABELT ELTERN SOLLEN COOKS LISSABON REISEN INDEM ÃœBERFAHRT GEBUCHT = SONDEREGGER

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Prag, 8.März 1942

Meine Lieben!

Dein Brief, liebe Annie, vom 5.d.M. hat uns traurig gestimmt, da Du Dir große Sorgen um unsere Zukunft - gibt es für uns alte Leute überhaupt noch eine Zukunft? - machst.

Wenn ich geahnt hätte, daß Du Dich so aufregst, hätte ich den Zeitungsausschnitt gar nicht eingesendet. Aber Du mußt doch wissen, daß die Transporte schon seit vielen Monaten im Zuge sind, und da müssen wir doch auch endlich drankommen. Es dürfte bis dahin noch eine geraume Zeit vorübergehen, ich denke zum mindesten bis zum Sommer und bis dahin - ! Der Mensch muß, so lange er lebt, Hoffnung haben, ohne diese wäre er verloren. Überdies soll es in Theresienstadt gar nicht so arg sein. Wir haben gehört, daß nach Prag gelangten Nachrichten - allerdings nur solchen mit 30 Worten - es den Leuten dort besser geht, als der Ruf ihnen vorausgegangen ist. So werden auch wir, wenn das Schicksal uns ruft, folgen und nicht zugrunde gehen. Ich bitte also, keine unmotivierten Befürchtungen zu hegen und der Zeit zu vertrauen. Wie wir hörten, soll dort ein Altersheim gegründet werden oder es besteht schon und so wären wir geborgen. Wenn Du uns für die Reise zwei Rucksäcke besorgen kannst, wird uns geholfen sein, das andere werden wir uns hier schon beschaffen.

Vorläufig leben wir noch zufrieden in unserem Heim und hoffen, daß es auch weiter so bleibt. Wir haben das frohe Bewußtsein, daß es unseren Kindern gut geht, wenn wir auch nicht mit allen korrespondieren können; wir wären schon glücklich, wenn alle in der Ferne Weilenden wüßten, daß es uns gut geht, damit sie keine Sorgen unseretwegen haben möchten.

Von Frau Grete Neumann wissen wir leider nichts, Telefon hat sie keines und ihre Adresse ist uns in Verlust geraten. Übrigens, wenn sie noch hier wäre, hätte sie uns besucht oder irgendein Lebenszeichen von sich gegeben.

Der 10.März ist für uns ein Freudentag. Wir senden Euch unsere herzlichsten Glückwünsche, es möge Euch auch für alle Zukunft das Glück hold sein und Ihr möget an Eueren Kindern viel Freude erleben.

Lasset Euch nicht von Sorgen, besonders um uns, bedrücken, sondern lebet hoffnungsvoll, wie es auch tut Euer Euch herzlichst grüßender und küssender

Benno

Meine Innigstgeliebten!

Mein heißester Wunsch ist, Ihr möget diesen Freudentag noch viele viele Jahre im Kreise Eurer Kinder feiern, gesund und glücklich.

Sonst habe ich Dir, liebes Annerl, nichts mitzuteilen, meinen Kartenbrief und das Paket wirst Du wohl schon erhalten haben. Bestelle Grüße von uns an Lotte, haben schon lange nichts von ihr gehört; kommt sie manchmal zu Euch? Auch Hedwig grüßen wir herzlichst. Der arme Karl hat dran glauben müssen, was wohl der Fröhler ihre Söhne machen, siehst Du nie jemanden aus dem Haus? Würde man es glauben, daß es schon 8 Monate sind, daß Anninka von uns gegangen, ich muß fortwährend an sie denken, niemand ist sonst da, der um sie trauert.

Also, lebet wohl und seid herzlichst geküßt von Euerer treuen

Mutti

Heute Sonntag nachmittag war Marianne hier, sie hat das Paket noch nicht abgeschickt, es liegt noch bei ihr, da sie viel Laufereien hatte und nicht dazukam. Es geht erst Montag ab und wird erst Ende der Woche ankommen. Sie erzählte uns, daß Hajeks übersiedeln mußten, Hilda mit dem Krankenwagen, da sie sehr krank ist, sie wohnen jetzt in der Rembrandtstraße, Nro. weiß ich nicht. Erkundige Dich bei Ella, besuche sie und richte Grüße von uns aus.

Dann wollte ich Dich noch fragen, was ich mit dem schönen Teeservice (Marke Rosenthal) machen soll, Anna hat es mir zum Aufheben gegeben, soll ich es verkaufen oder willst Du es? Aber wie schicken? Vielleicht durch Marianne.

Heute ist wieder frischer Schnee gefallen, der Winter will gar kein Ende nehmen.

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CONSULADO DE LOS ESTADOS

UNIDOS MEXICANOS BERNA

Monsieur

Benjamin Sabath, Berne, le 7 mars 1942

Monsieur, j'ai l'honneur de vous informer que la Légation du Mexique à Portugal a bien voulu m'envoyer 2 formulaires de demande d'immigration pour entrer au Mexique. La Légation aimerait bien que vous remplissiez ces 2 formulaires et que vous les retourniez à ce Consulat pour leur réexpédition à Lisbonne.

Ci-dessous je me permets de vous transcrire le texte de l'autorisation que, par télégramme, a recu la Legation mexicaine au Portugal de la part de mon Gouvernement.

„GOBERNACION AUTORIZA ANTERNACION BENJAMIN SABATH ESPOSA ADELA WILLHEIM CHECOESLOVACOS CALIDAD IMMIGRANTES UND ANO REFRENDABLE COMPROBANDOLE SER PADRES ERNESTO SABATH MEXICANO NATURALIZACION SOSTENDRALOS ADVERTIDOS NO DEDICARANSE ACTIVIDADES LUCRO PUERTO ENTRADA OTORGARAN SENDAS GARANTIAS REPATRIACION SETESIENTOS CINCUENTA PESOS“.

Veuillez agréer, Monsieur, l'assurance de ma consideration distinguée. Le Consul

Antwort (Konzept)

Prag, 19.3.1942

An das verehrliche Konsulat
der Vereinigten Staaten von Mexico
Bern

Ich bestätige dankend den Erhalt Ihrer freundlichen Zuschrift vom 7. März und habe gerne zur Kenntnis genommen, daß bei Ihnen die Autorisation zur Ausstellung eines Einreisevisums nach Mexico vorliegt. Ferner bestätige ich den Erhalt der beiden mir eingesendeten Formulare.

Ich teile Ihnen höflichst mit, daß augenblicklich eine Auswanderung von hier aus nach Mexico leider nicht möglich ist, so daß ich vorläufig davon Abstand nehmen muß, in dieser Angelegenheit irgendwelche Schritte zu unternehmen. Ich behalte mir aber vor, auf die Sache eventuell später zurückzukommen und habe daher die beiden mir zugesandten Formulare vorläufig bei mir zurückbehalten.

Indem ich Ihnen für Ihre Bemühungen bestens danke und Sie bitte, die Angelegenheit frdl. weiter bei sich in Evidenz zu führen, zeichne ich mit vorzüglicher Hochachtung

B.Sabath

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Prag, 11. April 1942 (Benno)

Meine Lieben!

Heute gibt es nicht viel zum Schreiben, die Bestätigung des Erhaltes Deines Briefes, liebe Annie, vom 6.April, und Deines Briefes, mein braver Peter, ebenfalls vom 6.April. Bei uns hat sich seit unserer letzten Nachricht nichts geändert; damit ist aber nicht gesagt, daß keine Änderung eintreten wird; wir rechnen eher mit dem Gegenteil, doch soll es uns vorbereitet finden. Die Hauptsache ist und bleibt aber Gesundheit.

Hat Frau Grete Neumann (Ungar) schon geschrieben? Sie hat es mir versprochen.Nächste Woche folgt wieder ein Brief. Herzliche Grüße und Küsse

Benno

Heute nur recht herzliche Grüße und Küsse, ausführlicher Brief folgt bald. Hat die arme Paula schon etwas gefunden? Grüße sie von mir, ich kann mich nicht entschließen, ihr zu schreiben. Peterls Brief hat mich sehr gefreut. In Liebe

Deine alte Mutti

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Prag, 10.Mai 1942

Meine Lieben!

Deinen Brief, liebe Annie, vom 3.d.M. haben wir erhalten und gestern traf das Paket in vollkommen tadellosem Zustand ein. Das neue Pyjama paßt mir sehr gut, es ist nicht notwendig, es einzunähen, auch die Kappe paßt - ich bemerke hier, daß es Juden verboten ist, Kappen zu kaufen.

Nun sind auch unsere Freunde, Knapp's und Klein's sowie Nichte und Neffe Klein gestern in den Messepalast eingerückt, vorgestern fanden wieder Einberufungen statt. Das Gerücht, daß eine 6- bis 8-wöchige Pause in den Transporten eintreten wird, hat sich leider nicht bewahrheitet, denn sie gehen weiter.

Wir selbst haben noch Gott sei Dank keine Unannehmlichkeiten erfahren und besitzen noch unsere Wohnung, aber voraussichtlich wird man uns auch nicht hier lassen, aber wir sind schon froh, wenn es nur möglichst spät erfolgt, da wir dann leichter durchhalten können. Wir fassen das Ganze als Notwendigkeit auf, gegen die es keinen Widerstand gibt, und so müßt auch Ihr es ansehen in dem Momente, wo es uns treffen wird. Ruzena (Popper) ist schon ein halbes Jahr in Polen und scheint diese Zeit gut überdauert zu haben, wie aus einer Karte hervorgeht, die wir von ihr erhalten haben. Warum sollten wir es nicht auch so lange aushalten? Wir fühlen uns beide stark genug dazu, vielleicht wird in viel kürzerer Zeit der Krieg zu Ende sein und dann . . . ? Jedenfalls hoffen wir nach wie vor, Euch wiederzusehen und aus dieser Hoffnung schöpfen wir stets neue Kraft.

Wir hörten, daß Marianne nicht mehr in Theresienstadt sondern in Polen ist. Alte Leute wie wir sollen nicht weiter als bis Th. Und dort in ein Altersheim kommen. Bitte, liebe Annie, sage Hans, daß der Herr ein Bankgeschäft hat; das andere habe ich bereits mitgeteilt.

Jetzt ist auch hier der Frühling eingerückt, die Bäume sind zum Teil belaubt, aber gegen andere Jahre weit zurück. Auch das Wetter ist noch unbeständig, die bevorstehenden Eismänner haben diesmal keinen Sinn, denn sie haben uns bisher Tag für Tag besucht.

Indem ich Dir, liebe Annie, für die Besorgung der Sachen herzlich danke, grüße und küsse ich Euch vielmals.

Benno

Mein liebes Annilein!

Besten Dank für die Besorgung der Sachen, nun werde ich diese Woche fleißig an der weiteren Ausrüstung unserer Sachen arbeiten, damit wir dann nicht allzusehr überrascht werden. Mit Löwy haben wir genug mitgemacht, so unfähige, unselbständige, ungeschickte Leute, besonders die Frau, sind mir noch nicht vorgekommen, haben auch nicht das allergeringste vorbereitet gehabt, es war schrecklich. Gebe Gott, daß sie es aushalten.

Gestern ist auch Familie Klein mit 18jähriger Tochter aus unserem Haus eingerückt, sehr liebe Leute, mit denen wir in letzter Zeit sehr viel verkehrten. Eine Tochter und ihr Mann Holzer sind in der Wohnung geblieben, doch fürchten sie, daß sie ihnen nicht bleiben wird. Herr Holzer hat vor einigen Tagen von seinen Eltern aus Shanghai einen Brief erhalten, datiert vom Februar. Warum nur Maria nicht schreibt, auch der Lotte nicht?

Nun sind auch die Ungarn, das junge Ehepaar Knapp, wo Marianne gewohnt hat, weg, ungemein gastfreie, liebenswürdige Menschen, sie war ganz gebrochen, alle fürchten Polen, wo der Hunger droht. Es spielen sich überall Tragödien ab. Gebe Gott, daß wir stark bleiben und nicht die Nerven verlieren. -

Mittwoch waren Trietsch hier, da sie kein Badezimmer haben und alle ihre Bekannten schon weg sind, werden sie jetzt bei uns baden. Sie bewohnen ein kleines Kabinett und wären froh, dort bleiben zu können. Ihre Tochter ist noch in Wien.

Marianne und Ilka tun mir schrecklich leid, man hört nichts Gutes aus Polen. In Lodz geht es besser, man kann wenigstens Geld schicken. So ist unser Bekanntenkreis zusammengeschmolzen, nur Frau Erber ist noch hier und besucht uns öfters. Sie läßt Dich bestens grüßen, wir haben sie sehr gern, denn sie ist eine kluge Frau und sehr gefällig.

Wie geht es der armen Mali? Leider hören die Päckchen jetzt auf, Risa muß schauen, so auszukommen. Auch von Paula hatte ich einen Brief, sie hofft, sich bald einzugewöhnen und jammerte etwas weniger, wenn sie nur nicht wegkommt, was Gott verhüten möge.

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Nachricht aus Mexiko, via ROTES KREUZ an Brauneis.

Vom 11.März 1942, eingetroffen am 14.Juni 1942

Mexicovisa parents since December at Mexconsul Lisbon, passagefare paid at Cook Lisbon, we are without news since November, cables unanswered, we and Trude well. Ernst.

Vorgesehene Antwort von Annie:

No permission for parents go to Mexico. They are still well in Prague, but quite alone. Anna dead, Mariann away. We all well, hope you too.

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Prag, 11. Juni 1942

Meine Lieben!

Deinen Brief, liebe Annie, aus dem Bad vom 7.6. haben wir erhalten, dessen Inhalt uns sehr erschüttert hat. Auch hier ist es nicht viel anders, die Transporte gehen weiter und sollen in diesem Monat noch zwei weitere erfolgen.

Erfreulich ist, daß wir heute durch das deutsche Rote Kreuz eine Nachricht erhalten haben und zwar von Ernst, nachstehenden Inhaltes: „Mexicovise since December at Mexoconsul Lisbon, passage-fare paid at Cook Lisbon. We and Trude are well, we wait for you anxiously. Many kisses.“ Die Nachricht ist am 11.3. aufgegeben, hat also genau drei Monate gebraucht, bis sie uns erreicht hat. In der Antwort werden wir auch Euer Wohlbefinden vermelden.

Heute ist ein Paket an Euch abgegangen. Den ? bitte nur im Notfalle anzugreifen.

Zu berichten haben wir sonst nichts als daß wir gesund sind und bisher keine Veränderung erfahren haben. Nachdem Du Dich, liebe Annie, nicht äußerst, müssen wir annehmen, daß aus Deinem Besuche in P. nichts geworden ist, und bis auf weiteres verschoben wurde.

Nun werden die Kinder auch bald Ferien haben, was ihnen von ganzem Herzen zu vergönnen ist. Gewiß freuen sie sich auf den bevorstehenden Urlaub und die Badesaison.

Wir sehen sehr gerne Deinen, liebe Annie, uns in baldige Aussicht gestellten Nachrichten entgegen; mit vielen Grüßen und Küssen an Euch alle

Benno

Meine Teuersten!

Ich bin so niedergeschlagen über Deine traurigen Berichte und über das Schicksal der unglücklichen Mali und der armen Risa, daß ich keine Worte und auch keine Tränen finde. Gott hat uns in unserem bodenlosen Jammer ganz verlassen. Marianne hat einem ihrer Freunde Nachricht zukommen lassen, sie ist in Isbitza, sie ist gesund und es geht ihr gut. Wenn nur die arme Risa mit ihr zusammentreffen würde, das wäre ein großer Trost für Beide.

Sonst geht es hier auch nicht besser zu, bei jedem Läuten fährt man erschreckt zusammen und was man hört, ist schrecklich. Vielleicht wird Mali doch in ein Altersheim kommen, oh, jetzt wird der Armen Sigmund doppelt fehlen. Wie wirst Du Nachricht von ihr erhalten? Paula geht doch gewiß täglich zu ihr, sie ist schon verträglicher mit ihrer Umgebung, sie soll nur gesund bleiben.

Den Z. lasse in der Schachtel, er ist von L., vielleicht kann man ihn einmal zurückgeben, wir haben genug. Soll ich meinen von der Kik. holen oder dort lassen? Was glaubst Du?

Gestern war Grete Ungar bei uns, sie läßt Dich herzlichst grüßen, lebt so in Ungewißheit wie wir alle.

Der arme Ernstl und Trude ängstigen sich gewiß auch sehr um uns, aber was sollen wir tun, man ist ja so hilflos. - Die Rückantwort bekommen sie ja erst in 3 Monaten, was kann da alles geschehen.

Ich freue mich, daß es Euch und den lieben Kindern gut geht und alle gesund sind. Bis jetzt waren noch nicht viele heiße Tage, jetzt regnet es wieder. Kannst Du alles unterbringen, vielleicht gibst Du es in einen Koffer.

Ich umarme und küsse Euch alle viel tausendmal,

Deine treue Mutti.

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Prag, 18.Juni 1942)

Meine vielgeliebten Kinder und Kindeskinder!

Ich bitte Euch, es mir zu verzeihen, wenn ich Euch cumulativ und nicht jedem Einzelnen separat meinen herzlichsten Dank sage für die Glückwünsche, die Ihr mir zu meinem 80.Geburtstage gespendet habt. Wenn ich heute einen speziellen Wunsch habe, so ist es der, daß Eure Wünsche zu unser aller Glück und Segen in Erfüllung gehen mögen. Was an mir liegt, werde ich zu erfüllen trachten, nur dürfen mir die Bösegesinnten nicht dazwischen kommen. Wir beide Alten sind zwar jetzt allein und von den Kindern getrennt aber nicht verlassen, denn Ihr alle und die in den übrigen Weltteilen zerstreuten leben ebenso in unseren Herzen, wie wir in ihren.

Ich habe mir vorgenommen, die Feier auf unbestimmte Zeit zu vertagen, bis die Verhältnisse sich geändert haben, aber dann soll es hoch zugehen.

Vorläufig ist es erfreulich, daß wir gesund und unverändert in unserem Heim leben und daß die Transporte bis etwa Mitte bis Ende Juli eingestellt sein sollen. Wenn dies zutrifft, haben wir wieder eine Spanne Zeit zum Verschnaufen.

Ich möchte gerne erfahren, ob es Euch nicht unangenehm ist, daß zu viele Pakete an Euch kommen und ob solche an eine andere Adresse gesendet werden sollen, vielleicht an Hofer, von wo Du sie dann holen kannst. Bitte um Antwort.

Soeben traf das Päckchen mit den auserlesenen Sachen wohlbehalten ein und danke ich herzlich für alles; besonders das Kraut tat nach langer Abwesenheit wohl und werde ich mich bei Lotte speziell bedanken. Auch Frau R. schrieb uns einen herzlichen Brief und gab noch ihrer Freude über Deinen Besuch, liebe Annie, Ausdruck.

Was Eure Frage, liebe Enkerln, über das Wetter anbelangt, so gilt für Prag das gleiche wie für Wien, speziell wirkt der Medardustag (8.Juni) empfindlich nach, da es an diesem Tag geregnet hat; auch größere Kälte hat er im Gefolge gehabt. Auch daß die alten Römer nur lateinisch gesprochen haben, ist gewiß zu bedauern, da es jetzt die Gymnasiasten büßen müssen. Ich bitte schließlich um Nachricht, ob der Brief vom 11.Juni bei Euch eingelangt ist.

Seid alle herzlichst gegrüßt und geküßt von Eurem nun ins hohe patriarchalische Alter gelangten

Benno

Meine Teuersten!

Beim Lesen Deines Briefes, mein liebes Annerl, habe ich mich wieder gut ausgeweint, gebe der Allmächtige, daß endlich unsere Gebete und Bitten erhört und erfüllt werden.

In Abwesenheit unserer teueren Kinder nahmen wir uns Euere Bilder vor und gedachten lebhaft an die Feier des 70. Geburtstages, wer hätte das damals gedacht und wie wird es weiter sein? -

Leider erhält der liebe Ernst die Antwort erst in drei Monaten, wie werden sie und Trudl und Richard besorgt sein, wir wären gleich bereit gewesen zu fahren.

Am Dienstag wollen wir zwei Pakete absenden, schreibe daher gleich wegen der Adresse. Ob ich das von der Ki. zu den T. geben soll, hast Du nicht beantwortet.

Heute war Frau Erben dem lieben Benno gratulieren und brachte einen Labetrunk mit, sie ist sehr lieb und aufmerksam.

Es freut mich, daß sich Helen um die Mali kümmert, hoffen wir, daß es der armen Risa nicht gar so schlecht geht, ein Glück wäre es, wenn sie mit Marianne zusammentreffen würde.

Demnächst sollen Kleider und Wäsche abzugeben sein, jeder Tag bringt was Neues, Unangenehmes.

Wie geht es der Paula, wer führt ihre finanziellen Sachen, hat sie genug zum Leben? Wie geht es Hilde und M., sind sie noch im Spital?

Für alles Gute danke ich auch herzlich, wir werden es uns gut schmecken lassen, viel Freude hatten wir auch mit den Briefen von Liserl und Peterlein

In Liebe umarmt und küßt Euch alle innigst Euere

Mutti

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Prag, 22.Juni 1942

Meine teuere Annie!

Dein Brief vom 20. ist heute vormittag hier eingelangt und habe gleich am Nachmittag die Werkstätte besucht, wo die Reparatur erfolgt. Freitag den 26. Soll diese beendet sein und werden Mutter und ich die Arbeit besichtigen und gleich das Einpacken für den Versand vornehmen lassen. Schreibe gefälligst sofort, ob die Stücke gleich abzusenden sind oder bis zur Rückkehr des lieben Hans hier bleiben sollen, dies aus dem Grunde, wenn Du nicht alle mit der Versendung zusammenhängenden Verrichtungen durchführen könntest (Versicherung der Sendung, Bezahlung der Frachtspesen etc.) Den Betrag, den ich für die Reparatur Euch schon früher angegeben habe, braucht Ihr nicht hierher zu senden, sondern dem Euch bekannten Herrn H. in der Schottengasse zu übergeben. Ich werde sofort nach Deiner Mitteilung und nach der Besichtigung Dir wieder Näheres berichten und die sonstigen dem Gewährsmann aufgelaufenen Spesen bekanntgeben.

Sonst ist bei uns nichts Neues, nur sind wir um das Schicksal der Wiener Verwandten sehr besorgt. Sei mit den lieben Kindern herzlichst gegrüßt und geküßt von

Benno

Meine liebe Annie! Es wird mich freuen, näheres über den Tanzabend zu erfahren, Liserl hat gewiß reizend ausgesehen. Die Kinder haben doch ein bißchen Vergnügen. Mali und Paula tun mir schrecklich leid, die Armen werden verzweifeln, jetzt haben sie nicht einmal mehr Dich, wie erfährst Du von ihnen? Es küßt Dich in Liebe Deine alte

Mutti

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Prag, 27.Juni 1942

Meine liebe Annie!

Dein Brief vom 24.6. kam gestern vormittag an. Nachmittag waren Mutter und ich bei Herrn Aul, die Arbeit zu besichtigen. Deinem Wunsch, die Absendung zu verschieben, bis Hans zu Hause ist, konnte nicht entsprochen werden, da zwischen Aul und der Intercont. schon früher vereinbart war, die Ware abzugeben, daß sie am Montag, den 29.6. Prag verläßt und Dienstag oder Mittwoch in Wien eintrifft.

Beiliegend übersende ich die Bestätigung der Prager Continental über die Übernahme von drei Ballen im Gewichte von 88 kg.

Die Versicherung auf 100.000 K wurde hier durchgeführt, so daß Du, mein liebes Kind, nichts weiter zu tun hast, als die Versicherung, die Fracht und die Zufuhr in Deine Wohnung zu bezahlen. Ich lege weiter bei die Empfangsbestätigung von Herrn Aul über 4530 K, die auf der Rückseite spezialisiert sind.

Vorläufig habe ich dazu nichts weiter zu erwähnen als daß ich hoffe, daß die Sendung gut in Wien ankommt. Die Reparatur ist, so weit es Mutter und ich beurteilen können, gut durchgeführt, und wäre nach unserer Meinung auch in Wien nicht besser gelungen. Ich bitte Dich noch, uns nach Ankunft der Ware in Wien sofort zu benachrichtigen.

Was den weiteren Inhalt Deines Schreibens anbelangt, so ist er leider sehr traurig und hat uns, besonders die Mutter, angegriffen. Auch tut es uns sehr leid, daß Lisl nicht mehr die Schule in der Wenzgasse besuchen kann; dort hat sie sich schon wie zu Hause gefühlt. So ist heute kein Mensch frei in seinen Entschlüssen und jeder bekommt seinen Teil zugemessen.

Peterlein hat doch noch bessere Aussichten, da er noch nicht so weit ist und jetzt, wenn er das Latein nicht mag, leichter umsatteln kann. Ich habe die feste Überzeugung, er muß ja nicht Doktor dieser oder jener Fakultät werden. Ich hoffe, Ihr werdet die Sache nach Euerem Gutdünken regulieren können und so wird es auch recht sein.

Bleibet recht gesund, gegrüßt und geküßt von

Benno

Meine liebe Annie!

Die Nachricht über Paulas unglückliches Schicksal hat mich aufs tiefste erschüttert und muß ich bei dem Gedanken nur bitterlich weinen. Ich glaube, wenn es uns treffen wird, werde ich gefaßter sein, denn wir sind, Gottlob, zwei und können uns gegenseitig stützen.

Konnte sich die Arme etwas mitnehmen oder war sie ganz unvorbereitet? Gott möge sie behüten und ihr die Kraft geben auszuhalten. Gerade vor zwei Tagen habe ich ihr einen langen Brief geschrieben.

Warst Du schon bei der lieben Mali, schreibe ausführlich über sie.

Alles andere nächstens, bleibet gesund, meine Teuersten, und lebet für heute wohl. Es umarmt und küßt Euch herzinniglich Deine treue alte

Mutti

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Prag, 30.6.1942

Meine Teuersten!

Soeben war Herr Holzer von oben bei uns und teilte uns mit, daß jetzt jeden Montag und Donnerstag wieder Transporte gehen und zwar lauter ältere und ganz alte Leute, wir sollen uns vorbereiten und packen, damit wir nicht überrascht werden und die Nerven verlieren.

Alle alten Leute bleiben in Theresienstadt in Reichs-Altersheimen und sollen es nicht gar zu schlecht haben, auch alle aus Deutschland und Frankreich kommen hin. Also jetzt heißt es den Kopf nicht verlieren und sich alles schön zurecht legen und sich keinen Illusionen hingeben, denn alle müssen weg. Wir sind ja so ziemlich gefaßt (wenngleich mir die Tränen nur so fließen), sei es auch, mein liebes, gutes Kind, wir wollen hoffen, daß es in diesem Leben doch noch ein Wiedersehen geben wird.

Heute senden wir ein Paket ab, alle meine besseren Sachen und alle Ledertaschen, da man keine mitnehmen darf. Schau alles nach, im kleinen Schachterl besonders, echt von Anna. Dann geht noch diese Woche eine Hutschachtel mit Hüten und auch einigen von der L. und verschiedenes noch kunterbunt durcheinander weg. Du wirst es ja schon ordnen, ich weiß selbst ncht mehr, was ich geschickt habe.

Die Verordnungen werden immer strenger, man darf nur 40 kg Gepäck, Koffer, Rucksack und 10 kg Handgepäck mitnehmen, mit Bettzeug, Decken, Polster etc. Auch gibt es keinen Hilfsdienst mehr, Koffer werden abgeholt und das übrige muß man allein tragen, ob wir das ertragen werden, ist sehr die Frage. Jetzt mache ich Sackerln für die Lebensmittel, die wir mitnehmen wollen, leider fehlt es an Margarine, um mir noch verschiedenes zu backen, Keks, Lebkuchen.

Warst Du bei der lieben Mali, sage ihr, sie soll sich für alle Fälle alles vorbereiten, denn sie wird bestimmt nicht dableiben. Koffer und alles gepackt haben, was sie mitnehmen will.

Es ist ein Jammer ohne Ende, das Ärgste ist wohl, daß man keine Nachricht bekommt und auch keine geben kann. Glaubst Du, daß der liebe Hans wird herkommen können, wenn wir wegmüssen, es wäre uns natürlich ein großer Trost. Sei nicht traurig, mein liebes, goldenes Annerl, noch ist es ja nicht so weit, ich werde Dir Donnerstag wieder schreiben. Bis dahin grüßt und küßt Euch alle viel tausendmal

Deine alte Mutti

Meine Lieben!

Die liebe Mutter hat Euch durch ihre Worte so viel Sorgen bereitet, daß ich mich verpflichtet fühle, durch eine kleine Richtigstellung Euch einigermaßen zu beruhigen. Daß alle Juden von hier fortmüssen, scheint ja ausgemachte Sache zu sein; es sind aber auch Ausnahmen vorgesehen, die das Verbleiben im Lande ermöglichen sollen, besonders gediente Offiziere. Wie weit sich das auf uns bezieht, kann ich nicht ermessen, aber ich werde jedenfalls im geeigneten Momente Einspruch erheben. Aber insoferne hat Mutter recht, daß wir uns auf alle Fälle vorbereiten müssen.

Ich nehme an, daß Ihr die Sendung der „Intercont.“ und unseren Brief vom 27.Juni erhalten habt. In der Rechnung des Absenders gehen K 780 auf mein Konto, während Deine Spesen, mein lieber Hans, K 600 betragen. Daher ist mein Guthaben bei Dir K 600, welche sich auf K 550 reduzieren, sobald Du Herrn H. in der Schottengasse K 50 = M 5 noch übergibst, wodurch die Zuwendung seines Schwagers ausgeglichen sein wird.

Also nochmals, seid nicht allzu besorgt; es grüßt und küßt Euch herzlich

Benno

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8.Juli 1942

Mein liebes, liebes Annerl!

Deine beiden Briefe, die wir schon sehnlichst erwarteten, kamen Montag früh und etwas später das süße Paket, für welches wir allerherzlichst danken.

Es ist alles herrlich schön und gut, vorläufig wird es noch aufgehoben, nur ein bißchen gekostet, da wir beide große Nascher geworden sind, den Lebkuchen, der ausgezeichnet und fabelhaft billig ist, werde ich morgen machen.

Von ganzem Herzen würde ich wünschen, daß Deine Ahnungen, mein gutes Kind, in Erfüllung gehen möchten, es wäre ja ein unerhörtes Glück, aber leider, leider hörten wir, daß bis Ende August Prag judenrein sein soll oder muß. -

Wir werden uns also keinen Illusionen hingeben und mit Fassung ertragen, was auch kommen mag. Wir sind ja Gottseidank gesund, was uns auch der Arzt, den wir vorige Woche aufsuchten, bestätigte. Es sind neuralgische Schmerzen, die ich den ganzen Winter im Rücken und rechten Bein bis zum Knie hatte, und auch Papa bekam es plötzlich im Rücken, ließ es aber nicht anstehen so wie ich, sondern ging gleich zum Arzt, welcher uns ausgezeichnete Pillen verschrieb, nach jeder Mahlzeit zu nehmen. Der Erfolg war überraschend, denn es geht uns beiden schon fast ganz gut, doch nehmen wir sie noch weiter. Er hat mich gründlichst untersucht und äußerst gesund gefunden (unberufen!), mein Alter wollte er gar nicht glauben. So hoffe ich zu Gott, daß wir auch diese schreckliche Zeit aushalten werden und mit Euch allen, meine Teuersten, noch glückliche Tage oder Jahre verleben werden.!

Die arme Mali tut mir unendlich leid und noch mehr die arme Risa, wie wird sie es in Polen aushalten, wenn sie nur Marianne treffen würde. Weiß Mali es nicht?

Paula ist gewiß in Theresienstadt im Altersheim geblieben, wo es nicht gar so schlecht sein soll. Grete Ungar war bei uns, ihre Mutter ist schon seit einigen Wochen aus der Seegasse in Theresienstadt. Sie hat ihr sehr ruhig und gefaßt geschrieben.

Auch unsere letzten Freunde Trietsch hat es vorige Woche getroffen, am Mittwoch, wo wir sie erwarteten, bekamen sie die Verständigung und am Montag mußten sie antreten. Dr.Trietsch war sehr deprimiert und niedergedrückt, wir haben sie Freitag besucht und ihnen verschiedenes mitgebracht, so kommt einer nach dem anderen dran.

Habe heute eine Lederhutschachtel abgeschickt, die drei alten Hüte gehören L. und die besseren mir, und noch verschiedener Kram, der nicht enden will, Du wirst schon bös sein und nicht wissen, wohin damit, was?

Die gehäkelten Bluserln von Anna kann vielleicht Liserl tragen, die blauen Leinenschuhe gib der Helen. Die schwarze Bluse ist für Mali, alles andere hebe auf. Lasse uns nicht lange auf Antwort warten. Ich freue mich, daß der liebe Hans glücklich wieder zu Hause ist und umarme und küsse Euch, meine Teuersten, tausendmal. In Liebe

Deine alte Mutti

Meine Lieben!

Sehr erfreut bin ich von Deinen beiden Briefen, liebe Annie, daß Du so gefaßt bist. Kopf hängen lassen nützt nichts. Das Warten auf die Abreise ist fast noch mehr nervenerregend als die Tatsache selbst. Wir beide werden hcherhobenen Hauptes auf die Wanderschaft gehen. Zwischen Einberufung und Eintritt in den Messepalast vergehen in der Regel hier 4 - 6 Tage, so daß man sich den letzten Vorbereitungen mit Leichtigkeit widmen kann. Es heißt, es wird jetzt wieder eine Ruhepause von mehreren Wochen sein, so daß wir erst im August antreten dürften.

Wir freuen uns, daß die Sachen gut eingelangt sind, mir ist ein Stein vom Herzen gefallen. Auch Frau Dr.Sch. ist sehr zufrieden und läßt bestens grüßen.

Wenn Du, lieber Hans, nach Prag kommen solltest, bitte ich Dich, eine gut gehende aber unechte, also Stahl-, Nickel- oder Messinguhr mitzubringen. Du wirst einen guten Tausch machen. Solltest Du aber erst nach unserer Abreise einmal herkommen, unterlasse es nicht, Herrn H. zu besuchen. Er ist ein liebenswürdiger Mann in Deinen, also in den besten Jahren. Herzlichen Dank für das gute Kraut, das den Lebensabend versüßen kann.

Mutter souffliert mir gerade, der Würfel kam ihr sehr gelegen, sie kann ihn gut brauchen. Für alles meinen herzlichen Dank, es ist alles sehr gut und in der jetzigen Zeit eine Seltenheit.

Annerl, liebes Kind, schreibe uns, wo Du für die nächsten Semester Liserl untergebracht hast und ob Peterlein - wenn auch mit Ach und Krach - durchgerutscht ist.

Herzliche Grüße und Küsse und gute Ferien wünscht

Benno

+ + +

Prag, 9.7.1942

Meine liebe Annie!

Erschrick nicht, wenn Du heute wieder ein Schreiben von mir erhältst, aber ich habe noch verschiedenes vergessen und da die Transporte jetzt unheimlich rasch gehen, diese Woche waren es drei (zum Glück haben wir nichts davon gewußt) so müssen auch wir und schon vollkommen vorbereiten.

Vor allem bitte ich Dich, mein Annerl, wenn Du überflüssiges Fett hast, uns Einbrenne zu machen (wurde mir von allen Seiten sehr dringend empfohlen) und gleich eine geröstete Zwiebel und ein bißchen Knofel und Salz hineinzugeben, dann ist eine Suppe sofort fertig. Gebe die feste Einbrenne in Papiertiegel, welche man ja in allen Größen bekommt. Habe heute den ganzen Tag noch Nudeln und Gerstl gemacht und backen kann ich erst den letzten Tag, man wird allmählig doch sehr nervös und zittrig. Bitte auch ein bißchen Tee senden.

Morgen wollen wir die Koffer packen, Säcke fürs Bettzeug habe ich schon genäht. Obzwar ich alles bessere schon weg habe, ist immer noch genug da, kann ich noch zwei schwarze Mäntel und diverses Dir schicken? Ich habe auch noch so viel gutes Küchengeschirr (Probleme etc.), um welches sehr schade wäre, soll ich etwas schicken? Service und alles zerbrechliche muß natürlich dableiben. Man trennt sich so schwer von allem, schreibe sofort nach Erhalt des Briefes und sende gleich das Päckchen ab. Kann Lisl Schuhe von mir tragen? Ich habe hier noch zu viele. Auch eine Mohnmühle bekommst Du.

Hast Du der lieben Mali gesagt, sie soll ihren Koffer und alles gepackt halten, in Theresienstadt werden wir uns ja wiedersehen, auch die liebe Paula.

Ich hoffe zu Gott, daß wir uns noch einige Male schreiben werden, ach Gott, zu sagen hätte man sich ja noch so unendlich viel, es wird einem doch sehr schwer ums Herz.

In unendlicher Liebe umarme ich Euch, meine Teueren, und bleibe

Deine alte Mutti.

Meine Lieben! Ich füge nur noch meine besten Grüße und Küsse an. Nächstens mehr.

Benno

+ + +

Prag, 12.7.1942

Meine Lieben!

Deinen Brief, liebe Annie, vom 9.7. haben wir gestern erhalten und konntest Du natürlich noch nicht im Besitze unserer beiden Briefe vom 7.7. und 9.7. sowie des Paketes vom 7.7. sein. Deine Post ist richtig bei uns eingelangt, auch das Paket. Neues gibt es von uns nicht zu berichten, morgen schreiben wir wieder, hoffentlich bleiben wir auch diesmal verschont.

Wir werden uns sehr freuen zu erfahren, ob Du oder Hans oder Ihr beide mit den Kindern auf Ferien gehen werdet; ich glaube, auch Du, liebes Kind, hast es notwendig. Seid unseretwegen ohne Sorgen, wir sind auf alles vorbereitet.

Seid alle herzlichst gegrüßt und geküßt von

Benno

Nächste Woche geht wieder ein Paket ab. Herzliche Grüße und Küsse von Mutti

+ + +

Karte an Else in Preßburg

Prag , 14.Juli 1942

Meine liebe Elsa!

Heute übernehme ich es, in Vertretung der lieben Adele Dir zu schreiben, da es wieder keine guten Nachrichten zu übermitteln gibt; erschrick nicht, denn wir werden am 16.7. Prag verlassen und vermutlich vorläufig keine weiteren Nachrichten geben können. Wir sind gesund und gefaßt und hoffen, daß auch Du beruhigt sein wirst. Soeben hat uns Hans mit seinem Besuch erfreut. Daß Du gute Nachricht von Deinen Kindern hast, freut uns sehr. Hoffentlich bleibt Ihr weiter recht gesund in Euerem Heim, und seid herzlich gegrüßt und geküßt von

Benno

Meine Teuersten, ich sende Euch meine herzlichsten Grüße und Küsse. Möge Gott uns beschützen und Euch und uns behüten. Ich umarme Euch alle in inniger Liebe, Eure alte Adele. Helene ist auch verreist.

+ + +

(Kein Datum, erhalten am 4.4.43)

GELIEBTE KINDER! TIEF BETRÜBT TEILE EUCH MIT, DASS UNSER GELIEBTER VATER AM 3. JÄNNER SANFT VERSCHIEDEN IST. ICH BEFINDE MICH ZIEMLICH WOHL, BRIEFE UND PÄCKCHEN KOMMEN GUT AN.

TAUSEND KÃœSSE VON TRAUERNDER MUTTER

+ + +

Karte von Eugen Zuckermann,

Theresienstadt, 28.III.43

Liebes Kind!

Teile Dir mit, dass es mir gut geht, ich gesund bin und dasselbe von Euch hoffe. Ich bin hier als Hausvater voll beschäftigt. Benjamin ist am 2.1., Adele am 6.3. gestorben. Ich habe die Totenscheine besorgt und wenn Ihr die Urnen haben wollt, so verständiget mich. Tante Paula befindet sich wohl, Tante Mali ist nicht hier.

Schreibet recht bald! Sei Du, wie Deine Lieben, recht herzlich gegrüsst und geküsst von Deinem treuen

Vater

+ + +

Damit dieser Bericht nicht gar so traurig endet, will ich noch hinzufügen, daß alle vier Kinder samt Ehepartnern diese Zeit überlebt haben. In den 60er- und 70er-Jahren haben sich alle Geschwister auch gegenseitig mehrmals besuchen können, die auswärtigen waren auf längeren Urlaubsreisen in Wien und in Österreich, meine Mutter war in Mexiko. Von den Enkelkindern (Trude und Richard waren kinderlos) leben mein Bruder und ich, und die beiden Kinder von Ernst, alle haben Familie und allen geht es so gut.

Auch Lilly, Ernis Schwester, und Tante Elsa, die jüngste Schwester der Großmutter, haben überlebt.

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Juni 2000


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