Grete Schröfl - Robert Schröfl: Korrespondenz


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Ternitz, 12.7.1925

Herzlieber Mann!

Angekommen sind wir soweit ganz gut, nur hat Fredy beinahe immer geweint bei der Fahrt. Beinahe hätten wir aber kein Bett gehabt. Erzähle Dir dann, wenn Du kommst.

Mit dem Ofen muß ich mich halbtot ärgern, weil’s nicht warm wird, trotzdem er nicht so schlecht brennt. Wenn es Dir halbwegs möglich ist, bringe mir Mutters Petroleumofen mit. Mutter kommt diese Woche wahrscheinlich nicht mehr nach Hause.

Wie geht’s Euch denn zu Hause? Ich fühle mich gar nicht wohl hier. Der Kleine schreit immer und mir ist das furchtbar peinlich. Das Wetter ist auch nicht gut. Freitag nachmittag hat’s geregnet, gestern war’s halbwegs schön.

13.7.

Wurde gestern unterbrochen, weil Richter-Onkel mit uns um Erdbeeren gehen wollte. Allerdings sind wir dann nicht dazugekommen, nur bis zum Fuße des Gfieders.

Also gestern war ein furchtbarer Sturm. Heute wär’s wieder etwas mehr windstill, dafür aber saukalt.

Gestern abends hatte ich Fredy vor’m Haus stehen, da kam Frau Stummer (seit 24 Jahren Hebamme hierorts) vorbei. Sie meint, der Bub hat viel zu wenig zu essen. Nun, ich mein’s ja auch, aber wenn ich ihm mehr gib, bricht er doch alles. ’s ist halt ein Kreuz!

Geld hab’ ich immens viel gebraucht. Werde mal versuchen, hier eine Rechnung aufzustellen, gleich auch zu meiner eigenen Orientierung:

Auto 3.80 S

Träger 2.-- S

Bahnfahrt 6.30 S

Gepäck 2.70 S

Schloß 1.50 S

Stroh 1.20 S

Zins 10.-- S

zusammen 27.50 S

Zum Leben brauchen wir wahrscheinlich auch viel mehr, da Erdäpfel
2 mal, Obst 2 mal, Gemüse 3-4 mal und alles andere ein wenig teurer ist. Mutter hab’ ich vorläufig bei mir zu Gaste; ich hoffe, Du hast nichts dagegen.

Wenn Du kommst, bitte bringe für Roberts Sandwagen ein Rad, ich hab’s ihm gebrochen beim Auspacken. Robert fühlt sich schon ganz zuhause hier (mit mir ist’s übrigens heute auch besser).

Hast Du Samstag nachts gearbeitet? Hoffentlich nur nicht zu viel, sonst wirst Du mir ganz mager.

Muß wieder aufhören. Fredy schreit.

Viel tausend Busserl

Gretel und Kinder.

Von Mutter auch viele Busserl an die Mädels. Den Ofen ohne Platte.

Wien, 14.7.25

Mein Liebes!

Aus Deinen lieben Zeilen entnehme ich, daß Du Dich eigentlich noch nicht heimisch fühlst. Nun, mein liebes Weiberl, das geht natürlich nicht so schnell, umsomehr als auch das Wetter recht grauslich ist und dabei saukalt, wie Du schreibst, und Fredy wahrscheinlich auch die Veränderungen spürt, was ja die Ursache des Schreiens sein wird. Hoffentlich gibt sich das alles, so daß Du wieder froh und lustig sein kannst.

Für Robert wird es ja draußen sehr gut sein, und ich glaube, zum Schluß für Euch alle. Weißt, höre nur nicht viel auf die diversen Ratschläge betreffs Fredy, sondern mach’ es nur nach Deinem eigenen Gutdünken, ich glaub’, das ist am besten. Übrigens kam heute von der Firma Karl Mayer eine Bestätigung über einen erteilten Auftrag zur Lieferung eines Werkes über Gesundheitspflege???

Den Ofen bringe ich mit. Brauchst Du nicht noch Gemüse u.dergl.? Nur, ob ich Deinen nächsten Brief noch rechtzeitig bekomme?

Bei uns zu Hause läuft alles. Hansi ist wie immer bei solchen Fällen recht fleißig und nett, sie wäscht noch das Geschirr weg, obwohl es schon 10 Uhr ist und hat auch Samstag die Küche ausgerieben. Trude ist tagsüber bei Schw. Either, wo sie auch das Essen bekommt. Selbe hat nämlich die Wohnung geputzt und dabei hilft Trude mit.

Gestern war untertags eine Schwester von der Kinderübernahmsstelle hier wegen Erkundigungen und hinterließ einen Zettel, daß Mittwoch jemand hinkommen soll. Nun war aber Trude heute selbst dort und wird wahrscheinlich fortkommen.

Samstag haben wir durchgearbeitet und bis Sonntag abends habe ich nur ca. eine Stunde geschlafen. Wollte Papa besuchen, doch war selber nicht daheim, wahrscheinlich in Nußdorf. Übermorgen, Donnerstag, kommt Olga zu mir. Werde mit ihr betreffs Wäsche reden. Mit unserer Arbeit werden wir nächste Woche bestimmt fertig, was dann, weiß ich noch nicht. Morgen kommt wahrscheinlich Ing. Feigl zu uns. Wallig kommt erst Montag, Brammer ist in Urlaub. Heute habe ich auch von Kitzler einen Brief aus Graz bekommen.

Wie freue ich mich schon auf Sonntag! Sende Dir morgen 200.000 K rsp.20 Sch, hoffentlich hast Du noch bis dahin. Schöne Grüße soll ich Dir und Großmama von Mila übermitteln, welche heute bei mir war. Fritzi kommt tagsüber ins Kloster, da sie es daheim nicht mehr aushalten. Auch schön, was?

Mein liebes Butzerl, viele Busserln, und auch an Robert und Fredy und Großmama. Auf Wiedersehen!

Ternitz, 16.7.1925

Mein Schatzerl!

Erhielt heute Euren lieben Brief. Freut mich sehr, daß es Euch allen so gut geht. Wir fühlen uns auch schon bedeutend wohler.

Robert hat sich mit Pauline sehr angefreundet. Er hat sie sehr gern und sie ihn auch. Wenn Du mir den Ofen bringst, bin ich schon sehr froh. Jetzt kocht uns Kathi-Tante das Mittagessen, was mir nicht besonders angenehm ist, man aber unter den gegebenen Umständen dankbarst annehmen muß. Abends essen wir etwas Kaltes oder trinken Milch. Windel- und Badewasser kochen wir auf unserem Ofen, die Milch meist auf Spiritus.

Fredy macht schon wieder ein Manöver, da verliere ich wieder den ganzen Faden. Hinausgehen kann man auch nicht, weil wir seit einer Stunde ein furchtbares Gewitter haben. Der Bub ist jetzt noch mehr verwöhnt, dadurch, daß man immer mit ihm fährt, will er herinnen gar keine Ruhe geben. Gestern und vorgestern hatten wir sehr schönes Wetter. Auch heute vormittag.

Gestern waren wir bei Seisers. - Robert fragt mich eben, ob ich Dir schreibe, daß er sehr brav ist. Na, im Großen und Ganzen tut’s es ja. Aber er könnte braver sein. Martinas Kleine ist übrigens genau wie er. Ich bin in einer Art froh, daß wir nicht dort sind. Ich glaube, die zwei schlügen sich braun und blau.

Bin neugierig, was nun mit Trude wird. Kathi-Tante meinte, so ist es vielleicht für sie nicht gut bei Marie-Tante, weil Hans doch krank ist. Vielleicht hat sie nicht unrecht, ich weiß ja nicht, welche Art krank er ist.

Pauline hat uns schon das Anerbieten gemacht, Trude bei Mela auf dem Boden schlafen zu lassen. Sie meint, wenn sie mit Mela „Goaßhalten“ geht, ist sie so den ganzen Tag nicht da. Na, ich denke, wir sprechen noch darüber.

So, nun sind die Kinder glücklich im Bett und ich habe ein Häfen Suppe neben mir stehen.

Wir haben alle schon ein wenig Farbe. Für Mutter, glaube ich, ist das Land sehr gut.

Gemüse bringe mir nicht mit, Du hast ja auch keinen Rucksack und ohnehin genug an dem Ofen zu tragen. Aber den Gürtel von meinem Mantel, ich glaube, Trude hat ihn vergessen herauszugeben.

Das Petroleum vom Ofen schütte heraus, sonst machst Du Dich vielleicht schmutzig. Über die Geldfrage sprechen wir dann auch noch. Vorläufig habe ich von Mutter 30 S. Werde nun aber die 20 S von Dir nicht ganz brauchen.

Viel tausend Busserl von uns allen an Euch drei.

Freue mich unbändig auf Sonntag.

Eure Gretel

Wien, 21.7.25.

Mein Weiberl!

So wie die Sache jetzt steht, werde ich noch diese Woche bei Schuckert bleiben, ab nächster jedoch schon bei Siemens anfangen und Montag oder Dienstag nach Prag abdampfen. Also haben wir noch einen Sonntag, aber diesmal komme ich schon Samstag nachmittag. Es wäre aus diesem Grunde für uns sehr gut, wenn Mutter noch diese Woche draußen bleiben würde, da wir ja sonst nicht beisammen sein könnten und überdies Deine freie Zeit sehr beschränkt wäre. Hansi würde dann das Geld holen, und ich würde ihr natürlich die Zeit zahlen. Vielleicht sprichst Du in diesem Sinne mit Mutter.

Wie bist Du Sonntag nach Hause gekommen? Wir selbst mußten stehen, aber der Zug kam schon um halb 12 Uhr in Wien an, so daß ich schon um 12 Uhr schlief. Habe jetzt viel Rennerei betreffs der Umschreibung, war auch gestern bei Dr. Schiller, welcher mir betreffs Patent versprach, bei eventuellen Anwendungsmöglichkeiten meiner zu gedenken. Auch habe ich mit ihm betreffs Urlaub etc. gesprochen, und auch er war der Meinung, daß mir derselbe angerechnet wird. Also ist’s bestimmt mit dem Abfahren und ich lasse mir noch durch unsere Firma das Visum besorgen.

Diesmal will ich schließen und den Brief gleich aufgeben.

Mit vielen Busserln an alle

Robert

Wien, 28.7.25

Liebes Butzerl!

Nun ist alles glücklich vorüber und ich werde heute nachmittag bei S.u. H. eintreten. Ich bin natürlich sehr froh, daß die ganze Sache so schmerzlos gegangen ist. Abfahren werde ich erst Donnerstag oder Freitag, da die Abfertigung bei S.u. H. so lange dauern wird. Heute fahre ich noch zu Schuckert und hole mir den Mantel und will von dort in’s Strandbad gehen. Liebes, könnte ich doch die Zeit, die ich jetzt zu Hause bin, bei Dir sein! Ich will ja gar nicht seufzen, muß aber doch. Es ist ja so öde zu Hause.

Gestern war ich abends wieder bei Olga, selbe war nun endlich im Gesäuse und sie haben es recht schön gehabt. Trudel war sehr enttäuscht, daß Großmama nicht kommt. Ich glaube doch, daß es besser wäre, wenn Mutter bald kommen würde, denn Trude ist ja wirklich den ganzen Tag sich selbst überlassen. Auch wegen des Fortkommens wäre es ja gut, nur möchte Mutter betreffs Trudel schon vor ihrer Heimfahrt mit Hans oder Kathi-Tante sprechen, daß es dann später keinen Wirbel gibt. Was machen die Buben? Weißt, schreibe mir doch noch daher, weil ich mir ja alles nachschicken lassen kann.

Ich gib den Brief gleich auf, damit Du nicht zu lange warten mußt. Geld werde ich Dir auch vor meiner Abfahrt senden.

Mit vielen, vielen langen Busserln

Dein Robert

29.7.25

Mein Liebes! Nun ist alles erledigt und ich fahre Freitag den 31.d. M. um 7 Uhr früh vom Franz-Josefs-Bahnhof ab.

Gestern habe ich noch zwei angenehme Überraschungen gehabt, nämlich daß die tägliche Zulage nicht 33 Kc sondern 48 Kc beträgt, so daß ich, da dieselbe auch sonntags gilt, 48x7=336 und pro Stunde 2 Kc = 8x2x6=98, also wöchentlich 432 Kc außer dem Lohn von 480 öst. Kr, welchen die Firma Dir nach Ternitz anweist, erhalte (bei normaler Arbeitszeit, die Abzüge wie Krankenkasse etc. noch nicht gerechnet). Weiters bekommen wir monatlich als Quartiergeld 300 Kc, also Aussicht, daß Du mein Lieb bald nachkommen kannst. Die weitere Überraschung ist, daß ich Prüfarbeiten vornehmen werde, also eine schöne Arbeit bekomme. Einen Rückschritt habe ich mit dem Lohn gemacht, da ich statt 11.000 nur 10.000 bekomme, wohl mit der Zusicherung, daß das nur im Anfang wäre und es draußen böses Blut machen würde, wenn ich schon mit höherem Lohn, als draußen allgemein ist, hinauskomme. Nun wir werden’s ja sehen.

Solltest Du nach Wien übersiedeln, so bitte teile dies der Firma rechtzeitig mit, da sonst Komplikationen entstehen. Die Adresse ist:

An tit. Fa.
Siemens u. Halske A. G.
Lohnbüro
Wien III., Apostelgasse 12

und innen, Anschrift:

An das Lohnbüro der Fa. Siemens und Halske

Erlaube mir mitzuteilen u.s.w.

Hochachtungsvoll

Du wirst zwar lachen, wenn ich Dir alles so detailliere, jedoch macht nichts, lach’ halt ein bisserl. Eine andere Sache ist die gegenwärtige Geldfrage. Ich habe einen Vorschuß von 400 Kc bekommen, und muß mir die Fahrt noch in öst. Kr. ca.300 berechnen. Weiß, ich habe mir nämlich etwas voreilig einen Vorschuß von 500.000 K streichen lassen. Du bekommst das erste Geld erst Freitag in 8 Tagen und da ohne Montag und Dienstag, da ich erst seit heute Mittwoch in Dienst bin, ca.30 Sch, so daß es nötig sein wird, von irgendwo Geld auszuborgen. Wenn nicht anders, so bitte ich Rudolf, Dir nach dem Ersten 300 K zu senden. Nur weiß ich nicht, ob ich ihn noch sehe, eventuell könntest Du ihm schreiben, wenn Du willst. Von Olga will ich mir nichts ausborgen, da sie in zwei Wochen auf Urlaub geht. Ja, noch was. Der Vorschuß von 400 Kc wird mir in Wochenraten von 10 Sch. von dem Lohn abgezogen, daß Du also nicht erstaunt bist, wenn Du weniger bekommst. Ich selbst habe die Tage riesig viel gebraucht, durch das fortwährende Herumrennen. Heute vormittag war ich mit den Kindern im Strandbad, d.h. mit Trudel und Lila. Gestern abends war ich in Mauer.

Mein liebes Kind, jetzt mach ich Schluß, es wird wohl der letzte Brief von hier sein.

Mit recht vielen Busserln an alle

Dein Robert.

Betreffs des schon gestern erwähnten Kommens von Mutter ersehe ich jetzt, daß dasselbe immer notwendiger wird. Jetzt zum Beispiel ist es schon 8 Uhr und Trude ist noch immer nicht zu Hause. Wie schon erwähnt, waren wir im Strandbad, ich jedoch (jetzt grad ist sie gekommen) war spazieren auf der Gumpendorferstraße, kein Brot zu Hause, kein Nachtmahl, nachdem Hansi natürlich in die Bibelstunde muß. Weißt, wenn Trude hinauskann, dann ist’s natürlich, nicht für uns, aber für Hansi und Trude besser, sie geht hinaus, oder Mutter bleibt herinnen. So ist es eine unhaltbare Wirtschaft und schließlich ist ja auch Trude den ganzen Tag allein, auch ein Verlangen von einem Kind! Also weißt, ich denke, Du redest mit Mutter. Vielleicht ist halt doch was auf der Übernahmsstelle. Dann kann ja Mutter hinausfahren.

Nochmals die herzlichsten Küsse.

Ternitz, 29.7.1925

Mein Lieb!

Habe heute Deinen lieben Brief erhalten. Bin recht froh, daß sich die Sache doch so ohne weitere Umstände erledigen ließ.

Mir wär’s wohl auch lieber, Du wär’st hier, aber es ist vielleicht so besser. Der Abschied ist gar zu schwer.

Ich glaube, Schatz, es ist am besten, Trude packt ihre Sachen zusammen und kommt zu uns. Mutter fährt nicht gern nach Hause; sie hat Sonntag schon geweint, weil Du absolut willst, sie soll nach Haus fahren.

Wenn Trude kommt, so fährt Mutter um den 10. August herum hinein, damit sie dann drinnen ist, wenn Fam. Igel kommt. Sollte Trude irgendwohin kommen, so kann sie auch immer noch fahren. So aber ist es schade um die schöne Zeit jetzt, daß sie’s drinnen verbringt.

Du fragst, was die Buben machen. Na, ’s ist nicht immer gleich. Heute nacht haben wir wenig geschlafen. Fredy wurde um 3 Uhr wach und konnte nimmer einschlafen. Bis 5 Uhr habe ich ihn beinahe immer umgetragen. Dann hat er bis 6 Uhr geschlafen. Heute vormittag aber war er ganz brav. Robert muß heute barfuß laufen, was natürlich ohne zeitweises Jammern nicht abgeht. Einmal stoßt er sich an, dann steigt er wieder auf einen spitzen Stein, na u.s.w. Wenn Trude kommt, packt ihr Roberts Schuhe dazu.

Heute früh waren Mutter, Kathie-Tante und Regine um Pechscharten. Regine aber mußte am Hüterriegel liegenbleiben, weil sie’s nicht weiter ertragen konnte. Von dort mußte Onkel sie holen.

Das Wetter ist noch immer gleich. Vormittag schön, gegen Abend aber meistens Regen.

Für Pauline habe ich wieder angefangen ein Kleid zu ändern, weiß mir aber kaum zu helfen damit, weil’s viel zu eng ist. Robert kommt eben wieder: „Mutter, der Fredy bricht schon wieder.“

Ich möchte heute am liebsten schlafen, alle Augenblicke muß ich gähnen.

Nun Schatzerl, ich wünsche Dir eine recht gute Reise. Und schreibe mir recht, recht viel und bald.

Viele Busserl an die Kinder! Hansi soll sich’s auch gut gehen lassen, wenn sie die paar Tage allein ist. Trudel aber soll schreiben, wann sie kommt, ich denke, es wäre Samstag am besten, weil Hansi sie zur Bahn bringen könnte.

Viele Busserl von Mutter an die Kinder.

Vergiß nicht, daß auch das „Radio“ zu bezahlen ist.

Es küßt Dich von ganzem Herzen

Dein Weiberl

Prag, am 1.8.25

Mein Lieb!

Nun bin ich in Prag. Und es gefällt mir sehr, besonders freut es mich, daß ich bei Brodils einen Ort habe, wohin ich mich wenden kann, denn Du mußt wissen, daß ich schon gestern, gleich nachdem ich mich bei S.u. H. gemeldet habe, bei Brodils war. Und wenn die Sache gut geht, so werde ich schon nächste Woche, durch Vermittlung Schw. Brodils ein Zimmer bekommen. Wahrscheinlich um 250 Kc. Einstweilen wohne ich in einem Hotel, 14 Tage Hotel zahlt ja die Firma, von wo ich auch schreibe.

Heute war mein erster Arbeitstag, gearbeitet habe ich zwar nichts und werde auch die nächste Zeit nichts machen, da ich mich erst in die Anlage dreinfinden muß. Bin jetzt in der Hauptpost, werde jedoch in den nächsten Tagen nach dem Amte Weinberge kommen. Soweit ich die Arbeitskollegen bis jetzt kenne, betrachten mich einzelne als Rivalen, andere jedoch sind sehr lieb zu mir. Ich glaube, es wird ganz gut werden. Die Arbeitszeit ist von ½ 8 - 12 und von 1 - 5. Bis jetzt war von 7 Uhr und dafür Mittwoch nachmittag frei, ab nächster Woche jedoch hört sich das auf.

Bei Brodils lassen Dich alle schön grüßen, besonders hat Hansi, ich glaube, so heißt die Große, Dich so lieb. Schw. Brodil ist schwer krank gewesen. Durch Verkühlung hat sie sich einen Magen- und Darmkatarrh zugezogen, den sie nicht wegbringt und hat dabei 20 kg abgenommen. Sie schaut noch sehr schlecht aus, jedoch merk ich das nicht so, weil ich sie ja so lange nicht gesehen habe. Wir plauderten zusammen, bis die Kinder nach Hause kamen. Fanni erkannte mich nicht, jedoch Hansi gleich. Auch Schw. Brodil hat mich gleich erkannt.

Prag an und für sich ist sehr hübsch, vielleicht gehe ich heute nachmittag mit den Kindern fort. Die Fahrt hierher kostet 19.30 Sch., wenn Du den Fredy nicht mehr trinken läßt, kommst Du dann her, gelt? Vielleicht wird dann mehr daraus als vor 5 Jahren.

Rudolf wird Dir nach dem Ersten 40 Sch senden und von Hansi habe ich mir auch 25 Sch ausgeborgt. Also wir haben Schulden über Schulden. Das macht aber nichts, in einigen Wochen sind wir schon heraußen. Schw. Brodil sagt, daß ich mit dem Geld sehr gut darauskommen werde und ich mir viel ersparen werde.

Zum Frühstück trinke ich ½ l Milch und 2 Mohnkipferl, um 10 Uhr eine Wurst und was und wo ich mittags esse, weiß ich noch nicht. Ich glaube, daß ich mir 20 bis 25 Kc täglich weglegen kann. Wie geht’s Euch denn? Bitte schreibe mir p. A. Brodil. Was macht der Bub und der Kleine?

Mit Küssen umarmt Dich, leider nur im Geiste,

Dein Robert

2.8.25

Liebes Weiberl! Sonntag ist vorbei, komme eben von Brodils. Wir haben den ganzen Nachmittag zusammen verbracht und ich kann Dir gar nicht sagen, wie angenehm mir das ist, daß ich nicht ganz so fremd bin.

Gestern waren wir nachmittags spazieren und man zeigte mir die Stadt Prag. Mutter Brodil war auch mit und ich denke, daß ihr der Spaziergang gut tat. Meine Meinung ist, daß sie viel zu viel im Zimmer ist. Auch die zwei Mädels haben eine Zimmerfarbe, wahrscheinlich weil sie wegen der Mutter auch nicht viel fort können. Die haben die Mutter so sehr gerne, es tut wohl, diese Liebe zu sehen. Hansi ist überhaupt sehr herzlich während Fanny, so glaube ich, die ernstere ist. Samstag sind wir also über die ganze Palckole ulica, über den Wenzelsplatz mit einer sehr schönen modernen Statue, dann durch ein paar enge Gassen zum alten Rathaus, bei welchem zu bestimmten Zeiten, wenn die Stunde um ist, die 12 Apostel bei einem Fenster heraus sich verbeugen und dann eine Jahresuhr, von einem berühmten italienischen Maler gemalt, ist. Wir haben zwar die Apostel nicht gesehen, weil wir dreiviertel Stunden hätten warten müssen. Wir gingen weiter zum Hußplatz und zur Karlsbrücke, über welche einmal der hl. Nepomuk in die Moldau geworfen worden sein soll. Über die Karlsbrücke sind wir auf die Kleine Seite gegangen. Lach’ nicht, das heißt nämlich so. Herüber der Moldau ist die Große, drüben die Kleine Seite. Der Anblick des Hradschins von der Brücke ist sehr schön, wie überhaupt die ganze Stadt. Auf der drüberen Seite sind wir dann stromaufwärts bis zur nächsten Brücke, welche über eine Insel mit Parkanlagen und Restaurant führt, auch bei einem Bad vorbei, und sind dann herüber wieder in die Weinberge. Es war erst 7 Uhr und ich habe noch weiter geschaut, einen schönen Park gefunden und da einigen Stücken einer Musikkapelle gelauscht. In diesem Park bin ich auch heute vormittags von 8 bis 1 Uhr gesessen.

Das Zimmer werde ich bekommen, jedoch um 300 Kc. Brodils sagen zwar, daß es sehr teuer ist, jedoch nimm’ ich’s einstweilen, kann mir ja noch immer ein anderes suchen. Übrigens kann ich wahrscheinlich erst morgen in 8 Tagen einziehen. Brodils haben mich eingeladen, immer nach dem Geschäft zu ihnen zu kommen, ich weiß nur nicht, ich werde vielleicht doch erst Dienstag oder Mittwoch kommen, denn ich will ihnen nicht zuwider werden.

Das Wetter ist hier nicht sehr schön, ich glaub, heut regnet’s schon zum fünften Male, ist’s bei Euch auch so? Wenn nur schon bald was käme von Dir! Schon ist’s 8 Tage. Grüße mir alle recht von mir, auch Richters. Hani war bei mir, sie will nach Berlin, ob wirklich Ernst? ich weiß nicht. Aber keine Erwähnung gegen jemand. Jetzt geh ich schlafen, küsse Dich und die lieben Buben noch im Geiste. Hier wirds Dir gefallen, wenn Du kommst.

Robert

Ternitz, 3.8.25

Mein Schatz!

Habe eben unsere beiden Buben eingeschläfert und will nun die Zeit benützen, Dir zu schreiben.

Von Rudolf erhielt ich heute die 40 S. Sag einmal, Kind, wie soll ich die zurückzahlen? Er wird sie doch längstens in 14 Tagen brauchen. Nach unserer Rechnung aber bekomme ich Freitag (oder noch wahrscheinlicher erst Montag) von der Firma nur ungefähr 17 S, wenn man mir 10 S Vorschuß abzieht und 2 Tage, Krankenkasse u.s.w. Durch die nächsten 6 Wochen aber werde ich aber wohl auch nicht viel mehr als 34 S bekommen.

Da ist nun guter Rat teuer. Umso besser, wenn Du nur wenigstens gut auskommst. Wir haben ja jetzt rund gerechnet 2,000.000 K Schulden. Außerdem soll ich doch die 200.000 K Reisespesen für die Heimfahrt erübrigen.

Nun Lieb, es freut mich für Dich, wenn Du schöne Arbeit hast. Aber erkläre mir das etwas näher, was unter Prüfarbeiten zu verstehen ist. Gelacht habe ich wirklich über Deine Details.

Samstag erwartete ich schon Antwort auf den Brief von Mittwoch (den wirst Du wahrscheinlich erst später einmal bekommen). Trude ist seit Samstag hier. Gleichzeitig aber haben wir abscheuliches Wetter bekommen. Von Samstag nachmittag bis heute früh hat es ununterbrochen geregnet. Darnach setzte ein Sturm ein, der mich heute vormittag, als ich in den Wald um Holz ging (wir müssen nämlich heizen um nicht zu erfrieren. Geld aber wage ich nicht auszugeben für Holz, weil ich manchmal schweren Herzens Roberts Bitten um ein bißchen Obst nicht erfüllen kann), beinahe umgeworfen hätte. Ein paar Schritte taumelte ich zurück, dann konnte ich mich doch so entgegenstemmen, daß ich wenigstens stehen bleiben konnte.

4.8.1925

Konnte gestern nicht weiter schreiben, weil ich nirgends mehr Platz hatte. Heute haben wir wieder Schönwetter. Gott sei Dank. Sonst wäre es zum Verzweifeln.

Unser Fredy ist ein kleiner Vielfraß. Man darf nur einen Löffel in die Hand nehmen, so beginnt er an Händen und Füßen zu zittern, weil er auch etwas möchte. Heute mittag hat er Erdäpfelsuppe gegessen, auch anscheinend gut vertragen. Seit mehr als einer Woche ißt er auch täglich eine weiche Birne. Wenn s’ gar ist, weint er dann. Seit vorgestern schläft er auch von 8 Uhr abends bis 7 Uhr früh ununterbrochen. Von Robert ist nichts Neues zu berichten.

Viele Grüße und Küsse an Brodils. Unterhaltet Euch recht gut und singt fleißig. Schade, daß der Tenor fehlt.

Mit vielen, vielen Busserln von mir und den Kindern.

Deine Gretel

Prag, am 5.8.25

Mein Lieb!

Heut ist mir eingefallen, daß ich mir scheint eine Dummheit gemacht habe. Nämlich, ich dachte gar nicht daran, daß Du Brodils Adresse nicht auswendig wissen wirst. Nachdem heute noch nichts gekommen ist, wird’s auch so sein. Also zur Vorsorge: F. B., Palackeko Pr.90, Praha.

Ich erwarte schon so mit Sehnsucht Deinen Brief.

Gestern und heute war ich auf einen Sprung bei Brodils, sonst gehe ich immer spazieren, die Stadt anschauen. Es ist aber wirklich schön hier. Weißt, so viele und so schön gepflegte Parkanlagen gibt’s bei uns in Wien nicht. Und daß ganz Prag Hügelland ist, gibt natürlich der Stadt ein noch schöneres Aussehen. Heute abends war ich in einem ganz alten Teil der Stadt, auf dem Wyschehrad. Man kommt über eine steile, gut gepflegte Straße, wie hier alle Gassen rein sind, Papierl oder Obstkerne wegwerfen kostet, wenn man erwischt wird, unbarmherzig 5 Kc, worüber jeder Wachmann schon Quittungen fertig gedruckt in der Tasche hat. Also diese Strecke führt durch ein ganz altertümliches Tor wieder in eine Parkanlage, welche umgeben ist von der teilweise bis 40 m hohen Stadtmauer. Auf der Zinne derselben führt ein Promenadenweg, von welchem man so im Halbkreis die Stadt übersehen kann.

Komme dann meistens so zwischen 9 und 10 Uhr nach Hause, lerne meist noch ein wenig oder lese die Zeitung, so vergehen die Abende.

Nun, mein liebes Weiberl, wie geht’s denn Euch? Was macht denn der Fredy? Weißt, sehr einsam bin ich schon hier, aber ich raunze gar nicht! Freu mich lieber, wenn Du kommst. Denn ich und auch Brodils glauben natürlich bestimmt daran.

Liebes Kind, mit dem Geld wird Dir’s schlecht ausgehen, jedoch werde ich, wenn möglich, nächste Woche Dir eines senden, daß wir dann wieder schuldenrein werden. Ich glaube, so wie ich jetzt sehe, werde ich mir in der Woche zirka 150 Kc ersparen können. Es zahlt sich also schon aus, daß wir beide uns selbst auf eine Zeit opfern. Und wenn Du vielleicht auch 10 Schilling ersparen kannst, wenn natürlich möglich, ohne daß Du Dir was abgehen läßt, so gibt das in einem Jahr, ich rechne schon wieder, über 2000 Sch. Weißt, und Stoffsachen kaufe Dir nicht in Wien, sondern, da sie hier sehr billig sind, wenn Du herauskommst.

Mein Kind, leb und schlaf wohl und küsse meine Kinder.

Robert

Prag, am 8.8.25.

Mein liebes Weiberl!

Also, ich glaub, alle Briefe fingen mit also an, also ich habe Dein liebes erstes Schreiben. Hab’ mir zwar schon die Schuhe dabei ruiniert, denn ich warte schon den dritten Tag darauf, aber macht nichts, da ist’s doch. Fr. Brodil glaubte schon, daß Du mir untreu geworden bist, ich natürlich aber glaubte es gar nicht. Jetzt hab ich nur Freude. Auch, da ich Dich über die Geldfrage beruhigen kann. Werde nämlich noch diese Woche Rudolf die 40 Sch per Post retour senden. Nächste Woche bekommt dann Hansi vor Mutter die 25 Sch, und dann kommt das andere dran, bis wir schuldenfrei sind. Schreibe mir genau, was wir Mutter schuldig sind und überhaupt, wie Du zu den runden 2,000.000 kommst. Da hast Du sehr rund gerechnet, Du liebe, große Aufschneiderin! Liebes Kind, mach’ Dir keine Sorgen um das Geld, ich kann wirklich jetzt sagen, daß wir wenigstens eine Zeit und wie ich glaube, eine lange Zeit der Geldsorgen enthoben sein werden. Wenn’s normal so weitergeht, natürlich. Und wenn Robert Obst will, oder besser, gib ihm Obst.

Du schreibst schon von der Heimfahrt. Nun, hoffentlich bleibst Du länger draußen, umso mehr, Du weißt ja, als es mir sehr lieb ist, Dich draußen allein zu wissen. Und wenn Du kannst, mein Lieb, so mache mir diese Freude und bleibe mit den Kindern draußen, so lang es halbwegs möglich ist. Du weißt ja, daß es mein Wunsch war, Dich die ganze Zeit allein zu wissen… um Euret- und besonders um Roberts wegen. Mein Streben wird sein Euch herzuholen, ob’s geht, weiß ich nicht, da die Wohnfrage mit kleinen Kindern eine große Rolle spielt. Habe Dir im letzten Brief 2 Sch gesendet, schreib mir bitte, ob dieselben angekommen sind. Habe nämlich noch 4 Sch da. Auch schreibe mir über die Verrechnung. Die Reisespesen werden wahrscheinlich in Kc vom Vorschuß abgezogen, während glaube ich die Paßbesorgung Dir verrechnet wird.

Mit den Prüfarbeiten ist das so. Wenn eine Anlage gebaut wird, so sind da meist mehrere Monteure, von denen aber jeder ganz spezielle Arbeit macht. Der eine z. B. stellt die Wählergestelle auf, der andere macht die Kabelarbeiten für die Verbindungskabel, der dritte stellt die Wähler und sonstigen Apparate ein u.s.w., bis alles fertig zusammengebaut ist. Und wenn alles fertig ist, dann kommt die Prüfung. Denn das Fertigstellen gibt noch immer nicht die Gewähr, daß es gehen muß. Da gibt es Verschaltungen, denn bei den tausenden von Drähten kommen ja immer Irrungen vor, oder von der Fabrik oder beim Transport beschädigte Relaissätze, oder auch schlechte Lötstellen und andere Fehler. Und diese Fehler suchen, überhaupt die Schlußarbeit, nennt man Prüfen. Diese Arbeit ist natürlich interessanter und nicht so manuell, und ich besonders habe für solche Schaltungsschemaarbeiten besondere Fähigkeit. Das sagte mir nämlich schon gestern unser Ingenieur, welcher mir heute versprach, ohne daß ich ihn anredete, betreffs Lohnerhöhung morgen zu S.u. H zu schreiben. Obwohl das natürlich unter den anderen Monteuren große Sensation sein wird, ist’s mir doch eine Freude.

Im Geschäftlichen bin ich jetzt in meinem Element. Ansonsten leider nicht, denn das Alleinsein muß erst gewöhnt werden. Und mein Robert geht mir sehr ab. Liebe Gretel, schau auf ihn und laß Dich nicht beirren ihn so zu erziehen, wie WIR ihn haben möchten. Daß Fredy nun so tapfer ißt, freut mich auch, jedoch ob ihm Birnen gesund sind? Nun, wirst ja sehen, es wird ja doch ein kräftiger Bub aus ihm werden. Brodils lassen Dich auch recht schön grüßen.

Also nochmals, keine Sorgen und schreib recht oft und viel, denn ich bin ja so allein. Gelt, Du schreibst auch einmal an Papa, Zimmer No.11.

Mit vielen Küssen allen

Robert

Sonntag, 9.8.25

Mein lieber Schatz! Diese Zeilen sind die letzten vom Hotel, morgen ziehe ich in meine neue Wohnung, ein sehr schönes Zimmer bei eben dieser bekannten Frau von Brodils. Die neue Adresse ist: R. S. per Adr.

Vichova, Prag, Nusle Jaromirova ulica 38/3.

Zu Brodils schreibe einstweilen nicht, da selbe, nachdem die Mädels Urlaub haben, in einen Vorort Prags gehen. Heute waren wir dort, es ist von der Endstation der Elektrischen noch ca. ¾ Stunden zu gehen. Ich selbst bin von der Tochter der Familie, es sind dies Baptisten, schon vorigen Sonntag eingeladen und heute auch recht gut aufgenommen worden. Selbe spricht leidlich deutsch und ist eine Freundin der Mädels. Die Gegend ist sehr hübsch, ein wenig waldig und auch ist dort ein Bach, wo wir uns, auch leidlich, denn das Wasser geht einem an der tiefsten Stelle bis an die Knie, badeten. Waren den ganzen Nachmittag im Freien, was besonders Frau Brodil sehr gut getan haben wird. Mit der Krankheit hat das überhaupt eine Bewandtnis. Ich bin jetzt der Meinung, daß dieselbe nur durch die Einbildung, daß sie sich nicht bessern kann, so gar nicht gut werden kann. Frau Brodil bildet sich nämlich ein, daß sie nicht gesund werden kann, weil sie in den Wechseljahren ist, und noch überdies, weil das Magenleiden durch Erkältung entstand. Nun glaube ich sie doch beeinflußt zu haben, denn sie geht jetzt wirklich mehr fort. Gestern waren wir am Grabe Herrn Brodils am hiesigen Zentralfriedhof. Ich kann Dir gar nicht sagen wie froh ich bin, daß Brodils hier sind, denn ich habe hier doch jemanden, zu dem man gehen kann.

Morgen vormittag gibt Fanny das Geld für Rudolf auf, und ich hoffe, daß Du dasselbe noch nicht weggesendet hast. Du hast ja vorigen Freitag, wie ich aus der Abrechnung ersehe, viel bekommen und ich bitte Dich, mir genau den Betrag zu schreiben, da ich aus derselben nicht ganz klug werde. Nach meiner Rechnung müßtest Du 108.40 Schilling erhalten haben. Stimmt das? Nun wirst Du die nächsten Auszahlungen weniger bekommen, schreibe mir jedoch gleich, wenn Du Geld brauchst, ich werde mir’s hier schon einteilen.

Von Brodils soll ich Dir viele Grüße und Küsse übermitteln. Wir sprechen viel von Dir, so daß Fanny sogar schon träumte, daß Du hier bist. Ganz begeistert erzählte sie mir dies.

Liebes, gelt Du teilst Dir’s so ein, daß Du anfangs Oktober kommst. Auf 14 Tage mußt Du jedoch kommen, weniger nicht, hat Fanny gesagt. Mein Zimmer, frisch gemalt und der Fußboden frisch gestrichen, ist wie aus dem Schachterl und hat sogar ein zweites Bett. Für Dich, mein Schatz! Obwohl ich Robert auch sehr gerne hier hätte, wird es doch besser sein, Du kommst allein. Nimmst Dir halt Urlaub, gelt? Dann darfst Du aber auch wirklich nichts machen als essen und schlafen - und mich ein bißchen lieb haben. Mein liebes liebes Butzerl, ich muß jetzt auch schlafen gehen, so allein! Kind, bin doch froh, daß hier geschäftlich alles so klappt.

Viele Küsse an Dich und die Kinder.

Robert

Ternitz, 10.8.1925

Mein Lieb!

Ich bin schon wieder ganz verbauert, fast hätte ich das Datum nicht gewußt. Habe heute Deinen dritten Brief aus Prag bekommen. Aber vorerst will ich Dir noch aus dem letzten etwas beantworten. Daß Du so lange kein Schreiben von mir erhieltest ist weder Deine noch meine Schuld. Ich wußte Brodils Adresse und schrieb Dir auch gleich, als ich den ersten Brief von Dir bekam.

Punkt No 2. Warum darf man hier keine Erwähnung machen von Hannis Plänen? Ich glaube, es wäre ganz gut, wenn man ihr die Sache ausreden würde. Der Bursch, der jetzt nach Berlin gefahren ist, ist für Hanni viel zu jung (ich habe ihn gesehen) und ich begreife vollkommen, daß Tante das Verhältnis nicht billigt. Daß Hanni aus der Misere heraus will, kann ich wohl auch verstehen. Robert hat nämlich eine Frau und zwei Kinder im Alter unserer Kinder. Also keine Aussicht zur Heirat. Er ließ sich auch deshalb nach St. Pölten versetzen. Na, auf jeden Fall kann ich schweigen, es geht mich ja nichts an.

Schatz, wenn Du Dir um meiner Briefe willen die Schuhe ruinierst, werde ich lieber nicht schreiben, denn das ist ein teurer Spaß.

Aber über meine Treue, glaube ich, kannst Du ebenso beruhigt sein, wie ich über die Deine, Du, mein lieber, lieber Mann!

Nun, Kind, wenn Du Rudolf bezahlst, bin ich wirklich ganz beruhigt. Ich brauchte bis heute von Rudolfs Geld 20 S. Ergo habe ich noch 20 S vorrätig. Von der Firma erhielt ich heute dreimal so viel als ich rechnete. Wieso, mußt Du mir noch erklären; ich schicke Dir die Verrechnung mit. Ich rechnete

8 S ab 18 Stunden sind

-18 S und ungefähr 4 S Abzüge

-4 S und ab 10 S Vorschuß

10 S, bleiben

16 S.

Anstatt dessen bekomme ich heute 54.36 S Kannst Dir meine freudige Ãœberraschung denken.

Was wir Mutter schuldig sind? Nun, 25 S Du und 30 S ich, macht 55 S.

Wieso bin ich solch große Aufschneiderin? Paß ’mal auf:

80 S Vorschuß

40 S Rudolf

55 S Mutter

13 S Olga,

das sind 188 S. Wieviel fehlt denn noch auf die rund 2,000.000 K?

Ans Heimfahren denke ich nicht im geringsten, Schatzerl, aber ich muß doch beizeiten an die Spesen denken.

11.8

Mein Liebling! Mußte gestern wieder aufhören, weil Mutter nach Hause fuhr. Die 2 S habe ich erhalten. Muß versuchen, ob auch mit Bleistift zu schreiben ist. Trude ist beim Bach und Robert will auch hingehen. Auch der Kleine gibt gerade keine Ruhe.

Heute ist schon der vierte Tag ohne Regen. Eine Hitze zum Verschmachten. So, Robert ist auch schon im Wasser. Vielleicht ist jetzt ein bißchen Ruhe.

Daß Dir Deine Arbeit gut gefällt, freut mich sehr. So hast Du doch einen Ersatz. Und daß man mit Dir zufrieden ist, beweist der Umstand, daß Dein Ingenieur bereits um Lohnerhöhung für Dich eingekommen ist.

Ich glaube nicht, Kind, daß Fredy die Birnen schaden, sonst hätte ich’s schon merken müssen. Es ist ja Vorschrift, daß Kinder vom dritten Monat ab frischen Obstsaft bekommen müssen, wenn sie nicht mehr bei der Brust sind. Der Kleine trinkt aber sehr wenig, meist nur in der Früh. Aber lieb ist er so, sehr lieb. Jetzt lacht er wieder sehr oft. Robert hat einen Schnupfen wie noch nie.

Sonntag hat mich Tante sekkiert, ich soll mit Regine zum Waldfest in den Peterwald gehen. War dann auch dort mit Robert. ’s hat mir leid getan, daß ich den Kleinen nicht mit hatte. Es hätte ihm sicher gut gefallen. Musik und viele Leute liebt er ja. Auch die grünen Bäume.

Nun Schatzl, ich muß schließen. Mein Fredy will nicht mehr. Er wird schon schläfrig.

Kind, am Ende werd’ ich weiß, bis wir einander wiedersehen. Ich habe vorgestern das erste weiße Haar entdeckt. Am Ende kennst Du mich dann nicht mehr.

Viel tausend Busserl von mir und den Kindern! Auch Grüße von allen Bekannten.

Deine Gretel

Ternitz, 13.8.1925, im Walde

Mein einzig Lieb!

Kind, ich muß schon wieder weinen, aber ärgere Dich nicht! Ich habe solch unbeschreibliche Sehnsucht nach Dir, daß ich nicht weiß, wie ich die drei Jahre ertragen soll, wenn es nicht möglich sein sollte, zu Dir zu kommen. Oft werde ich nachts wach und kann nimmer schlafen, weil ich immer an Dich denken muß.

Im allgemeinen aber geht’s uns allen recht gut. Robert habe ich gestern hier im Walde, oberhalb des Rundl-Hammers, eine Wohnung gemacht. Zimmer, Küche und Garten. Nun kocht er mir etwas oder gräbt im Garten um u.s.w. Fredy ist auch im großen und ganzen recht brav. Nur heute nachts war er bis 11 Uhr sehr unruhig und ab 3 Uhr schon wieder. Immer die Winde. Eigentlich habe ich heute einen Brief von Dir erwartet (trotzdem ich gestern erst Deinen Brief vom Sonntag bekam) als Antwort auf mein Schreiben vom Freitag. Na, ’s war nichts. Ich dachte schon, Du bekommst den Brief gar nicht, denn ich habe ihn natürlich zu Brodils geschickt. Auch noch einen, den ich vorgestern absandte.

Freue mich, daß Dir auch Brodils Freunde so lieb entgegenkommen, auch daß Du auf Frau Brodil solch guten Einfluß hast.

Am allermeisten aber würde ich mich freuen, Kind, wenn ich wirklich im Oktober zu Dir kommen könnte! Schatzerl, glaubst Du, daß unsere Moneten das schon erlauben werden? Die drückendsten Schulden hast Du ja zum Glück schon beglichen. Aber ich werde noch ziemliche Auslagen haben in der nächsten Zeit.

Gestern war ich im Wimpassing um einen Kautschuk und einen Staubkamm. Habe dort 30.000 K ausgegeben. Am 20. ist wahrscheinlich die Lichtrechnung fällig. Roberts Schuhe sind schon wieder kaputt, desgleichen meine. Ich denke, ich kaufe mir noch ein Paar Leinenschuhe zu 70.000 K. Robert aber braucht, wenn wir heimkommen, bestimmt Schuhe.

Am 1. ist der Zins daheim und hier zu rechnen und am 8. die zweimonatliche Gasrechnung. Trotzdem hoffe ich aber ohne Zuschuß von Dir auszukommen, wenn Du nur die Schulden erledigst. Ein wenig Geld habe ich ja für alle Fälle in Vorrat. Die Verrechnung habe ich Dir im letzten Brief geschickt, schreibe Dir’s aber zur Vorsorge noch einmal. Es war gerade die Hälfte von dem was Du rechnest, nämlich 54 S 36 gr. Herzerl, wenn ich einmal eine Million bekommen hätte, da wär’ ich ja so reich, daß ich gar nimmer raunzen müßte. Um’s Geld nämlich.

Um Dich, mein Lieb, wohl immer noch!

Robert muß schon weinen, weil ich so viel schreiben muß. Ich soll lieber mit ihm spielen

Bin schon neugierig auf Dein Zimmer und auf mein Bett! Wenn ich lieber schon darinnen läge. Und Du, mein Lieb, bei mir.

Neues gibt’s momentan hier nicht. Schließe daher mit herzlichen Grüßen und Küssen an Brodils.

Dich umarmt und küßt recht fest und kräftig

Dein Weiberl

Prag, am 13.8.25

Liebes, allerliebstes Weiberl!

Bin nun schon in meiner neuen Wohnung. Damit Du Dir ein annäherndes Bild machen kannst, zeichne ich Dir hier das Zimmer auf.

Z e i c h n u n g

So also schaut’s bei mir aus. O könnt ich Dir nur das alles selbst zeigen. Weißt, ich freu’ mich schon so sehr darauf, wenn Du kommst, obwohl Du mir darüber noch gar nicht geschrieben hast. Ich bin überhaupt mir den Briefen sehr schlecht daran. Brodils sind nicht da und obwohl Mutter Brodil gesagt hat dem Briefträger (mir scheint, das war ein bissel böhmisch), daß er die Briefe der Hausmeisterin geben soll, hat derselbe wahrscheinlich doch in Brodils Briefkasten geworfen. Nun morgen kommen sie nachmittag herein, da werde ich hoffentlich was kriegen. Samstag ist hier Feiertag und wir halten ihn auch, jedenfalls arbeiten wir die nächsten 14 Tage um je eine halbe Stunde länger. Das ist mir sehr recht, denn ich fahre dann gleich Samstag früh mit Brodils mit. Montag nachmittag hat mir der Ingenieur auch zwecks Umzug und Anmeldung freigegeben, und nachdem ich dann aber schon um 2 Uhr fertig war, bin ich natürlich gleich hinausgefahren. Da draußen ist’s sehr schön und wir haben beim Baden viel gelacht. Da ist nämlich ein kleiner Wasserfall, wochentags ist übrigens viel mehr Wasser, dasselbe rinnt über ein gemauertes Bett zirka 1 m hinunter und wir, es waren dort noch zwei recht dicke Männer und zwei Frauen, setzten uns nun der Reihe nach oben auf die Mauer, so daß das Wasser durch unsere Rücken aufgehalten wurde. Wie nun einer, meistens war’s der Dicke in der Mitte, heruntersprang, verloren die anderen den Halt und wurden durch den Wasserdruck von rückwärts in das Wasser geworfen. Das war natürlich ein Hallo und wir wollten gar nicht nach Hause gehen, bis uns Schw. Brodil herausstamperte. Sie hat sich übrigens auch ihren Schwimmanzug mitgenommen, ich glaube, sie fühlt sich schon besser, das Alleinsein den ganzen Tag, wenn die Mädels im Büro sind, ist halt für sie sehr schlecht.

Ich bin jetzt von der Telefonzentrale in der Hauptpost in die nach Smichow gekommen, da dort ein Mechaniker auf Urlaub geht, welchen ich vertrete. Bis derselbe zurückkommt, werde ich wahrscheinlich meinen eigentlichen Wirkungskreis betreten, die Zentrale in Weinberge, die noch im Bau ist. Hier werde ich dann ständig bleiben und nur ¼ Stunde von meiner Wohnung. Ich wohne nämlich schon hübsch an der Peripherie der eigentlichen Stadt, 10 Minuten zur Moldau, ¼ Stunde nach Wyschegrad, einem alten Teil der Stadt, der sehr hoch liegt und von wo man einen sehr schönen Ausblick hat. Nur ist das eine Unangenehme, daß das Geleise der Elektrischen grade gerichtet wird und das alles in der Nacht, so daß ein Heidenspektakel ist. Meine Zimmerfrau kann so ziemlich deutsch und wir verständigen uns sehr gut miteinander. Wenigstens bis jetzt. Grad seh ich, daß schon wieder nach 10 Uhr ist. Und ich hab noch der Hansi schreiben wollen. Sie hat mit nämlich den Brief von 29.7. nachgesendet. Ich habe Dir eigentlich im Sinn der Antwort desselben schon geschrieben, und ich glaube, es ist gut, daß Mutter selbst in Wien ist, wenn Igels kommen.

Mir scheint, die fangen schon wieder zum Herumklopfen an, an den Geleisen. Nun, liebes Weiberl, grüße mir alle, besonders küsse mir die Kinder. Die 400.000 hat Rudolf schon bekommen. Schreib recht bald und viel!

Dich umarmt innigst

Dein Robert

Freitag, 14.8.25

Mein liebes Butzerl! Es nützt halt nichts, ich muß halt doch noch mit Dir ein wenig plaudern, trotzdem es schon wieder 10 Uhr ist. Komme nämlich eben von Brodils, wo auch Dein lieber Brief vom 10. war. Nachdem meine Schuhe schon wieder repariert sind und Deine Briefe, hoffentlich viele, direkt in die Wohnung kommen, so ist wieder was erledigt.

Mit der Verrechnung der Firma kenne ich mich selbst nicht aus. Erstens stimmt die Summe nicht, da Du nach meiner detaillierten Abrechnung 108.40 Sch bekommen solltest, zweitens stimmt mir auch das Datum gar nicht. Nun das wird sich schon ergeben aus der dieswöchentlichen Abrechnung, die ich aber bis jetzt noch nicht erhalten habe. Meiner Ansicht nach hat die Firma zwei Lohnwochen zusammengezogen und den Betrag auf jede Woche gleich aufgeteilt, so daß Du diese Woche 54 Sch bekommen würdest. Die fehlenden 4 gr sind wahrscheinlich Postspesen. Bitte sende mir die Kupons nicht heraus, sondern hebe sie gut auf, denn es ergeben sich mit der Verrechnung Unstimmigkeiten bis zu sehr großen Beträgen. Lege Dir dieselben wieder bei. Weiters beachte, ob der zweite, kommende, die No. 2 trägt und schreibe mir nur den Betrag, den Du jede Woche erhältst. Um die Zurückzahlung unserer Schuld brauchst Du Dich nicht zu sorgen, ich werde jetzt regelmäßig alle Wochen davon abbauen. Zuerst natürlich Mutter und dann Olga. Auch Papa möchte ich alle Monate 50 Kc senden.

Habe mir heute zwei Hemden gekauft und zugleich die Dummheit begangen und sie mir um eine Nummer zu groß genommen. Habe nämlich 37 verlangt, jedoch ist das schon die Kragenweite 38. Eines davon habe ich mir schon von der Stärke ausgewaschen, weiß nicht, ob man dasselbe noch zurücknimmt. Die Hemden sind schön, haben je zwei Krägen und kosten à 45 Kc. Wenn ich nächstens wieder solche brauche, kaufe ich mir Stoff und lasse sie mir nach Maß machen. Kommen auch nicht viel teurer und passen wenigstens.

Ja, daß ich nicht vergesse, ich soll Dir viele Grüße und Küsse von Brodils ausrichten. Morgen fahren wir schon, da Feiertag ist, früh hinaus, ich fahre dann abends herein und übermorgen früh wieder hinaus. Freue mich schon, denn das Baden und so in der Luft sein ist mir sehr zuträglich. Mittags esse ich bei Brodils, grüne Fisolen, auf die freue ich mich, da es mir jetzt hier ebenso ähnlich geht wie uns voriges Jahr. Oh, morgen ist es dem Tag nach ein Jahr, daß wir wegfuhren. Na, ich darf gar nicht darauf denken. Du erwähnst gar nichts von Deinem Kommen. Das ist kein Luftschloß! Mein Lieb!

Morgen oder übermorgen Fortsetzung. Gute Nacht, viele Busserln

15.8.25

Mein Lieb! Nachdem es uns den heutigen Tag halb und das Baden ganz verregnete, hoffen wir auf morgen. Als ich heute um 5 Uhr aufwachte, traute ich meinen Augen kaum, daß nach so sternenheller Nacht ein solch umzogener Himmel sein kann. Ich ging also nach dem Frühstück, welches mir meine Zimmerfrau verehrte, zu Brodils. Fanny war schon mit dem Zusammenräumen beschäftigt, Mutter und Hansi kamen vom Einkaufen zurück, als es schon ein wenig tröpfelte. Nun sahen wir schon, daß es mit dem Fortfahren vormittags nichts ist. So kochte Schw. Brodil und wir aßen zu Hause. Vormittag ging ich noch in einen herrlichen Park, ehem. Besitz der Fürsten Metternich, das mußt Du selbst sehen, nur schade, daß es dann schon Herbst ist. Nachmittags wurde es schöner und um 3 Uhr fuhren wir los. Draußen jausneten wir und gingen bis 7 Uhr spazieren. Hansi hat mir heute eine Menge cechisch gelernt, ich fange überhaupt schon an, beim Einkaufen, auf der Elektrischen etc. cechisch zu sprechen. Morgen, wenn’s schön ist, fahre ich wieder hinaus, dann Fortsetzung.

Viele Grüße an alle und viele, viele Busserln an Euch, Ihr Lieben. Gute Nacht!

16.8.25

Mein Liebes! Leider ist unsere Hoffnung nicht in Erfüllung gegangen. Es hat zwar nicht geregnet, jedoch war’s nichts zum Baden. Nachmittags hat’s uns geradezu gefroren. Trotzdem haben wir es schön gehabt. Mittags bin ich zwar ausgerissen, oder eigentlich ich wollte, aber Fanny ist mir nachgelaufen und hat mich im Auftrag ihrer Mutter wieder zurückgeholt. So mußte ich zu Mittag wieder bei Brodils essen. Vormittags und nachmittags bewirtete mich das Fräulein Rusenka (Rosa), die Tochter der Familie, bei welcher Brodils sind, ich glaube, ich schrieb Dir schon von ihr, sie ist Baptistin. Obwohl mir das, Du weißt ja, nicht sehr angenehm ist (das Bewirten meine ich), mußte ich es ja doch annehmen. Dieses Fräulein ist ein sehr guter Mensch und Du bist übrigens, wenn Du kommst, schon jetzt herzlichst eingeladen, auch zum Schlafen, solange Du willst. Es freut sich also alles schon auf Dein Kommen, besonders Fanny. Und ich!!! Du weißt ja gar nicht, wie Du mir hier abgehst. Es gibt hier auch so viel Schönes und ich muß das so allein sehen. Aber dafür freue ich mich. Schreib mir, wie Du darüber denkst. Und wann das sein könnte. Bruder Hans hat Brodils geschrieben, daß er Ende dieses Monats herkommt. Das würde auch mich freuen, denn er wird ja wahrscheinlich das letzte Mal herkommen. War Fam. Igel schon hier? Weißt, mein liebes Kind, Du schreibst mir zu wenig. Bin gar nicht zufrieden. Du hast mich mit Ternitz so verwöhnt. Damals bekam ich nahezu alle Tage einen Brief. Denke, die Kleinen werden Dich halt sehr in Anspruch nehmen. Gelt? Morgen heißt’s schon um 7 Uhr im Geschäft sein.

1000 Küsse an Euch.

Robert

Ternitz, 16.8.1925

Herzlieb!

Bin gestern durchaus nicht dazugekommen, Dir Dein liebes Schreiben vom 13.d. M. zu beantworten. Erstens weil Samstag war und zweitens weil’s regnete. Nun ist wiedereinmal so kalt, daß man einheizen könnte. Kein Wunder, wenn die Kinder aus dem Schnupfen nicht herauskommen bei dem krassen Temperaturwechsel. Ich habe Tür und Fenster zu, hab’ die hohen Schuhe an und meine Füße sind wie Eis.

Nun, Schatzerl, Dein Zimmer gefällt mir so weit ganz gut, nur - das Nachtkastel sollte lieber wo anders stehen.

Daß Du meine Briefe noch nicht erhalten hattest, dachte ich mir beinahe, als auch Freitag noch immer keine Antwort auf meinen Brief vom 7. eintraf.

Nun, dafür bist Du wohl Freitag entschädigt worden, denn zu Brodils habe ich noch zwei Briefe geschrieben und einen schon zu Dir nachhaus, den hast Du wahrscheinlich auch schon Samstag bekommen.

Wenn Du in die Zentrale in Weinberge kommst, hast Du wohl auch nicht weit zu Brodils. Nicht?

Du schreibst, Du verträgst Dich mit Deiner Zimmerfrau sehr gut. Jetzt bist Du doch erst eingezogen! Willst Du denn schon von vornherein streiten? Bist Du gar so rauflustig? Warte halt, bis ich komme, ich streite dann ein bisserl mit Dir.

Fredy liegt neben mir und plaudert. Alle zwei Sekunden muß ich ihn zudecken, weil er riesig viel strampelt. Wenn ich sage, er muß sich zudecken, lacht er. Ein kleiner Frechdachs. Was?

Gestern hat er sich schon einmal allein aufgesetzt. Nun wird’s wohl nimmer mehr lang dauern, so sitzt er überhaupt. Jetzt ist mir auch nimmer bange um ihn. Und mir war schon manch liebes Mal sehr bange, daß wir ihn wieder verlieren müssen.

Mit der Stillprämie ist das auch so eine dumme Sache. Hier behauptet man, die Schwester hier muß von der Kasse aus verständigt werden. Nun war Mutter auf der Kasse und dort sagte man ihr wieder, was man mir schon gesagt, der Arzt hier muß eine Bestätigung einschicken. Zu guter Letzt weiß ich nicht, ob ich überhaupt was krieg. Na, aber darüber laß’ ich mir keine grauen Haare wachsen, die kommen schon von etwas anderem.

Hoffentlich klopfen die Leute auf Deiner Straße nimmer herum, wenn ich komme, denn ich möchte doch in Prag auch schlafen.

Nun ist Mutter nach Haus gefahren und Igels wahrscheinlich gar nicht in Wien ausgestiegen. Oder wenigstens gleich weitergefahren, weil auch Frau Stix und Betty mit sind, die Tante und Schwägerin Fannis.

Unser Söhnchen will schon nimmer. Er gibt mir durch allerhand Zeichen zu verstehen, daß er aufstehen will. Schreien tut er nicht.

Bitte schreibe mir die Adressen von Tante Elise, Richard (Deinem Bruder), Emmy, Wenty und sonst fällt mir momentan niemand ein. Papa hatte ich schon geschrieben, ehe Du mich darum batest. Aber Zimmer No.11 schrieb ich nicht.

Viele Grüße an Brodils. Grüße von hier. Und unzählige Küsse von den Kindern und

Deiner Gretel.

Prag, Montag, den 17.8.25.

Du mein lieber, lieber Schatz!

Ich muß mich aber doch ärgern, aber nicht über Dich, sondern über mich selbst. Denn als wir Sonntag nach dem Essen so beim Harmonium saßen und alte Lieder sangen, da war mir so weh zu Mute und ich war so voll Sehnsucht nach Dir, Gretel, daß mir selbst die Augen übergingen. Zum Glück glaub’ ich hat’s niemand bemerkt. Es ist zwar keine Schande, um so ein liebes, gutes Weiberl zu weinen, aber lieber ist’s mir doch, wenn’s niemand weiß. Aber wir müssen doch wieder vernünftig sein und uns freuen auf unser baldiges Wiedersehen, denn wenn Du nachts nichts schlafst, dann schadest Du Dir doch und Du brauchst doch die Ruhe. Möchte so gerne von Dir träumen, jedoch gelingt’s mir nicht. Betreffs des Geldes und Deines Kommens brauchst Du Dir nicht die geringsten Sorgen machen. Wenn sonst nichts dazwischen kommt, das Geld habe ich bis zu dieser Zeit schon. Werde der Mutter nächste Woche die 55 Sch senden. 40 habe ich schon, jedoch hebe ich sie bis Samstag auf, weil die geteilte Sendung das doppelte Porto kosten würde. Hoffentlich braucht’s Mutter nicht so dringend. Solltest Du aber mit Deinem Geld, durch die vielen Auslagen in der nächsten Zeit nicht auskommen, so mach Dir nur nicht weitere Sorgen, sondern sag’ mir’s. Betreffs der Leinenschuhe bekommst Du dieselben, wenn Du sie nicht dringend brauchst, hier um 20 - 25 Kc, und Schuhe für Robert wären hier auch billiger. Überhaupt hoffe ich, daß Du Dich hier ebenfalls mit Wäsche ausstatten kannst, nur muß dieselbe gewaschen werden. Natürlich ist das nicht bestimmt und Du kommst ja nicht gleich, sondern erst in ein bis zwei Monaten. Wie ich mich freue darauf! Weißt, Du mußt an einem Samstag kommen, da kann ich Dich von der Bahn abholen und dann fahren wir zu mir und abends dann zu Brodils. O es ist schön, sich das so auszumalen. Aber nur so viel lange noch bis dahin.

Dein letzter Brief vom Walde hat mich so, so sehr gefreut, daß mich meine Zimmerfrau, als ich zu ihr hinüberkam, fragte, warum ich so lustig bin. Weißt, dieser Brief war wieder einmal von meiner alten Gretel geschrieben, so voll von Liebe. Nun muß ich beinahe eifersüchtig auf unseren großen Sohn werden, wenn er Dich nicht schreiben lassen will. Gib ihm ein recht herzhaftes Busserl dafür! Weißt, ich habe mir schon überlegt, ob Du ihn nicht mitnehmen sollst, da ja die Fahrt glaub’ ich für ihn nichts kostet, aber ich denke, es ist für Dich besser, wenn Du allein kommst, denn Du sollst einmal Ruhe und Unterhaltung haben. Heute bin ich eine Woche da, und ich glaube, daß wir beide, Fr. Vich (Schw. Brodil sagt immer zu ihr Fr. Vich) und ich zufrieden sind. Wenn Du wieder die Adresse schreibst, so mach bitte vor Vichova ein „P“, weißt, das schaut besser aus. Es heißt sonst so wie p. Adr. Richterin oder Mühlhoferin. Das P bedeutet dann Frau. Mit den Hemden ist die Sache so, daß mir das eine ungewaschene Hemd umgetauscht wurde, resp. daß mir die Frau eines nach Maß macht. Mit dem anderen wirst halt Du dann schauen, was zu machen ist. Aber nicht hier.

Liebes Kind, ich gehe schlafen.

Viele Küsse den Kindern und Dir.

18.8.25.

Liebes Weiberl!

Mit freudigem Erstaunen kam heute schon wieder ein Brief von Dir und ich nehme die Bemerkung im vorigen Brief voll und ganz zurück.

19.8.25

Gestern bin ich unterbrochen worden, da Fr. Vich kam, wegen der Ausfüllung des Meldezettels. Eine ellenlange Liste mit Fragen bis ins Unendliche. Dann erzählte sie mir noch bis nach 10 Uhr, dann kroch ich ins Bett. Nochmals zurück zu den Leinenschuhen. Dieselben kosten 19 Kc, werden aber im Herbst nicht mehr am Lager sein. Wenn Du solche willst, so bitte schreibe mir Deine Nummer. Von Brodils soll ich Dir immer wieder viele Küsse senden. Ich war heute abends bei ihnen und wir haben 2 Stunden miteinander verbracht im Walde, wo ich mein mitgebrachtes Nachtmahl, Butterwecken, verzehrte. Ich glaube, daß ich sagen darf, daß man mich gerne hat, besonders Frau Brodil, da ich jedes Mal wirklich sichtbare Freude sehe. Letzterer geht’s übrigens besser und sie kann schon Butterbrot essen. Wenn sie so viel Glauben hätte als ich, daß sie gesund wird, dann wäre die halbe Genesung schon erreicht.

Ja, noch eine Neuigkeit. Ich habe mich vorige Woche ratzekahl scheeren lassen. Nur gut, daß Du mich nicht siehst, sonst würdest Du vielleicht wieder davonfahren. Aber brauchst keine Angst habe, bis Oktober habe ich schon Haare. Habe auch mit Frau Brodil betreffs der etwaigen Übersiedlung, ich meine später einmal mit den Kindern, gesprochen und man wird ja sehen, was sich machen läßt. Vielleicht findet sich draußen, wo Brodils wohnen, etwas. Nun, vor dem Frühjahr ist’s ja so nichts, denn im Winter ist’s wohl für Euch in Wien besser. Nun bis Du kommst, weiß ich vielleicht schon mehr. Könntest übrigens einmal ein paar Zeilen an Brodils beilegen, oder separat schreiben.

Wegen der Stillprämie muß Dir der Arzt auf jeden Fall eine Bestätigung geben, bekommen mußt Du dieselbe von der Kasse bestimmt. Daß Fredy nun schon so weit ist, macht mir sehr, sehr große Freude, denn auch ich habe manchmal an seinem Fortkommen gezweifelt. Ich denke aber, wir sind halt verwöhnt durch Robert, denn eigentlich krank war ja Fredy nie. Wenn ich wieder nach Wien komme, wird er ja schon bald laufen, der kleine Frechdachs.

Jetzt kommen die Adressen:

E. Rudrich, XIX., Nußdorferplatz 5

Richard Sch., Mauer, Valentingasse 7

Emmy D., XIX, Armbrustergasse 15

G. Lihotzky, Neulengbach, Haag 27

Wenty Karl, XII., Sechtergasse 8

Mit unserer Straßenherumklopferei ist’s bald vorbei, denn in vielleicht 1 bis 2 Wochen sind s’ schon fertig, und die Straße frische gepflastert zum Empfang für Dich.

Möchte Dich so drücken, wenn Du nur hier wärst und gar nicht ein bissel streiten. Weil’s aber nicht sein kann, so schreib ich Dir halt die vielen Busserln und auch den Kindern und viele Grüße an Mutter und Trude und allen.

Robert

Ternitz, 19.8.1925

Mein Liebling!

Wir sitzen bei der eisernen Brücke, Robert nimmt ein Wasser-, Fredy ein Sonnenbad (den Kopf natürlich im Schatten). Du solltest Robert herumplantschen sehen. Das Wasser ist seicht und warm. Da liegt er einmal am Bauch und einmal am Rücken, dann sitzt er wieder und ist quietschvergnügt dabei. Schade, daß ich nicht mit ihm im Wasser sein kann, dann könnten wir etwas tiefer hinein. Aber Trude hat nachmittag immer Urlaub und geht wohin es ihr gefällt.

Kind, wie gerne ginge ich mit Euch baden, aber bis ich zu Dir komme, ist’s ja kalt. Im übrigen richte bitte meinen herzlichsten Dank aus für all’ die lieben Einladungen. Ich wollte, ich könnte denselben schon Folge leisten. Gedenke aber doch bis zum Herbst (Ende September) hier zu bleiben. Ich glaube sogar, es wird mir der Abschied wieder ziemlich schwer werden. Wenn dann nicht die Aussicht wäre, zu Dir zu kommen!

Kind, Du klagst immer, ich schreibe Dir so wenig. Kontrolliere einmal, ob Du alle Briefe von mir hast. Ich schrieb Dir nach Prag zu Brodils am 4. Aug., 7. Aug. und 10. Aug., in Deine Wohnung am 13. und am 16. August, vor diesem Brief. Den Brief vom 7. glaube ich hast Du wahrscheinlich nicht bekommen, weil Du gar keine Erwähnung davon machst. Es war zum größten Teil ein Bericht über das Feuer bei Otto Polak.

Schatzl, mit der Verrechnung wird’s scheinbar immer komplizierter. Ich habe nämlich diese Woche gar kein Geld bekommen. Habe die heutige Post noch abwarten wollen, ehe ich Dir schreibe. Nun erwarte ich aber diese Woche schon nichts mehr. Es ist nur gut, daß ich doch einigen Vorrat hatte.

20 S hatte ich noch von Rudolfs Geld und 15 S von der Firma. Habe nämlich 35 S gebraucht diese Woche, weil wir uns täglich anstatt ¼ kg einen halben Kilo Obst kauften, die 4 S aber brauchte ich für Kautschuk, Kamm und ein Häferl. Robert hat uns eine Schale zerschlagen und wir mußten nun alle drei aus einer Schale trinken. Nun habe ich wieder Sorge, Lieb, ob’s Dir nicht auch so gegangen ist und Du kein Geld hast.

Die Hemden scheinen wirklich nicht teuer zu sein. Es fällt mir dabei ein, daß Du schriebst, es ist alles billiger als bei uns. Weißt Du denn, was bei uns Stoffe kosten?

Wann ich zu Dir komme? Lieb, mein Lieb, am liebsten gleich! Na, wenn ich nach Wien komme, werde ich sofort meinen Paß und Visum u.s.w. besorgen, und dann soll’s losgehen.

Fredy hat diesmal 40 dkg zugenommen.

Also bitte schreibe mir, was Du über die Geldsache denkst. Grüße und Küsse an Brodils!

Viel tausend Busserl! Gute Nacht!

Gretel

Prag, Freitag, den 21. August 25

Liebes Kind!

Ein paar Zeilen muß ich Dir doch schreiben, trotzdem es schon ½ 11 Uhr ist. Bin eben mit einem Brief an Emmy fertig geworden.

Weiberl, weißt Du, wo wir heute vor einem Jahr waren? Und was vor 4 Jahren war? Ich muß seufzen, seufzen und wieder seufzen. Mach mir’s nicht nach. Aber ich möchte Dich heute so bei mir haben, und Dich so, so fest an meine Brust drücken, in der das Herz so laut in der Erinnerung pocht, an damals. Ja, damals glaubt ich, Du gehörst mir, wir gehören uns. Vieles, Lieb, ist in der Zeit über uns gekommen, zwar kein besonderer Schicksalsschlag, jedoch mancher Schmerz über Dich und auch mich, auch viel Freude und Liebe.

Aber besser als je fühle ich es aus Deinen, besonders den zwei letzten Briefen, und fühle es in mir, daß diese Liebe von damals noch in uns ist. Vielleicht geläuterter, vielleicht auch unvernünftiger als damals. Und das, mein liebes Weiberl, macht mich glücklich. Trotz des Alleinseins. Schlaf wohl, mein Lieb, ich geh jetzt ins Bett. Viele tausend Küsse.

22.8.25

Mein Lieb! Komme eben vom Land, von Brodils, die Dich wie immer grüßen und küssen lassen. Deinen lieben Brief vom 19. habe ich erhalten und ärgere mich, nicht über ihn, sondern über die Schlamperei bei Siemens. Nun habe ich heute die 55 Schillinge aufgegeben, wenn es Dir nicht ausgeht, so nimm halt einstweilen einen Teil davon. Ich glaube bestimmt, daß Du noch Geld bekommen hast nach Absendung Deines Briefes. Nun ich werde sofort Montag nach Prag telefonieren zur Hauptpost und die drinnen sollen einen Brief schreiben an S.u. H. Bei Schuckert gab’s solche Schlampereien nicht. Wegen mir brauchst Du Dich nicht zu sorgen, wir bekommen ja unser Geld nicht von Wien sondern von hier.

Aber jetzt kommt ein Vorschlag betreffs Deines Kommens. Am Wenzelstag, d.i. Montag d. 28. Sept. haben wir voraussichtlich frei. Wenn Du Dir’s so einteilen könntest, daß Du den vorhergehenden Samstag, d.26.9. um 7 Uhr früh mit dem Schnellzug abfahren könntest, Du wärst dann um 2.10 Uhr in Prag, so hätten wir zweieinhalb Tage, die wir miteinander verbringen könnten. Das wäre natürlich sehr, sehr schön, nur müßtest Du halt die letzte Septemberwoche nach Wien. Also überlege Dir’s und schreibe mir darüber. Betreffs der Paßbesorgung hat mir zwar das Paßbüro Schuckert versprochen, Dir denselben zu besorgen, jedoch denke ich, Du müßtest auf alle Fälle zweimal zu Schuckert fahren, so daß Du in der Zeit Dir die Sache selbst besorgen kannst. Du kannst Deinen alten Paß abgeben und brauchst dann nicht einmal ein Paßbild. Und zwar auf dem Bezirkskommissariat. In 1 - 2 Tagen glaub’ ich kannst Du Dir ihn abholen. Kostet 3 Schilling. Wenn bis dahin das Visum noch nicht aufgehoben ist, brauchst Du ein Mittellosigkeitszeugnis und zahlst dann zka. 1 Sch. Das cech. Konsulat ist im Cumberland-Palais in der Penzingerstraße, 58 oder 60 Elektrische. Dort wirst Du wohl einige Stunden warten müssen.

Was wirst Du denn für einen Koffer nehmen? Ich glaube, keinen großen, denn viel brauchst Du doch nicht und wenn Du zurückfährst, kannst Du meinen Reisekorb mitnehmen. Fanny sagte heute, Du mußt unbedingt einen Monat hierbleiben. Übrigens am 28.10 ist hier Staatsfeiertag (à la 12. Nov.). Nun wir werden ja sehen und das hängt ja auch von Mutter ab. Ich bin jetzt zufrieden, wenn ich Dich auf einige Tage hier habe (ob ich’s dann bin, weiß ich noch nicht). Heute mußte ich auch so an Dich denken, so von 3 bis 6 in der Nacht. Aber ich bin vernünftig und lebe in der Freude Deines Kommens.

Vor mir liegt am Tisch meine gewaschene Wäsche und ich bin froh, daß sie wieder rein ist. Habe nämlich gar nichts mehr gehabt. Socken habe ich mir schon 4 Paar gekauft, die alten sind kassiert.

Den Brief vom 7.8. habe ich wirklich nicht bekommen, wahrscheinlich ist er, weil Brodils nicht zu Hause waren, verschwunden. Betreffs der Stoffe weiß ich zwar nur beiläufig, was die Stoffe kosten, jedoch wirst Du Dich ja selbst überzeugen können, daß alles tatsächlich billiger ist. Nimm Dir also nicht viel Wäsche mit, ich möchte doch, daß Du so viel wie nur möglich von hier mitnimmst. Und bitte schreibe mir ob Du noch Geld brauchst und wieviel, damit ich mir’s einteilen kann. Werde den Brief morgen früh aufgeben, vielleicht geht er weg.

Mit Küssen

Dein Robert

Ternitz, 21.8.1925

Herzlieb!

So, die Kinder sind glücklich im Bett, schlafen allerdings noch nicht. Aber finster ist’s auch gleich, so will ich doch anfangen zu schreiben. Fredy kratzt schon wieder an seinem Dach. Robert glaubt, er zerreißt seinen Wagen.

Schatzerl liebes, ich hab’ heute Deinen lieben Brief vom 17., 18., 19. bekommen. Er hat mir sicher ebensolche Freude gemacht wie Dir der Meine aus dem Walde. Trotzdem ich abermals dabei weinen mußte.

Lieb, mein Lieb, hast Du denn wirklich um mich geweint? Hast Du mich doch so lieb? Wie eng es mir da wieder wird. Wie möchte ich Dich in meinen Armen halten und drücken, so fest, so fest.

Die Kinder schlafen schon beide; ist ganz klaglos gegangen. Auch Trude hat mir eben „gute Nacht“ gesagt. Aber nun ist’s schon ganz finster und noch nicht einmal 8 Uhr. Gute Nacht!

22.8.1925.

Die Schuhe brauche ich sehr dringend, Kind, denn die hohen will ich mir doch sparen; man vertritt ja heraußen viel mehr die Absätze und dann wird der ganze Schuh dadurch ruiniert. Ergo ziehe ich sie nur an, wenn’s gar nicht anders geht. Abgesehen davon, daß mir die Leinenschuhe bequemer sind.

Über Wäscheausstattung u.s.w. sprechen wir lieber, wenn ich bei Dir bin. Glaubst Du, daß die Paß- und Visumerledigung lang dauern wird?

Ich sitze im Bett und Fredy liegt neben mir. Das Wetter ist mir nämlich zu unsicher, um in den Wald zu fahren. So benütze ich die Zeit, wo der Kleine ruhig ist, um Dir zu schreiben. Fast wär’s nicht dazu zu kommen.

Trotzdem meine eigentliche Arbeit täglich nur 3 bis 4 Stunden in Anspruch nimmt. Aber da ist manchmal der Kleine umzutragen, 4 mal täglich ein Papperl zu kochen, was je 20 bis 30 Minuten in Anspruch nimmt. Na also, mein, nein unser Frederl will nimmer, nun heißt’s wieder spazieren fahren.

23.8., wieder im Walde.

Du siehst, Kind, es dauert nie lange. Im Wald ist’s noch am ehesten zu erreichen, daß ein Brief fertig wird. Noch dazu da Robert mit seiner Wohnung vollauf beschäftigt ist. Ich wollte, der Kleine könnte schon mitspielen.

Du mein lieber, lieber Schatz, heute ist meine Sehnsucht wieder besonders arg. Macht’s, weil Sonntag ist oder weil ich schon wieder zwei Tage keinen Brief von Dir erhielt. Es ist mir immer die angenehmste Beschäftigung des Tages, wenn ich das Vormittagspapperl kochen kann und dabei einen Brief, solch lieben Brief von Dir lesen kann. Fredy weint schon wieder. Er ist heute recht grantig. Bricht auch fortwährend, trotzdem er keine Extrawürstel bekommen hat. Muß ihn doch ein bisserl nehmen, den kleinen Schreier.

Nun haben wir ein halbes Stündchen gespielt. Fredy hat sehr herzlich gelacht; und jetzt trinkt er. Ich glaube, Schatzerl, Du wirst unseren kleinen Buben gar nicht erkennen, wenn Du ihn mal wiedersiehst. Die Augen färben sich langsam braun, aber die Haare werden immer blonder, das Gesichterl immer dunkler. Die Augen haben nur mehr einen kleinen grauen Streifen. Innen sind sie ganz braun. Ich hab’ ihm nämlich grad „in d’ Äugerln g’schaut“. Aber trüb sind sie Gott sei Dank nicht.

Ich selbst fühle mich schon 14 Tage gar nicht wohl. Wenn ich nicht Gegenbeweis genug gehabt hätte, ich könnte glauben, es kommt etwas Kleines. Ich denke aber, wir brauchen keine Angst haben. Ich werde in Wien zum Arzt gehen, wenn’s nicht besser wird.

Ich hab’ grade Schnackerl. Denkt Ihr an mich, Du und Brodils? Sag ihnen, sie sollen nicht bös sein, daß ich noch nicht schrieb. Aber schau, Schatz, ich wollte Fuhriman schreiben, bin aber bis jetzt auch nicht dazu gekommen. Wenn Br. Hansen kommt, sag’ ihm, ich laß’ ihn grüßen! Ich wollte, er käme mich auch besuchen. Ich hab mich immer gefreut, wenn er kam.

Herzlichen Dank für die Adressen. Wenn ich überschüssiges Geld habe, dann werde ich mal alle Post erledigen. Hoffentlich kommt morgen eines. Sonst stehe ich vor dem Nichts. Habe zwar vielleicht einigen Kredit bei den Ternitzer Kaufleuten, aber lieber nicht.

Mußte eben ein wenig mit meinem großen Sohn raufen, im Spaß nur. Er hat sich sehr über das herzhafte Busserl gefreut. „Das ist schön vom Vater“, hat er gesagt.

Herzerl, ich muß schließen, sonst kriegst Du den Brief auch heute nicht. könnte ich Dir so viel schreiben, mein Lieb, wie ich an Dich denke, Du hättest den ganzen Tag daran zu lesen.

Freue mich schon unbändig, wenn ich Dich wieder habe. Aber ob’s nicht darnach noch schlechter wird? Viele Busserl an Brodils. Dich umarmt und küßt innigst

Dein Weiberl und Kinder

Ternitz, 24.8.1925

Du mein lieber, lieber Mann!

Geld und Brief vom 21.-22. heute erhalten. Ich hätte das Geld wohl nicht dringend gebraucht, Schatz, aber man weiß ja nie, was kommt. Ich bin mit meinem Geld gerade bis auf einige Groschen ausgekommen.

Von der Firma erhielt ich, gleichfalls heute, 78 S 10 gr. Kind, glaubst Du nicht, daß die Firma immer den Lohn für zwei Wochen auf einmal schickt? Meiner ganz ersten Rechnung nach müßte es dann so ziemlich stimmen. Die 1. Woche 18 S, die zweite 36 S, macht 54 S, die man mir bezahlte. Nun wären es allerdings zweimal 39 S, was mir weniger verständlich ist, da, wenn von 48 S Wochenlohn noch Abzüge und 10 S Vorschuß abgerechnet werden, doch unmöglich 39 S übrig bleiben können. Also, das sind mir spanische Dörfer. Ob so oder so. Ich wäre schon froh, wenn ich einmal im Klaren wäre, was ich eigentlich rechnen kann, pro Woche zu erhalten. Daß diese dumme Geldfrage immer einen Großteil unserer Briefe verschlingen muß. Wieviel lieber wollt’ ich Dir nur von meiner Liebe, meiner Sehnsucht schreiben. Ja, mein Lieb, wenn’s halbwegs möglich ist, komme ich am 26. September. Nun Schatzerl, ob ich einen Monat bleibe ? - Ich glaube es nicht, da würde mir wohl die Ruhe dazu fehlen. Die Sorge um meine Kleinchen läßt mich ja nicht ruhen.

Heute ist Fredy ein wenig krank. Heiser ist er und wahrscheinlich hat er auch Halsschmerzen. Es schaut entzündet aus. Ich selbst habe ja schon seit 5 Tagen Halsweh. Vielleicht schadet uns die scharfe Nachtluft.

25.8., im Walde

Heute ist Fredy etwas besser, ich hatte nachts das Fenster zu. Es ist doch schon empfindlich kühl. Ich huste auch. Na, Liebling, bis ich zu Dir komme, wird’s schon wieder gut sein.

Fredy hat sich eben zweimal aufgesetzt ohne anzuhalten. Wenn ich ihm den Finger gab und sagte „auf!“, so setzte er sich mit ganz weniger Benützung meiner Hilfe schon seit 14 Tagen auf. Noch fällt er wieder zurück, wenn er sitzt, wenigstens nach ganz kurzer Zeit. Aber Du siehst doch, daß er, wenn auch nicht so dick, so doch sehr kräftig ist; doch wenn er mal sich ohne anhalten aufsetzt, dann dauert’s auch nur mehr ein paar Tage, bis er ganz fest sitzt. Und nun ist er doch erst 5 Monate. Also ein Monat vor der normalen Zeit.

Robert klagt eben, daß die Brombeeren schon gar sind, ich hatte ihm welche gepflückt.

Ja, Schatzerl, wenn Du keine Haare hast, kann’s Dir wohl passieren, daß ich Dir gleich wieder fortfahre. Oder ich laß’ mir als Revanche einen Bubikopf schneiden.

Übrigens habe ich Robert knapp nachdem Du uns das letzte Mal besuchtest auch ratzekahl geschoren, weil ihm gar so heiß war. Nun da Trude da ist, ist’s auch sonst besser. Ich habe nämlich schon bei Trude, bei mir, und sogar bei Fredy je eine Laus gefunden. Kannst Dir meine Freude vorstellen! Trude und mich habe ich sofort pritschnaß mit Petroleum angeschüttet, zu Trudes größtem Schmerz. Bei dem Kleinen ist es ja leichter zu kontrollieren, weil man bis zum Grund sieht und ich ihn doch etliche Male des Tages ansehe.

Lieb, mein Lieb, Du fragst, ob ich weiß, was am 21. war. Glaubst Du denn, Kind, ich könnte vergessen, wann ich Dein eigen geworden. Ich seufze aber wirklich gar nicht. Bin nur voll Freude, Liebling, daß Du gleich mir fühlst, daß unsere Liebe sich eher vermehrt, als verringert hat; was immer auch schon manchmal zwischen uns stand. Bin doch mit ganzem Herzen und ganzer Seele Dein, mein Mann! Und daß wir voriges Jahr am 21. in Eberschwang waren - auch das hab ich nicht vergessen.

Jetzt hat uns ein Gewitter heimgetrieben. Wir haben „Zug“ gespielt, beim Heimfahren. Aber Robert meinte, der Zug ist schon müde, der kann nimmer so schnell laufen.

Ja, Fredy kann auch schon ei-ei sagen und machen. Ich muß Dir doch alle Fortschritte melden. Gelt, Liebes Du?

Schließe nun, denn unser kleiner Schatz schreit schon wieder. Es hat eben sehr viel gebrochen.

Viele Grüße und Küsse an Brodils. Dich küßt innigst

Deine Gretel


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