Grete Schröfl - Robert Schröfl: Korrespondenz


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Sofia, den 9.1.40

Meine Lieben!

Die Fahrt, sie hat 36 Stunden gedauert, weil der Zug beinahe 2 Stunden verspätet ankam, ist gut vorüber.

Die armen Gatschaloffs waren Sonntag und Montag vormittags am Bahnhof, bei ziemlicher Kälte, da sie meinten, daß ich auf jeden Fall am Vormittag komme.

Herrlich war das Fahren von Gloggnitz bis Semmering, bei strahlender Wintersonne, nur schade, daß ich meinen Apparat in den Koffer verpackt hatte, es wären dort gewiß schöne Aufnahmen zu machen gewesen. Nach dem Semmeringtunnel hatten wir wieder Nebelwetter und erst nach der Grenze kam wieder Sonne. Während der Fahrt bis zur Grenze kam ein W. H. W. Sammler und wollte mir ein Abzeichen anbieten, doch mußte ich ablehnen, da ich kein deutsches Geld hatte. So gab er mir ein Abzeichen so, damit ich außer meiner Wiener Blumenfrau auch ein W. H. W. Abzeichen von der Steiermark habe.

Von Steinbruck bis Agram hatte ich eine lustige Gesellschaft von einer Standlfrau aus Wien, die zu ihrer Tochter nach Belgrad fuhr. In Agram trennten wir uns, weil ich, damit ich nicht 5 Stunden dort warten muß, mit dem Personenzug weiterfuhr. Ich war dann bis knapp vor Belgrad mit einer Schwabenfamilie aus der deutschen Ansiedlung bei Novy Sad beisammen, der Mann erzählte mir verschiedenes aus seiner Heimat und so verging, auch mit ein bißchen Schlaf, die Nacht. In Agram hatte ich zu Abend gegessen, in Belgrad trank ich Kaffee, in Nisch aß ich wieder Mittag, so daß ich ganz satt in Belgrad ankam. Hier war der zweite Feiertag und Gatschaloffs wollten eben „na gosti“ gehen. Zu Herrn G.s Bruder mit der lauten Frau. Na, da ging ich gleich mit und wir blieben dort bis 1 Uhr.

G.s freuten sich natürlich riesig, die Kinder führten einen Springtanz auf und ich mußte mir die Ohren zuhalten vor dem Lärm.

In Russe ist morgen Übernahme der Anlage und ich hätte schon heute abends fahren sollen, doch richtete ich mir die Sache so ein, daß ich erst morgen früh und bei Tag fahre. Vielleicht gehe ich dann schon morgen zu Marinoffs.

Heute bin ich mit Weska und Ivantscha allein daheim, die andern sind wieder zu Gast, ich will mich aber einmal ordentlich ausschlafen.

Herr Halatscheff, Du kennst ihn ja, Mutter, vom Justizpalast, kommt wahrscheinlich Ende Jänner nach Wien und würde ein Zimmer für 2 Herren brauchen. Was kann denn das kosten?

Nun hoffe ich, daß bei Euch alles gut geht.

Mit vielen Busserln

Vater

Wien, 16. Jänner 1940

Mein Liebes!

Das wird nun ein Brief auf Raten. Gerade kam Dein Schreiben vom 9.d. M. Wenn Dein Zug nur 2 Stunden Verspätung hatte, hast Du ja noch Glück gehabt.

Wegen des Zimmers für 2 Herren kann ich Dir leider auch nichts schreiben. Du schriebst auch nicht einmal, ob das privat und für länger, dann rechne ich circa 40 - 50 RM pro Monat, oder ob es im Hotel sein soll. Da würde Dir Dein Fotograf eher über die Preise Auskunft geben können.

Wenn mein Brief ebenso lange nach Sofia braucht wie Deiner nach Wien, bekommst Du ihn gerade noch vor der Abreise. Ob es nur der Zensur wegen oder auch wegen des vielen Schnees ist, daß die Post so lange unterwegs ist? In unserer Ecke türmen sich die Schneemassen neben dem Gehsteig schon ca. 1 ½ m. Frau Kroger mußte heute beim Fenster heraussteigen. Die Dächer aber sind durch den Sturm fast leer.

Es küßt Dich fest und innig

Deine Gretel

Wien, 18.1.1940

Lieber Mann!

Wenn ich nun noch lange warte auf die Nachricht von Deiner Ankunft in Sofia, bist Du eher wieder daheim. Also doch schnell ein paar Zeilen.

Ich hoffe nur, daß die Witterung bei Deiner Heimfahrt günstiger ist als jetzt, damit die Züge nicht wie in der Vorwoche an der jugoslawischen Grenze 2 Tage im Schnee stecken bleiben.

Bei uns ist soweit alles in Ordnung, nur so kalt, daß mich das Arbeiten eigentlich gar nicht freut. (Schreiben auch nicht.) In der Vorwoche konnte ich die Zimmertemperatur nicht über 12 Grad bringen. Na, wird auch vorübergehen.

Sonntag waren wir bei Wentys. War wieder ganz interessant.

Dienstag kamen Fredys erste Lehrbriefe, nachdem schon einige Tage vorher seine Aufnahme bestätigt wurde. Aber er schreibt Dir ja selbst darüber.

Robert war heute bei Herrn Dohnal. Er läßt Dich grüßen. Briefe von Herta und Lina lege ich bei. Auch von Herrn Hantsch und den anderen Herrn aus Berlin kam eine Karte, die schicke ich aber nicht mit.

Eben brachte Robert seine Fotos. Alle 8 Bilder sind gut, eigentlich nein, nur 7. Das Weihnachtsbild ist verschwommen.

Heute habe ich den ganzen Tag Hausschuhe geflickt. Montag gehen wir ins Deutsche Volkstheater, doch weiß ich nicht, was gespielt wird.

Grüße mir alle in Sofia und Russe. Unser Töchterchen und Dich küßt innig

Deine Gretel

Wien, d.18.1.40

Lieber Vater!

Diese Woche sind die ersten Lehrbriefe aus Frankenhausen gekommen. Es ist auch ein Modell zum Zeichnen dabei. In Deutsch und Rechnen fangen sie mit den ganz ersten Grundbegriffen an. Also bis jetzt ganz leicht. In der Bude ist auch alles in Ordnung. Was gibt es bei Dir Neues? Bitte lasse alle recht herzlich grüßen.

Viele Grüße

Fredy

Wenn Dich Katja fragt, warum ich so wenig schreibe, erkläre ihr bitte, wie das mit der Briefzensur ist.

19.1., morgens

Draußen wütet ein Schneesturm und mir wird immer banger um Deine Heimreise. Seit gestern ist’s auch wieder furchtbar kalt, nachdem es drei Tage annehmbar war.

Sag’, hast Du die Firma wegen des Gehaltes verständigt?

Nochmals viele Busserl, Mutter

Nun fällt mir eben noch ein: Samstag kam von Aussee ein Paket mit 6 kg Salz und ½ kg Butter. Nun sind wir mit Salz wohl auf ein halbes Jahr versorgt. Robert ist jeden Sonntag bei uns. Diesmal will er schon Samstag kommen.

Gestern wollte ich für Robert eine Turnhose kaufen, konnte sie aber trotz Kleiderkarte nicht bekommen, weil er über 14 Jahre ist. Da braucht man einen weiteren Sonderbezugsschein.

Robert quält übrigens wegen eines neuen braunen Hemdes, weil man beim Studentenbund wieder andere Hemden trägt.

Nun aber wirklich Schluß. Gute Nacht, Liebes! Und auf baldiges Wiedersehen! Deine Gretel

Wien, 25.1.1940

Liebster!

Also nun habe ich Deinen, oder wenn Du willst, meinen Schützling in seiner neuen Behausung abgeliefert. Er wohnt in der Schikanedergasse 5. Es ist ein Kabinett, ungefähr wie Großmamas größeres. Der Preis ist 20 RM pro Monat, also sehr billig.

Alles wäre schön, nur die Quartierfrau könnte sympathischer sein. Na, aber vielleicht ist’s nicht so arg, wie es den Anschein hat. Heute kam sie mir schon bedeutend netter vor als gestern. Na, aber über die Sache dann mündlich.

Nun stelle Dir aber das Pech Herrn Halatscheffs vor. In der Nähe von Zagreb wurde ihm sein großer Koffer gestohlen. Er kam in Wien an nur mit den Kleidern auf seinem Leib und dem kleinen Koffer mit Proviant.

Ich habe ihm von Dir ein Hemd geborgt, von Robert Handschuhe, ein Handtuch und Seife. Heute haben wir gleich bei seiner Kartenstelle (evangelische Schule) Lebensmittelkarten und Kleiderkarte besorgt.

Jedenfalls bin ich ganz todmüde; wir sind gestern den ganzen Tag gelaufen und heute wieder.

Bei der Gelegenheit erfuhr ich aber auch, daß Bezugscheine für Schuhe nur sehr schwer und nach wochenlangem Warten zu bekommen sind. Wenn Du also Geld genug hast, bitte bringe doch für Robert Schuhe mit. Keine breite Form, Nr.41 und möglichst glänzendes Leder, aber nicht Lack.

Bei uns ist alles beim alten. Auch Koks haben wir trotz schlechter Zufuhr heute wieder 100 kg bekommen. Haben in dem Monat schon sehr viel verbraucht und doch frieren wir ständig.

Aber es ist 10 Uhr und ich gehe jetzt schlafen; mein Kopf ist schon ganz dumm. Morgen früh auf Wiederschreiben! Gute Nacht!

26., morgens. Guten Morgen, mein Lieb!

Wie wird’s wohl Halatscheff ergangen sein? Der arme Kerl tut mir ja sehr leid und wenn ich nicht ohnehin genug Wirbel hätte, hätt’ ich ihn am liebsten hierbehalten.

Ja, noch etwas! Er hatte 20 Stunden Verspätung. Bereite Dich also auch auf etwas Ähnliches vor. Und setze Dich womöglich auf Deinen Koffer, damit es Dir nicht geht wie ihm. Man sagte ihm bei der Polizei, solche Fälle kommen in der Gegend häufig vor, daß man die Leute im Schlaf beraubt.

An Gatschaloffs recht herzlichen Dank für die guten Sachen, die sie uns geschickt haben. Besonders die Süßigkeiten haben natürlich bei den Kindern Anklang gefunden. Fredy meint, er könnte 1 kg Halva auf einmal essen. - Der Extrakuß wird auch extra erwidert.

Fredy hat ab Montag 29.1. 15 Arbeitstage Urlaub und freut sich natürlich riesig. Rommels sind auch auf Urlaub beim Erlaufsee.

Olga hat von Halatscheff Kaschkaval gekostet und will nun unbedingt, daß Du ihr ein kg mitbringst. Halatscheff sagt, Lebensmittel gehen anstandslos durch, bis auf Tee und Kaffee. Na, er hat ja nicht viel gehabt.

Nun, abholen kann ich Dich diesmal ja nicht, wenn ich nicht weiß, wann Du kommst. Wenn Dir der Koffer allein zu schwer wird, rufe mich von der Bahn an und warte auf mich.

Fredys zweite Lektionen sind Montag angekommen. Deine Karte aus Russe auch Montag. Halatscheff Dienstag abend 9 Uhr und Deine Flugpostkarte Mittwoch früh.

Viele Grüße an alle Bekannten, besonders an Gadschaloffs.

Halatscheff läßt Dich bitten, ein Paket mit Wäsche, das Dir seine Mutter sendet, mitzunehmen.

Nun, Liebes, lebe wohl und auf baldiges Wiedersehen. Ich habe manchmal schreckliche Sehnsucht! Es küßt Dich innig

Deine Gretel

Sofia, den 29. August 1940

Mein Liebes!

Nun warte ich doch schon täglich auf Nachricht von Dir. Ich sandte Dir zwar nur eine Flugpostkarte, aber trotzdem hoffe ich auf einen Brief von Dir. Meine Fahrt nach Sofia ging zwar schon in Wien mit beinahe 1 Stunde Verspätung an, doch wurde dadurch die Flugzeit bzw. die Aufenthalte in Pest und Belgrad verkürzt; wir kamen um ca. 16 Uhr in Bogarischte (Flugplatz) an. Der Flug war von Wien meist entlang der Donau bei schönem reinem Wetter. Das Flugzeug war von Wien bis Belgrad eine JU 90 mit 4 Motoren und einer Gesamttragkraft von 23 Tonnen. Von Budapest bis Belgrad hatten wir öfter starke Schwankungen durch Luftlöcher. Ich dachte dabei an Dich, trotzdem keinem der Fahrgäste (es waren an 40) schlecht war. Auf der Fahrt kamen wir über stark überschwemmte Gebiete, wo die Äcker gänzlich verschlammt waren oder unter Wasser standen. In Belgrad aß ich zu Mittag. Ich erfuhr erst zu spät, daß die Lufthansa dort ein kostenloses Frühstück verabreicht (Tee, Schinken, Brot). Von Belgrad hatten wir eine JU 52, dieselbe Maschine, mit welcher ich im Februar hinauffuhr. Es war dabei halbbewölkt, wir flogen zwischen 1400 und 1800 m, meist ober den Wolken. Die Fahrt über das Gebirge war herrlich. Am Ende hatten wir die Bahnlinie unter uns und ich konnte erst bemerken, wie sich die durch das Gebirge durchschlängelt. Wir überflogen Dragoman und Slivnitza, wo ich genau das Haus von Gatschaloffs Bekannten, wo ich mit zu Besuch war, erkennen konnte. In Bogarischte gelandet, wurde ich gleich von der Flugleitung verständigt, daß ein Mädel, vielleicht mein Kind, wie er sagte, schon seit 5 Tagen nach mir fragt, und der Beamte verständigte sofort Tante Mara. Also erwartete mich schon bei der Ankunft des Autobusses ein Spalier von Frau Hornstein, Frau Gatschalova und Katja. Alles staunte beim Aussteigen über den herzlichen Empfang. Weska war eben im Bad, so wäre der Empfang zugleich auch laut geworden. Ivanscha war in einem Sommerlager von der russischen Schule und kam erst Samstag heim.

Sonst ist nichts besonders Neues. Es ist die Zeit der Melonen, die Weintrauben sind auch schon am Markt, doch noch teuer (10-12 Lewa). Ich glaube nicht, daß ich vor Anfang Oktober heimkomme, da hier sehr viel Arbeit ist. Im Justizpalast wird ab Montag eingezogen und ich bin bis 7 Uhr abends dort.

Nyman ist auch hier, doch ohne Frau, die sitzt am Wolfgangsee und sendet in ihrer Angst um die Treue ihres Mannes einen Brief um den anderen an Frau Hornstein. Die hat ihr aber schon den Kopf gewaschen.

Ich soll Dich natürlich von allen schön grüßen. Herr Hornstein wird voraussichtlich bis März in Sofia bleiben, auf diese Art wird auch seine Frau hierbleiben. Wenn nicht, so fliegt sie wahrscheinlich mit mir nach Wien. Sie ist natürlich besorgt wegen der Luftangriffe auf Berlin.

Fährt Trude nach Stang? Was ist’s mit Linas Besuch? Wie ist’s mit Robert ausgegangen? Was macht er?

Ein Sohn von Tante Raina ist in Kottingbrunn in einem Lager von hier aus zur Arbeit gegangen. Nun, er ist der jüngste (etwa 20 Jahre) und fühlt sich recht einsam und will am liebsten wieder zurück. Vielleicht wenn man ihm irgendwie behilflich sein könnte? Wenn ich wieder heimkomme, kann ich ja hinausfahren.

Gestern war ich mit Hornsteins in „Rigoletto“. Der Brief soll heute noch weg.

Viele Busserln

Robert

2.9.1940

Mein lieber Mann!

Nun bist Du schon 12 Tage fort und ich habe noch immer nicht geschrieben. Eigentlich recht garstig von mir, gelt? Aber diese Woche habe’ ich wieder weniger zu tun, also schreib’ ich gleich.

Gestern vor 8 Tagen war ich in Kritzendorf und gestern in Weidlingau mit Hansi. Wir sind dann in die Baunzen gegangen. ’s war recht schön. In der Meierei habe ich recht guten Kaffee, Hansi und Frau Schäfer saure Milch getrunken und alles kostete 51 Pfennige. Die Buben waren gestern in der Messe.

Vorgestern war ich mit Robert einkaufen. Einen schönen Sportanzug, dunkelgraublau. Eine Windbluse und ein Skihemd. Jetzt will er noch eine Skihose und Stahlkanten an den Skiern.

Außerdem 3 bis 4 Tage auf den Schneeberg fahren. Da werden die 200 RM, die er bekam, gerade reichen. Das Fahrgeld Möllersdorf wird wohl auf unserem Konto bleiben, ich möchte ihm aber doch die Freude nicht verderben.

Fredy möchte natürlich auch Stahlkanten und vor allem andere Goiserer, da er mit den Schuhen von Bernhard doch nicht fahren kann, weil die Sohlen zu dünn sind. Ich glaube aber kaum, daß er dazu einen Bezugsschein bekommt, selbst wenn wir ihm zu Weihnachten welche kaufen möchten.

Werner kommt vermutlich erst Ende der Woche heim, da ich schon um den letzten Termin gefragt wurde. Lina kommt Ende September oder Anfang Oktober. Es wird sich schon hinausziehen, bis Du wieder daheim bist.

Deine Karte von der Ankunft erhielt ich Donnerstag. Wie geht es geschäftlich? Außergeschäftlich kann ich mir ja denken, daß Du von allen Seiten verwöhnt wirst. Wenn Hornsteins auch noch dort sind . . .

Störs hatten scheinbar der Kinder wegen riesige Angst vor mir. Ich habe mich nach Tunlichkeit zurückgehalten. Bei Erika geht das ja ganz gut, weniger natürlich bei Gudi. Nun, ich sagte Fritz, daß die Röntgenbefunde bei Trude seien, worauf er Montag sofort Trude anrief. Mittwoch war Fini in Wien und teilte mir beruhigt mit, daß ich so nichts habe.

Donnerstag brachte mir Trude die Befunde mit einem Zettel Dr. Lederls. Lunge: Nur geringgradige krankhafte Veränderungen; es handelt sich dabei um bereits abgelaufene Prozesse, die also schon ausgeheilt oder in Ausheilung begriffen sind.

Dr. Montzka ist bis 15.9. auf Urlaub. Ich kann also erst dann hingehen, trotzdem das Knie wieder ziemlich schmerzt.

Im Laufe dieser Woche kommt wahrscheinlich Großmama wieder auf einige Zeit zu uns, weil Hansi sich doch den Kropf operieren lassen muß. Sie hat nur den Spitalszettel von der Krankenkasse noch nicht bekommen. Es wundert mich ohnehin, daß sie sich so schnell entschlossen hat.

Großmama hat geweint, weil „sie uns zuwider wird, wenn sie immer da ist“. Als ich aber sagte, ob’s ihr so schlecht geht bei uns, daß sie weinen muß, lachte sie doch wieder.

Freitag abends war ich bei Olga und zufällig waren auch Gustav und Elsa dort. Da wurde es ein recht lustiger Abend. Alle lassen Dich recht herzlich grüßen.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag um ca 1 Uhr läutete es. Ich dachte, das könne nur ein Telegramm sein, doch war es Fritz, der von Bayreuth kam und der Messe wegen in Wien kein Quartier kriegen konnte.

Nun Liebster, weißt Du alles eventuell Neue von daheim. Was draußen geschieht, erfährst Du ja aus den Zeitungen. Gelt?

Ja, noch etwas. Robert bekam in Möllersdorf 15 m Hemdenstoff à 70 Pf. und 4 Punkte. Etwas fehlerhafter Druck, aber leicht auszuweichen. Ich mache Robert und Werner Hemden daraus.

Grüße mir alle Sofioter Bekannten und auch natürlich Hornsteins von ganzem Herzen! Dich umarmt und küßt vielmals

Deine Gretel

Wien, 7.9.40

Lieber Vater!

Gestern war bei uns im Geschäft Facharbeiterprüfung und ich habe zufällig einiges mit Ing. Wanka sprechen können. Er hat mich gefragt, warum ich damals wegwollte und ich habe ihm den ganzen Fall erklärt. Ich habe ihm dann gesagt, daß ich lieber Fernmeldemonteur werden würde. Er war damit einverstanden und von der Firma aus geht es ohne weiteres zu machen. Er braucht aber für die Handelskammer eine schriftliche Bestätigung von Dir, daß Du wünschst, daß ich Fernmeldemonteur werde.

Du müßtest dann ungefähr schreiben:

An die Direktion der Fa. Siemens&Halske, Wien

z. H. Herrn Ing. Wanka

Ich wünsche, daß mein Sohn Alfred Schr. seinen Beruf ändert und Fernmeldemonteur wird.

Unterschrift

Schreibe mir das bitte. Du mußt es dann aber sofort von Sofia an die Firmenleitung schreiben. Ich hoffe, Du bist damit einverstanden. Ich würde dann natürlich auch in der Ingenieurschule Elektrotechnik machen. So weit das Geschäftliche.

Sonst ist bei uns alles in Ordnung.

Ich habe jetzt in der HJ eine Gefolgschaft übernommen und fühle mich dabei ganz wohl.

Die Mutter schreibt Dir erst, bis Werner zu Hause ist. Werner kommt übermorgen. Sie läßt Dich grüßen. Robert ist am Schneeberg und hat ein herrliches Wetter, wenn es so ist wie bei uns. Hansi hat sich ihren Kropf schneiden lassen und Großmama ist daher bei uns. Bitte schreibe sofort, wenn Du den Brief bekommst, an die Firma.

Viele Grüße von uns allen.

Fredy.

Wien, 9.9.1940

Liebster!

Briefpapier finde ich keines, aber schreiben will ich doch, denn morgen ist Waschtag u.s.f.

Lina schrieb mir, Werner kommt mit dem Abendschnellzug; ich wollte ihn also um 22.20 Uhr abholen, doch er war mit einem Urlauberzug gefahren und um 7 Uhr allein gekommen. Aussieht er natürlich gut. 1 kg hat er zugenommen. Und 1 m 37 cm ist er groß.

Robert kam gestern abend zurück, so ist das Haus wieder voll. Er war auf dem Schneeberg, Schneealm, Rax und wollte noch auf den Ötscher, doch bekam sein Freund Willi, der mit ihm war, einen wehen Fuß, so mußten sie den letzten Berg lassen. Er kann aber mit der Partie zufrieden sein, denn er hatte die 5 Tage, die er weg war, herrliches Wetter.

Großmama ist seit Mittwoch da. Freitag wurde Hansi schon operiert. Nun klagt sie aber über schreckliche Kopfschmerzen. Das muß doch aber auch vorübergehen. Die Nähte sind ihr schon heute ausgezogen worden.

Ich war gestern der Fisolen wegen wieder in Kritzendorf, bekam aber nur 2 ½ kg. Vielleicht bekomme ich später noch mal welche.

Wenn Frau Hornstein bis zum Frühjahr in Sofia bleibt, wird’s wohl am besten sein. Sollte in Berlin etwas geschehen, kann sie ja doch nichts helfen.

Allerdings glaube ich immer, daß der Krieg nicht mehr allzulange dauern wird. Wir rücken den Engländern doch etwa sehr hart zu Leibe. Aber je härter, desto schneller wird’s zu Ende gehen und das ist ja für beide Teile das Beste.

Ob Trude nach Stang fährt, weiß sie noch nicht. Sie hat heute durch Frau Benesch einen Antrag unseres ehemaligen Gauleiters bekommen nach Polen zu kommen. Ca 450 RM Gehalt und jedes Vierteljahr 14 Tage Urlaub bei freier Fahrt. Ob aber die Vorteile die Nachteile aufwiegen?

Glaubst Du, wenn ich Tante Rainas Sohn einladen würde, daß er käme? Was ist mit Herrn Halatscheff? Ist er schon wieder in Wien? Für Frau Nyman wäre es besser, sie hätten Kinder, dann kämen ihr die dummen Gedanken vielleicht weniger. Du bist ja jetzt inmitten von Bulgariens Freudenrausch, aber ich beneide Dich nicht darum.

Seit dem 3.d. M. haben wir schönes warmes (30°) Wetter. Samstag war ich mit Peperl im „Häuserl am Roan“.

Grüße, recht viele und herzliche, an alle! Von Störs soll ich Dich auch grüßen.

In Liebe küßt Dich

Deine Gretel

Sofia, den 14.9.40

Mein Liebes!

Gestern sind Deine und Werners liebe Zeilen angekommen und ich mußte tüchtig suchen, bis ich sie fand, denn Katja hat den Brief versteckt.

Also ist alles wieder vollzählig daheim und für Dich geht nun wieder die Arbeit an. Morgen fährt Herr Halatscheff ab und hoffentlich kommt er noch heute zu uns, denn ich will ihm meinen Apparat mitgeben. Darin ist noch ein Film, den die Kinder aufbrauchen dürfen. Es sind noch etwa 40 Aufnahmen, sonst sollen sie mir aber nichts verschießen. Ich habe hier nicht fotografiert, da ich nicht noch einmal Anstände haben will.

Ich werde wahrscheinlich in der ersten Oktoberwoche kommen, aber es ist noch nicht bestimmt. Die Abnahmen dürften Ende September durchgeführt werden.

Fredy bekommt im Laufe der nächsten Woche seinen Rock und die Hose vom Schneider fertig. Ich habe den gleichen Stoff gefunden. Ebenso ist es mit den Schuhen gut gegangen.

An die Firma habe ich die gewünschte Erklärung gesendet und lege eine Abschrift für Euch bei. Nun muß er sich aber auch Mühe geben, denn ich glaube, daß er zu Werlitz übersetzt wird und er kann dort sehr viel lernen, wenn er dazuschaut. Auch die Fernkurse müssen regelmäßig gelernt werden. Sie werden ihm, so glaube ich, später sehr zustatten kommen. Ich werde auch an Werlitz schreiben, für jeden Fall, wenn Fredy vor meinem Eintreffen in Wien vielleicht versetzt werden soll.

An Trudes Stelle würde ich den Antrag nach Polen nicht annehmen. Es soll dort sehr teuer sein, so daß für sie, da sie ja allein wohnen müßte, ein Großteil des Gehaltes wieder für die Lebenshaltung aufgehen würde. Ob sie sich außerdem dort wohlfühlen würde? War ihr Fritz schon hier?

In Sofia ist alles beim alten. Anläßlich der Feier der Wiedererhaltung der Dobruscha war natürlich großer Wirbel und Parade und Umzug. Hornsteins bleiben bis März oder noch länger in Sofia und lassen Euch alle grüßen. Wahrscheinlich bleiben sie, wenn sie zurückfahren, einige Tage in Wien. Nyman fährt morgen oder Montag nach Bukarest zum Leidwesen seiner Frau, die ihm schon geschrieben hat, daß sie nicht mehr an seine Liebe glaubt. Na, Du hast recht, Kinder wären hier die beste Abhilfe.

Vielleicht nimmt Herr Halatscheff diese Zeilen mit, dann bekommst Du sie früher.

Mit vielen Küssen

Dein Robert

Wien, 20.9.1940

Mein Lieb!

Gestern erhielt ich endlich Deinen lieben Brief durch Herrn Halatscheff.

Diesmal hab’ ich trotz aller Arbeit schon sehr sehnsüchtig darauf gewartet. Vielleicht habe ich ihn in all dem gegenwärtigen Wirbel so gewissermaßen als Trost gebraucht, während ich in der ersten Zeit nach Deiner Abreise noch von unserem schönen Beisammensein in Stang zehrte.

Ja, Hansi und Trude wollten miteinander nach Stang fahren, doch hat sich’s Trude, nachdem ich schon geschrieben hatte, überlegt und will nun nach Lunz am See fahren. Es war auch zufällig gut so, denn heute kam eine Antwortkarte von Rasners. Mitzerl hat Diphtherie.

In Lunz bezahlen sie 3.20 RM Pension.

Wenn die Mädels Sonntag wegfahren, wird’s ja wenigstens ein bisserl wieder ruhiger werden bei uns. Hansi hatte ich seit Freitag auch ganz hier. Sie hat immer noch Kopfschmerzen und ist auch noch schwindlich. Außerdem aber ist sie wohl auch ein wenig fad.

Mutter muß ich nun noch die 14 Tage behalten und Lina schreibt, daß Irma am 28. heimkommt und sie dann wegkann. Ich schrieb ihr aber, wenn es wegen Hertas Urlaub möglich ist, soll sie ihr Kommen auf den Zeitpunkt Deiner Wiederkunft verlegen. Es wäre ja für uns alle schöner, wenn Du auch da bist. Umgekehrt haben wir aber, wenn Du daheim bist und wir Mutter noch da haben, nicht richtig Platz für alle (hab’ ich aber nicht geschrieben).

Das Paket an Frau Thiel habe ich aufgegeben. Halatscheff wohnt bei seinem Freund in der Gußhausstraße 20. Sie bewohnen zwei Zimmer (mit Radio) und bezahlen pro Kopf 30 RM.

Nun, wenn Hornsteins bis März in Sofia bleiben, bis dahin ist wohl der Krieg zu Ende. Ich glaube gar nicht, daß er noch allzulange dauern kann. Jedenfalls hast Du während Deines Aufenthaltes in Sofia liebe Gesellschaft.

Bei den Kindern geht soweit alles gut. Fredy freut sich schon auf seine eventuelle Versetzung. Ing. Wanka hat ihm zwar gesagt, daß Du schon geschrieben hast, aber sonst ist noch nichts los. In der H. J. ist er schon wieder avanciert. Er ist jetzt Gefolgschaftsführer.

Werner gefällt es scheinbar ganz gut in der neuen Schule. Bücher hat er zum Teil aus der Schülerlade. Doch brauchten wir trotzdem sehr viel Geld und ich werde die 20 RM, die ich anfangs des Monats zur Sparkasse trug, wieder holen müssen und vielleicht auch mehr.

Aber ich habe verschiedenes gemacht, was ich schon lange wollte, also bitte ärgere Dich nicht zu sehr.

Nun hab’ ich Dir ziemlich alles geschrieben.

Trudes Fritz war noch nicht hier und schreibt, daß er auch nicht bald zu erwarten ist. Trude soll nicht dumm sein und allein auf Urlaub gehen. Der Brief ist wirklich sehr lieb geschrieben. Nun geht sie eben mit Hansi fort.

Peperl kommt fleißig. Nächsten Sonntag ab Mittag machen wir wieder einen Ausflug.

Von Wentys höre ich gar nichts, hatte aber noch nicht Zeit hinzugehen. Vielleicht ist Frau Wenty sehr böse; das täte mir leid.

Robert ist Gefreiter geworden. Es kam vom ihm und von Aussee gleichzeitig eine Karte.

Ich freue mich schon auf Dein Kommen und denke trotzdem manchmal, ich werde mit der Arbeit, die ich mir vorgenommen habe, nicht fertig bis dahin.

Viele Grüße an alle unsere Lieben in Sofia! Dir und Katja innige Küsse!

Mutter

Sofia, den 21. September 1940

Liebe Gretel!

Der 17te war, der 21te vergeht und von Dir keine Nachricht. Wenn ich so veranlagt wäre, wie Frau Nyman, so würde ich Dir wohl auch ähnliche Worte sagen. Gott sei Dank ist das nicht der Fall, doch bin ich heute recht traurig, trotzdem die Umgebung voll Freude ist, heute zieht das Militär in die Dobrutscha ein.

Ich hatte mir vorgenommen, heute, am Jahrestag dieselben Stätten mit Dir zu gehen, wie vor 20 Jahren, leider war dies eben nur ein Vorsatz. Wahrscheinlich werde ich noch einige Wochen hier sein, denn in der Nationalbank hat man mir argen Mist gemacht. Das Büro hat sich im letzten Halbjahr überhaupt nicht um die Leute gekümmert. Gut, daß ich die Übergabe noch rechtzeitig absagte, sonst wäre diese ein arges Fiasko gewesen. Alle diese Unannehmlichkeiten tragen eben zu meiner heutigen Stimmung bei.

An Frau Hornstein mußte ich eben einen Luftpostbrief abgeben, ihre Lieben sind braver!

Herr Halatscheff war wohl schon bei Dir gewesen. Hast Du schon die Berliner Angelegenheit erledigt?

22. Sept.1940

Gestern war ich noch mit Hornsteins auf einen Slivo, dann in Slovanska Beseda auf einen Amerikanski Kaffee. Herr Nyman ist Mittwoch nach Bukarest abgereist, kommt aber nach einigen Tagen nach hier zurück. Sein Visum ist abgelaufen und es ist hier schwer, die Verlängerung für die Einreise nach Deutschland zu bekommen. Nun sitzt seine arme Frau am Wolfgangsee „alleene“, wie Hornstein sagt, und bläst Trübsal. Letztens schrieb sie ihm, daß sie unbedingt herunterkommen will. Er beachtet aber ihre Karten gar nicht mehr. Ich glaube, durch ihre Unvernunft wird sie es sich ganz verscherzen.

Wir sitzen im Hof, Herr Hornstein, Frau Gatschalof und ich. Beide lesen Zeitung. Das Wetter ist um diese Zeit hier wunderschön. Blauer Himmel und dabei nicht heiß. Die Melonen sind nun schon aus, die Weintrauben sind billiger, 12 Lewa das Kilo. Aber auch hier ist die Ernte vielleicht halb so viel wie gewöhnlich. Der harte Winter und das späte Frühjahr macht sich hier auch bemerkbar.

Wie steht es mit Fredys Versetzung in die Gruppe Fernmeldemonteure? Wie gefällt es Werner? Ich möchte ja so viel wissen.

Von Katja soll ich Dich besonders grüßen. Sie ist schon ein großes Mädel und recht lieb zu Hornstein und mir. Viele Küsse sendet Dir Frau G. und läßt auch Fredy, Robert und Werner recht grüßen. Nun sind wir schon sechs und wie gewöhnlich großer Wirbel.

Busserln an die Buben. Grüße auch von Hornsteins.

Mein Lieb, ich küsse Dich herzlich.

Robert

Sofia, den 25.9.40

Mein Liebes!

Nun ist ja doch Dein lieber Brief angekommen. Frau Hornstein ist glücklich, daß Du die Sendung an Frau Thiel erledigt hast.

Also stehst Du wieder inmitten des Wirbels. Na, es wird ja wohl noch einige Jahre dauern, daß bei uns Ruhe wird, aber warum gerade Hansi auch bei Dir sein muß, ist mir nicht ganz klar, auch nicht, warum Hansi eben jetzt wegfahren muß, wo wir doch Linas und Hertas Besuch erwarten. Du bist in dieser Sache wieder nicht Dein eigener Mensch. Nun ich komme jedenfalls nicht vor Mitte Oktober, dann läuft mein Einreisevisum ab. Bis dahin wird ja alles erledigt sein.

Du machst mich neugierig wegen Deiner Arbeit. Was hast Du Dir denn eigentlich vorgenommen? Wenn Du dazu Geld herausnehmen mußt, so ärgere ich mich gewiß nicht, denn es ist wahrscheinlich notwendig.

Du meinst, daß Frau Wenty noch böse ist, wegen dieser Bemerkung in Aigen? Ich denke eigentlich nicht, daß sie so nachträglich ist. Nun wirst Du oder eines von den Kindern einmal Zeit haben und sie besuchen.

Schön ist es, daß Du doch Zeit findest mit Frl. Peperl Ausflüge zu machen und daß sie Dich fleißig besucht.

Hier in Sofia geht alles seinen alten Gang. Ich selbst bin sehr beschäftigt, abends meist daheim, auch Hornsteins. Wir hören dann Radio und die Nachrichten.

Man spürt hier auch schon die Wirkungen des Krieges. Manches wird hier knapp. Freilich ist noch viel da, besonders Obst und auch Fleisch, doch das meiste 20 % und mehr teurer. So kosten die Weintrauben noch immer 12 bis 13 Lewa. Auch hier ist die Ernte infolge des Wetters im Winter und Frühjahr nicht besonders, in Slivan z. B. sind so wenig Trauben, daß Leute, die dahin fahren, solche von Sofia mitnehmen. Frau Gatschaloff kaufte heute Gemüse zum Einlegen für den Winter. Hat H. Halatschef den Apparat gebracht? Die Kinder dürfen nur den Film verbrauchen, der eingelegt ist!

Vielleicht gehe ich heute zu „Eugen Onegin“, aber es ist noch nicht bestimmt.

Mir ist die Zeit meines Hierbleibens jetzt schon zu lang, ich würde schon gerne heimfahren, doch muß ich auf jeden Fall vorerst den Mist bei der Anlage Nationalbank herausbekommen. Es ist auch zu dumm, daß gerade in dieser Zeit der Montageleiter auf 75 Tage einrücken mußte.

Nun Lieb, die Zeit wird auch vergehen, ich sehne mich jedenfalls nach dem Schluß hier.

Viele Grüße von den Sofiotern und Küsse von mir.

Robert

Wien, 26.9.1940

Herzlieb!

Der Zensur wegen wollte ich Dir keinen Liebesbrief schreiben (sie langweilen sich sicher beim Lesen), aber Du zwingst mich ja direkt dazu!

Wie kann man nur gleich so traurig sein? Ich habe Dir Deine Briefe doch immer sofort beantwortet; ergo, wenn Du lange keine Post bekamst, hatte ich wohl vorher ebensolange auf Deine Zeilen warten müssen. Daß in Deine Wartezeit just der 17. und 21. fiel, ist vielleicht das Tragische an der Sache. Nun Liebstes, wir werden das heuer Versäumte im nächsten Jahr nachholen, gelt?

Meine Brust wird ja wieder viel zu eng, mein Lieb, wenn ich nur an Dich denke. Und ich denke von früh bis spät. Das solltest Du doch wissen, auch wenn die Post mal ein wenig länger ausbleibt! Also bitte, keine Vergleiche mit Nymans.

Daß das Geschäftliche bei Dir nicht in Ordnung ist, tut mir herzlich leid. Nicht allein, weil Du nun später kommst, sondern vor allem wegen des Ärgers, den Du dabei hast. Ich habe da immer das Gefühl, Dir helfen zu müssen und kann es doch nicht.

Vor mir auf dem Schreibtisch steht Dein Bild, aber ein richtiger Ersatz ist es doch nicht und wenn ich ihm noch so viele liebe Worte sage, Du hörst sie nicht.

Aber bald werde ich Dich wieder haben, dann will ich Dir alle Traurigkeit wegküssen.

Nun zur Tagesordnung. Werner gefällt es sehr gut in der neuen Schule. Bei Fredy ist noch keine Veränderung eingetreten. Robert hat eine Einberufung auf 8 Tage zur Bereichssportschule Südost in Schileiten bei Hartberg.

Hansi und Trude wollten erst nach Stang fahren und ich hatte schon geschrieben, dann hat sichs Trude wieder überlegt und sie sind nach Lunz am See gefahren. ’s war aber gut so, denn aus Stang kam eine Karte, daß das Haus gesperrt ist, weil Mitzi Diphtherie hat. Die Leute kommen scheint’s auch aus der Misere nicht heraus.

Den Mädeln gefällt es in Lunz sehr gut. Pension 3.20 RM. Mutter muß ich natürlich noch bis Montag in 8 Tagen hier behalten. Sie stopft mal wieder alle Strümpfe.

Das Wetter war in letzter Zeit auch bei uns schöner. Gestern hatten wir 31 Grad, dafür heute wieder nur 16. Aber im allgemeinen ist’s wärmer und schöner als es im Sommer war.

Lina fährt am 30. von Aschau ab, nach Gloggnitz, und kommt 10 Tage später zu uns. Herta kann nun nicht mitkommen, weil sie ihren Urlaub schon zu Beginn dieser Woche antreten mußte, Lina aber nicht früher wegkann, weil Irma erst am 28. kommt.

Da nun der Besuch ohnehin schon auf solch späten Zeitpunkt verlegt wurde, täte es mir doppelt leid, wenn Du nicht schon daheim wärst. Dir doch auch. Was ist eigentlich unter „einigen „ Wochen noch dortbleiben zu verstehen? Vielleicht ist die Sache doch weniger arg, als es den Anschein hat.

Nun Schatz, wir waren 10 Tage auch sechs und wenn Trudel noch kam sieben, kannst Dir denken, daß es auch „wirbelte“.

Gestern war ich bei Dir im Geschäft wegen der Gehaltsbestätigung zwecks Werners Schulgeldermäßigung. Nun wollten sie in der Schule noch eine Steuerbestätigung. Ich habe aber die Sache schon klar gelegt. Allerdings nur beim Klassenvorstand, der muß nun noch mit dem Herrn Direktor sprechen. Bei Robert läuft die Ermäßigung normal weiter.

Nun Liebstes, schlaf wohl! Ich kriech auch ins Bett. Es ist schon 12 Uhr, da ich erst um ¾ 11 Uhr zu schreiben anfing.

Ja, die Sache Berlin kostete nur 76 Pfennige. Halatscheff werde ich so bald nicht wiedersehen. Er ist sehr „besetzt“.

Nun grüße mir Gatschaloffs, Hornsteins und vor allem unser großes Töchterchen!

Du, Liebes, laß Dich heiß umarmen und küssen von Deinem Weib.

Wien 29.9.1940

Liebster!

Vielen Dank für den vorgestern erhaltenen Brief. Ja, Schatz, ich sehne mich auch darnach, daß mit Sofia Schluß wird. Ich möchte Dich schon wieder lieber daheim haben! Aber nun werden wir’s doch die 14 Tage auch noch aushalten; wenn am 15. Oktober Dein Visum abläuft, mußt Du doch heimkommen.

Dann muß ich wenigstens nicht auch noch Deinen Geburtstag allein feiern. Es wird wohl auch Lina da sein, da sie ihren Urlaub auf ca. 18 Tage veranschlagt hat. Vielleicht läßt er sich auch etwas verlängern. Ich schrieb Lina auch, da nun Herta doch nicht mitkommt, ob sie nicht Fanny auf ein paar Tage loseisen kann. Dem Mädel würde ein wenig Abwechslung sicher gut tun.

So sehr es mir nun einerseits recht ist, daß Lina erst nach Gloggnitz fährt, so dumm ist es andererseits. Denn als wir gestern zur K.d. F. Stelle kamen, war die erste Anweisung für den 6. Oktober fürs Burgtheater. „Justitia“ wird gespielt. Es handelt von Michael Kohlhaas, also einmal nichts Lustiges.

Was sagst Du nun zu dem Drei-Mächte-Pakt? Das hat mich so heiter gestimmt wie schon lange nichts.

Wie Du wohl Deinen Sonntag verbrachtest? Ich habe heute „geruht“. Nachmittags kochte ich eine neue Marmelade aus Karotten und Zitronensaft. Schmeckt ganz gut. Erst aber hab ich ein Weilchen geschlafen. Fort war ich heute gar nicht. Aber für morgen ließ man mir durch Fredy vom Geschäft sagen, ich soll mir das Gehalt holen. Eigentlich ärgere ich mich darüber.

Werner war heute bei Wentys. Sie konnten bisher nicht kommen, weil Trude so viel zu lernen hat. Ein Kommentar erübrigt sich.

Den Mädeln geht’s in Lunz sehr gut, doch ist das Wetter schlecht und sie kommen vielleicht vorzeitig heim.

Warum ich Hansi bei mir hatte? Weil sie so schwindlich war, daß sie unfähig war, allein zu gehen. Jetzt schreibt sie, es geht ihr gut. Also auch das wird in Ordnung kommen.

Vor 14 Tagen war Richard mit dem kleinen Präzeptor Otto bei mir.

Vorigen Sonntag war ich mit Peperl und einer Kollegin. Tour: Exlberg, Scheiblingstein, Hainbach, Mauerbach, heim.

Von Frieda erhielt ich eine Karte. Leo hat eine Mastdarmoperation hinter sich. Geht ihm schon besser.

Nun, Liebster, schlaf wohl! Und träume süß! Viele Grüße an alle unsere Lieben in Sofia!

In heißer Liebe!

Dein Weib


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