Grete Schröfl - Robert Schröfl: Korrespondenz


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Sofia, den 10.3.37

Mein Liebes!

Fast glaube ich nicht, daß ich erst jetzt angekommen bin. So vertraut ist mir schon wieder alles. Dasselbe Gebimmel der Elektrischen, dieselben Geschreie, darunter das bekannte „po dwa lewa, po dwa lewa“, da Gekrächze der Raben, die am Abend auf den Gesimsen sitzen und bis 10 Uhr keine Ruhe geben, es ist so wie vor einem Jahr. Nur das Wetter ist anders, wunderschönes Frühlingswetter, warm, so daß manche Männer schon blank gehen und die Gartenanlagen untertags voll besetzt sind. Dieses Wetter hatte ich während der ganzen Fahrt. Die Nacht verging mit meinen Fahrtgenossen, den zwei Bulgaren aus Russe und dem Türken aus Konstantinopel, gut und fröhlich. Alles ging gut, nur daß ich viel zu früh gekommen bin. Heute erfuhr man erst im T. B., daß ich komme, und da sich seit Samstag, infolge einiger baulicher Umdisponierungen des Justizministeriums, verschiedenes geändert hat, telegrafierte einer heute, daß ich nicht abfahren soll. Nun, das war natürlich schon zu spät, denn mittlerweile kam ich zur Tür herein. Aber ich habe trotzdem Arbeit genug, so daß ich die Zeit bis zum Montagebeginn schon überbrücken werde.

Von der Fahrt selbst ist nicht viel zu erzählen, bis Budapest war ich allein, dann kamen die drei und mit Erzählen und Fröhlichkeit ging es gut bis Belgrad. Dort aß ich zu abend Hühnerleber und Geröstete und 2 Glas Bier. Danach legten wir uns kreuz und quer auf die Bänke und schliefen leidlich, ich bei Nacht, die andern noch weiter bis Caribrod. Ich wollte die schöne Gebirgsgegend nicht verpassen, besser: verschlafen. Ich wurde an der Grenze überhaupt nicht angesehen, die beiden Bulgaren aber genau untersucht. Ich hatte von dem einen ein Kinderkleidchen, weil er drei hatte, übernommen, der andere Bulgare hatte auch eines.

In Sofia wußte man im Hotel schon, daß ich komme und hatte ein schönes Zimmer hergerichtet. Kostet Lewa 60.- minus 10 %. Sollte ich länger bleiben, wird ein Sonderpreis gemacht.

So sitze ich eben hier im grünlichen Schein einer Tischlampe und freue mich eigentlich schon aufs Schlafen. Es ist zwar erst ½ 8 Uhr. Zum Nachtmahl kaufte ich mir schon auf Vorrat Nüsse, Rosinen und Datteln. Auch wollte ich eine Kisela Mleba essen, bekam aber nur Mleba Oris (kalter Milchreis). Dieser ging auch hinunter, ja, er schmeckte sogar ganz gut. Mein Bulgarisch habe ich nicht verlernt. Du kannst mir auch, und das ist sogar besser, hier in’s Hotel schreiben. „Hotel Slavianska Beseda, Sofia“. Schreibe mir bitte bald und viel von Euch!

Mit inniger Liebe umarmt Dich

Dein Robert

12.3.1937

Mein Liebstes!

Gestern erhielt ich die erwartete Nachricht von Hubers, heute den Brief von Lina. Letzteren sende ich Dir ganz, von Hubers Brief nur den wesentlichen Teil.

Erwarte nun noch, was Du dazu sagst, doch denke ich, daß wir Fanni abschreiben, weil der Preis doch viel zu hoch ist.

Was nun Linas Vorschlag betrifft, glaube ich sehr freudig zustimmen zu sollen. Daß Herta bei uns ebenso liebe Aufnahme finden soll, ist wohl nur natürlich. Für Fredy wäre es vielleicht auch gut, von zu Hause wegzukommen. Wie sich die Sache mit dem „Austausch“ vollziehen soll, weiß ich allerdings noch nicht.

In der Schule bei Fredy ist vorläufig alles gut. Fachlehrer Angst sagte, ich soll halt in einem Monat wieder hinschauen. Sehr gut ist da, glaub’ ich, daß Robert so allgemein beliebt war, wie ich auch aus Angsts Rede wieder entnehmen konnte.

Störs waren da und sind eben weggegangen. Fini mit „Herzweh“, weil sie immer an die Kleine denken muß.

Viel Neues gibt es bei uns nicht. Robert hat täglich bis 9 - ½ 10 h zu lernen. Wenn das Wetter annehmbar ist, möchte ich mit den Kindern morgen, nein übermorgen, mittags irgendwo hinausfahren. Die Karten von Dir habe ich noch, weil ich Montag nach Hause gegangen bin. Wenn mir das Herz so schwer ist, dann gehe ich lieber, möchte am liebsten endlos gehen.

Nun „Gute Nacht!“

13.3.

Dachte ich’s doch, daß heute ein Brief von Dir kommt. Das ist gut, daß Du Dich jetzt nicht wieder erst eingewöhnen mußt. Es wird Dir wohl überhaupt manches leichter sein, als das erste Mal. Deines Schlingerls wegen war’s gut, daß Du bis Budapest allein warst.

Montag und besonders Dienstag war auch bei uns das Wetter herrlich. Dafür aber Mittwoch den ganzen Tag Regen und abends (es war Elternabend bei den Mormonen) war so ein Sturm, daß es beinahe unmöglich war zu gehen. Donnerstag war’s wieder ganz schön, gestern und heute trüb, also ganz unzuverlässig.

Weißt Du Schatz, daß ich Deine Schrift immer schlechter lesen kann? In dem Brief ist ein Wort, das ich trotz aller Mühe überhaupt nicht herausbringen kann. Ist aber nicht von Wichtigkeit.

Werner hat Dir gleich am ersten Tag geschrieben. Hat das Hotel keine nähere Adresse?

Nun leb wohl, mein Liebes, und sei von uns allen innig geküßt. Ich sehne mich sehr nach Dir, bin aber ganz tapfer.

In Liebe

Deine Gretel

Sofia, 16.3.37

Mein liebes Butzerl!

Nun ist auch der ersehnte Brief gekommen, nein, 4 Briefe auf einmal. Ich freue mich, daß Du mir auch die beiden anderen gesendet hast, das ist doch schöner. als wenn Du mir nur davon geschrieben hättest. Auch Werner danke ich für seinen schönen Brief und die Zeichnung vom Kriegsschiff. Ja, wenn er nur da wäre, der Kleine, so könnte er genug vom Lokum und allen den anderen Süßigkeiten haben.

Jetzt ist ja die erste Woche hier glücklich herum, und ich habe mich an das Alleinsein schon ein wenig gewöhnt. Das Angenehme ist, daß unsere Bürozeit von 8 - 13, 15 - 18.40 dauert, so daß dann der Abend meist mit dem Essen vergeht. Zweimal in der Vorwoche war ich mit dem neuen Berliner, der an Ritters Stelle kam und Steinborn, beide mit Frauen, aus, so daß wir erst um 12 Uhr nach Hause kamen. Aber es war sehr solid. Vorigen Freitag war ich im „Faust“ von Gounod in der Oper. Eine Aufführung für bescheidene Ansprüche, oder war es auch dadurch, daß ich unfreiwilligerweise zu weit vorne saß. Auf meinen Platz hatte man nämlich Blinde hingesetzt und dafür durfte ich ganz vorne sitzen. Freilich, es störten mich bestimmt auch die Physiognomien der Statisten, denn die doch meist orientalischen Gesichter passen nicht in das deutsche Stück. Als Gretchen hereinkam, mußte ich mich direkt zurückhalten, um nicht herauszulachen. Die Perücke war wohl blond, aber sonst schien sie mir für diese Rolle als eine Jammerfigur. Faust hatte scheinbar eine falsche Nase angeklebt. Gut war Mephisto, der als Gast vom Belgrader Theater spielte und auch die Ausstattung war gut. Auch bei der Musik gab es manchmal ein Straucheln. Na, aber es war doch eine Unterhaltung von 8 - ¾ 12 h.

Sonntag war ich natürlich im Gebirg und trotz der Halbschuhe in ca. 1800 m Höhe durch Eis und Schnee. Es war herrlich strahlendes Wetter und ich bin auch schon ein wenig braun gebrannt. Das Gebirge ist wohl ähnlich der Tatra, Urgestein und daher düster. Auch gibt es selbst unten keinen Wald, sondern nur Strauchwerk und Gebüsch. Aber es schlugen lustig die Finken, das „zizipe“ der Meisen erklang und die Lerchen jubelten im Blau. Und dazu sang der Bach sein murmelndes Lied, manchmal brausend und das alles war gar nicht bulgarisch, sondern klang vielmehr ganz heimatlich deutsch. Wie gewöhnlich verirrte ich mich, weil doch so viele und selbstverständlich unbezeichnete Wege waren, ich kam hoch hinauf und sah von oben erst mein Ziel, einen Wasserfall, vielleicht 2 km vor mir. Aber da ich in solchen Fällen nicht gerne nachgebe (allein war ich auch), so kraxelte ich über Stock und Felsen ungefähr 1 ½ Stunden bis dahin. Freilich, manchmal ging es bis zu den Knien im Schnee, so daß ich bald meine Schuhe richtig naß hatte. Aber das machte nichts, ich kam ja doch hin, wo ich wollte. Der Wasserfall ist ähnlich den Waldbachfällen, doch nicht so schön. Eine Aufnahme lege ich bei, doch sind sie nicht so gut, meine letzten Aufnahmen. Ich habe, glaube ich, das Fotografieren schon verlernt.

Als ich wieder im Tal war, wanderte ich trotz meiner Müdigkeit in einem richtigen Wald mit großen Föhren, Eichen und anderen Laubbäumen. Auch da duftete es ganz heimatlich. Dann machte ich einen Rundgang durch den Ort, wo man erst Faschingsonntag feierte und viele Masken herumrannten. Die Burschen machten auch große Haufen aus Kukuruzstauden, die dann abends verbrannt werden. Nachdem ich dann „Kiseli mleka“ mit Nußbäckerei gegessen, fuhr ich mit der Straßenbahn nach Hause. Und der Sonntag war gut und schön vergangen.

Nun zu den beiden anderen Briefen. Ich bin Deiner Meinung, daß der Preis für das Zimmer bei Fanni zu teuer ist, das wären ja 120 S, denn wenn ich schon jetzt weg bin, will ich ja doch dann bei Euch sein. Ich glaube, wir finden da im Waldviertel oder auch in Oberösterreich bestimmt was anderes. Vielleicht nehme ich mir im Juni ein paar Tage Urlaub, um eine Sommerwohnung zu suchen.

Bezüglich Linas Brief bin ich, da Du ja selbst freudig zustimmst, auch dafür, daß Fredy hinausfährt, doch will ich dann auf jeden Fall, daß wir die Kosten auf irgendeinem Weg begleichen. Ich glaube, Fredy wird es auch sehr gut gefallen, weil die Gegend sehr schön sein soll, und auch Linas Mann viel im Wald arbeitet, wenn ich mich recht erinnere. Und wie Lina erzählte, ist das jüngere Mädel auch ein wenig ein Spitzbub, so daß dem Fredy wirklich nicht bange werden wird.

Eine Sache ist wohl, daß wir für Fredy einen Paß besorgen müssen, aber dies wird ja, glaube ich, ohne Schwierigkeiten, freilich nur mit der Einwilligung der Eltern, möglich sein.

Auf Fredys Zustand dürfte diese Luftveränderung in jeder Weise günstig sein. Und wenn Herta nach Wien kommt, wird`s mich auch freuen, sie kennenzulernen. Schreibe also bitte an Lina, wenn Du’s selbst tun willst.

Und nun, mein Lieb, lebe wohl. Über die Arbeit schreibe ich Dir später. Einstweilen nur so viel, daß hier überhaupt nichts vorbereitet war, und ich jetzt fest dabei bin, die Sache einzurenken.

Ich küsse alle Buben und Dich umarme ich in Gedanken und geb Dir viele, viele Busserln.

Dein Robert

Wien, 20.3.1937

Mein Lieb!

Habe gewartet, bis Dein Brief kommt, nun will ich Dir aber gleich vormittag noch schreiben.

Vor allem freut es mich, daß Du Dich scheinbar so ziemlich wohl fühlst. Ich kann mir Dich lebhaft vorstellen bei Deiner Bergkraxlerei - aber in Schnee und Eis, da möchte ich lieber nicht dabeigewesen sein. Der Wasserfall ist herrlich, wenn auch die Aufnahme nicht so besonders ist. Du wirst das Fotografieren schon wieder lernen. Bei uns war’s Sonntag nicht besonders schön, so sind wir nur spazieren gegangen.

Samstag abends war ich mit Robert in „Ernte“. Da ich etwas für Schwarz genäht hatte, konnte ich mir’s leisten. Wenn Du Gelegenheit hast, den Film zu sehen, dann schau ihn Dir an. Es hat mir noch nie ein Film so gut gefallen. Die Handlung ist ja nicht bedeutend, aber das Spiel der Wessely umso bedeutender. Und vor allem, das Ganze atmet Reinheit und Erdverbundenheit, Natürlichkeit wie „Segen der Erde“. Wenn ich schreibe, der Film hat mir sehr gut gefallen, so kommen mir die Worte direkt armselig vor, im Verhältnis zu dem, was ich empfand.

Daß Dir „Faust“ in Sofia weniger gefiel, ist wohl kein Wunder. Vielleicht würde mir „Die verkaufte Braut“ in Wien auch weniger gefallen als in Prag.

An Hubers und an Lina werde ich schreiben, aber wahrscheinlich erst nächste Woche (nach Ostern). Wie wir die Sache geldlich mit Lina regeln sollen, ist mir ja allerdings unklar. Vielleicht ließe es sich über Gloggnitz machen. Sollte ich zu Pfingsten nach Ternitz fahren, fahre ich wohl auf einen Sprung zu Donts. Bis dahin kann die Sache wohl brieflich mit Lina im Reinen sein.

Gestern war ich bei Wentys. Zufällig traf ich die alte Frau Mixer am Gürtel. Auch sie klagt, daß mit Hansi, der ja auch in der 2ten Mittelschulklasse ist, nichts anzufangen ist. Auch er will lieber in die Hauptschule gehen und „Anstreicher“ werden. Auch hier die Klage „kein Ehrgeiz“. Ist das nun vielleicht doch eine Folge von Überbelastung?!

Hella war Montag hier und kommt nächsten Montag wieder. Sie war eigentlich erstaunt, wie gut Fredy Französisch kann. Einen herzlichen Gruß soll ich Dir auch ausrichten.

Robert hat gestern Deutschschularbeit gehabt und Montag kommt die in Mathematik. Ich glaube, er nimmt die Sache jetzt sehr ernst. Werner hatte gestern die erste Rechenschularbeit.

Sonst im Westen nichts Neues! Das am Akkumulator angeschlossene Lamperl war nach 3 Stunden durchgebrannt. Was ist zu tun?

Leb wohl, Liebstes! Gehst Du wieder in Schnee und Eis, so denke auch an uns und trachte Dich nicht zu verderben.

In heißer Liebe umarmt Dich

Dein Weib

Sofia, den 22.3.37

Mein Liebes!

Ich staune, daß Du meinen letzten Brief erst Samstag bekommen hast, wo ich ihn doch schon Dienstag schrieb. Ob er nicht vielleicht im Postkastl liegen geblieben ist? Umgekehrt habe ich Dein liebes Schreiben schon heute, also nach 2 Tagen bekommen. Bei dem nächsten Brief bitte schreibe mir an die Adresse „B. E. A. G. Siemens“, Schwachstromabteilung, Sofia, Zarizza Joanna 25, da ich erstens voraussichtlich Samstag, den 27.ds. nach Russe fahre, und zweitens heute mir hier ein Zimmer gemietet habe. Wieder bei Bulgaren, einer Familie mit 2 Mädeln und einem Buben, die ersteren ca. 13 und 6 Jahre, der Bub 12 Jahre. Es scheinen nette Leute zu sein, wenn auch das Zimmer zu ebener Erde und nicht sehr hell ist. Doch bin ich ja tagsüber nicht viel zu Hause. Der Preis ist Lw.750.-, also für Sofia annehmbar. Freilich muß ich dadurch während der Zeit in Russe doppelt zahlen, aber wenn ich im Hotel bleibe, so kostet mich dies in eineinhalb Wochen so viel wie privat in 1 Monat. Und ich habe wenigstens meine Sachen während der Zeit meiner Abwesenheit in Sofia versorgt. Und nun, nach dieser Neuigkeit zu Deinem lieben Brief.

Ich freue mich, daß Du doch Zerstreuung hast durch Hellas Besuch und auch daß Du fortgehst, besonders auch, daß Du von der „Ernte“ so entzückt warst. Laß Dir in dieser Weise nichts abgehen, denn ich habe mir schon wieder hier etwas gespart. Vielleicht wird der Film auch hier gegeben, dann schaue ich mir ihn bestimmt an und stelle mir vor, daß Du neben mir bist.

Ich hatte vorige Woche ein Ballett „Schwanensee“ von Tschaikowsky gesehen und war auch davon sehr befriedigt. Das Gegenteil von „Faust“. Beinahe wäre ich vorigen Montag in „Provtana nevesta“ gegangen.

Daß Robert es mit dem Lernen sehr ernst meint, das freut und beruhigt mich, denn Du wirst Dir ja vorstellen, mit welchen Gefühlen ich manchmal nach Hause denke, wo ich doch hier so ohnmächtig sitze. Freilich kann ja Robert den Ernst schon begreifen und tut es auch. Und wenn die Anforderungen auch sehr große sind, so halt ich doch das Ziel der Mühe wert. Ich mußte sehr an ihn denken, da ich mir vorige Woche den Schlachthof (aber natürlich außer Betrieb) ansah und auch die Laboratorien besuchte. Sehr schön eingerichtet, es sind dort 5 oder 6 Chemiker.

Und auch von Fredy glaube ich, daß er in der Hauptschule gut durchkommen wird, denn der Lehrstoff ist ja doch nicht so viel und auch im allgemeinen wird die Luft dort ihm mehr zusagen. Ich würde mich aber freuen, wenn mir die Buben hie und da ein paar Zeilen schreiben möchten. Der bravste war ja in dieser Beziehung Werner und wenn er wieder einmal eine Zeichnung macht, so lege sie mir bei, bitte.

Sonntags machte ich wieder einen Ausflug auf den „Vitos“, vom Dorf Dragalefsky aus. Zuerst wollte ich von der Endstation der Straßenbahn die 7 km bis dorthin zu Fuß gehen, doch war so ein Sturm und Staub, daß ich mich entschloß, um 10 Lewa mit einem Autobus dorthin zu fahren. Da kamen auch Deutsche aus Sofia, ein Paar mit 2 Mädeln von 8 und 11 Jahren, ich kam mit ihnen ins Gespräch und die Größere erzählte mir, daß sie Österreicherin sei, zwar in Sofia geboren wäre, doch nach Wien zuständig sei. Ihre Großmutter war die Enkelin von Andreas Hofer. Auch ein Zufall, so mitten in der Fremde. Sie hatten ein Weekendhaus in dem Dorf, stiegen daher früher aus, doch kam ich zufällig am Abend wieder mit ihnen zusammen und hatte so die Gelegenheit, wieder einmal mich ein wenig auszusprechen. In Dragalefsky angekommen, frühstückte ich einmal 2 Portionen Wurst und 2 Dezi Wein, und zog dann los. Kreuz und quer durchs Dorf. Aber aus beinahe jedem Hof kamen mir ein oder zwei Hunde, große Schäferhunde, entgegen, machten Radau und fletschten die Zähne und ließen sich nur mit dem Apparat, den ich in der Riementasche hatte, abwehren. Ich bereute schon, nicht die Hauptstraße gegangen zu sein, aber man konnte halt doch in den Nebengassen die Höfe und deren Einrichtungen besser sehen. Also wollte ich zusehen, daß ich so kurz wie möglich zu dem begangenen Weg komme. Da verspürte ich plötzlich an meinem linken Fuß einen Schmerz, wie wenn von rückwärts ein Stein geworfen worden wäre. Ich drehte mich blitzschnell um, und da rannte auch schon so ein feiger Köter davon. Er hat sich lautlos nachgeschlichen und nach meinem Bein geschnappt. Es war nur gut, daß ich, als er zubiß, eben durch den Schritt die Muskel gespannt hatte, sonst wäre der Biß weiter eingedrungen. So gings kaum ins Fleisch, aber jeden Zahn konnte man sehen. Jetzt nahm ich einen Stock für alle Eventualitäten und paßte auch hinten auf. Mein Fuß blutete ganz unbedeutend. Ich kam an noch einigen Biestern vorbei an die Hauptstraße und es war mir tatsächlich leichter.

Entlang des Weges war wieder ein Gebirgsbach und daran aneinandergereiht eine Mühle nach der anderen. Aber nicht mit Mühlenrädern in unserem Sinne, sondern das Wasser wird erst einmal durch einen beinahe waagrechten Damm mit einer Rinne in der Mitte auf einen Höhenunterschied von 4-5 m gebracht und dann durch ein Rohr, das sich unten verengt in einem Strahl auf ein horizontal laufendes Schaufelrad geleitet, das an einer senkrechten Achse oben direkt den Mühlstein treibt. Ich habe Aufnahmen gemacht, weiß aber nicht, wie sie ausgefallen sind. In den Mühlen selbst wird Kukuruz gemahlen.

Dann stieg ich auf und kam auf ca. 2000 m Höhe. Der Weg war verhältnismäßig schön, schneelos, was wegen meiner Schuhe gut war, und sonnig. Aber furchtbar windig. Trotz Sonne und dem Steigen hatte ich den Hubertusmantel an und es war mir trotzdem nicht zu warm. Ich wollte bis zum Schutzhaus, das noch eine halbe Stunde entfernt gewesen wäre, doch sah ich, daß es sich von Westen her eintrübte. Unten in der Ebene war Sofia in seiner ganzen Ausdehnung zu sehen.

Aber im Westen regnete es schon. Ich beeilte mich nach unten zu kommen und wirklich war ich dort und schon fielen die ersten Tropfen. 2 Stunden schüttete es wie mit Schaffeln. Ich konnte, es war wohl schon ½ 3 Uhr, nun Mittag essen. Das Gasthaus war ganz bäuerlich. Mit den Schafpelzen, die Füße mit Lappen umwickelt und Opanken, die Pelzmütze fest am Kopf saßen fast alle Leute dort. Natürlich beim Wein, dazu Eier und Kantkawal und viel Knoblauch wurde gegessen. Ich selbst aß Lammbraten und Brot und 4 Dezi Wein. Eigentlich über meinen Konsum, aber das macht die gute Luft. Danach wanderte ich zu Fuß bis zur Straßenbahn, traf am Wege nochmals die Österreicher und kam froh und guter Laune heim.

Und jetzt heißt es packen, damit ich morgen meine Koffer abholen lassen kann. An Hella werde ich nächstens eine Karte schreiben. Es ist sehr schön von ihr, daß sie so oft kommt.

Diesen Brief wirst Du wohl früher bekommen, denn ich gebe ihn morgen Dienstag auf. Deine Mahnung, daß ich mich nicht verderben soll, werde ich beherzigen, aber ich bin ja sowieso sehr solid.

Denke nächste Woche an Russe. Nikoloff ist, wie ich erfahren habe, seit heute in Sofia, da er eine gute Stelle in der Generaldirektion bekommen hat.

Mein liebes Butzerl, ich denke oft an Dich bei Tag und in der Nacht und immer. Küsse die Kinder von mir.

Dein Robert

Wien, 25.3.1937

Mein Lieb!

Leider wirst Du ja nun meinen Brief doch nicht mehr bekommen vor Deiner Abreise. Wenn ich wüßte, wohin ich Dir in Russe schreiben könnte. Wenn ich Dir auch nicht gerade Besonderes zu berichten habe, so wartest Du doch darauf.

Deine Sonntagspartien scheinen ja immer sehr schön und interessant, doch ein wenig gefährlich zu sein. Hoffentlich schreibst Du mir nicht nächstens, Du seist irgendwo von Räubern überfallen worden.

Daß Du just die Ururenkelin Andreas Hofers in Sofia triffst, ist auch sonderbar. War wohl wieder etwas Zerstreuung für Dich, mein Schatz.

Das Regenwetter, das Dich nachmittags erreichte, hatten wir leider den ganzen Sonntag. Nachdem Samstag strahlend schönes Wetter war (30 °), kam Sonntag der Umschwung. Seither ist es wechselnd, aber mehr trüb und regnerisch als sonst etwas. Und dabei kalt, 3-4 Grad am Morgen, 7-8 Grad höchstens als Tagestemperatur. Die letzten Nächte habe ich wieder durchgeheizt.

Heute morgens, ich traute meinen Augen kaum, lag der ganze Kahlenberg voll Schnee. Im Mittagsbericht hieß es dann, es lägen 20 cm auf den Wienerwaldbergen.

Fredy wollte mit den Pfadfindern einen Ausflug nach Purkersdorf in die Hirschmannhütte machen. Nun regnete es gestern wieder den ganzen Tag und heute morgens um halb sechs, als er aufstand, noch immer. Da gab’s dann erst eine Heulerei, dann zog er sich doch an, auf alle Fälle. Und hatte Glück. Um 7 hörte es auf zu regnen, gerade als er wegfahren mußte. Tagsüber ist’s nun sogar manchmal sonnig gewesen.

Gestern hat Fredy Werners Rad geholt. Nun kann der Kleine schon ein bisserl fahren. Doch wird verschiedenes besorgt werden müssen. Das Rad hat weder Kotflügel noch Vorderradbremse. In der vorderen Pneumatik ist ein Loch. Die Pneus sind überhaupt total abgefahren, für längere Touren also kaum verwendbar.

Heute hatte ich Besuchstag. Erst kam Frau Wenty mit Trude. Dann Julie und ihr Mann. In Ternitz hat’s an dem Sonntag, als sie kommen sollten, so geregnet, daß sie die Fahrt aufgaben.

Julie ist von Werner so entzückt, daß sie ihn am liebsten gleich mitgenommen hätte. Wenn wir nicht selbst die ganzen Ferien auf Sommerfrische gehen, so wäre da vielleicht eine Möglichkeit, den Buben den Landaufenthalt zu verlängern. Fredy zu Lina, Werner zu Julie; nun brauchten wir nur noch für Robert einen Platz.

Ich war in dieser Woche nirgends, sondern habe Kragerl genäht. Schwarz kommt trotz einiger neu angeschaffter Leute nicht zurecht. Mit dem Verdienst habe ich Fredy einen Hubertusmantel gekauft. Werner werde ich den Fredys umarbeiten. Ich glaube, da kann ich das Schlechte wegschneiden.

Da wir Roberts Schulgeld erst nach dem 1. April zahlen müssen, habe ich mir auch für ihn das Schulgeld von den 50 S ausgeborgt, damit er die Schuhe zu den Feiertagen hat, wenn man vielleicht nicht hinausfahren kann. Auch einen Janker kaufte ich für Robert. Für Fredy habe ich noch Stoff liegen. Damit wären glaube ich die größeren Ausgaben gedeckt.

Von Fuhriman erhielt ich Montag eine Karte. Habe auch angefangen, einen Brief zu schreiben, bin aber über die 4. Seite nicht hinausgekommen und ich weiß noch so viel. Von Brodils bis dato keine Nachricht. Bitte nochmals um Bescheid, was mit Akkumulator zu tun ist.

Nun Liebstes, ich glaube, ich werde nächste Woche nicht einmal sondern ziemlich oft nach Russe denken. Grüße alle Bekannten, auch Marinoffs. Dir mein Lieb, viele 1000 Busserl! Nun ein Viertel der Zeit ist ja schon um. In Liebe und Sehnsucht

Deine Gretel

Ostersonntag, den 27.3.37

Mein Liebes!

Heute war ein richtiger Prachttag. Das Wetter war den ganzen Tag herrlich, die Sonne schien so warm, daß meine Nase schon wieder wie ein rotes Osterei aussieht. Natürlich war ich wieder im Gebirge und hatte es wundervoll. Das „Vitos“-Massiv habe ich heute von einer anderen Seite kennen gelernt und Gegenden gefunden, die geradezu ein Skiparadies sind. Die heiße Sonne wird wohl mit dem Fahren bald Schluß machen, doch sieht man noch jetzt sehr viele Skifahrer, die aber ihre Bretteln bis zu 2000 m schleppen müssen.

Aber ich will von vorn beginnen. Als ich heute um die gewöhnliche Zeit, das ist um 7 Uhr aufwachte, war draußen strahlender Himmel. Also frisch aufgestanden, das ist ja nicht so schwer, wenn man schon um 10 Uhr ins Bett kriecht, den Touristenanzug angezogen, und heidi, hinaus. Mein Hausherr wußte nun, daß heute unsere Ostern sind und er kam schon in der Frühe mit der kleinen Vesela um mir alles Gute zu wünschen. Dabei lud er mich zum Mittagessen ein. Da mußte ich mich aber entschuldigen und ihm sagen, daß mein Mittagessen am Vitos eingenommen wird. Nun sagte er, aber abends muß ich aber bestimmt kommen. Das sagte ich zu, denn ich wußte ja, daß ich von meiner Wanderung immer zeitig zurückkomme.

Wie gewöhnlich fahre ich ohne Frühstück weg und esse erst, wenn ich vor dem Aufstieg beim letzten Dorf ankomme. Das war, wie letzten Sonntag, Dragalefsky. Da mir bei der Endstation der Straßenbahn gerade ein Autobus davonfuhr und der nächste erst in einer halben Stunde ging und es überdies so herrlich war, ging ich die 7 km. Die Straße ist zwar für die Autobusse sehr schlecht, aber zum Gehen ist sie sehr schön, weil man fortwährend den Anblick der ganzen Bergkette vor sich hat. Der „Tscherny Vrech“ d.h. Schwarzer Gipfel, machte seinem Namen keine Ehre, denn schneebedeckt ragte er ins Blaue. In den Gärten, auf den Wiesen ist schon alles grün, die zeitig blühenden Obstbäume sind schon in voller Blüte. Heute war in Sofia Gemeindewahl, ein Ereignis, das man an dem vielen Militär, Polizei und den angeregten Leuten sah. An zwei Wahllokalen ging ich vorbei, die Leute standen Schlange und die Posten, die vor der Tür standen, ließen die Wähler in Gruppen zu je 5 Personen ein.

Nach einem tüchtigen Marsch kam ich nach Dragalefsky und freute mich schon auf das Frühstück, denn es war mittlerweile ½ 10 Uhr geworden. Auch dorten war großer Wahlbetrieb und die schafbepelzten Wähler standen in Gruppen in der Sonne oder saßen auf den Bänken, die den Hauptplatz umsäumen. Leider war die Wurst, auf die ich mich schon so freute, ausgegangen, aber eine am Rost gebackene Leber war schließlich auch nicht schlecht. Bis diese hergerichtet wurde, dauerte es aber doch noch eine Viertelstunde, ich bestellte mir daher derweilen Oliven und Brot und dazu ein Glas Rotwein. Der Wirt brachte mir das Gewünschte, ich machte noch eine Aufnahme und tat mich gütlich. Auf einmal kommt ein Polizist, sieht meinen Wein, rennt zum Wirt hinein und macht ihm einen Skandal, wieso er heute am Wahltag Wein ausschenken kann. Der Wirt sagte, daß ich doch ein Fremder wäre, aber der Soldat wetterte und fluchte weiter. Ich dachte anfangs, daß er auch zu mir kommen würde, und aß in Erwartung meine Oliven und trank für alle Fälle meinen Wein dazu. Aber mich ließ er ungeschoren, doch holte er noch den Bürgermeister, wie ich später erfuhr, und dieser las dem Wirt noch einmal die Leviten. Der Wirt brachte mir dann noch ein Himbeer-Kracherl, das ich stramm neben mein halbentleertes Weinglas stellte. Aber auch dies nützte dem Wirt nicht viel, denn er mußte, als ich meine Leber gegessen und bezahlt hatte, zusperren. Na, ich bedauerte ihn ja, aber warum sagte er mir denn nicht, daß eben kein Alkohol ausgeschenkt werden darf?

Als ich abmarschierte, spielte eben ein Radio Webers Aufforderung zum Tanz.

Da die Aufnahmen, die ich am vorigen Sonntag machte, durchwegs unscharf waren, nahm ich nochmals die Mühlen und ein Bauernhaus wieder unter Knurren des Hofhundes auf. Der Aufstieg war ja, wie am vorigen Sonntag gleich, nur gab es heute keinen Wind. Mein Hubertus war mir tüchtig heiß, so daß ich ihn mit dem Fotoriemen am Buckel trug. Heute waren mit meine Halbschuhe lieb, weil sie ja doch nicht so heiß sind wie die Goiserer. Die Halden, die bei 1000 m beginnen, sind schon übersät mit Krokus, Huflattich und weißen, mir unbekannten Blumen.

Ich hatte Durst und war froh, als der Schnee anfing, denn ich glaube nicht daran, daß das Schnee-Essen, wenn es richtig gemacht wird, schädlich ist. Freilich waren in anderer Weise die Schneefelder unangenehm, erstens für die Augen, und auch für meine Füße, weil es oben bei den Schuhen hereinkam.

Als ich den ersten Bergrücken hinter mir hatte, da tat sich ein wunderschöner Anblick vor meinen Blicken auf. Vor mir lag nun der „Schwarze Gipfel“ in seiner ganzen Reinheit, schneebedeckt vor mir. Bis tief in das Tal, das zwischen mir und dem Gipfel war, lag Schnee. Fichten und Tannen standen im Schnee an dem Gebirgshang und gaben dem Bild einen wirklich heimatlichen Charakter. Ich suchte mir auf einer Höhe im Gestein ein Plätzchen aus, machte Aufnahmen und sonnte mich. Unter mir, 3-400 m tiefer, war eine Straße. Ein Auto kam, fuhr bis zu der Stelle wo der Schnee anfing, man stieg aus, ließ das Auto einfach stehen und ging hinauf ins Gebirge.

Auch gegen Osten war ein Gebirgszug zu sehen, es sind glaube ich die „Rhodopen“. Ob diese wohl auf den Aufnahmen zu sehen sind?

Nun war es derweilen ½ 3 Uhr geworden und ich mußte wieder an den Heimweg denken. Ich wollte nun bis zur Straße hinuntersteigen, was auch trotz Schnee und Quatsch gelang, kam an dem verwaisten Auto vorbei und wanderte bequem auf der Straße, immer mit einem herrlichen Fernblick. Um 5 Uhr war ich wieder im Dorf und da ich es doch nicht lassen konnte, mir einige Motive zu suchen, hatte ich wieder eine Hundeattacke zu bestehen, die ich aber mit Steinwürfen abwehrte. Meine Aufnahmen hatte ich doch.

Die Luft war rein und klar, Sofia lag vor mir im Abendsonnenschein, als ich wieder die 7 km zurückwanderte. Ein schöner Sonntag war vorbei, leider recht einsam, doch ich war zufrieden.

Montag, den 29.3.37

Mein Liebling!

Bei uns war heute Werkeltag und das macht mir auch gar nichts, denn die allgemeine Feiertagsstimmung fehlt ja doch. Das wird dann im Mai nachgeholt.

Gestern war ich also zu Gast bei meinen Hausleuten. Bei Cognac und gutem Südwein gab es so etwas wie eine Ente, oder war es ein Truthahn? Die Unterhaltung war so halbwegs, doch kam später eine Frau, die deutsch konnte. So wurde es ½ 11 Uhr und bald war ich, wohl durch den Ausflug und den schweren Wein, eingeschlafen.

Dein lieber Brief erreichte mich noch vor Russe, denn wir fahren erst morgen abends. Es heißt also noch packen. Aber da ich wahrscheinlich nur 2 Wochen dort bleibe, so ist das nicht so arg. Hoffentlich war es die Osterfeiertage auch so schön, So daß Ihr zusammen ausfliegen konntet. Schreib mir bitte den nächsten Brief p. A. „Ljuben Stoiloff, Russe, Alexandrofska“, weil ich ihn dann früher bekomme, als wenn Du mir zur Firma schreibst.

Ich glaube, die Kotschützer an Werners Rad sind nicht so sehr dringend, weil er, wenn schlechtes Wetter ist, doch nicht fährt. Aber wenn er wirklich fahren kann, wäre es am sichersten, Du würdest die ersten Male mit ihm fahren. Auch die Pneumatiksache wird wohl Zeit haben, bis ich zurückkomme. Gelt, schau auf die Räder, damit sie nicht am Boden verkommen.

Der Plan mit Werner und Julie wäre wirklich ganz gut, zum Schluß bleiben nur wir übrig. Na, dann machen wir dann eben zusammen eine schöne Radtour!

Wegen des Akkumulators kaufe bitte eine 6-Volt-Lampe, dann wird diese nicht durchbrennen.

Also Du kannst wirklich ohne Kragerlnähen nicht existieren. Freilich mußt Du ja dem armen Schwarz aus der Patsche helfen, wenn er nicht zurecht kommt. Nur darum!

Sehe nur zu, daß dabei nicht wieder was hinten bleibt, das ist die Hauptsache, und verliere auch den Kontakt mit den Kindern nicht! Notwendig ist dies nicht, da ich mir jetzt schon 2000 Lw erspart habe, wohl will ich mir davon in Russe einen Anzug machen lassen. Schaue auch bitte auf das Lernen der Kinder, auch wenn sonst alles gut geht.

Und jetzt mein Schatz küsse ich Dich viel tausend Mal

Dein Robert

Lieber Werner!

Die schöne Osterkarte, die Du mir gesendet hast, freut mich sehr. Hast Du diese selbst gezeichnet? Die schönen Eier und die schönen Palmkätzchen? Hier wo ich wohne, sind drei Kinder, ein Bub so alt wie Fredy und zwei Mädel. Und denke Dir, die beiden Mädel heißen genau so wie die Mädel von Frau Kalinowa. Katja und Vesela (Etzi). Morgen fahre ich nach Russe und werde alle auch von Dir grüßen. Schreib mir nur wieder und denke, daß es mich immer freut, wenn ich von Euch Post bekomme. Wenn Du willst, kannst Du auch an die Kinder in Russe schreiben und dies im nächsten Brief der Mutter beilegen. Nun lieber Werner sende ich Dir viele Busserln und grüße Dich herzlichst

Dein Vater

Lieber Robert und lieber Fredy!

Viel Platz bleibt hier nicht übrig! Aber das nächste Mal werde ich Euch allein schreiben, aber heute ist es schon zu spät, denn ich muß für Russe packen. Seid bis dahin geküßt von Eurem Vater

Was macht die Schule?

1. APRIL 1937

LIEBER VATER !

VIELEN DANK FÜR DEINEN LIEBEN BRIEF. MEINE OSTERGESCHENKE HABE ICH IN MEINEM KAUFMANNSLADEN GEFUNDEN, ZUCKERSCHINKEN, ZUCKEREIERL, OSTERGEBÄCK, SCHOKOLADE- UND BUNTE EIER UND FARBSTIFTE:

VIELE BUSSERLN,

DEIN WERNER

Den Akkumulator haben wir schon beinahe entladen. Stör gab uns den Rat eine Klingel anzuschalten. Nun haben wir so einen Summer angeschlossen und in die Küche gestellt. Dort ist am wenigsten jemand.

Mautzi war Samstag wieder da und brachte mir das Geld, auch für Deine Speisemarken. Außerdem aber 3 gefüllte Schokoladeneier für die Buben. Natürlich von Lilli.

Weißt Du von dem Bahnunglück im Gesäuse? In dem Zug war auch Zahlmann. Unverletzt. Nun war aber gestern Frau Schäfer da und erzählte, daß auch Grills mit dem Zug fuhren. Herr Grill half noch bei den Bergungsarbeiten, fiel jedoch bei der Ankunft am Westbahnhof zusammen. Da wurde nun konstatiert, daß ein Schädelknochen gebrochen ist. Nun liegt er im Allgem. Krankenhaus.

Wie mir Bernhard meldete, kommt Olga heute abends.

Fredy muß alles, was in der Schule geschrieben wird, zuhause rein schreiben. Ich glaube, Herr Lehrer Witak ist gut gegen Schlamperei. Fredy macht das aber nicht mit Unlust.

Nun Liebstes, leb recht wohl! Ich wollte, ich könnte ein bisserl bei Dir sein. Busserln von den Kindern.

Sei innig und heiß geküßt von Deiner

Gretel

Wien, 2.4.1937 morgens

Mein einzig Lieb!

Noch schlafen die Kinder und ich habe Muße und Ruhe mit Dir zu plaudern. Vielen Dank mein Lieb, für die gestern wieder so schöne Beschreibung Deiner Bergtour. So kann ich mir direkt vorstellen, mit dabei gewesen zu sein. Kind, ich bin ja in Gedanken so viel bei Dir. Wenn Du nun in Russe bist, kann ich mir noch dazu die Gegend veranschaulichen, dann bist Du mir noch näher gerückt.

Mit Deinen Hausleuten in Sofia bist Du ja wie es scheint wieder gut daran. Und da auch Kinder da sind, brauchst Du eigentlich nicht so viel zu entbehren. Nur den Ärger mit den Eigenen. Na, im allgemeinen sind ja alle drei ganz brav.

So, nun habe ich die Kinder und ihre Bedürfnisse vor der Schule erledigt und kann nun weiterschreiben. Leider ist mittlerweile mein Federstiel verschwunden; wahrscheinlich hat ihn einer der Buben mitgenommen.

Vor mir steht Dein Bild und ich wende von Zeit zu Zeit einen Blick darauf, doch gibst Du ihn nicht zurück, Du blickst in weite Fernen.

Draußen regnet es - regnet, wie es seit 14 Tagen fast ohne Unterbrechung geregnet hat. Ein trostloses Wetter. Und als Voraussage: „Wenig Änderung.“ Ostersonntag war etwas besser, wenigstens zeitweise sonnig, doch kamen wir da nicht weit. Sind nur spazierengegangen, da es Samstag in Strömen goß. Außerdem ist Mutter krank, so brachte ich auch einen Teil der Zeit dort zu. Mutter legte sich schon Freitag nieder, weil ihr nicht gut war. Jedenfalls auch überanstrengt, von den beiden letzten Wochen. In der Nacht von Samstag auf Sonntag nun stand sie auf und fiel um. Sie konnte sich gar nicht bewegen, klagt über starke Schmerzen in den Rippen, später im Oberschenkel, so daß wir schon dachten, sie hätte sich etwas gebrochen. Doch konstatierte dann der Arzt, daß alles in Ordnung ist. Nur muß sie liegenbleiben. Ich war jetzt jeden Tag drüben, auch für Hansi bei Schwarz, doch hatte er ohnehin keine Arbeit. Weder Frau Schiffner noch Hansi hatten in dieser Woche einen Stich zu tun. Das Geschäft ist eben verrückt. Nun geht es Mutter schon besser.

Ostermontag waren wir bei Störs, wie Du aus unserer Karte schon erfahren haben wirst. Robert und ich per Rad, Fredy und Werner mit der Bahn bis Weidling. Als wir bei Klosterneuburg waren, fing es an zu regnen und regnete den ganzen Tag. Und seither noch immer. Sei froh, daß Du von dieser ekligen Zeit nichts spürst. Es wirkt direkt deprimierend.

Die Pfirsichbäume blühen allerdings auch bei uns, leider, denn nachts gibt es noch vielfach Frost. Heute zum ersten Mal seit 14 Tagen haben wir
9° Wärme.

Die Buben werden Dir nächstens schreiben. Es ist da wohl auch Schreibfaulheit dabei und natürlich die Ausrede, nichts zu wissen. Viel trägt sich auch wirklich nicht zu. Robert hat auf seine Deutschschularbeit: „Guter Gedankenaufbau. Wegen der Verstöße gegen die Rechtschreibung nur ein GUT.“ Auf die Mathematikschularbeit ein schwaches Genügend.

[Schluß fehlt]

Russe, den 5. April 1937

Mein Liebstes!

Heute ist Dein lieber Brief angekommen. Und zugleich auch die Karte von Eurem Zusammensein bei Störs mit einem Schreiben von ihm.

Es scheint, daß das Wetter, das zu Ostern bei Euch war, jetzt zu uns gekommen ist, denn seit meiner Ankunft in Russe ist es kalt, stürmisch und regnerisch. Das ist schade, denn erstens sind auch Schneiders von Sofia hier, wie Du ja aus der Karte ersehen haben wirst, dann habe ich infolge der schönen Witterung in Sofia nur meinen Hubertusmantel hier und da ist die Arbeit auf dem Bau des Justizgebäudes, ohne Fenster, recht kalt. Darum bin ich wenigstens froh, daß ich den Sweater mithabe. Ein wenig hilft auch der Slivovitz über das schlechte Wetter hinweg.

Also, ich will Dir meine Abfahrt beschreiben! Diese war abends um halb 10 Uhr und Katja und mein Hausherr begleiteten mich noch bis zur Straßenbahn. Im Zuge wurde ich zufällig mit dem Herrn bekannt, der an Nikoloffs Stelle nach Russe fuhr. Ich oder besser wir schliefen zu zweit auf einer Bank, ziemlich ausreichend. Die schöne Fahrt durch den Isker-Durchbruch war ja in der Nacht, aber doch war es auch in der Ebene schön, weil die Baumblüte die Landschaft verschönerte. Wie beschneit sahen manchmal Bäume und Sträucher aus. Es war mir ganz heimlich, als wir wieder die bekannten Gegenden von Russe sahen, die Insel, die Marinekaserne, den Lom und alles andere. Die Donau ist aus den Ufern getreten und hat bis weit nach Rumänien die Landschaft überschwemmt. Der Frühzug aus Sofia fährt um Russe herum, also konnte ich die altgewohnten Strecken und Stellen begrüßen.

Auf dem Bahnhof warteten schon die Mechaniker und Frl. Mara, da Nikoloff, wie ich später hörte, die Post in Russe von unserem Eintreffen verständigt hatte. Der erste Weg war nach der wirklich freudigen Begrüßung zu Dimo Petkoff, wo wir unsere leeren Mägen füllten. Dann ging’s zur Post. Schon am Weg dahin wünschten mir unzählige Leute „Dobre doullie“ (gute Ankunft), manche kannte ich gar nicht. Und auf der Post erst. Ich war beinahe gerührt ob dieses freudigen Empfanges. Muradian, der mich mit den anderen schon Samstag erwartete, lud mich zu ihm für Mittag ein. Susi und auch die anderen Bekannten lassen Dich und Werner recht schön grüßen.

Herr Marinoff wurde pensioniert, kam aber nachmittags zur Post, um mich zu sehen. Und da ich bei den Eltern Maras auf 14 Tage ein Zimmer bekam, so fuhr ich per Phäton zuerst in mein Zimmer, dann mit Marinoffs nach Hause.

Fortsetzung Mittwoch abends.

Heute ist hier Feiertag, doch haben wir vormittags gearbeitet. Meine Füllfeder ist leer, daher schreibe ich mit Bleistift.

Also bei Marinoffs war außer Elena alles zu Hause. Selbstverständlich freute man sich auch da. Es kam das unvermeidliche Slatko, dann Kaffee und wir unterhielten uns dabei bulgarisch/deutsch. Für Freitag wurde ich zum Mittagessen eingeladen, für Samstag hatten Violetta und ich vereinbart ins Kino zu gehen. Nachmittag, am Tag unserer Ankunft, besah ich mit zwei Monteuren aus Sofia unsere Arbeit. Der Justizpalast ist außen wohl schon fertig, bis auf die Fenster und Türen, doch innen noch Rohbau. Donnerstag kam Nikoloff aus Sofia mit einem Herrn des Justizministeriums, vormittag. Abends bei Schneider mit Frau, so daß eine ganz schöne Gesellschaft wieder hier beisammen war. Danach sah auch die Schlafengeherei aus. Donnerstag halb 1 Uhr, Freitag 1 Uhr, Samstag gab man für Marinoff ein Bankett, zu welchem wir auch geladen waren. Da gings bis 4 Uhr. Sonntag schlief ich bis 10 Uhr vormittag und ging auch abends schon um 11 Uhr schlafen. Die Arbeit geht rasch vorwärts und ich hoffe, daß wir zu den Vorarbeiten nur 2/3 der Zeit brauchen.

Samstag beim Bankett war es ein wenig fad. Sonntag war ein Ruhetag, das Wetter trostlos, Schneiders und ich gingen von einem Kaffeehaus zum anderen. Erst gestern heiterte es sich aus und heute war ein strahlender Tag. Ich war mit Schneiders im Türkenviertel, vormittag, nachmittag mit Marinoffs spazieren. Es war recht schön, alles grünt und steht in Blüte.

Samstag, 9.4.37.

Mein Schatz, wenn ich von Russe fortkomme, wird es Dienstag sein, so wird mein Schreiben wieder regelmäßiger werden. Durch Marinoffs habe ich meinen Bekanntenkreis hier wieder erweitert und wenn ich heute abends nicht mit Gewalt weggegangen wäre, so würde der Brief nicht fertig werden. Morgen fahren wir zu sechst nach einem rein türkischen Dorf, 32 km von hier und marschieren dann 7 km weiter in ein Tatarendorf. Wahrscheinlich sehr interessant.

Sei mir nicht bös, daß ich von da so wenig schreibe, doch werde ich’s bestimmt in Sofia nachholen. Mit vielen Busserln an Euch alle und Grüßen von Marinoffs

Dein Robert

Wien, 13.4.1937, morgens

Mein Lieb!

Hast Du so wenig Zeit, daß Du uns gar keine Nachricht senden kannst? Nun, dann will ich nicht länger warten und Dir berichten, was es zu berichten gibt. ’s ist ja wenig genug.

Bei den Kindern geht alles den gewohnten Gang. Wie Du aus den Briefen ersehen kannst, war Hella gestern wieder bei uns. Mir ist es immer eine große Freude. Sie gehört ja zu den wenigen Menschen, die ich wirklich lieb habe. Viele gibt es, die ich leiden kann, wenige nur die ich liebe.

In nächster Zeit wird Hella jedenfalls nicht mehr kommen können, weil sie nun für den Umzug vorbereiten muß. Er soll am 30.d. M. erfolgen.

Eure Karte aus Russe hat mich sehr gefreut. Besonders daß Herr Nikoloff so viel schrieb. Es handelt sich wohl um den Sofioter Nikoloff, nicht?

Eben war Hansi da, mich um Muster zu bitten. Bei Schwarz ist beinahe nichts zu tun (für Hansi), so will sie wo anders schauen geh’n.

Anny kam vorvorigen Sonntag nach Hause und brachte Trude Seide für ein Kleid. Nun hab ich Trudel versprochen, ihr als Geburtstagsgeschenk das Kleid zu nähen. Für die Torte habe ich am letzten ohnedies kein Geld. Es schwindet ja wie Butter an der Sonne. Auch bei Fredy wurde die Torte gestrichen. Du brauchst Dich also um keine zu kränken.

Wie geht es Dir bei der Arbeit? Im ersten Brief schriebst Du mir, Du würdest mir darüber berichten. Seither kein Wort. Ich weiß auch heute nicht, wohin ich Dir schreiben soll, nach Russe oder nach Sofia. Und auch heute wieder kein Brief.

An Lina habe ich bereits geschrieben, an Hubers jedoch noch nicht. Ich hatte mir Donnerstag schon Briefpapier mit zu Mutter genommen. Mußte nämlich abends Krankenwache halten, da die Mädels eingeladen waren. Nun kam aber Steffi auch den Abend, so wurde er verplaudert.

Steffi hat jetzt die Gewerbeschwierigkeiten, doch ist das zum Schreiben zu langwierig. Unsere Sonntage, wie übrigens fast alle Werktage auch, sind nach wie vor verregnet. Durch den vielen Regen kommt Werner auch wenig dazu fahren zu lernen. Auf- und Absteigen kann er noch gar nicht.

Frau Wenty besucht mich fleißig und Sonntag vor 8 Tagen waren Fredy und Werner dort. Ich war bei Mutter, weil sie Sonntag wieder schlechter war und Fieber hatte. Manchmal sieht sie ganz frisch aus, ein andermal zweifelt man wieder, ob sie überhaupt noch einmal aufsteht. Kann wohl sein, Du siehst sie nicht mehr.

Von den Prager Mädeln noch immer keine Nachricht, trotzdem ich ihnen schrieb, sie möchten wenigstens eine Karte schicken. Sollten sie überraschend abgereist sein?! Weißt Du schon etwas Sicheres, wie lange Dein Fernsein dauern wird?

Frau Lowak hatte gestern Geburtstag. Ich habe Robert Geld für ein paar Rosen gegeben, da sie sich ja auch mit ihm müht.

Ich wollte, Du wärst schon wieder da! Es küßt Dich heiß

Dein Weib

Sofia, den 16. April 37

Mein Liebes!

Durch meine Fahrt nach Russe hat unser Briefwechsel eine arge Unterbrechung bekommen. Die Vorwoche kam überhaupt kein Schreiben, ob Du tatsächlich nicht geschrieben hast, oder nur die Post nun in Russe liegt, auf jeden Fall warte ich schon mit großer Sehnsucht auf Deinen Brief.

Mittwoch mittag fuhr ich in Russe ab, mit einem schönen Blumenstrauß, der nun auf meinem Tisch steht, als Erinnerung an die schönen Tage in Russe. Den letzten Sonntag waren wir in Tschiflik, statt wie wir vorhatten in ein türkisches Dorf zu fahren. Ich machte durch Marinoffs die letzten Tage der Vorwoche noch Bekanntschaft mit 2 Herren, Ingenieure, die beide in Brünn studierten und einem Fräulein, die selbst in dem Dorf geboren ist und alle dort kennt. Auch sie spricht deutsch. Und so wollte diese Gesellschaft mir zuliebe dorthin fahren. Aber wie es schon auf den bulgarischen Bahnen ist, Du erinnerst Dich ja an Warna, brauchte man die Erkennungskarte und weder Violetta noch das Fräulein Blaga hatten diese mit. Nun fuhren wir halt nach Tschiflik, d.i. 7 km von Russe. Ich freute mich schon auf das Wandern, hatte aber die Rechnung „ohne den Wirt“ gemacht. Denn Violetta hatte dort eine verheiratete Freundin, die sie um halb 7 Uhr aus dem Bett holte, natürlich mußten wir dort frühstücken, das dauerte bis 9 Uhr, dann sahen wir uns die Landwirtschaftliche Schule an und um 12 Uhr wurden wir zu Mittag erwartet. Mittlerweile sind noch 3 weitere Gäste angekommen, so daß wir zusammen 12 Personen waren. Bei Mastika und Slivowitz wurde angefangen und beim Wein endete das Gelage um 6 Uhr abends. Lustig war es genug, so daß mir schließlich um den Tag gar nicht leid war. Schon im Finsteren wanderten wir Russe zu und der 10 km Straßenmarsch tat unseren Köpfen wohl. Und auch das zeitliche Schlafengehen schon um halb 10 Uhr.

Seit ich in Sofia bin, ist nun auch hier sehr schlechtes Wetter, Regen und Kälte, aber es kann doch nicht mehr lange anhalten, da dort die Zeit schon sehr vorgeschritten ist.

Nun mein liebes Butzerl muß ich Dir etwas mitteilen, das mir ja in einer Hinsicht angenehm ist, in anderer Weise aber große Sorgen macht. Das Wiener Werk teilte dem TB Sofia officiell mit, daß ich während der ganzen Montagedauer in Sofia bzw. Russe bleiben werde. Freilich sind dazwischen Pausen, die wahrscheinlich Monate dauern werden, doch trotzdem ist mir vor dem langen Fernbleiben von Zuhause und dem Getrenntsein bange. Dadurch, daß Fredy jetzt aus der Realschule ist, ist ja meine Abwesenheit vielleicht nicht so schädlich, denn Robert, vermute ich, wird sich schon durchbringen. Aber daß ich hier so allein sein soll und Du dort, auf die Dauer ist das gar nicht schön. Ich denke am liebsten gar nicht darüber nach, bringe dies aber doch nicht zusammen und spinne dies und das.

Von der anderen Seite betrachtet, habe ich mir hier schon einen Anzug erwirtschaftet, für den Sommer, grau gestreift mit zwei Hosen, weiters drei neue schöne Hemden, das ist freilich auch was wert. Auch bearbeite ich hier wieder ein neues Projekt „Nationalbank“, ein Geschäft um 16 Mill. Lewa, wenn wir’s kriegen (= 1 Mill. Schilling). Ich bin hier vollständig frei, habe Leute zur Verfügung und mach alles so, wie mir’s gut dünkt. Das sind wieder die Lichtseiten.

Meinen braunen Anzug habe ich beim Putzen, da er doch schon sehr mitgenommen ist. Den bekomme ich nächsten Mittwoch.

Nun bin ich aber doch schon neugierig, was zu Hause los ist und hoffe, daß doch in den nächsten Tagen ein Schreiben von Dir kommt.

Heute ist Brodil Hansis Geburtstag, was ist mit ihnen? Auch das Mädel hier, Katja, hat morgen Geburtstag und ich habe ihr zu ihrem Bett Bonbons hingestellt, ohne daß sie’s bis jetzt weiß.

Hast Du wegen Fredy geschrieben? Wart Ihr schon mit dem Rad fort? Was macht Mautzi? Wie zu erwarten ist, kommt sie ja fleißig zu Dir. Hört man von Olga, Richard und Rudolf was? Ist Großmama schon besser? Du siehst, es gibt eine Menge Auskünfte zu geben.

Für heute mache ich Schluß und denke bei dem kühlen Insbettgehen an Dich mein Schatz. Viele Busserln, Dein Robert

Samstag nachmittag, 17.4.

Mein Schatz! Da leider auch heute nichts gekommen, so sende ich den Brief ab, damit Du denselben wenigstens am Dienstag hast. Heute ist wieder hier das reinste Aprilwetter, bald Sonnenschein, bald Regen, und ich weiß nicht, ob ich morgen hinausgehen kann. Es täte mir leid darum, weil ich mich wieder einmal ausgehen will. Heute gehe ich vielleicht, wenn ich billige Karten bekommen in „Pique Dame“ von Tschaikowsky, oder ich gehe ins Kino zu „Eine Frau ohne Bedeutung“. Ich bin in Russe sehr verwöhnt worden und daher ist es mir in der Freizeit hier sehr fad.

Viele recht heiße Küsse sendet Dir und den Kindern,

Dein Robert.

Wien, 19.4.1937

Du, mein Lieb!

Heute erhielt ich Brief und Karte aus Sofia, Donnerstag den 15. den letzten Brief noch aus Russe. Nehme an, Du hast nun auch schon mein Schreiben vom 15.d. erhalten, trotzdem es wahrscheinlich am Tag nach Deiner Abreise aus Russe dort angekommen ist.

Du schreibst gar nichts von Kalinoffs. Warst Du gar nicht dort? Im allgemeinen ist’s Dir ja vorzüglich gegangen unter Deinen Russeer Freunden, wie ich aus Deinem Schreiben und noch mehr aus Deinem Nichtschreiben ersehen konnte. Aber, daß es Dir SO gut ging, daß Du mir Küsse schon nur mehr „auf Befehl“ schickst, das hätte ich doch nicht gedacht.

Trotzdem sehnst Du Dich nach einem Brief von mir, doch erst, nachdem Du in Sofia wieder einsam sitzt. Nun wär’s doch wieder gut, wenn man eine Frau da hätte, wär’s auch nur, um das kalte Bett zu wärmen.

Na, aber ich muß aufhören, sonst wirst Du noch böse und ich sehne mich doch auch so nach Dir, aber nicht mit einem bösen Gesicht, sondern so, wie Du manchmal lieb und gut sein kannst.

Nun aber etwas, Schatzerl, ich habe Dich nicht gut verstanden. Du schreibst, das Wiener Werk teilt dem TB in Sofia mit, daß Du während der ganzen Montagedauer in Sofia/Russe bleiben wirst. Und von monatelangen Pausen. War das nicht von jeher so vorgesehen? Nach Deinem Brief aus Russe schloß ich allerdings, daß Du schon in ungefähr 14 Tagen zu Haus sein würdest. Du schreibst doch, daß die auf 3 Monate anberaumten Vorarbeiten in 2/3 der Zeit fertig würden?!

Bitte erkläre mir die Sache nun näher. Wie lange dauert die Montage? Welche Unterbrechungen kommen in Frage? u.s.w. Wann denkst Du jetzt zurückzukommen? In unvermeidliche Dinge kann ich mich immer fügen, doch Ungewißheiten sind mir unangenehm.

Wegen der Kinder brauchst Du Dir keine besonderen Sorgen machen, mein Lieb; sie sind nicht besser aber auch nicht schlechter als wenn Du da bist. In der Hauptsache sind sie doch auch während Deines Hierseins mir überlassen. Es fällt höchstens noch das bisserl Falschheit weg, dessen sie sich während Deines Zuhauseseins befleißigen.

Also, Liebstes, spinne nicht! Ich bin ja auch ganz vernünftig, meistens -

Das neue Projekt wäre wohl wieder eine Erweiterung Deines bulgarischen Aufenthaltes.

Die Karte von Brodil Hansi bedarf wohl kaum eines Kommentars. Ich hatte wieder einige Tage Herzweh. Es ist auch heuer immer etwas was mich bedrückt. Mutter geht es Gott sei Dank besser. Sie ist heute schon aufgewesen, legt sich aber immer gerne wieder nieder.

Mit dem Rad waren wir nur das eine Mal fort, in Kritzendorf. Es hat doch jetzt immer geregnet. Gestern war der erste schöne Sonntag, seit Du weg bist, doch so stürmisch, daß an ein Fahren gar nicht zu denken ist.

Mautzi hab ich seit Ostersamstag nicht gesehen. Wohl auch meine Schuld. Ich könnte ja auch hingeh’n.

Olga war während Deiner Abwesenheit erst einmal da. Bernhard wie gewöhnlich. Richard brachte mir das Armband schön geputzt, doch war ich leider nicht zu Hause, sah ihn also noch nicht. Von Rudolf weiß ich nichts.

Nun habe ich alle Deine Fragen der Reihe nach beantwortet.

Unser Hansl (Mühlhofer) hatte wieder einmal Pech. Er ging mit Halsschmerzen zum Sanitäter und der hat ihn durch Auspinseln so verätzt, daß er 4 Wochen bei den „Barmherzigen“ lag. Heute kam er heraus und schläft heute und morgen bei uns. Hoffe, Du bist nicht wieder böse darüber. Er hofft auf Erholungsurlaub in ein Heim zu kommen, sonst geht er Mittwoch wieder zu seinem Kader.

Das Schlechteste ist, daß er eine Anstellung als Schofför für den 1. April gehabt hätte, die ist natürlich pfutsch. Seine Londoner „Braut“ ist auch seit Freitag in Wien, doch weiß er noch nicht, was weiter wird.

Daß Du Dir in Sofia viel ansiehst, Kind, ist gut. In Wien kannst Du’s dann doch nicht.

Gestern war ich mit Werner und Fredy im Prater. Wir haben aber nur 80 g ausgegeben. Die Kinder sind ja auch nicht so, daß sie sekieren. Beim Heustadlwasser wäre Fredy allerdings gerne bootgefahren, doch reichte weder Geld noch Zeit, so mußten wir eben wieder heimmarschieren.

Robert hat den ganzen Tag gearbeitet. War nicht einmal bei Lowaks.

Nun Liebstes, schlaf wohl! Morgen mehr!

20.4., 9 Uhr morgens.

Mein Liebes!

Leider war ich gestern Fredys wegen zu zuversichtlich. Mußte heute in der Schule erfahren, daß der Bub um kein Haar besser ist als in der Realschule. Er hat wieder Aufgaben nur halb oder gar nicht und ist frech, vielleicht weniger in Worten als im Gebahren. Fachlehrer Angst hat denselben Eindruck wie ich, daß an dem Kind alles abgleitet, sowohl Güte als auch Strafe.

Ich habe schon darüber nachgedacht, ob ich Dir’s nicht verschweigen soll, um Dir Deine schöne Zeit in Bulgarien nicht zu verpatzen. Aber erfahren mußt Du’s doch. Ich kann doch nicht um des Lausbuben willen auch noch heucheln.

Zu Haus schien es ja, daß er ohnehin alles tut um vorwärts zu kommen und ich hatte ihm schon erlaubt, in nächster Zeit die Pfadfinderprüfung abzulegen. Die Bedingung der langen Nägel, die Du ihm stelltest, ist erfüllt.

Nun wird die Sache natürlich rückgängig gemacht; überhaupt werde ich ihm jeden alleinigen Ausgang entziehen und eine noch strengere Kontrolle über seine Arbeiten ausüben. Wir müssen doch diese Klippe noch umschiffen können.

Auch hatte diesmal Herr Angst nichts dagegen als ich ihm sagte, ich komme in 8 Tagen wieder.

Nun liebes, armes Schatzerl, ich kann Dir ja nicht sagen, nimm’s nicht zu schwer, liegt mir doch selbst das Herz schwer wie Blei in der Brust, aber denke Dir nicht immer, daß Dein Fortsein die Ursache ist, oder Dein Hiersein die Dinge ändern könnte. Es ist ja mit dem Buben erst so schlecht geworden in der Zeit, als Du ohnehin zu Hause warst. Das erste Halbjahr in der Realschule war ja keine eigentliche Klage. Die Ursache muß also anderswo liegen.

Nun Liebstes, will ich schließen und waschen geh’n, ich kann doch momentan sonst nichts als an den Buben denken und die Gedanken sind unerquicklich.

Hoffentlich kann ich Dir im nächsten Brief schon Besseres schreiben.

Viel tausend Busserl, von Deiner

Gretel.

Sofia, den 20. April 1937

Lieber Fredy!

Dein lieber Brief hat mich wirklich sehr gefreut, erstens weil Du überhaupt geschrieben hast, zweitens weil Du in der Schule brav bist, so daß Du doch bis zum Schulschluß wieder ein guter Schüler sein wirst, drittens weil Du in Französisch Dich so gebessert hast und dann auch, weil Du in Deinen Zeilen einen guten Stil hast. Und wenn Du nächstens noch mit Sorgfalt und ein wenig langsamer schreiben wirst, dann werde ich noch froher sein.

Du fragst mich, ob ich mich wohl befinde und fühle. Weißt, wenn ich bei der Arbeit bin, dann ja, denn diese ist wohl sehr viel, aber auch sehr interessant. Aber abends, wenn ich in mein Zimmer komme, dann denke ich sehr viel an Euch und stelle mir vor, wie schön es wäre, bei Euch an dem Tisch zu sitzen. Ab er ich hoffe, daß ich im Juni oder Juli wieder auf einige Zeit nach Hause fahren kann, denn wie Euch ja Mutter gesagt hat, dauert mein Aufenthalt in Bulgarien diesmal wahrscheinlich sehr lange.

Wie gefällt Dir denn der Plan über den Ferienaufenthalt in Deutschland? Ich glaube, daß dies für Dich sehr gut sein wird und es Dir dort auch gut gehen wird. Aber wenn ich bis zum Schulschluß nicht nach Hause komme, mußt Du Dir selbst den Reisepaß besorgen und dazu brauchst Du wohl meine Bewilligung. Erkundige Dich danach, damit Du diese Sache noch vor den Ferien erledigt hast. Es wird aber gut sein, wenn Du auf der Polizei sagst, daß Du zu Verwandten fährst, damit diese Dir nicht vielleicht Schwierigkeiten macht.

Im Kino war ich in Sofia erst ein Mal, habe da aber einen sehr schönen Film „Eine Frau ohne Bedeutung“ gesehen. Aber es wird in der nächsten Zeit „Ernte“ kommen, dann gehe ich bestimmt, weil dieser Film der Mutter so gut gefiel.

Hast Du in der Schule schon einen Freund gefunden?

Was macht denn die Tante Olga und der Onkel Richard? Wenn Du Zeit hast, fahre einmal hinaus und berichte mir dann, was es dort Neues gibt.

Für heute lebe wohl, es küßt Dich herzlichst

Dein Vater

Sofia, dem 24.4.37

Liebe Gretel!

Auch ich müßte heucheln, wenn ich Dir jetzt sagen möchte, daß mich Dein Brief sehr gefreut hätte. Es war notwendig, ein paar Tage verstreichen lassen bis zur Antwort.

Wie ich aus Deinen ziemlich ironischen Worten entnahm, ist es mir in Russe zu gut gegangen. Ich werde mir dies künftig also eine Lehre sein lassen und Dir mehr die Schattenseiten mitteilen, an denen mein Aufenthalt in Russe auch recht reich war. Aber ich denke mir immer, wozu Dir unnötige Sorgen machen, wenn es mir ja doch nicht hilft. Die Unannehmlichkeiten muß ich hier ja doch allein ausfressen und darüber nachzudenken, wie ich diese allein hinunterwürge, habe ich in den einsamen Stunden in Sofia Zeit genug.

Bei Kallinoffs war ich nicht, weil es meistens regnete und der Weg dahin, wie Dir ja bekannt, zu kotig ist. Das nächste Mal werde ich den Besuch nachholen.

Wegen meines Aufenthaltes in Bulgarien ist derzeit gar nichts Bestimmtes vorauszusagen. Möglicherweise ist es zu machen, daß ich im Juli hinaufkommen kann, vielleicht aber muß ich bis Ende der ersten Bauperiode, das wäre bis zum September dableiben. Es ist aber alles noch unsicher.

Das Projekt „Nationalbank“ würde, wenn wir es überhaupt bekommen, schon in nächster Zeit montiert werden, so daß dies meinen Aufenthalt nicht verlängert.

Daß Du wegen Brodils Herzweh bekommst, steht nicht dafür, das siehst Du ja selbst an der Handlungsweise.

Wegen paarmaligem Übernachten bin ich gewiß nicht böse, doch kennst Du ja meinen Standpunkt über längere Einquartierungen!

Zum Anschauen in Sofia ist das Wetter seit meiner Rückkunft aus Russe hier zu schlecht. Einerseits, andererseits habe ich sehr aufreibende Arbeit, da beide Montagen laufen und für die Nationalbank bis Anfang Juni die Montagekosten berechnet werden müssen. Daher fehlt mir auch die Lust dazu. Einen Film habe ich gesehen „Eine Frau ohne Bedeutung“, der mir sehr gefallen hat.

Zu Fredys Benehmen will ich nichts sagen. Ich hatte einen Brief für ihn vorbereitet, den ich beilege. Du kannst machen mit diesem, was Du willst.

Robert werde ich das nächste Mal antworten. Er soll wenn möglich, und wenn er Lust hat, ein Ferialpraktikum machen.

Werners Zeilen freuten mich.

Mit vielen Küssen

Robert


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