Grete Schröfl - Robert Schröfl: Korrespondenz


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M. Ostrau, 5. I.21

My sweety, sweety Gretel!

Wäre meine Stimmung wie dieses Briefpapier (rosa), so wär’s gut. Aber sie kann auch gar nicht, nur annähernd so sein, denn eben ist meine letzte Hoffnung zu Nichts geworden, auf meine sofortige Heimkehr. War nämlich beim Ober-Ing. und ’s nutzt nichts, es ist niemand anderer hier als ich. Aber länger als 1 Monat dürfte die Arbeit nicht dauern, sagte der Vertreter. Also heißt’s halt warten. Wie bist Du denn nach Haus gekommen, mein Lieb? Hab’ richtig was vergessen! Zwar nicht mitzunehmen, doch aber dazulassen. Nämlich den Schlüssel von Olgas Hintertürl. Na, sie wird a Freud’ haben. Übrigens wurden die Grillen bei der Abfahrt bald verscheucht, durch die Bekanntwerdung mit einer Tante und ihrer Nichte. Habe mich wirklich recht gut unterhalten und es tut mir recht leid, daß die Beiden ab Lundenburg eine andere Strecke fuhren. Eine Lichtseite hat mein Hierbleiben doch wieder. Bekomme nun doch das Geld in tschechischer Währung, was ja in Umrechnung 2 bis 3 tausend mehr macht. Wenn ich’s nur schon hätt’! Werde wahrscheinlich nachts oder morgen früh weiter sehen, vielleicht mach ich noch einen Abstecher nach Trzynietz.

Grad fährt der Zug ab, nach Lundenburg, mit ihm hatte ich vor zu fahren, wenn alles geklappt hätte.

Morgen bekommst Du wahrscheinlich schon die Adresse, freu’ mich schon sooo auf Deine lieben Zeilen. Bis dahin küßt Dich recht innig

Dein Robert

5. I.1921, 4 Uhr nachmittag

Du, mein Liebstes!

Mehr als 24 Stunden sind verflossen seit Deiner Abfahrt! Mögen Andere auch sagen, ’s ist nur ein Tag, für mich ist’s eine endlose Zeit. Und nun müssen wieder so viele Tage ins Land zieh’n, ehe Du mir wiedergegeben wirst! Eigentlich wollte ich Dir heute noch nicht schreiben, aber ich hab’ Dich zu lieb, Schatz, und wenn ich Dir das auch wahrscheinlich nie sagen werde, schreiben muß ich Dir’s doch.

Schau, ich habe oft darüber nachgedacht, warum ich wohl nicht mit Dir sprechen kann, hauptsächlich dann nicht, wenn sich’s um Dinge dreht, die uns beide näher berühren. Ich komme zu keinem vernünftigen Resultat dabei. Seit jenem ersten Kuß im Beethovenpark ist’s als ob mir ein Bleigewicht an der Zunge hinge in Deiner Nähe.

Eben ehe ich den Brief begann, war ich bei Olga und nähte an der schwarzen Hose. Aber ich wünsche und hoffe, daß die noch schwärzeren Gedanken, die ich dabei hegte, sich nie verwirklichen mögen! Ich dachte nämlich, wie es werden wird, wenn ich so töricht bleibe. Du wirst Dich unglücklich fühlen, wirst einsam sein an meiner Seite, denn anstatt Dir Kamerad zu sein, ziehe ich mich ja ganz in mich selbst zurück. Und wenn auch der Wille da ist, Dir alles zu geben, alles zu sein, was Du brauchst, so genügt das eben noch lange nicht, wenn er nicht zur Tat wird! Was hilft das Licht, das unter dem Scheffel steht?!

Liebster, hilf Du selbst mir, daß es anders wird. Ich möchte Dir ja alles Glück der Erde geben und wenn ich dann fühle, daß ich nur einen Bruchteil davon Dir schenken kann, dann genügt’s mir eben nicht und ich verberge Dir auch das! Schilt mich nun, Liebling, aber sei mir nicht bös! ’s ist an allem meine unsinnige Liebe schuld.

Gestern von der Bahn ging ich nach Haus. Beziehungsweise ging ich in’s Dorotheum und von dort zu Olga. Ich mußte ja ein wenig Ablenkung haben, Ablenkung von meinen Dich sehnsüchtig umkreisenden Gedanken. Ob’s viel gewirkt hat, kannst Du vielleicht beurteilen, wenn ich Dir schreibe, daß mir Mutter abends vor der Bibelstunde sagte: „Mach doch net gar so a dumm’s G’sicht.“

Im Dorotheum aber hab ich eingesehen, daß Olga recht hat, wenn sie meint, wir können uns nichts kaufen. Es gibt zwar sehr schöne Sachen drinnen, kostet aber auch alles sehr viel. Freitag ist Versteigerung von Möbeln. Bin neugierig, wie hoch sich eine Zimmereinrichtung stellen wird. Ausrufungspreis ist zum Beispiel für ein Schlafzimmer (Nußholz) 16.000 K, für ein Schlafzimmer (Kirschenholz mit Ahornfüllung) 18.000 K, ein Speisezimmer (Nußholz) 50.000 K u.s.w. Nun steigt Nr.1 und 2 sicher auf zirka 40.000 K,

Nr.3 vielleicht auf 120.000 bis 150.000 K. Du siehst, Schatz, unsere Aktien stehen sehr schlecht und es wird uns nichts übrigbleiben als wie ich Dir Montag früh sagte, keine Möbel zu kaufen. Komme übrigens jetzt darauf zurück, warum ich Montag in der Elektrischen lachte. Ich dachte eben daran, daß ich Dir auf Deine Bemerkung, Olga meint, wir können uns keine Möbel kaufen, einfach sagte: „Na, dann kaufen wir uns eben kane.“ Ohne zu bedenken, daß Du das ganz anders auffassen konntest und jedenfalls auch aufgefaßt hast, als es gemeint war. Ich dachte dabei an meine flüchtige Unterredung mit Mutter vom selben Morgen, worin auch sie mir sagte, es ist Unsinn, sich jetzt Möbel oder irgendetwas zu kaufen, was man nicht braucht.

Wir sollten uns eben vorläufig begnügen mit dem, was sie uns geben würde. Auf jeden Fall müßte das zwar unvollständig werden, aber mir genügt’s. Ob Du auch damit zufrieden sein wirst? Ich habe dann Montag abends nach Deinem Weggehen noch über die Details der Sache mit Mutter gesprochen. Hatte aber diesen Tag eigentlich wirklich keine passende Gelegenheit, mit Dir darüber zu sprechen. Werde Dir nun genau schreiben, was wir haben und was wir noch brauchen, vorausgesetzt, wenn Du mit der ganzen Sache einverstanden bist?!

Also wir haben: 2 Kleiderkästen, 1 Tisch, 1 Doppelbett, 2 Nachtkästchen. Dazu fehlt ein Wäsche- oder Schubladenkasten, Sessel und eventuell ein Diwan, ein Waschtisch.

Für die Küche fehlen 2 oder 3 Sessel und die Inneneinrichtung mit Ausnahme von Tellern, Tassen, Gläsern, Bestecken und meines Liebsten Christgeschenk. Schau, Robert, es würde uns, beziehungsweise Dir (bitte nicht ärgern, ich halte das sonst auch nicht so streng auseinander, es fiel mir nur eben ein, daß ich ja keinen Teil habe daran), würde Dir also noch genug zu kaufen übrigbleiben. Aber immerhin die Hälfte weniger. Bitte schreib mir, ob Du damit einverstanden bist.

Ja, noch etwas! Olga sagte, ich soll Dir gleich schreiben, daß Du keine Handtücher kaufen sollst. Wir kamen darauf zu sprechen, daß Du Deine Handtücher hier gelassen hast und Olga meinte, es sei gut, wenn Du welche kaufst, wenn Du heiraten willst. Daraufhin sagte ich ihr, das sei nicht nötig, Handtücher hab’ ich. „Das mußt ihm aber gleich schreiben“, war ihre Antwort. Du siehst, ich bin sehr folgsam.

So jetzt hör ich aber auf, sonst wird der Brief wieder 26 Seiten lang, ehe Deine Adresse eintrifft.

Ja, Deine Schuhe sind noch nicht beim Schuster, werden aber hinkommen. Eben denk’ ich daran! Heute vor einer Woche sind wir um diese Zeit auf der Rams gesessen.

Mein Robert, wenn Du auf unserem Lebenswege so viel Geduld und Güte für mich haben wirst, wie auf dem Weg, dann Liebling, wird mir auch nicht mehr bang sein vor der Zukunft. Dann wird hoffentlich auch meine dumme Schweigsamkeit bald ein überwundener Standpunkt sein! Nun Schluß für heute! In heißer Sehnsucht küßt Dich Deine

Gretel

7. I.1921

My dear sweet boy!

Muß auf Deine englische Überschrift doch auch englisch antworten! Nebstbei bemerkt, schreibt man niemals sweety sondern in höchsten Fall „sweetly“, das aber ist Umstandswort, wie jedes Wort mit -ly am Ende. Für gewöhnlich aber heißt es kurzweg sweet. Verzeih, daß sich schon wieder der Schulmeister in mir regt, aber ich glaube, es wird Dir nicht schaden. Der Brief von Ostrau kam heute. Mich hat es weder überrascht noch mir irgendwelche Hoffnungen zerstört, daß Du dort bleiben mußt. Ich hab’s ja nicht anders erwartet. Umso freudiger stimmte mich die Nachricht, daß uns’re Trennung vielleicht nur einen Monat währt. Wenn auch Deine Bemerkung, es sei besser, wenn Du fort bist - auch für uns - in einer Hinsicht richtig ist, Kind, ich glaube, wenn wir wissen, daß wir uns nicht mehr trennen müssen, dann werden wir beide ruhiger werden und die Wartezeit bis zur gänzlichen Vereinigung geduldiger erwarten! Mir scheint, der Brief braucht so lange Zeit um geschrieben zu werden wie der erste nach Trzynietz. Ich sitze heute wie damals und fange Grillen. Nur gut, daß Du’s nicht auch getan. Ich bin der Tante und Nichte recht dankbar für die Ablenkung, die sie Dir geboten. Aber Liebstes, es ist nicht allein die Trennung von Dir, die mich in solch trübe Stimmung versetzt. Sieh, Kind, ich sollte Dir das eigentlich nicht schreiben, denn tu ich’s, wirst Du darunter leiden gleich mir. Und helfen kannst Du mir doch nicht. Das muß eben durchgekämpft werden. Mutter ist wieder einmal eifersüchtig. Diesmal auf Deine Leute, hauptsächlich auf Olga. Berta sekundiert fleißig und bringt mit ihrer ewigen Nörgelei und Stichelei Mutter noch mehr zur Überzeugung, daß sie im Recht sei.

Würde mir Mutter nicht so leid tun, käme es wahrscheinlich zu einem Streit. Noch steht aber über meiner Empörung das Mitleid, die Sorge, daß Mutters Herzleiden sich wieder verschlechtern könnte. Seit dem Schrei am Neujahrsmorgen komme ich von der Sorge ja nicht mehr los. So muß ich denn schweigen, solange ich die Kraft habe dazu. Mit Vernunftgründen richte ich nichts aus, das habe ich gestern und vorgestern bereits erfahren müssen. Was immer ich anführte, ward mir die Antwort: „Du stehst unter Olgas Einfluß, du tust sonst nichts als was die Olga will, du bist genau so ein willenloses Geschöpf wie die Valerie.“ Mehr kann ich von Mutter nicht herausbekommen. Welcher Art das begangene Verbrechen ist, weiß ich nämlich wirklich nicht! Wir haben doch nichts unternommen, noch habe ich allein irgendetwas getan, was außer der gewohnten alltäglichen Ordnung liegen würde.

Bertas Aussprüche sind ganz ihrer Art entsprechend: „ Du wirst schon sehen, alle Menschen sind Schweine. Es gibt keinen anständigen Menschen außer mir. Wirst schon sehen! Einmal kommt die Bestie zum Vorschein. Man meint Dir’s ja nur gut. Heirat’ dein’ Robert und kümmer’ dich nicht um die andern. Jede Verwandtschaft is a G’sindel!“ Den Teil hab ich mir wirklich gemerkt. So wär’ es wohl noch eine Weile fortgegangen, wenn ich die Debatte nicht abgeschnitten hätte mit den Worten:“ Erstens glaub’ ich nicht, daß alle Menschen schlecht sind, zweitens hab ich überhaupt kein Recht, einen Menschen für schlecht zu halten, so lange er mir nicht den Beweis liefert, daß er schlecht ist und am wenigsten Recht habt ihr, über Menschen zu urteilen, die ihr gar nicht kennt.“

Das war vorgestern. Ich hätte Dir wohl nichts davon geschrieben, wenn damit Ruhe eingetreten wäre. Gestern aber fing die Sache von vorn wieder an: „Du wirst in keine Versammlung mehr gehen, wenn der Robert nicht geht, und deshalb hab’ ich ja nicht wollen, daß du dich taufen laßt.“ U.s.w. Da hab ich Mutter geantwortet: „Das ist nicht wahr. Man denkt doch bei einem vierzehnjährigen Mädel nicht ans Heiraten, außerdem weißt du recht gut, daß ich mehr Glauben habe als ihr alle. Wie oft habt ihr mir vorgeschrieen, ich sei fanantisch?! Auch das war unrecht, denn ich bin’s nicht. Ich kann auch ohne Versammlung leben, aber ich werd’s nicht tun. Vielleicht weiß ich so manches besser als der predigende Priester und könnte deshalb die Predigt ganz gut entbehren. Aber ich glaube auch, daß ihr wißt, daß ich meine Pflicht tun werde, unter allen Umständen, so weit es in meiner Macht und in meinem Verständnis liegt. Anders wär’s, wenn sich meine Überzeugung geändert hätte, das aber ist nicht der Fall.“ - „Na, du wirst sehen, du wirst doch nicht gehen.“

Da dachte ich dann wieder, es sei besser zu schweigen. Es hat doch schließlich niemand die Verantwortung für mein Tun und Lassen zu übernehmen. Wozu die unnütze Aufregung.

Ja, noch ein Punkt. Berta klagt Dich an, daß Du zu wenig, oder wie sie sagt, gar nichts mit Mutter gesprochen hast. Mutter sei einfach Luft für Dich gewesen.

So ganz unrecht hat sie wohl nicht, aber doch liegt hier der größere Teil von Schuld auf Mutters Seite. Wie oft hab ich Mutter gebeten, Dir mehr entgegen zu kommen. Es ist dies sehr schwer. Du sprichst nichts, sie spricht nichts und ich auch nicht. Eine derartige „Konversation“ kann doch zu nichts führen. Na, vielleicht sind wir das nächste Mal alle drei vernünftiger!

Heute ist mir übrigens ganz erträglich zumute. Gestern hab ich den ganzen Nachmittag und Abend geweint.

So, nun ist mir über dem Geplauder mit einer Kundin der Hausfreund ausgegangen. Jetzt heiz ich aber nimmer ein. Übrigens hab ich wahrscheinlich eine Kunde für die Schneiderei gewonnen. Es wird ganz gut sein, wenn ich wieder zu arbeiten anfange. Wenn mir auch das sitzen bei der Maschine nicht besonders gut tut, so als Nebenbeschäftigung wird’s schon gehen. Aber nun bin ich ganz abgekommen von „die eigentliche Thema“. Br. Fuhrimans Weihnachts- und Neujahrswünsche sind heute glücklich angelangt. Besser spät als nie. Übrigens schon am 8. XII. aufgegeben. Es wünscht uns ein glückliches Neujahr mit 365 glücklichen Tagen. Schön von ihm, gelt? Also um mein Thema zu beenden: Bitte, Liebling, nimm meinen Leuten ihre Worte nicht übel. Es kommt alles nur davon, weil sie mich liebhaben und in jedem Fremden einen Feind wittern. Die Zukunft wird sie wohl eines besseren belehren.

Ob Dir der Brief viel Freude machen wird, so wie Du erhoffst, weiß ich zwar nicht, aber was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben und es ist besser, als wenn ich’s Dir verschwiegen hätte, nicht wahr?

My dear old housefriend besinnt sich eines besseren und beginnt wieder zu brennen. Wenn ich jetzt Du wäre, würde ich sagen: „Na, sei froh!“ Wenn ich mir auch so etwas nicht angewöhnen sollte, wie Du sagst.

Mir scheint übrigens, ich werde jetzt zum Schluß dieses Jammerbriefes noch übermütig. ’s ist mir so viel leichter, wenn ich Dir alles sagen kann.

Ich träume seit drei Nächten immer von den Möbeln etc., die wir brauchen. Ist das auch sonderbar? Für mich nicht. Ist ganz logisch.

8. I.1921

Mein Robert!

Noch ist Deine Adresse nicht eingetroffen, doch drängt es mich, mit Dir zu plaudern; also muß der „fertige“ Brief eben noch eine Beifügung bekommen. Dein zweiter Brief aus Ostrau und die beiden Karten aus Teschen und Oderberg sind heute eingetroffen. Sehe aus Deinem Brief, daß es Dir gerade so ergeht wie mir. Na, aber daran ist eben nicht zu ändern, also bleiben wir eben weiterhin verrückt. „Was ich für ein Kräutl bin?“ Wahrscheinlich irgendein Unkraut Sonst wär’ ich bei all den Möglichkeiten, die ich hatte zu sterben, doch längst verdorben.

Wenn’s auch Ironie war das „wo Du hingehst“, so freut’s mich doch, wenn Du’s im Kopf hast. Wenigstens wirst Du’s, wenn Du wiederkommst, sicher können. Ich hab’ übrigens noch immer keine A-Saite. Möchte eigentlich morgen recht gerne spielen. So einiges, was ich gern spiel’ und sing’ zusammen. Zum Beispiel „Ich denke Dein“ von Schumann oder irgendetwas aus den Duetten von Mendelssohn etc.

Momentan spuken mir zwar Eulenburgs „Rosenlieder“ im Kopf herum. Schon durch den ganzen Brief hin klingt mir die Melodie des zweiten Lieds „An dem Waldessaum am Wiesenhang, stand am Rosenstrauch mein Lieb und sang“ u.s.w. im Ohr. Na, einmal muß man doch Licht machen! Ich saß nämlich jetzt eine Weile in der Dämmerung und träumte. Doch war’s wenigstens nicht solch zweckloses Sinnen wie sonst so oft. Vielmehr zwecklos war’s vielleicht auch, aber grundlos wenigstens nicht. Ich grübelte wieder einmal darüber, was zu tun sei, daß wir weniger Geld brauchen. Weißt, Schatz, jetzt freut’s mich eigentlich, daß ich so viel anzuziehen hab’. Wenigstens brauch’ ich so bald nichts. Ich glaube, ungefähr für 10 Jahre hab ich genug. Vorgestern nahm ich den Befund an Ort und Stelle auf; nicht so in Gedanken, wie damals bei Olga. Beiläufig hat wohl die Revision gestimmt, aber doch nicht ganz. Ich bin im Besitz von 8 Kleidern, 5 Schoßen, 8 Blusen, 1 Kostüm, 1 Jacke, 2 Mänteln und Stoff für 7 Blusen. Gestern abends war ich bei Papa. Haben uns recht gut vertragen. Denk Dir nur, ich hab’ sogar etwas geredet. Mir scheint übrigens, Papa gehört zu den wenigen Menschen, die mich nicht für komplett verrückt halten. Wenigstens hat er mir immer recht gegeben, wenn ich etwas sagte. Fast so wie Fuhriman: „Sie haben recht - wieder einmal.“ Vor einem Jahr lag Fuhriman krank in Wien. Das erste Mal im Leben krank. Er hat mir damals so furchtbar leid getan und ich glaube, das Mitleid war’s zu allererst, das mich zu ihm zog, so daß aus der flüchtigen Bekanntschaft, die eigentlich naturgemäß ganz oberflächlich hätte bleiben müssen, wirklich aufrichtige Freundschaft entstand. Na, sei dem wie immer, ich freue mich dessen! Aber ich komme wieder gänzlich ab von meinem Thema. Papa erzählte mir vieles aus alter Zeit. Von Mama, vom ersten Kind, das stündlich einen Gulden gekostet, vom schreienden Richard und seiner Wiege und vom braven (?) Robert, der wirklich ein lieber Kerl war. Ein Ausnahmskind. Wie ich eigentlich zu dem Vorzug komme, diese Ausnahme mein eigen nennen zu dürfen? Du, mein lieber süßer Schatz! Nächstens geh’ oder vielmehr fahr’ ich einmal mit Papa zu Tante Elise. Wenn Du nur auch dabei wärst! Morgen schreib ich Dir nicht. Muß endlich Mitzi wieder einen Brief schicken. Ferner schulde ich seit 5. meinem Versprechen gemäß Fuhriman einen Brief und Gleißner bin ich noch die Antwort schuldig auf den Brief vom Oktober. Nun hat er mich zu Neujahr so gebeten, ihm zu schreiben, daß ich’s doch tun muß. Finde es zwar nicht für gut für ihn, aber - des Menschen Wille ist sein Himmelreich.

Bezüglich der Steigerung der Möbelpreise (im Dorotheum) habe ich richtig vermutet.

Jetzt schreib ich aber wirklich nichts mehr dazu. Herzinnige Küsse,

Deine Gretel

Denkst Dir wohl jetzt, ich bin nicht ganz gescheit, gelt, Liebster? Vielleicht aber werd’ ich’s noch einmal. Aber nur vielleicht!

Vorgestern vormittag, gestern den ganzen Tag und heute vormittag hab ich an einem Ballkleid genäht. Hab müssen gestern nachmittag, daß es nicht ganz naß wird. Nun ist’s endlich fertig. Wollte heute eigentlich ein wenig zu Olga gehen, konnte aber Hansi doch nicht den ganzen Tag allein hier lassen. So bin ich Mittag hinüber, habe bei Olga die Tür aufgemacht und gesagt, Du hast geschrieben, und bin gemäß Deinem Beispiel „wie ein Geist“ wieder spurlos verschwunden.

Nun aber wirklich Schluß! Werde den Brief vollkommen fertig machen um abgeschickt zu werden, wenn Deine Adresse kommt. Mit innigen Küssen,

Deine Gretel

8. I.21

My darling!

Ich bin glücklich! Der erste Schritt zu meiner Heimkehr ist erfolgreich gemacht. Heute abend fahre ich ab nach Ostrau und sogar mit Einwilligung des hiesigen Chefs. Ich kann nämlich, recht z’wider, gelt, mit bestem Willen kein Quartier finden. Am Montag kommt noch in der Vertretung ein Kampf, und wenn ich erst dort frei bin, so ist mein Wunsch erfüllt.

Kind, wie’s mich zieht nach Wien, kann Dir’s gar nicht sagen. Bin recht unvernünftig und dumm, ich weiß, aber es ist doch so.

Du wirst Dich vielleicht nicht auskennen, da noch ein Brief an Dich im Koffer ist, aber letzterer ist schon auf der Bahn. Werde ihn abends aufgeben, vielleicht schon in Teschen.

Nun Lieb, glaub ich schon schreiben zu können „Auf Wiedersehen!“

Mit vielen Küssen

Dein Robert

29. Juni 21

Mein süßes Lieb!

Nun, Kind, muß ich Dir ja doch schreiben - ! Der Seufzer gilt zwar nicht dem Schreiben, doch aber dem Umstand, der eben das Schreiben bedingt, dem Alleinsein. Schön fang ich an, gelt? Na, macht nix! Die Lichtseite ist hier wieder die Freude auf Samstag! Bin übrigens heut’ ganz allein, denn Papa ist in Nußdorf, auch Olga sah ich seit Sonntag nicht, denn ich kam sowohl gestern als auch heute um halb 8 nach Hause, da ich bis 7 Uhr arbeitete. Da schaust halt?! Betreffs gestern kann ich nichts dafür, vielmehr ist das Gewitter schuld, welches einen Blitzstrahl auf unser Werk sendete und uns damit ungeheure Arbeit machte. Nebst mehreren Telefonstörungen standen sämtliche elektr. Uhren, da durch die Entladung die Hauptuhr beschädigt wurde. In der großen Maschinenhalle ist ein faustgroßes Loch in einer eisernen Traverse gebrannt. Hoffentlich hast Du beim Zurbahngehen nicht mehr viel vom Gewitter gespürt. Wie bist Du denn hianufgekommen, mein Schatz? Zwar erfahre ich die Antwort doch früher von Dir, muß Dich aber doch fragen.

Wollte heute zu den Deinen gehen, doch hab’ ich’s auf morgen verschoben, da ich wahrscheinlich schon um 5 Uhr weggehe. An Hansl Mühlndorfer hab’ ich geschrieben, daß ich Montag zu ihm komme, bis zu der Zeit soll er sich endgültig überlegen, ob er die Wohnung vermietet. Wenn nur d’raus was werden würde!

30. VI.

Mein Schatz!

Gestern bin ich unterbrochen worden, einesteils durch das Kommen Papas, andererseits durch die Schwammerln, welche ich zum Nachtmahl aß. Kann, oder vielmehr mein Magen kann sich mit solchen gar nicht befreunden, was wohl auf die Murman-Schwammerlsauce zurückzuführen ist. Muß mich recht tummeln, denn es ist gleich halb 1, schreib nämlich in der Mittagszeit.

Recht froh bin ich, daß das Wetter so schön ist und hoffentlich so lange so bleibt,,so lange Du draußen bist.

Gestern sah ich im Vorüberfahren das Johann Strauß-Denkmal, muß mir’s aber heute in den Nähe besichtigen, im Vorbeihuschen gefiel mir’s gar nicht. Kommt mir beinahe so vor wie die goldgelben Kartoffelköpfe vor der Technik. Ebenso steht nämlich Johann Strauß spielend unter einem irgendetwas vorstellenden Mauerbogen.

Jetzt Schluß, aber ohne Jubel, der kommt erst morgen abend oder Samstag!

Auf Wiedersehen und viele Busserln,

Dein Robert

Ternitz, 30. VI.21

Mein Liebling!

Der Brief wird Dich zwar kaum vor Deiner Abfahrt von Wien erreichen, aber schreiben muß ich ihn doch. Bin Punkt 7 Uhr in Scheiblingkirchen angekommen, um 7 Uhr 40 war ich in Weingart. Mein Heulager duftet herrlich und der Boden ist überhaupt so schön, daß man eine prächtige Sommerwohnung daraus machen könnte. Auch sonst ist’s mir bis jetzt recht gut gegangen. Fredel freut sich recht, daß ich heraußen bin, denn „jetzt kannst wenigstens alle Sonntag zu mir kommen.“ Darfst aber nicht vielleicht glauben, Schatzerl, daß wir allein sein werden. Hansl wird uns begleiten. Nun, ich habe mich mit dem unabwendbaren Schicksal abgefunden.

Bin gestern 8 Stunden gegangen mit Unterbrechung von einer halben Stunde auf der Bahn und 3 Stunden beim Fredel. Die Wanderung war herrlich schön, überhaupt, da sich hinter meinem Rücken immer Wolkenberge türmten, während ich der Sonne, dem Lichte zustreben durfte. Abends hat mich das Unwetter allerdings doch ereilt. Bin aber dank Mutters mauszerfressenen Gummimantels gar nicht naß geworden. So war’s mir direkt ein Vergnügen durch den Regen zu gehen.

Um halb 8 kam ich nach Ternitz. Morgen früh geh’ ich zurück und suche mir unterwegs Heidelbeeren. Mit Schwammerln ist vorläufig gar nichts los. Kann mich also ganz gemütlich sonnen (wahrscheinlich aber im Schatten). So, nun geh’ ich ein wenig zu meinem Lieblingsplätzchen. Dann schreib’ ich wieder weiter. Wieder zurück! ’s hat zwar geregnet, ich hab’ aber trotzdem Erdbeeren gesucht (gefunden auch). Samstag kriegst was davon. Ich nehme sie nämlich mit nach Weingarth.

Kind, ich freue mich schon so, wenn Du kommst. Hoffentlich ist’s bis dahin schön. Diesmal hat mich die Sonne im Stich gelassen. Es regnet zwar nur 1 bis 2 Stunden täglich, aber - es regnet.

Übrigens ist’s ganz gut so. Vielleicht wachsen dann doch noch die so viel gewünschten Schwammerl. Bist mit dem Brief zufrieden? Ich gar nicht. Aber wenn rund um Dich ein halb Dutzend Leute sprechen und man eventuell sogar selbst mitsprechen muß, dann kann eben nichts daraus werden.

Na, die Hauptsache weißt Du doch, gelt? Morgen schreibe ich Dir nicht! Werde wahrscheinlich erst gegen 10 Uhr abend nach Haus kommen.

Die Sonne scheint wieder so lieblich - bin neugierig, wie’s morgen wird! Lieb, wenn Du nur schon da wärest! Weißt, jetzt hör ich auf, es wird doch nichts Vernünftiges aus diesem Brief.

Viele Grüße an alle. Mit 1000 Küssen Deine

Gretel

4. VII.21

Mein Liebstes!

Komme eben von einem Spaziergang mit Silhawy, dem Kollegen, welchem es in Wien zu fad war, und freue mich, daß er mich besucht hat. War übrigens gar nicht daheim, als er kam, so daß ihn der Papa ins Geschäft in die Nikolsdorferstraße schickte, denn ich war grad bei Mutter. Die Schwammerln sind von Papa glücklich abgeliefert worden und wogen netto 2¼ kg. Ob dieselben so ausgetrocknet sind, oder Onkel sich verwogen hat, oder die draußige Wage schlecht zeigt, weiß ich nicht, auf alle Fälle ist mir der Gewichtsabfall unangenehm. Es war Mutter natürlich auch leid, daß wir nicht zu Fredy konnten, denn auch sie ist der Meinung, daß Du heute nicht hineinkannst. Auch daß Du so schlechtes Wetter hast und so wenig hinauskannst, bedauert sie, will aber scheinbar doch nicht, daß Du zurückkommst, denn meine Anspielungen darauf wollte Mutter doch nicht verstehen, vielmehr ist die der Meinung, daß Dir der Aufenthalt gesundheitlich guttun wird, „vielleicht wird s’ dann doch g’scheiter!“ Was dieses G’scheiterwerden bedeuten soll, weiß ich nicht, kann’s nur ahnen. Auch fiel mir dabei Dein „ich bin doch immer folgsam“ ein, so daß ich denke, daß es nicht die Schwammerln waren, die Deinen schnellen Entschluß, wie auch den Mutters, zustande kommen ließen. Wünsche nur, daß Dir der Aufenthalt wirklich gesundheitlich gut tun möchte, erwarte aber auch von Dir Aufklärung darüber.

Hansl bekam heute ihr Zeugnis. In 4 Fächern befriedigend, in 2 lobenswert, es ist also mittelmäßig gut. Hilda hat 2 genügend.

Die gestrige Fahrt ging ganz gut von statten. Bis Sollenau hatte ich Platz, weiter ging der Wagen nicht, und da die anderen überfüllt waren, blieb ich auf der letzten Plattform, setzte mich da auf die Schwammerlschachtel, aß mein Butterbrot und schaute zu Dir zurück, mein Lieb. Schon nach Pitten guckte es ganz blau durch die Wolken, welche man in Wiener Neustadt nur mehr im Süden sah. In Sollenau trafen wir den 3 Uhr 40er, und wie gerne wäre ich mit ihm gefahren. Papa sagte eben: „Na ja, sie hat halt Heimweh.“ Und ich hab’s auch, Du nach herein, ich nach hinaus. Ob wir’s wohl verlieren möchten, wenn wir unsere Rollen tauschen würden? Aber jetzt zu etwas Vernünftigem, denn es ist ja gar nicht vernünftig, so unvernünftig zu sein, Heimweh zu einander zu bekommen, wenn man sich ein paar Tage nicht sieht. Aber ’s ist halt so!

Eine Neuigkeit! Heute erfuhr Olga, daß Die Wohnung in der Schönbrunnerstraße schon vom Mietamt in Beschlag genommen ist. Papa geht morgen dahin, sich über das Weitere zu erkundigen.

Also Aussichten auf Wohnungen wären ja da, ob jemand mit uns aber so viel Einsicht hat, daß wir wirklich eine bekommen, ist eine andere Frage, wir wollen nur hoffen, daß es der Fall ist. Sehe eben beim Durchlesen, daß ich die Fahrt gar nicht weiter als bis Sollenau beschrieb. Die Sonne schien so schön, alles war trocken, konnte es beinahe selbst nicht glauben, daß es nur zwei Stunden entfernt so trostlos ausschaut. In Wien kam ich um 6.35 an, schaute dort gleich, wann der nächste Westbahner abfährt und war um 7.20 am Westbahnhof. Da ich fürchtete bei Euch niemand anzutreffen, es wäre auch der Fall gewesen, da Mutter und Hansi beim Rathaus waren (das Fest brachte 15 Mill. Reingewinn) und auch, daß ich den Zug versäume, mußten die Schwammerln die Reise mitmachen. Um 7.35 ging der Zug und um ¼ 9 war ich bei Rudolf, dem Herrn Offizial. Natürlich war man nicht wenig erstaunt. Ich aß und trank, ging zu Mühlndorfers und dann nach Hütteldorf, von wo ich um ¼ 11 wegfuhr. So, jetzt weißt alles. Noch ein Kuß

Robert

Weingarth, 5. VII.1921

Herzlieb!

Nun sitze ich in der Hütte und schreibe. Vor allem muß ich Dir sagen, daß ich ganz vernünftig bin. Habe seit Sonntag gar nicht mehr geweint, dafür aber um so mehr geschlafen. Von Sonntag auf Montag 12 Stunden und heute nachts beinahe 13 Stunden. Dabei kommen mir jetzt noch die Tränen vor lauter Schlaf. Gut ist’s, daß Trudchen da ist, nun hab’ ich doch jemand, den ich lieb habe, hier. Onkel und Tante tun mir zwar leid - beide, aber das ist noch lange keine Liebe. Friedel ist ein armes Tschapperl und Hansl hundsjung und pudelnärrisch. Für den Buben ist sich mein Gefühl immer noch gleich, wie es dem Kind gegenüber war, ist’s auch dem Burschen gegenüber geblieben. Manchmal bin ich ihm gut, ein andermal kann ich ihn gar nicht leiden. Übrigens dasselbe wie bei Berta. Bei Fredel war ich gestern, bin um 12 Uhr Mittag weggegangen und um halb 8 abends nach Haus gekommen. Bin nämlich hin und zurück gegangen. Zu Fredi durfte ich nur auf ein paar Minuten. Er hat Sonntag schmerzlich auf mich gewartet, trotz des Regens. Nun sagte ich ihm gleich, wenn es nächsten Sonntag wieder so regnet, soll er uns nicht wieder erwarten.Übrigens regnet es vorläufig nicht. Gestern war’s zwar trüb und heute ist’s sehr windig, aber sonst sehr schön. Werde jetzt, wenn Tante vom Futterholen zurückkommt, mit ihr nach Warth gehen, einkaufen. Sie hat sehr viel zu tragen, da will ich ihr ein wenig helfen. Vormittag hab’ ich nichts getan als gekocht und ein paar Heidelbeeren gesucht, mit Trude. Sie war sogar mit Feuereifer dabei. Ich werde sie doch mitnehmen nach Ternitz. Hoffentlich bist Du mit dem Zug, den ich Dir vorschlug, einverstanden. Auf jeden Fall wär’s sehr angenehm, wenn Du nur eineinhalb Stunden zu fahren hättest. Von Pottschach bis Ternitz geht man ungefähr dreiviertel Stunden. Können wir aber über Vöstenhof gehen, wär’s umso schöner. Freue mich schon auf Deinen Bericht aus Weidlingau. Hoffentlich ist er günstig und ich bekomme ihn schon morgen. Wäre mir das liebste Geburtstagsgeschenk.

Weißt, daß mich beinahe friert beim Schreiben? Der Wind bläst hier herein und mir fast das Papier unter der Feder weg.

Für die Schwämme ist’s wieder viel zu kalt. Onkel ist gestern 12 Stunden gegangen und hat kaum ein Kilo gefunden. Werde also wahrscheinlich kein finden, wenn er, der schon Jahre hindurch Schwämme suchen geht und jedes Platzerl weiß, nicht mehr Erfolg zu verzeichnen hat.

Es scheint, wir sind wirklich in einer Kältezone. Vor einem Jahr war’s so schön und warm.

Gerade jetzt vor - bin unterbrochen worden; mußte Onkel helfen, seinen Diwan zu tapezieren. Also, och wollte schreiben, gerade jetzt vor einem Jahr war ich mit Festus bei Br. Niedermeier. Ja, Liebling, ich wollte Dich fragen, ob Du Dir das Strauß-Denkmal nun angesehen hast, habe aber Sonntag ganz vergessen darauf. Und noch etwas vergaß ich - Dir Grüße an Papa, Olga, Bernhard, Rudolf, Mitzi und alle anderen Bekannten und Verwandten aufzugeben. Das fiel mir erst am Rückweg ein. Weißt Du, daß man von hier aus nach Grimmenstein sieht? Onkel hat es mir gezeigt, als ich Sonntag von der Bahn kam. Du, Schatz, wenn wir so weiteressen, Trudel und ich, muß ich Dich doch bitten, mir wieder 2 bis 3 Laibe Brot zu bringen. Gemüse ist hier eigentlich auch keines zu bekommen, bringe aber nicht vielleicht eines mit. Wir wissen uns auch so zu helfen.

Gestern haben wir Reis mit Salat gegessen, heute Reis mit Heidelbeeren, morgen Sterz mit Heidelbeeren, übermorgen wahrscheinlich wieder Reis mit irgendetwas. Freitag Haferflockenlaiberln, Samstag vielleicht Maisgrieß u.s.w. Sehr abwechslungsreich ist die Geschichte zwar nicht, aber gut genug für uns. Erinnert mich übrigens sehr an einen Ausspruch aus Ternitz: „Montag Erdäpfel, Dienstag Grundbirn, Mittwoch Bramburi, Donnerstag Kartoffel und so weiter“ .

Viele Grüße an alle, Grüße auch von Tante und Hans an Dich, Busserl von Trude. Herzinnig küßt Dich

Deine Gretel

5. VII.21

Mein liebes Geburtstagskind!

Vor allem Dir die Erfüllung aller Deiner Wünsche! Auch daß Dir die Zeit draußen schnell und schön vergehen möge und Du bald wieder bei mir bist. Aber halt, das ist ja eigentlich mein Wunsch. Aber auch der soll in Erfüllung gehen, wünsche ich, denn ’s ist halt doch so, daß ich mich so sehne nach Dir, mein Süßes. Komm’ mir halt gar so halbert vor und bin nur froh, daß morgen schon Mittwoch ist, es geht dann schon wieder bergab mit der Woche und somit Dir näher.

Papa ist heute wieder einmal krank und meiner Ansicht wieder vom Primsen, den wir gestern abend aßen. Heute war ich betreffs eines Eisengitters für unsere Küchentür in der Blechturmgasse und bin am Retourweg so patschnaß geworden, daß ich mich ganz ausziehen mußte. Bin also in sehr negligéigem Zustand.

Das Wetter ist geradezu scheußlich und ich hoffe nur, daß jetzt, wo’s hier bei uns regnet, es vielleicht bei Dir schön ist, so daß aus Sonntag etwas wird. Obwohl Du mir zwar sagtest, daß Du nicht schreiben wirst, erwartete ich doch einen Brief und war enttäuscht, als nichts da war. Habe gestern eine Küchenwaage mit einem Satz Gewicht und extra 1 und ½ kg Gewicht gekauft, zwar alt, doch gut erhalten, um 600 K. Die Schalen sind als Aluminium, der Satz Gewichte aus Zink. Wegen Sesseln hatte ich noch nicht Gelegenheit, denn wenn ich aus dem Geschäft komme, ist schon alles zu.

Wir werden nächster Zeit wahrscheinlich wieder Überstunden machen müssen, da wir mehr Arbeit kriegen. Für mich sehr angenehm. Auch ist eine Aufbesserung in Aussicht, aber erst in 1 bis 2 Wochen.

Von Emmy bekam ich eine Karte, auf welcher sie sich bedankt für Deine lieben Worte und mich bittet, Frau Dont beim Abschicken einer Nähmaschine behilflich zu sein, da ein Spediteur für Verpackung und Transport von Lacknerstraße bis Westbahnhof 1000 K verlangt. Zwar viel, aber wenn man bedenkt, daß dieselbe mit Holzleisten vernagelt werden muß, immerhin denkbar. Weiß noch nicht, wann ich Zeit habe.

Wie geht’s denn Trudel? Jetzt darf ich ja schon wieder anfangen „Auf Wiedersehen“ zu schreiben, gelt? Mit innigen Küssen,

Robert

7. VII.21

Liebster Schatz!

Heute bin ich wieder froh, denn sowohl Deine liebe Karte als auch Dein Brief harrten meiner, als ich um 8 Uhr nach Hause kam. Mußte leider wegen dringender Arbeit, die ich gestern schon einmal verschoben, länger im Geschäft bleiben, tat’s aber gar nicht gern, da ich ja bestimmt von Dir was erwartete. Bin recht froh, daß die Woche ihrem Ende zu geht, noch froher wäre ich natürlich, wenn’s schon die letzte Woche wäre und ich mit Dir nach Hause fahren könnte. Bin oder vielmehr war nämlich gar nicht so vernünftig wie Du, obwohl ich zwar auch nicht weinte, aber freue mich, daß Du’s wenigstens bist. Auch daß Dir Trudel Dein Alleinsein leichter macht, denn nicht nur allein, daß Du sie gerne hast, liebt auch sie Dich und das tut Dir wohl. Wird mich freuen, sie in Ternitz zu sehen. Da fällt mir eben ein, daß ich ja vom 13erjahr noch eine Ternitzer Adresse von Dir habe, werd’ sie gleich suchen. So, nun kann ich Dir ja den Brief gleich dahin senden, wenn s’ nur stimmt! Aber ich glaube ja Sonntag auch von Dir Rohrbach erwähnt gehört zu haben. Na, auf gut Glück!

Der Zug ist mir sehr passend, es ist mir auch sehr lieb, daß wir gleich vorher einen Spaziergang machen, so daß wir auch ein bißchen allein sein können. Nun eßt nur so weiter, Ihr Beide, bring’ ja gern alles mit, nur erhoffe ich bis übermorgen noch außer den 3 Laiben Brot nähere Angaben.

Nachdem ich leider das Strauß-Denkmal noch nicht selbst angeschaut habe, so sende ich Dir einstweilen eine Kritik aus dem „Morgen“.

Heute war Olga beim Wohnungsamt, sie wollte nämlich selbst gehen, da sie die Anzeige machte. Leider hat Olga heute nichts ausgerichtet, da die Entscheidung Sache des Wohnungskommissärs ist, welcher erst morgen 8 Uhr amtiert. Also geht sie nochmals hin.

Daß mir Olga diese Gänge macht, ist mir recht lieb, denn die Laufereien würden gewiß viel Geld kosten und wäre jetzt, da ich allein drinnen bin, überhaupt unmöglich. Also hoffen wir wieder einmal. Peperl, unsere nämlich, ist auch mit einer Wohnung durchgefallen und Annerl wird Samstag in 8 Tagen heiraten, daß sie eine bekommt. Erstere hat einen Mordszorn über die „jüdische Saubagasch“. Morgen schreib ich nicht mehr. Hoffe nur, daß Dich der Brief erreicht. Also um halb 4 in Pottschach. Weiß zwar gar nicht, wo das ist, aber werde mich sofort morgen informieren. Viele 1000 Küsse, auch an Trudel,

Dein Robert

Weingarth, 7. VII.1921

Mein Liebling!

Deine beiden Briefe von Sonntag und Montag erhielt ich, den einen Dienstag abends, den anderen heute früh. Danke Dir herzlich für beide; obwohl mir der Brief vom Sonntag nicht gerade sehr angenehme Nachricht brachte, sah ich doch wieder, wie lieb Du mich hast. Hast du doch gleich geschrieben und mir so die Qual der langen Ungewißheit erspart. Siehst, Liebstes, in solchen Augenblicken bin ich Dir so dankbar, da muß ich Deine Hände an die Lippen ziehen, wenn Du da bist. Aber nicht immer ist es die Dankbarkeit, die mich dazu zwingt, oft ist’s auch eine stumme Bitte um Vergebung, wenn ich fühle, daß ich Dir weh tue und es doch sein muß, will ich mir selbst treu bleiben. Mein Mutterle will also nichts wissen von mir?! Na ja, hab sie wahrscheinlich zu viel geärgert. Aber einmal wird ja doch die Zeit kommen, da sie mich in Gnaden aufnimmt.

Eben ist Deine Geburtstagsgratulation angelangt. Auch die Mutters und Hansis. Danke Euch allen dafür (bitte ausrichten!).

Aber ich will fortfahren in der Beantwortung der beiden ersten Briefe. Oder vielmehr nur des zweiten. Den ersten beantworte ich Dir mündlich.

Nun Schatz, Du verlangst von mir Aufklärung über das Gescheitwerden! Kind, ich bin wirklich seit einigen Wochen nicht vernünftig. Manchmal von einer quälenden Unruhe befallen, die mich ziel- und planlos umhertreibt, manchmal wieder von jenem traumhaften Zustand befangen, den ich ja einmal versuchte Dir zu schildern. Kurz gesagt - ich bin nervös. Ob das nun hier anders werden wird? Ich glaube gerade das Gegenteil. Wenn ich Arbeit hätte so viel, daß ich immer wüßte, dies oder jenes muß fertig sein, das würde mir viel besser tun. Heuer wäre mir ein Aufenthalt bei Hubers sehr zustatten gekommen. Anstatt dessen verbringe ich nun meine Tage in müßiger Träumerei.

Noch ein Punkt ist, den Mutter als Dummheit oder vielleicht besser gesagt als Resultat meiner Dummheit ansieht. Das Herzweh! -

Lieb, seitdem ich Dir’s damals sagte, ich glaube, es wird morgen drei Wochen, seitdem hat’s noch nicht wieder aufgehört bis vorgestern. Gestern und heute hab ich nichts gespürt.

Ob Du mit der Aufklärung zufrieden bist? Jedenfalls kann ich Dir keine andere geben. Willst Du aber noch etwas wissen, so frage, Liebling Ich will nun wirklich versuchen, Dir alles zu beantworten, was Du wissen willst.

Du hast Heimweh nach hinaus und meinst, ich hätte es nach der Stadt. Kind, nein, ich habe für die Stadt nie etwas übrig gehabt und hätt’ ich Dich hier, wäre vom Heimweh wohl nicht viel zu spüren. Bin aber immer noch vernünftig.

Trudel geht’s übrigens beinahe so wie mir. Sie erklärte mir heute ganz energisch, sie fährt Sonntag mit Dir nach Haus. Nun aber auch ’was Vernünftigeres. Bin neugierig, ob Regine heute kommt. Wenn nicht, gehe ich morgen mit Trudchen allein hinüber - über die Berge. Nun aber, Schatz, hab ich Deine Antwort auf meine Karte von Montag noch nicht. Werde sie auch nicht mehr bekommen. Ich erwarte Dich auf alle Fälle mit dem Zug A 39 in Pottschach. Kommst Du nicht mit dem, warte ich um 6 Uhr 18 abends in Ternitz. Sollten wir und überhaupt verfehlen, gehst Du in Ternitz vom Bahnhof rechts zur Ruedlstraße, biegst in die Zwischengasse ein. Nach Durchwanderung derselben den Feldweg links hinauf im ersten Haus, vier Fenster Front, grüner Gartenzaun, wenn Du’s entdecken kannst, Haus Nro. 162, wohnt Familie Richter.

Hoffentlich hast Du die Beschreibung nicht nötig. Ich wollte, wir wären beide schon dort. Heute ist prachtvolles Wetter, hoffe nur, daß es bleibt.

Heute hab’ ich die ersten Schwammerl gefunden, kaum ein Viertelkilo. Wir haben sie gleich verspeist.

Nun muß ich auch die Beantwortung Deines dritten Briefes aufheben. Gehe nämlich mit Hansl nach Thernberg, weil ich Mehl brauche und nach Scheiblingkirchen den Brief aufgeben. Bitte bringe außer der Blechschachtel noch eine leere andere mit, für Heidelbeeren. Fahre auf alle Fälle nach Ternitz, auch wenn’s in Wien regnen sollte. Regnet es hier, fahre ich auch. Über Wiener Neustadt. Innige Küsse an Dich und die Meinen. Grüße an die Deinen und die Mädels!

Deine Gretel

11. VII.21

Mein Lieb!

Nun hab ich Zeit, Deine lieben Zeilen zu lesen. Gestern stiegen in Scheiblingkirchen so viele Leute ein, daß ich’s lieber bleiben ließ. Auch hab’ ich bald eingeschlafen und mit einer kleinen Unterbrechung in Neustadt schlief ich bis Maria Lanzendorf. Die Fahrt war also sehr angenehm, nur die Knochen schmerzten mich als ich ausstieg. Papa kam kaum eine Viertelstunde früher als ich, schlief aber schon fest. Die Dose wird Papa abgegeben haben, ich selbst werde abends zu Mutter gehen. Vor meiner Beantwortung eine sehr angenehme Nachricht, zwar nur mich betreffend, nämlich daß ich Lohnerhöhung bekam und zwar von 26 K auf 30 K Grundlohn, was mit den diversen Zulagen schon 300 bis 400 K in der Woche ausmacht. Jetzt zu Deinem Brief. Schau, Lieb, wie kann ich denn anders als Dir gleich mitteilen, wenn ich was am Herzen habe, bist doch Du mein liebstes, was ich habe, auch wenn Du daran manchmal zweifelst. Das soll aber kein Vorwurf sein, denn ich bin ja wirklich manchmal nicht so wie ich sein sollte gegen Dich, so wie es bei einem Schweigen mir gegenüber war, so ist auch hier meine unsinnige Liebe zu Dir schuld, denn mein ganzes Denken bist nur Du, Du und wieder Du. Und wenn ich dann sehe, daß es Dich auch nach anderer Seite zieht, da will ich Dich halt dann nicht hergeben, trotzdem ich es ja selbst für Unvernunft halte, jemanden, sprich: Dich, mein Kind, zu etwas zwingen, was Du eben nicht tun willst oder nicht tun kannst, weil Du Dir selber treu bleiben willst. Ja, Kind, wenn Du Dir nur selbst treu bliebest; es wäre mir eine Beruhigung, daß unsere Harmonie ja doch endlich kommen muß. Aber schau nur Du selbst nach niemand anderem, denn alles, was andere, ich nicht ausgenommen, verlangen, ist Zwang und wo Zwang ist, hat die Menschheit ein Ende. Mir fallen da die Worte von Deinem Onkel ein.

Mit Deiner Aufklärung bin ich wirklich nicht zufrieden, denn es fehlt das „Warum“. Aber da Du ja wirklich versuchen willst, mir alles zu beantworten, dieser Vorsatz, Schatz, freut mich ja wirklich, darf ich wohl noch fragen. Dann aber mündlich.

Du denkst, ich habe Heimweh hinaus? Ja, aber nur, wenn Du draußen bist, denn wenn ich Dich herinnen wähnte, wäre wohl das Heimweh vorüber.

Liebste!

Komme eben von Mutter. Mußte mich tummeln, daß ich noch herauskomme vor der Sperre. Hansi kommt morgen oder übermorgen. Auch sagte ich Mutter, daß Du heimkommst. Sehr recht ist es ihr nicht, doch schickt sie Dir Hansi. Mutter will ja doch nur Dein Bestes und glaubt, daß eben Dein Fernsein Dir hilft. Wir sprachen viel von Dir und es bestätigte sich mir daraus nur, daß ich an all dem Leid schuld bin, das Dich quält und das die Ursache Deiner Nervosität ist, das Dir Dein Herzweh bereitet. Auch mir ist so traurig heut’, mein Kind, und hätte ich Dich hier, ich möchte Dir die Tränen wegküssen, die durch meine Schuld fließen und Dich um Verzeihung bitten für all das Leid, das ich Dir zufüge, Du, Du, mein Alles, die ich mehr liebe als mein Leben. Und Du, Gute, schriebst mir in Deinem Brief von Dankbarkeit! Schau, oft und oft nach Abenden, welche unsere Meinungsverschiedenheiten so recht hervortreten ließen, verwünschte ich meine Gedanken, die doch die Ursache von allem sind, ich schalt mich, daß ich es nicht über mich bringe, über jene Punkte gleichgültig schweigend hinwegzugehen. Aber was nützt dies alles, sie lassen sich nicht hinwegbannen, sie kommen, werden immer mehr und mehr und wie bei einem Gewitter ist es in mir immer schwärzer ballen sie sich zusammen, bis sie sich eben in einer Entladung Luft machen.. Und Du leidest darunter. Und wie oft frage ich mich, ob ich denn recht tue, ohne mir diese Frage bejahend beantworten zu können. Den Weg finde ich recht, denn er ist der der Vernunft und nur durch Vernunft allein haben wir die Erkenntnis erlangt, deren wir uns rühmen können, aber die Art meines Handelns ist nicht recht, wie ich Dir ja schon zu Mittag schrieb. Kind, mein Lieb, ich will versuchen, auch hier den rechten Weg zu gehen und Du mußt mir helfen. Ich gehe schlafen, Gretel, leb wohl und 1000 Küsse.

Robert

12. VII.21

Liebe Gretel!

Wollte den Brief Hansi mitgeben, da ich dachte, daß sie morgen fährt. Nun erfahre ich durch sie, daß Mutter gefahren. Es ist recht so. Morgen hole ich Dich dann ab, wie froh bin ich, daß Du nun wieder kommst. Nun aus Wiedersehen! In inniger Umarmung

Robert


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