Grete Schröfl - Robert Schröfl: Korrespondenz


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Samstag, den 30. Okt.20

Mein Liebstes!

Trotzdem ich heute wenig Hoffnung hatte, etwas von Dir zu bekommen, da doch erst gestern zwei Briefe und abends die Karte im Stern ankam, zog’s mich doch nachmittags zu Müller und siehe da, wieder sind zwei Briefe da. Kaum traute ich meinen Augen. Natürlich fing ich beim Zuhausegehen gleich an zu lesen. Aber da ich immer aufpassen mußte, daß ich mit niemandem zusammenlaufe und überdies noch recht lachen mußte, zur Verwunderung der Vorübergehenden, da steckte ich den Brief wieder ein und ging in den nahen Wald. Dort konnt’ ich nun ganz ungestört im goldenen Abendschein Deine lieben Worte lesen. Und die machen mich so glücklich, so, daß ich wirklich anfange, oder mich wenigstens dabei ertappe, unvernünftig zu werden. Ist doch aber auch die Sehnsucht so groß nach Dir, mein süßes, einziges Lieb! Es ist nur ein Glück, daß das Barometer heute wieder um einen Strich gestiegen ist. Du schreibst mir schon einige Male, daß ich Dich für besser halte als Du bist. Nun aber freue ich mich, daß ich dabei gar nicht so allein bin, denn Mitzi macht ja ganz genau dasselbe. Also glaubst Du nicht, mein Lieb, daß es vielleicht umgekehrt ist, nämlich daß Du Dich selbst schlechter siehst, also Du noch nicht zufrieden bist mit Dir und noch immer besser werden willst. Nun, sei’s wie’s sei, Du bist allein und wir sind zwei. Von Deinem Eigensinn habe ich wirklich noch keine Ahnung, wenn aber das auf den Umstand zurückzuführen ist, daß unsere Ansichten und Empfindungen gleich sind, und diese nun logisch sind, so ist das dann ja gar kein Widerspruchsgeist sondern eben nur ein Festhalten an Ansichten, die durch die Vernunft begründet sind, die Du also selbst glaubst. Daß Du Dich aber an unvernünftige Ansichten anklammerst, nur um jemanden zu sekkieren, glaub ich einfach nicht. Also auch Dir: „Bangemachen gilt nicht!“ Betreffs des Einbruchs muß ich berichtigen, selbst auf die Gefahr, daß Du mich, da das Dir jetzt nicht möglich, vielleicht, wenn ich nach Wien komme, hinauswerfen wirst, daß ich gar nicht neugierig bin, was gestohlen wurde, wohl aber auf welche Art das gestohlen wurde. Das „Nähere“ über den eigentlichen Einbruch besteht aus sage und schreibe 10 (zehn) Worten! Mitzis F. glaube ich von Deinen Erzählungen von unseren Spaziergängen vor dem Einrücken zu kennen. Nun kann ich aber Deiner Tante nur von ganzem Herzen Dank sagen. Auf einer Karte nach Misiwaja schriebst Du mir einmal „na, um den Buam wana, des war do a Schand“. Nun aber, Gretel, frage ich Dich, warum weintest Du denn dann, als ich Abschied nahm? Du, das kleine Häschen mitten im Walde paßt ja ganz vortrefflich mit Fritzls Hex zusammen, doch mir paßt’s gar nicht, wenn ich dabei nicht so ein Hexenmann werden kann.

Daß Du mir das Konzert nicht beschreibst, ist mir nur lieb, es war doch ein unsinniger Wunsch von mir. Hätte doch von mir selbst wissen sollen, daß Musik, die man in sich aufnimmt, nicht als Sachverständiger oder Kritiker, sondern als Mensch, unbeschreiblich ist. Der Eindruck eines Bildes läßt sich ja auch nicht beschreiben.

Also Emmy läßt mich grüßen, sehr erfreut! Doch denke ich, da sie ja dadurch ihre Ansicht bezüglich des ihr vor die Füße geworfenen Handschuhs geändert, daß sie mir auf meinen Brief selbst Antwort geben könnte. Die Sterne wurden zensuriert, doch ließ man die Karte und das Geld darinnen. Danke nochmals. Freue mich von ganzem Herzen mit Dir, daß Fredy besser ist. Ja, wenn er nur gesund werden würde! Wenn ich zu Weihnachten kommen sollte, dann fahren wir zu ihm, gelt?

Mein Schlafkollege schnarcht schon wieder, es ist gleich 12 Uhr. Nun kommen zwei ganz freie Tage. Was anfangen? Na, morgen brauche ich mich wenigstens nicht zu ärgern.

Mit tausend Küssen

Dein Robert

Sonntag, 31. X.20.

Geliebte Gretel!

Nun habe ich den Brief nocheinmal aufgemacht, werde noch einige Zeilen von heute beilegen, da geht’s in einem. Wollte Dir schon einen Brummer schicken, nun sehe ich, daß mir einer gebührt. Also bitte! Er wäre nämlich wegen Mitzis Adresse gewesen, da entdeckte ich sie heute auf Deiner lieben Karte. Du siehst also - aber will gar nicht weiterschreiben, sonst kommt im nächsten Brief wieder eine Predigt meiner „so viel schlechten“ Gretel.

Nun ist die arme Karte ja glücklich weg, mit ihr ein Brief an Olga. Schrieb ihr nur kurz von uns und ich glaube, daß Dich Olga bald im Geschäft besuchen wird und hoffe auch, daß Ihr Euch versteht. Mach auch hie und da einen Sprung zu ihr! Auch an Karl Hirschmann habe ich geschrieben, zwar um 14 Tage später, aber der Wille geht hier für’s Werk.

Nun bin ich wieder unterbrochen worden. Mein Kollege ist in ziemlich froher Stimmung zu Hause gekommen und hat mir soviel erzählt, was mich übrigens gar nicht interessierte, bis es Zeit war, zum Nachtmahl zu gehen. Jetzt ist er ins Kino und wenn er zu Hause kommt, schlafe ich wahrscheinlich schon. Sehr lieb, gelt? Nun ist der erste Feiertag doch ’rum. Ihr werdet vielleicht grad bis zu dem Programm sein. Möchte drahtlos dabeisein.

Übrigens muß ich Dir beichten, daß ich, wenn ich meinen Paß gehabt hätte, auf ein paar Stunden gekommen wäre. Es wäre sich nämlich sehr gut ausgegangen. Freitag nachmittag hier weg, 10 Uhr Samstag in Wien, und Montag 8 Uhr früh von Wien ab. Wäre das vielleicht verrückt gewesen? Möglich, aber auch schön. Bin neugierig, bis der Paß endlich kommt.

Heute habe’ ich Deine ganzen Briefe durchgelesen, auch die Karten. Wie oft tat ich das in Rußland, und trotzdem ich dieselben schließlich ganz auswendig wußte, war’s mir doch immer die liebste Zerstreuung.

Nun gehe ich aber ins Bett. ’s ist zwar erst halb 10, doch war’s gestern später. Freue mich, auch morgen liegenbleiben zu können, denn draußen ist’s recht kalt. Gestern früh hatten wir minus 10 Grad.

Nun, mein Lieb, lebe wohl und Gute Nacht! Innige Küsse

Robert

Wien, 1. XI.1920

Liebster Robert!

Herzlichsten Dank für Deine beiden lieben Briefe vom 27. -29. und die Karte vom 28. X. Ist heute alles zu meiner Freude eingelaufen. Mit Deinem neuen Zimmergenossen bist Du, wie’s scheint, nicht zufrieden?! Ich hoffe also mit Dir, daß die Einquartierung nicht zu lange dauert. Wenn Du aber in Eurer Werkstätte mit mir plaudern willst, wirst Du am Ende dort erfrieren. Ich vermute wenigstens, daß es nicht besonders warm ist dort. Gegen eine Störung durch ein Mauserl hätte ich aber nichts einzuwenden. Hab’ die kleinen Dinger immer recht gern gehabt. Als ich klein war, hat mir Mutter immer die Mausfalle mit so ’nem gefang’nen Mäuschen zum Spielen gebracht. Später brachte mir mein Bruder mal eine weiße Maus. Leider ist sie nach etwa zwei Jahren an zu guter Kost zugrunde gegangen, was mir bittere Tränen kostete. War nämlich eine fürchterliche Tränenliesel. Weißt, wenn Du Dich bei der Geschichte Huber - Wiener Gemeinde nicht auskennst, kann ich das ganz gut verstehen. Aber ’s wird besser sein, ich erzähle Dir einmal mündlich darüber. Innigen Dank auch für Das Lied! Ich hab es heute nachmittag gespielt. Wollte Dir nämlich schon nachmittag schreiben, aber ’s war wieder eine Cousine von mir hier und Mutter wollte, daß wir singen. Jetzt mußte ich das Mädel nach Hause führen, weil sie immer so ungeschickt geht, daß sie um eine halbe Stunde länger braucht, als nötig ist. Also mußtest Du eben warten! Das macht ja übrigens gar nichts aus, denn ob ich den Brief heute aufgeb’ oder morgen früh, ist einerlei. Ausgehoben wird er doch zur selben Zeit. Nun, wenn Dir Friedl schon Hansi als Frau empfahl, warum hast Du den Rat eigentlich nicht befolgt? Ich ersah übrigens daraus, daß andere Leute manchmal auch so närrische Ideen haben wie ich. Aber im allgemeinen muß ich ihr doch recht geben, wenn sie meint, es sei besser, sich eine junge Frau zu nehmen. Aber Hansel hat noch ziemlich lange Zeit. Wüßte nicht, wie sich das Kind als Frau ausnehmen sollte. Sie ist ja so fürchterlich ungeschickt. Vom Kochen hat sie keine Ahnung. Mutter ließ und läßt sie ja nichts machen und mein Reden nützt gar nichts. Mutter ist noch viel dickschädliger als ich, wenn sie auch just das Gegenteil behauptet.

Daß Hansi viel Ähnlichkeit mit mir hat, nämlich so weit es Charakter anbelangt, ist freilich richtig. Soweit eben mein Einfluß reichte, hab’ ich doch immer versucht, sie zu bilden, wie’s mir paßte, wenn’s auch so manches Mal einen Kampf auszufechten gab. ’s ist überhaupt nicht gut, wenn drei oder mehr Menschen an der Erziehung eines Kindes arbeiten. Lasse deshalb Mutter mit den Kleinen mehr oder weniger tun, was sie will.

Betreffs eines Berufs für Hansi bin ich vollkommen Deiner Ansicht! Das Schlechteste aber ist, daß das Mädel nicht recht weiß, was sie will. Das einzige, wozu sie Lust hat, ist, irgendwo bei der Textilbranche als Verkäuferin zu gehen. Dazu müßte sie drei Jahre als Praktikantin tätig sein. Damit ist nun wieder Mutter nicht recht einverstanden. Wenn nun Berta nicht wieder in einem Anfall von Verrücktheit das Geschäft verkauft, wäre ja alles in Ordnung. Hansi macht es Freude und sie könnte es später mit Mutters Hilfe weiterführen. Aber Berta ist eben unberechenbar! Was ihr heute gefällt, verwirft sie morgen, um aufzunehmen, was sie tags zuvor verdammte. Werde aber jedenfalls nochmals versuchen, was ich bei meinen Leuten ausrichte. Nicht von Dir beeinflußt, sondern meiner eig’nen Vernunft gemäß. Emmys Haß gegen Papa begreife ich auch nicht, wenn ich auch einsehe, daß sie unter dem Gedanken litt, daß Du nichts mehr Dein eigen nennst. Aber es gibt da noch diverse andere Gründe, von denen ich nur Andeutungen erhielt. Z. Bsp. daß Papa Frau Dont heiraten wollte. Das hat sie (Emmy) ihm jedoch gründlich verleidet. So erzählte sie mal Mutter und Berta. Ich war damals nicht daheim. Daß Berta ihr darauf wieder mal die Antwort nicht schuldig blieb, kannst Du Dir denken. Sie sagte ihr, es ginge sie das gar nichts an und sie habe absolut kein Recht, derartiges zu verhindern. Und damit hat sie wieder einmal Recht gehabt.

Bezüglich der Baß-Skalen hast Du recht gehabt, nämlich so weit es die Gesangsnoten betrifft. Das letzte C ist das eingestrichene C des Violinschlüssels. Du kannst nun die ganzen Baß-Skalen um eine Oktav höher schreiben, ohne jedoch die Vorzeichen irgendwie aus ihrer Lage zu bringen und ohne daß die Skalen, die ich schrieb, unrichtig sind. Nun sind sie für Klavier und nicht für Gesang geschrieben.

Daß mein Brief länger geworden wäre, wenn ich die Opernloge gefunden hätte, ist wohl möglich. Aber es tut mir der Tausch immer noch nicht leid. Wenn ich auch gestern erst wieder eine Predigt von Berta anhören mußte, über meine „Blödheit“ u.s.w., deshalb bin ich doch froh, wenn ich mit fremden Leuten nichts reden muß. Aber wenn ich ihr sage, ich weiß nichts, dann wird mir gewöhnlich die Antwort zuteil: „Wann i wüßt, Du bist a Trottel, dann lassert i mir des g’fallen! Aber so ---!“ Das andere darf ich mir dann denken, so schmeichelhaft der Gedankenstrich auch für mich sein mag. Die „Eifersucht“ Deiner Lieben bedrückt mich gar nicht. Denn was Du ihnen vielleicht an Liebe entziehst, will ich nach meinen besten Kräften ersetzen! Eben kam Berta heim. ’s ist nämlich schon halb 12 Uhr. Nun kommen wieder verschiedene Neuigkeiten, also wird’s das Beste sein, ich verschiebe das weitere auf morgen. Deine Bemerkung wegen Emmy ist wirklich „grauslich“. Wenn Du sehen würdest, wie vergrämt das Mädel aussieht, wär’st Du’s wahrscheinlich nicht. Nach Gloggnitz wäre ich auch nicht gefahren, wenn ich Emmy begleitet hätte, sondern höchstens bis Ternitz. Es wär’ nämlich sicher nicht der geeignetste Zeitpunkt zu einer Zusammenkunft mit Frau Dont gewesen. Mußte aber gestern immer an sie denken, weil sie’s doch gestern erfuhr. Viele Busserl (wenn Du auch einen Schnupfen hast) von

Deiner Gretel

Dienstag, 2. XI.20

Liebste Gretel!

Nun sitze ich wieder allein in meinen Behausung. Mein Mitbewohner ist heute mittags abgefahren. Glückliche Reise!

Es scheint, als ob Deine Briefe nur noch mehr paarweise kommen. Nun, desto besser! Heute Deine lieben zwei vom 29. X. erhalten, die andere Adresse nützt aber gar nichts, der Briefträger bringt doch alle zu Müller. Die unvollständige Adresse auf dem Brief vom 13. sei Dir großmütig verziehen. Ist auch nicht der Grund zur Verzögerung gewesen, denn der vom 18. kam ja auch um einige Tage später, trotzdem die Adresse vollständig war.

Also zur Beantwortung „regelrecht von vorn nach rückwärts und nicht so durcheinander“. Daß Du im höchsten Grade unmodern bist, habe ich zwar noch nicht bemerkt, doch glaube ich, stimmen wir auch in diesem Punkt überein. Bin es nämlich auch, so weit es sich nicht um nützliche, d.h. vernünftige Mode handelt, denn nützlich ist ja nun Mode immer, aber nicht nur für die Geschäftsleute. Meine Spinnefeindschaft der Mode gegenüber hat ihre Ursache darin, daß die unsinnige Mode ein teilweiser Grund von Mamas frühem Tod war. Mama lebt als Mädchen noch in der Zeit der Krinolinen und da schnürte man sich fürchterlich. Dieses hatte nun zur Folge, daß bei der Operation, meine Mama erkrankte an Gallensteinen, auch das Herz in Mitleidenschaft gezogen wurde, da die Galle durch die Schnürung aus ihrer natürlichen Lage verrückt worden ist.

Darum weg mit allem körperbeengenden Zeug!

In dieser Weise sind, ganz abgesehen von den Kongo- oder Australnegern, die Russen praktisch und vernünftig, aber Damen davon ausgeschlossen! Da braucht man weder Kragen noch Manschetten oder Krawatte, es wird ganz einfach die Gymnastorka, so ein Überhemd, angezogen und fertig. Das ist praktisch, nett und auch schön. Von den Damen aber darf ich nichts sagen, denn da wird schauderhaftes geleistet. Wenigstens in der Stadt. Die Nationaltracht hingegen gefällt mir sehr. Unweit von Kandalakscha arbeiteten ca. 60 ukrainische Mädchen in Tracht, das war wirklich ein schönes buntes Bild. Also braucht Dir nicht leid zu sein, wenn Du so schrecklich unmodern bist.

Karl habe ich in bereits genau demselben Sinne geschrieben, als Du Deine Meinung geäußert. Weißt, bei ihm ist das schwer. Er ist durch und durch Materialist, Schopenhauer sein Liebling und ein Mensch, welcher kein höheres überirdisches Ideal hat, setzt sich über solche Bitternis nicht so leicht hinweg. Werde ihm die nächsten Tage schreiben, auf daß er Dich besuchen soll. Ob er’s aber tut, weiß ich nicht, wenn er auch nicht gerade menschenscheu ist, so doch ganz zurückgezogen. Es tut mir sehr leid, daß wir uns in Wien nicht getroffen haben, ein bißchen könnte ich ihn doch von seiner Schwarzseherei abbringen. Habe in Tobolsk doch so oft über seinen Pessimismus geschimpft. Bitte sende mir den zweiten Brief. Deine Worte über die Folgen des Krieges auf die Menschen sind leider nur allzu wahr.

Hansi jammert über ihr hohes Alter! Das ist eigentlich sonderbar. Meistens wünschen sich die Mädels in diesen Jahren, daß sie schon älter wären, na, aber zweieinhalb Jahre, das ist ein wenig wenig. Ob ich krähen kann? Hm, weiß eigentlich selbst nicht recht, werd’ aber einmal versuchen, wenn ich ganz allein im Wald bin. Nun spinnen doch nicht Hansi und ich allein, sondern Du hast auch schon gesponnen! Also wieder ein Dreibund, nur mit dem Unterschied, daß Dein Spinnen wahrscheinlich nützlicher war als unseres. Ist bei Dir überhaupt ein Gespinst herausgekommen??

Nicht wehgetan hast Du mir, mein einzig Lieb, bezüglich Deinen Erinnerungen an Valerie. Schau, Mutter-, Schwester- oder Bruderliebe und die Liebe von Weib und Mann, sind drei für sich verschiedene Arten, keine ist der anderen gleich und doch können sie ebenso innig und tief sein. Und ebenso wie die Liebe Deines Schwesterchens soll und ist auch meine Liebe zu Dir, Gretel!

Mit „Anwesende sind immer ausgenommen“ bin ich aber einmal nicht einverstanden.

Du brauchst Dir wohl gar keine Sorgen machen, daß Du einen allzugescheiten und „fürchterlich“ belesenen Mann bekommst. Liebhaberei ist schon recht und gut, aber wenn man sich zuviel Zeug in den Kopf pfropft, bleibt eben kein Platz zu dem für’s Leben wichtigen über. Und so war’s auch bei mir. Das eine ist vergessen und, wenn auch nicht alles, doch wertlos, das andere nicht da. Und was Deine Frage anbetrifft, ob Du mir nicht einmal „viel zu dumm“ sein wirst, muß ich nun in Dein Brummbärenfell hineinschliefen und Dir sagen, daß ich Dich viel zu lieb hab, um das selbst aus Deinem Munde hören zu wollen. So, - jetzt schlief’ ich wieder ’raus. Damit wäre also der Brief No.1 beantwortet. Gestern hab’ ich Dir einmal nicht geschrieben, denn ich betrachtete einmal wieder die Sterne. Aber nicht die am Himmel, sondern die, die Du mir sandtest. Sehr gefällt mir der Friedensfürst. Auch natürlich, was ich schon früher einmal las „Was eine junge Frau wissen muß“. Hast Du, glaub ich, auch schon früher gelesen, gelt? Auch Thilde hat ein Genius-Busserl bekommen. Nun fehlt aber die Errichtung eines Versfußambulatoriums. Bin neugierig, wie Ihr (im allgemeinen) Euch verträgt.

Nun, mein Lieb, ah, noch was; habe ein Weihnachtslied, aber einstweilen noch nicht fertig. Weißt Du, wir haben es einmal auf einer Schul-Weihnachtsfeier gesungen, in Jugendtagen also.

Schlaf recht gut, Du wirst schon schlafen, und träume süß. Es küßt Dich

Dein Robert.

Wien, 2. XI.1920

Herzliebster!

Wenn Du die letzten Sterne erhieltest und auch gelesen hast, könntest Du in einem derselben einen Artikel über das Briefe-Schreiben sehen! Ob Du wohl einverstanden wärest, wenn ich mich darnach richten würde?! Ich wär’s auf keinen Fall, wenn Du’s tätest! Das ist mal wieder so ein Artikel, von dem Fuhriman sagen würde, er gehört ins Lesebuch, aber nicht in den Stern. Wir haben mal einen Aufsatz über das Lesen im Bett gefunden, bei Br. Huber in einem alten Stern, den haben wir ganz gehörig bekrittelt, trotzdem er im Grunde genommen ganz richtig war. Wenn das Weihnachtsbarometer im Steigen begriffen ist, freut’s mich, doch will ich mich vorläufig nicht in Hoffnungen wiegen, die vielleicht unerfüllbar sind. Viel lieber will ich zu dem Fest eine angenehme als eine betrübende Überraschung erleben. Herzlichen Dank für den Brief Deines, nein, unseres Freundes Wenty. Er soll doch auch mein Freund werden, nicht? Aber zufrieden bin ich nach wie vor nicht mit ihm. Wie kann man denn nur so sein! Wenn er so weitertut, endet er mal in irgendeinem Irrenhause. Und das wär’ denn doch schade. Übrigens erinnern mich die Briefe sowohl nach ihrem Inhalt als auch der Schrift nach an Karl Hirschmann. Nur scheint der Pessimismus bei Hirschmann bloß akut, bei Wenty aber chronisch zu sein. Und da würde dann nur eine tiefgehende Operation helfen können.Übrigens, sag mal, Liebster, kränkt es Dich wirklich, daß Du nicht mit an die Front gegangen bist? Ich hoffe doch wenigstens jetzt nicht mehr.

Nur mir scheint, heute spinne ich wieder einmal. Sitze hier ohne weiterzuschreiben und male mir aus, wie unglücklich es mich gemacht hätte, wenn Dir etwas passiert wäre! Ist doch eine Dummheit. Es ist Dir ja nichts geschehen. Und es ist auch sonst nicht meine Gewohnheit, mich mit Wenn und Aber herumzuquälen. Das war bloß immer Hansis Prinzip.

Was ich zu Deinen Briefen betreffs der Schrift sage? Ich kann sie lesen und andere Leute gehen Deine Briefe doch nichts an! Also schmier ruhig weiter!

Nun aber zum Bericht über Sonntag. Werde Dir aber lieber das Programm mitschicken, dann erspar ich mir eine Menge zu schreiben. Habe es sehr eilig heute, weil ich vor der Bibelstunde noch Schw. Gusterschitz besuchen möchte.

Im allgemeinen ist das Ganze recht gut ausgefallen. Am besten war Schw. Ehlers als alte Jungfer und Hansi als Dora, das alte Hausfaktotum, in „Fräulein Wildfang“. Frau Horn, die Nichte, und, wie Fritz sagte, „lachende Erbin“ der Schw. Pappelauer, hat einen sehr hübschen Sopran, nur leider bildet sie sich zu viel darauf ein, wie seinerzeit Hilde Nauer, und nun meint sie, sie muß zu unserem Chorgesang immer ein Solo singen. Sonst aber gefällt mir die Stimme sehr gut, viel besser als die Hilde Nauers. Hildes Stimme fehlte die Weichheit, der Schmelz und vor allem war ihr Singen ohne jedes Gefühl. Bei der Gelegenheit ist mir aber jetzt das zweite Lied Frau H’s eingefallen, „Sonntag ist’s“. Freilich nur die Melodie, aber ich werde sie um den Text ersuchen. Das Lied gefällt mir sehr gut.

Weißt, Schatz, aber heute geht’s mir wieder recht kalt. Ich komme gar nicht von der Stelle. Darfst aber nicht glauben, daß mein Gehirn am Ende schon eingefroren ist und ich deshalb nichts weiß. Aber meine Finger sind so kalt, daß ich sie alle Augenblicke in die Tasche stecken muß, um sie ein bisserl zu wärmen.

Und nun zu dem Punkt, der mir die Predigt über meine Dummheit eintrug. Br. Cannon, ein Neffe des jetzigen Missionspräsidenten Angus Cannon, war Sonntag in unserer Versammlung. Er ist nämlich seit April bei der hiesigen Botschaft. Angeblich kann er nun kein Wort Deutsch und Berta sagte ihm, französisch, daß ich sehr gut englisch spreche. Ich wechselte nun zwar ein paar Worte mit ihm, Berta aber war äußerst ungehalten, weil ich nicht ein langes Gespräch mit ihm anfing. Und ich weiß doch wirklich nicht, was ich hätte mit ihm reden sollen. Mit einem Mann, dessen Interessen, dessen Wesen mir ganz fremd ist, weiß ich eben nichts anzufangen. Ich hab auch mit Fuhriman anfangs nichts gesprochen und später sind wir so gute Freunde geworden. Wenn Br. Cannon also wieder mal kommen würde, langsam wär’s vielleicht sogar zu erreichen, daß ich englisch spreche. Allerdings ist mir der Gedanke so ganz ungewohnt. Wenn aber ein Mensch wirklich nicht Deutsch kann, dann müßte ich mich ja daran gewöhnen.

Das Reinerträgnis unseres Stücke-Sonntags belief sich auf etwas 1700 K. Tausend Kronen hat allein Br. Cannon gespendet. Weißt Du, Liebling, ich sollte eigentlich die Bibel studieren. Aber ich denke, ich weiß die heutige Aufgabe auch so. Um 7 Uhr gingen wir dann Sonntag zu dem Kränzchen. Freue mich sehr, daß Hilde nun gleich beim ersten Mal geheilt wurde. Es hat ihr nicht besonders gefallen, trotzdem wir beide, und sie hauptsächlich, ziemlich viel tanzten. Sonderbarerweise bekam Hansi, oder vielmehr, hätte Hansi den ersten Tänzer bekommen, wenn sie getanzt hätte. Sie wollte aber nicht. Einmal versuchte ich sie eine Runde durch den Saal zu ziehen, ’s ist aber gar nicht gegangen. Das Mädel hat aber schon gar kein bißchen Elastizität in sich. Der Gesamteindruck des Festes war für das Auge recht anziehend. Der Männer sonderbare Hüte haben mir freilich gar nicht gefallen. Noch weniger gefiel mir der Rauch in dem Lokal und die viel zu große „Gemütlichkeit“ des Publikums. Aber ich bin vielleicht ein wenig zu kritisch veranlagt! Meine Mädels waren recht lieb und als „Ballmutter“ hab ich wenigstens keine Schande davongetragen. Kann also mit meinem Debut zufrieden sein. Nun Schluß! Mutter ist eben gekommen, ich kann also fortgehen! Nun einschreiben muß ich auch noch. Viele Grüße von den Meinen! Ob Hansi Dir wieder einmal schreiben wird, weiß ich nicht. Vorläufig liest sie.

Viele tausend Küsse von

Deiner Gretel

Mittwoch, 3. XI.20.

Herzlieb!

Nachdem ich hoffe, daß ich, wenn ich zum Nachtmahl gehe, wieder ein Brieflein von Dir finde, will ich die halbe Stunde dahin noch benützen, No.2 vom 29. noch zu beantworten. Damit nicht zu viel zusammenkommt. Gerade sehe ich, daß Du den Brief eigentlich am 30. geschrieben hast, gelt?

Vor allem freut es mich, daß der Sonntag für Dich angenehm ausgefüllt war, wenn es auch ohne Plage nicht abgegangen sein wird, auch daß Du zu dem Egerländerfest Ja sagtest und in dem Bericht, daß Du der lockenden Musik nachgabst und fest getanzt hast. Du weißt doch, daß ich gar nicht tanze? Obwohl ich aber doch gern tanzen sehe, besonders Figurentänze. Kennst die „Fledermaus“? In diesem Stück sind wunderschöne Balletteinlagen. Der Grund, warum ich nicht tanzen lernte, ist wohl auch auf so ähnliche Ansicht zurückzuführen, wie sie Valerie hatte.

Bei uns in der Küche werden Bohnen ausgelöst und da geht’s lustig zu. Es sind einige eingeborene Mädchen hier, auch Burschen mit Harmonika, der eine schlägt eine Blechhäfen-Trommel, die richtige Ruhe zum Briefschreiben. Aber doch hab ich’s gern, denn in Ermangelung anderer Musik ist eine Harmonika auch schön, besonders wenn, wie’s hier der Fall ist, gut gespielt wird. Es erinnert mich das sehr ans Kukuruzrebeln in Weidlingau. Da ging’s so ähnlich lustig zu, wenn auch ohne Musik, doch mit Gesang. Dich würde es vielleicht an die Spinnstunden bei Geschw. Huber erinnern. Daß Du Dich mit meinem Nichtkommen zu Weihnachten abgefunden, beugt einer Enttäuschung vor. Doppelte Freude wird es sein, wenn nun doch was d’raus werden sollte.

Du glaubst also, daß ich Angst habe vor Dir, weil Du um eindreiviertel Zentimeter größer bist als ich!? Nein, gar nicht! Probier’s nur einmal! Wenn’s auch im Sommer ist, wo Du ja hoffentlich durch die Wärme auseinandergegangen sein wirst. Sonst müßte ich mich vielleicht gar gewöhnen, auf Dich herunterzuschauen.

Nun, meine Hoffnung ist wirklich in Erfüllung gegangen. Deinen lieben Brief vom 1. XI. erhalten, besten Dank. Vor fünf Jahren schriebst Du mir auf einer Karte, oder war’s vor vier Jahren, weiß’s nicht genau. Die bekam ich aber erst im nächsten Frühjahr, bin glücklich, daß es jetzt nicht so lange dauert. Am 2. aufgegeben, am 3. schon am Bestimmungsort. Geht’s nicht prompt? Und wenn sich wirklich einmal ein Brief verirrt, da wird gleich geschimpft. Aber i mag ja gar net warten!

Lese grad „also mußtest Du eben warten!“ Dieses Warten ist natürlich nicht gemeint, überhaupt wenn Ihr gesungen habt. Hätte nur so gern mitgesungen! Leute, die ungeschickt nach Hause gehen, bist Du wohl schon gewohnt zu begleiten.

Für die Berichtigung der Noten danke ich. Bitte, was für eine Note kann eine mittelmäßige Sopranstimme noch gut singen? Die Enthüllungen betreffs Papa und Frau Dont lassen mich erstaunen und erscheinen mir lächerlich. Was ich davon denken soll, weiß ich nicht. Am besten wird’s vielleicht sein, gar nichts zu denken. Habe erst vorgestern den Wunsch Emmys erfüllt und Frau Dont eine Karte geschrieben. Ob sie nun erfreut sein wird? Dachte, daß Emmy ihr meinen Brief geschickt hat, da ich ihr doch schrieb, daß „dieses auch Mama wissen soll“. Nun, vielleicht kommt jetzt was von Emmy. Daß Du nicht mitgefahren bist, ist selbstverständlich und ich verstehe Emmy nicht, Dich unter solchen Umständen einzuladen. Weißt, mein Lieb, mir hat das Verhalten Frau Donts das letzte Mal gar nicht gefallen, nicht mir gegenüber meine ich, sondern Lina gegenüber. Weißt, eine Mutterliebe soll sich auch in diesem Fall nicht ganz abwenden, mir schien es aber, als ob solche überhaupt nicht da wäre, und als ob man bestrebt gewesen wäre, mich von Lina ab- und Emmy näher zu bringen. Aber lassen wir das, es ist vorbei …

Weißt Du, Liebste, daß Du eigentlich gar nicht mehr „anständig“ bist? Ersehe aus Deinen Briefen, daß Du um halb 12, 12 schlafen gehst. Und natürlich dabei um 6 Uhr aufstehen. Glaubst Du, daß 6 Stunden Schlaf genug sind?

Wenn möglich klebe auf Deine Briefe Verschlußmarken, ich hab nämlich schon drei offen erhalten, nachdem der Klebstoff der Kuverts sehr schlecht ist. Es geht da so wie mit den cechischen Marken. Hast Du nicht vielleicht schon Briefe mit den halben Marken bekommen? Man muß da immer mit Gummi oder Mehlpapp nachhelfen, denn bis man zum Postkasten kommt, hat man die Hälfte verloren.

Habe mir vorgenommen, heute das Weihnachtslied fertigzuschreiben, aber jetzt ist’s schon nach 10 und wenn ich schon so gut andere ins Bett jagen kann, so muß ich doch selbst auch gehen. Grüße an Mutter, Berta, Hansi und Trude, auch an Fredy, wenn Du wieder einmal hinausfährst.

Mit innigen Küssen umarmt Dich Dein

Robert

Wien, 3. XI.1920

Mein Lieb!

Heut bin ich mal wieder ganz allein. Hansi hab’ ich eben weggeschickt, hoffe also, mit dem Schreiben fertig zu werden.

Bei Gusterschitz war ich gestern umsonst. Es war keine Menschenseele zu Haus. Natürlich kam ich um anderthalb Stunden zu früh zur Bibelstunde. Hier fand ich Poldi ganz verweint. Seit Edi von der Schweiz zurück ist, gibt’s wieder fortwährend Zank und Streit. Daß Fritz seine Frau und den Buben nicht mag, weiß ich leider von ihm selber.

Weißt, schon seit Jahren hat er immer wieder gesagt, ich müsse seine zweite Frau werden. Natürlich hab ich die Reden nie ernst genommen. Hab’ sogar mit Poldi selbst darüber gescherzt bis ich wußte, - daß es ernst war. Heuer im Februar, als wir von Hubers heimfuhren, sagte mir Fritz allen Ernstes, er will sich von Poldi scheiden lassen und mich heiraten. Poldi und Edi wollte er nach Amerika schicken und die Kleinen selbst behalten. Ich redete ihm damals zu, doch wieder in Güte zu versuchen, mit seiner Frau auszukommen. Anscheinend war’s auch nachher wieder etwas besser. Aber es ist eben nicht von Dauer. Und ich denke, die Schuld liegt hier, wie in den meisten Fällen, auf beiden Seiten. Trotzdem hat mich Poldis Leid gestern tief erschüttert.

Sie hat mir da auch von ihrer Kindheit erzählt, von ihrer Mutter u.s.w. Und daß es solche Mütter geben kann, ist mir ganz rätselhaft. In dem Fall wär’s ja gar kein Wunder, wenn Kinder schlecht würden. Wie’s ja auch bei Edi kein Wunder wäre, bei den Erziehungsmethoden, die bei dem Kind angewendet wurden. Wenn er zu Haus war, immer auf sich allein angewiesen, meistens aber überhaupt von einer Hand in die andere gehend. Wie sollte da etwas Rechtes aus ihm werden?

Wenn ich so betrachte, wie’s in anderen Familien zugeht, dann bin ich immer recht dankbar für unser Zusammenleben; bis zu Valeries 20stem Jahr lebten wir doch in vollständiger Harmonie! Als dann die Kinder kamen, war’s freilich damit vorbei! Und Mutters ewiges Schweigen war vielleicht noch ungemütlicher als wenn sie gleich geschimpft hätte. Aber doch, was immer ich von anderen hörte, war noch viel schlechter.

Aber, um auf Edi zurückzukommen: Man, nein Gemeindepräsident Dietrich von St. Gallen schrieb an Br. Ehlers, daß es Edi mit der Ehrlichkeit nicht sehr genau nehme. Deshalb der gestrige Verdruß! Und ich glaube doch nicht, daß der Bub schlecht ist. Poldi wird nun nach St. Gallen schreiben, was eigentlich los ist. Wenn es etwas von Bedeutung ist, verdient der Bub Strafe, ist es aber geringfügig, so hat Br. Dietrich gar kein Recht, solchen Familienzwist zu stiften. Damit hat sie wohl auch vollkommen recht.

Habe gestern wieder einen Stern für Dich bekommen, schicke ihn aber erst, wenn ich wieder mehr habe.

Die Bibelstunde war gestern sehr schlecht besucht, nur 5 Leute und meine Wenigkeit. Aber gestern hat mich’s Sprechen mal wieder gefreut und so wurde die Bibelstunde ganz interessant. Größenwahn, gelt!?

Aber mehr als die anderen alle zusammen, mit Ausnahme Konrads, weiß ich doch von der Bibel, trotzdem ich fast nie darinnen lese. Eigentlich eine Schlamperei von mir. Aber ordentlich studiert hab ich bloß, als Br. Olsen hier war. Damals hat’s mich recht gefreut. Und das ist mir auch im Gedächtnis geblieben. Gestern nun kamen wir zu einem Kapitel, das sie hier gewöhnlich falsch auslegen, nämlich Joh. I., 1-14. Und weil wir just dabei waren, sagte ich ihnen auch, daß nicht Gott Vater sondern Christus der Schöpfer unseres Planeten sei. Wurde vorerst sehr bezweifelt, bis ich ihnen die Beweise geliefert hatte. Hätte dies alles freilich schon früher tun sollen. Vor etwa drei Wochen wurde eine diesbezügliche Frage aufgeworfen. Damals aber mochte ich nicht darauf antworten. Da hat’s mich bloß belustigt, der Anderen Antworten zu hören. Ich bin manchmal wirklich ekelhaft. ’s ist dies nicht nur Fuhrimans Idee.

Nun aber zu dem Grund des schlechten Besuchs der Stunde. Mathilde ist gestern heimgekommen und jedenfalls war großer Empfang bei ihr. Also darüber kann man doch die Bibelstunde versäumen, meinst nicht auch?

Nun muß ich aber aufhören. Muß noch Holz hacken für morgen und einschreiben. Fast hätte ich aber wieder vergessen, Dir Bertas Pech mitzuteilen! Am Freitag schon hat sie mit der Probierpuppe meinen großen Spiegel zerschlagen. Ich war den Moment ganz weg! Der Spiegel machte mir immer rechte Freude, weil ich ihn verhältnismäßig billig kaufte und das Glas sehr gut zeigte.

Ich kaufte ihn ungefähr vor einem Jahr um 400 K und wenn wir ihn jetzt einschneiden lassen, kostet’s 3.895 K. Das Mädel ist doch ein rechter Pechvogel. Es ist dies innerhalb der letzten zwei Jahre der vierte Spiegel, den sie zerschlug. Davor waren zwei noch größer als der meine. Heute ist’s mal ein bißchen weniger kalt. Man muß also doch nicht ganz erfrieren! Bin neugierig, ob ich beim Heimkommen einen Brief von Dir vorfinde. Die Feiertage sind doch eine recht dumme Einrichtung. Nun erhielt ich gestern und heute keine Post. Aber es ist auch möglich, daß nachm. etwas gekommen ist. Habe schon schreckliche Sehnsucht nach ein paar Zeilen von Dir.

Schicke Dir heute den ersten Brief Karls zurück, den anderen muß ich mir noch ein bisserl aufheben.

Sei herzinnigst geküßt! In tiefster Liebe

Deine Gretel

Freitag, 5. XI.20

Mein Lieb!

Heute darfst Du brummen, natürlich nur wenn Du willst. Es ist schon 10 Uhr und ich bin erst vom Müller nach Hause gekommen. Aber es war auch zu schön, denn es war wieder einmal Musikprobe und wenn ich schöne Musik höre, dann bin ich halt aus dieser Welt. Dachte so sehr an Dich, wie schön wäre es, mit Dir dieses Empfinden teilen zu können. Ein Musikstück spielten sie, das Mama und Emma zusammen auf der Zither spielten.

Nun will ich aber schnell das Versäumte nachholen, denn zwei Briefe habe ich heute bekommen, die zu beantworten sind. Aber vorher will ich Dir eine Neuigkeit mitteilen. Auf jeden Fall wäre dieselbe für uns günstig, obzwar für Weihnachten, weiß ich nicht.

Heute war Herr Kulhanek, was öfters vorkommt, zu Besuch bei mir. Er ersuchte mich wegen Erkundigung bei seiner Frau und die Adresse ist Nikolsdorfergasse 26. Wenn Du’s gern tust, bitte erkundige Dich, warum schon drei Wochen kein Schreiben kommt. ’s ist diesmal kein junger fescher Herr und Du bist nicht der Gefahr ausgesetzt, daß er sich vielleicht aus Dank in Dich verliebt.

Vorerst muß ich Dir aber bemerken, daß Herr Kulhanek gern Luftschlösser baut. Also glaube ich die Sache erst, bis sie wirklich wahr wird. Also sprach er: Zu Weihnachten will er zu Hause und zwar wenn möglich auf ganz. Er hat diesbezüglich schon mit dem hiesigen Ingenieur gesprochen und denselben aber auch zugleich gefragt, daß auch ich, nachdem dieses schon die siebenten Weihnachten wären in der Fremde, Urlaub will. Das sieht der Ingenieur auch gut ein!!! Weiters sollte ich die weitere Montage machen, das wäre eine Installation des neuen Hochofens, also eine Arbeit auf weitere 6 - 8 Monate.

Mir selbst riet er, daß ich um einen achttägigen Urlaub bei Schuckert ansuchen soll, und glaubt auch, daß mir derselbe bewilligt werden würde.

Werde ich die Arbeit wirklich bekommen, wäre dies von großem Vorteil für uns. Natürlich müßten wir mündlich darüber sprechen. Aber wie gesagt, wollen wir uns einstweilen noch keine großen Hoffnungen darüber machen! Ich schreibe Dir’s eben, weil ich’s weiß und nachdem ich jetzt nicht mehr nur ich sondern auch Du bin, muß ich Dir’s ja schreiben.

Daß Du mit Wenty nicht zufrieden bist, glaube ich, ich bin’s auch gar nicht. Er schrieb betreffs der Front in dem Sinne, als hätte ich ihm gegenüber geäußert, daß es mich kränkt, nicht dahin gegangen zu sein. Ich selbst mußte nachdenken, als ich sein Schreiben las. Dem ist nicht so. In eine Front werde ich immer nur gezwungen gehen. Dennoch tat’s mir sehr weh, als die von mir gingen, die mir in Sibirien die Liebsten waren und es brauchte längere Zeit, bis ich mich daran gewöhnte, sie nicht mehr bei mir zu wissen. Wäre es bei unserem Dritten nicht so unbestimmt gewesen, ob er in die Front geht oder zurückgestellt wird, er war Invalide, so wäre ich wahrscheinlich auch dabei gewesen, wenn man mich gelassen hätte, da ich ja einen für die Stadt notwendigen Posten besetzte. Werde Dir übrigens gleich, damit Du Dich auskennst, Näheres mitteilen. Als die Koltschak-Armee Rückzug machte und Aussicht war, daß in Bälde die Rote Armee kommen wird, nach Tobolsk, wollten sich Wenty und Mayer, unser Dritter, im Wald verstecken, um dieselbe so zu erwarten. Unser Lager wurde nämlich mitgeschleppt. Ich war dagegen und zwar weniger aus dem Grunde, daß man auf keinen Fall mit dem Leben davongekommen wäre, wenn man uns erwischte, sondern vielmehr, weil man doch mindestens 2 Wochen rechnen mußte im Freien, was bei dem damaligen Regen und der schlechten Beschuhung mir noch mehr lebensgefährlich erschien. War leider, wie man später erfuhr, ein Irrtum. Wir fuhren also mit. In unserem Schleppkahn waren ca. 250 Österr.-Ungarn und 150 gefangene Rotarmisten (Russen). Anfangs ging’s ganz gut. Nach 8 Tagen jedoch hatten wir schon die ersten Krankheitsfälle, wie wir erst später erfuhren, Typhus. Er wurde von den gefangenen Russen, die von den meisten unter aller Kritik behandelt wurden, bereits nichts zu essen bekamen und dadurch ja alles verkauften um ein Stück Brot zu bekommen, eingeschleppt. Erst natürlich schenkte man denselben weniger Beachtung, Krankheit kommt ja überall vor, als sie aber mehr und immer mehr überhand nahm, bekamen nicht nur wir, sondern auch die Russen, die auf den anderen Schleppkähnen waren, denn es waren ihrer fünf, Angst. Von uns dreien erwischte es zuerst mich, der ich mich immer als unverwundbar hielt. Ich wollt’s ja lange nicht zugeben, trotz schimpfen von Wenty und anderen, bis ich schließlich doch nimmer konnte. Dann kam Mayer und schließlich Wenty. Glücklicherweise hatten wir noch einen Vierten, welche gesund blieb und uns pflegte. Man fuhr uns, da die Roten Rückzug machten, wieder zurück nach Tobolsk. Die Fahrt war gräßlich und ich will sie nicht weiter beschreiben. Als wir dort ankamen, waren wir etwa 30 Gesunde, zka. 20 wurden während der Fahrt begraben. Wenty gaben wir, ich war damals schon ein bißchen besser, auf. Aus dem Schlepper mußten wir raus, nachdem die Weißen ihn brauchten. Pferde waren keine da, oder besser, wurden uns nicht gegeben. Wir, die halbwegs gehen konnten, mußten eine halbe Stunde in eine frühere Kaserne, die Schwerkranken wurden ans Ufer gelegt und in alte Baracken ohne Fenster und Türen. Hier lagen sie, im Oktober, 4 - 6 Tage. Auch Wenty war darunter, und wir konnten ihm nicht helfen. Die Gesunden wurden krank vor Überanstrengung. Wieder wurden die Weißen aus Tobolsk verjagt. Uns ließ man selbst ungeschoren, nahm uns aber alles Eßbare, das letzte Mehl, die letzte Medizin und chirurgische Instrumente, alles vom Geld des Roten Kreuzes angeschafft, weg. Was sie uns damals getan, das kann man nie verzeihen. Und das in einer modernen Zeit. Endlich nach 5 Tagen, Hungertage für die, welche die Krankheit überstanden, kamen die Roten. Wir begrüßten geradezu enthusiastisch die Rote Fahne auf dem Wasserturm in Tobolsk. Es wurde besser im Lazarett und auch im allgemeinen. Wir bekamen Freiheit und dieselben Rechte wie Einheimische. Und da traten wir, Mayer und ich zuerst, und später Wenty, der Kommunistischen Partei bei, trotz der Verpflichtung, die Sache eventuell mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Durch das Vorgehen der Polen nun wurden die Mitglieder mobilisiert. Ich war enthoben, wegen des Postens (?), Mayer sollte an die Front. Wenty rutschte ebenfalls durch. Nachdem nun Mayer auf seinem rechten Auge blind war, er hatte knapp vorher einen Unglücksfall, dachten wir bestimmt, daß er ebenfalls enthoben wird, und er wäre es auch geworden, wenn er nicht so ein Dickschädel gewesen wäre. Ich hatte Verbindung mit dem Kriegskommissär und hätte ihn bestimmt freibekommen. Aber er wollte nicht, denn er rechnete, daß er ja doch nicht an die Front kommt, sondern irgendwohin nach Moskau. Später wär’s ihm wahrscheinlich auch gelungen, aber aus Eigenem sich abschwindeln, war er zu ehrlich. Wenty, welcher glaubte, daß ich mich auch freiwillig gemeldet, ließ sich als Freiwilliger eintragen. Es war das von uns allen Dreien eine Kopflosigkeit. Und so fuhren sie.

Was ich später von der Partei erfuhr, kurierte mich in manchen Punkten, obwohl es ja doch nur der Schuld der Ausführenden zuzuschreiben ist. Wenn Du Wenty kennenlernst, wird er Dir ja vielleicht nicht davon erzählen.

Jetzt ist schon nach 12 Uhr und ich hab erst nichts beantwortet. Nun morgen ist ja ein freier Nachmittag. Der junge fesche Herr ist heut zu seinem Liebchen nach Marienbad gefahren. Wie gerne wäre ich mit ihm, aber nur bis Prerau, dann weiter nach Wien zu meinem Liebchen. Wie’s mich doch zu Dir zieht! War Olga schon bei Dir? Erwarte von ihr sowie von Papa Post. Hoffentlich ist’s keine sibirische Stockung.

Nun alles Gute, Schatzerl, schlaf recht gut, ich will’s auch versuchen und von Dir träumen.

Mit tausend Küssen

Dein Robert.

Wien, 5. XI.1920

Mein Robert!

Habe eben allerlei dummes Zeug gemacht. Erst spielte ich mit unseren Mäusen. Wir haben heute drei ganz junge gefangen. Sind reizend, die kleinen Dinger, jetzt schlafen sie eng aneinander geschmiegt. Weißt, ich möchte sie gar nicht umbringen! Würde sie recht gerne füttern, wenn sie es unterlassen würden, überall herumzuklettern. Leider tun sie das aber nicht und daher ist ihres Lebens Ende nahe. Arme Geschöpfchen! Was können sie dafür, daß sie just Mäuse wurden? Dummheit No.2 war, daß ich mich beim Holzspalten in den Finger schnitt. ’s ist zum Glück auf der linken Hand, denn da’s ziemlich tief gegangen, könnt’ ich Dir wahrscheinlich nicht schreiben, wenn’s auf der Rechten wär’! Danach wollte ich Trudel das Pfeifen lehren. ’s ist leider nicht recht geglückt. Und zu guter Letzt hackte ich Holz, wovon ich wieder ein paar Blasen auf den Händen davontrug. Auch was Dummes! Wozu hat man so empfindliche Hände?!

Aber genug der Dummheit! Werde Dir lieber Deinen Brief beantworten.

Es freut mich, wenn Du meinst, ich klammere mich nicht an unvernünftige Ansichten, aber leider sind nicht alle Menschen der Ansicht. Mutter hält mich manchmal und Berta immer für total verrückt und unvernünftig. Und da kann ich meine Ansichten noch so logisch begründen, ’s nutzt nichts.

Und nun seid Ihr schon im Nachteil, Du und Mitzi. Denn wir sind eben drei und Ihr nur zwei.

Betreffs des Einbruchs dachte ich, ich hätte Dir das Gewünschte bereits geschrieben. Wenn aber nicht - ! Ausgang war abgerissen, die Tür allem Anschein nach aufgesperrt, da am Schloß durchaus nichts von einem Defekt zu verspüren ist. Bist Du jetzt zufrieden? Oder doch noch nicht? Hinauswerfen werde ich Dich übrigens doch nicht. Also brauchst einstweilen noch keine Angst haben. Nun Liebster, ich kann mich wohl entsinnen, Dir so ein klein wenig von Ferdinand erzählt zu haben, ehe Du eingerückt bist, doch war das viel zu wenig, um, wie Du schreibst, ihn zu kennen. Kannte ich ihn doch selbst nicht so wie heute. Und wenn Du Tante dankbar bist, ich sicherlich nicht weniger. Trotzdem ich nicht behaupten kann oder will, daß Ferdinand in irgendwelcher Weise so schlecht ist wie der Ternitzer im Durchschnitt. Er sauft nicht wie die meisten und ist mir in all den Jahren, da er dachte mich zu lieben, mit keinem Wort, mit keinem Blick zu nahe getreten. Ganz gegen Ternitzer Gewohnheit und gegen jede Voraussetzung, die durch seine Erziehung oder besser Nicht-Erziehung bedingt scheint. Der Kern wäre gut, aber die Umgebung wird das mit der Zeit leider vernichten. Aber genug davon! -

Warum ich bei Deinem Abschied weinte? Ich könnte Dir die Antwort eigentlich schuldig bleiben, aber weil ich Schulden so gar nicht leiden kann, will ich Dir’s doch schreiben. Wenn Du mit zuvor das Lied anführst: „ Ja, weg’n an Buam so wana..“ bitte zu bedenken, daß Ausnahmen die Regel bestätigen. Dann ist das auch nur für den Fall einer Untreue gemeint und da bin ich auch jetzt noch nicht viel anderer Ansicht.

Wenn ich aber um Dich weinte, so war’s ja nicht um der Untreu’ willen, sondern weil ich nicht wußte, wie ich ohne Dich weiter existieren soll. Ich hatte Dich doch so lieb und sollte nicht! Das Häuschen im Walde paßt Dir nicht?! Ändert durchaus nichts an der Tatsache, daß es mir gefällt. Aber wenn Du jetzt der Hexe Mann werden willst, ich habe nichts dagegen! Nur nimm Dich in Acht! Hexen sind sehr gefährlich. Am Ende bist Du auf einmal mit Haut und Haaren verschlungen. Aber ein rechter Dickkopf bist Du doch! Na, meinetwegen, ich hab nichts davon, ob Du Emmy schreibst oder nicht! Bezüglich einer Weihnachtsfahrt nach Grimmenstein sind wir mal wieder einer Ansicht. Und trotzdem ich weiß, daß wir gewöhnlich gleich denken, hat’s mich doch sehr gefreut, das wieder bestätigt zu finden. Sag, Liebling, mit wem oder worüber ärgerst Du Dich eigentlich, weil Du schreibst „morgen brauche ich mich wenigstens nicht zu ärgern“. Ist’s Dein Zimmergenosse?

Werde mich sehr freuen, wenn Dein Schwesterlein zu mir kommt. Hoffentlich bin ich nicht gerade abwesend. Heute vormittag zum Beispiel nähte ich wieder zu Haus.

Ob es verrückt gewesen wäre, wenn Du gekommen wärest? Ich sage mit Dir: „Möglich, aber auch schön!“ Zwar wäre ich dann vielleicht noch dümmer gewesen, als ich laut Bertas Urteil ohnehin bin, aber „der Dumme hat’s Glück“ und ich hätt’s dann auch gehabt! Mein Glück! Mein Cousinchen wird freilich alle Tage mehr entsetzt über mich. Gestern meinte sie, wir könnten gar nicht glücklich werden, weil wir zu närrisch sind. Sie meint nämlich das viele Schreiben. Ich aber denke hier wie immer: „Laß sie reden, schweig fein still, kann ja lieben, (nicht nur wen sondern auch) wie ich will!“ Gestern hat Berta einen Spiegel gekauft als Ersatz für den zerbrochenen. ’s ist zwar kein vollwertiger Ersatz, er ist um 12 cm kürzer und 8 cm schmäler, was bei der heutigen Preislage 608 K ausmacht. Na, aber da muß eben auch der Wille für’s Werk gehen! Gelt? Hänschen schreibt eben auch an ihre Schulkollegin, Trudels große Freundin. Trude ist nämlich im Winter immer mehr in der Backstube bei unserem Bäcker als daheim. Sonntag wird nun Lina Binders, des Bäcken Töchterleins, Namenstag gefeiert. Hansi erhielt gestern eine schriftliche Einladung, worauf sie nun ebenfalls schriftlich antwortet. Den Postillion spielt Trude! Du hast Sonntag meine sämtlichen Briefe gelesen? Hoffentlich warst Du dabei allein, sonst glaubt man zuletzt noch, daß Du auch verrückt bist! Nebstbei bemerkt, hab ich neulich, als ich allein war, Deine ganze Post aus Rußland durchgelesen. ’s ist mehr als ich dachte. Ich besitze 27 Karten und einen Brief. Innerhalb von fünfeinhalb Jahren sicher recht viel? Aber ich bin recht zufrieden damit, bin ja dafür jetzt so glücklich. Nun aber heißt’s schlafengehen! War heute nicht bei Frl. Schwarz. Ich weiß nicht, erwartete sie mich wie gewöhnlich oder nicht. Konnte Sonntag nicht sprechen mit ihr, weil sie mit Br. Cannon wegging. Anbei der zweite Brief Karls retour. In inniger Liebe küßt Dich

Deine Gretel

Samstag, 6. XI.20

Liebste Gretel!

Eben bin ich fertig geworden mit ein paar Zeilen an Olga und lege Dir dieselben bei. Bevor ich zu Deinem lieben Brief von gestern übergehen, will ich Dir noch Bericht abstatten über mein heutiges Kaufen. Vorigen Samstag kam kein Geld, trotzdem ich schon notwendig eines gebraucht hätte. Habe schon nach Wien und Ostrau geschrieben, gestern, und heute kommt es. Also: ein scharzer Plüschhut, ein weißes und ein färbiges Hemd, eine Unterhose, Krägen und Manchetten. Jetzt kommt aber eine Pause. Lasse mir das Geld nächste und wahrscheinlich auch übernächste Woche zu Olga senden, denn kaufen werde ich mit hier sehr wenig, da ich glaube, daß es in Wien verhältnismäßig billiger ist und man auch mit viel Sachen auf der Grenze große Umstände hat.

Olgas Brief hat mir so große Freude bereitet, daß ich seit Mittag Kopfweh hab. Ich bin glücklich, daß nun dieses Etwas, das zwischen Olga und mir war, weg ist. Ich fühlte ja immer, daß sie gegen mein Verhältnis mit Lina war, aber - ich war doch immer sicher, daß ich recht hatte. Ob es nun wirklich so ist, wie Olga schreibt? Ich glaube es auch heute noch nicht. Aber zu was denn im Vergangenen verweilen! Wir haben doch so viel über die Zukunft zu sprechen, aber bis wir uns sehen können, wie lange wird’s noch dauern?! Es scheint, als komme ich heute aus der Freude nicht heraus! Soeben habe ich meinen Reisepaß im Empfang genommen. Das cechische Visum gilt bis 31. Jänner 1921 und kostet nur 578 K. Ein kurzer G’spaß, nur gut, daß ich’s nicht zahle. Also eine Angelegenheit mit Schuckert erledigt. Jetzt kommt No.2, der Urlaub. Werde Ende dieses Monats damit anfangen, nicht mit dem Urlaub, sondern mit der Eingabe betreffs Bewilligung.

Aber jetzt wirklich zur Beantwortung! Ich freute mich sehr, als ich das Programm las, daß dasselbe so schön war und auch daß es gut ausgefallen ist. Wenn das Lied „Die Träne“ anfängt mit „Macht man im Leben kaum den ersten Schritt“ so ist’s eines der Lieblingslieder Mamas. Auch daß das Reinerträgnis so schön war, freut mich. Lege Dir 25 K bei, wenn’s auch spät ist, so war der Wille schon früher da, leider aber das Geld nicht. Weiß nicht, wie Du’s machen willst, am besten, Du tauschst das Geld selbst aus. Muß nun an unsere gestrenge Chorleiterin eine Frage stellen: Wäre es nicht möglich, daß wir, sollte ich zu Weihnachten kommen, ein Sopran, Du, Karl Hirschmann und ich, etwas im Quartett singen könnten? Möchte, wenn ja, dann um meine Stimme, noch lieber alle vier Stimmen bitten. Ich würde mich recht freuen, wieder einmal zu singen. Daß Dir dieses und jenes am Kränzchen nicht gefiel, zeigt mit wieder das, was Du nicht zugeben willst, daß Du eben über den Durchschnittsmenschen stehst. Es sind dies Kleinigkeiten, doch ein Beweis. Nun hat Dich aber doch das Benehmen Deiner Mädels zufriedengestellt und Du doch wieder einmal fest getanzt. Und das freut mich.

Recht leid tut mir Poldi. Ich weiß, daß es schon früher oft Streit gab, daß aber Fritz wirklich unsinnige Gedanken hatte, glaubte ich nie. Ob sich die Sache bessern würde, wenn Fritz von uns zu wissen bekommt? Der Fall Edis ist ja gewiß strafbar, wenn er wirklich war ist. Jedoch noch immer keine Ursache, daß sich Vater und Mutter dafür zanken. Der Bub beginnt ja auch seine Flegeljahre und eine anständige Strafe wird auch hier, glaube ich, wirken. Auch Br. Dietrich hätte besser getan, den Fall klar und offen zu schreiben, als so zu umschreiben.

Ja, Kind, wir können froh sein, daß wir unsere Kinderjahre in Harmonie mit den Unseren verbracht haben, denn gerade in dieser Zeit wirken Zwistigkeiten in der Familie sehr auf das Gemüt eines Kindes. Du schriebst mir einmal - auch meine Mutter ist gut. Schau, das weiß ich, daß Mutter gut, sehr gut ist, auch wenn sich ihre Liebe nicht in Worten offen äußert, ebenso wie ihr Schmerz. Aber doch dringt dieselbe überall durch, selbst in der Tyrannisierung Dir gegenüber. Und ohne diese Liebe hätte sie nimmermehr das geben können, was Mutter durch diese zu tun imstande war.

Die Predigt Bertas war wohl ein bißchen gerecht, denn Br. Cannon würde sich ja auch gefreut haben, in seiner Muttersprache sich ein wenig zu unterhalten, wenn er schon nicht Deutsch kann. Und dann, wenn Du nur Dein Englisch für Dich behältst, hat’s doch nicht den sollen Wert.

Morgen mehr! Mit herzinnigen Küssen

Dein Robert

Sonntag, 7. XI.20

Mein Lieb!

Eben daheim von einem Frühschoppenkonzert. Du siehst, es geht mir nicht schlecht. Und doch alles nur halb, weil Du nicht hier! Ich glaube, es vergehen wohl keine zehn Minuten, wo ich nicht an Dich denke, alles was ich sehe, höre und denke, möchte ich mit Dir teilen, und kann’s doch nicht. Will aber gar nicht raunzen! Heute habe ich endlich an Rudolf geschrieben. Jetzt bleibt mir noch Karl, doch warte ich auf seinen Brief von Dir. Heute ist alles beim alten. Tage und Woche vergehen, recht schnell glücklicherweise. Gestern ist Material gekommen, was uns sehr angenehm ist. Wir machen alle Anstrengungen, zu Weihnachten mit der einen Arbeit fertig zu sein. Herr Kulhanek ist schon ganz außer sich, daß er nichts bekommt, und ich hoffe, daß ich ihn bis Mittwoch, Donnerstag beruhigen kann. Das Wetter ist jetzt bedeutend besser, wärmer, aber immer umzogen.- Ob ich heute meine lieben Wald besuche, weiß ich noch nicht, eben spielen Musikanten vor unserem Tore, mir scheint, ich komme von einer Musik in die andere. Beim Müller spielte die Werkskapelle, aber wirklich gute Musik, darunter eine höchst originelle Musikkarikatur eines jüdischen Tanzliedes. Am Gange tanzt man, also hättest Du auch hier Gelegenheit zu tanzen. Violin und Harfe ist eigentlich sehr schön zusammen. Kennst Du das Konzert für Harfe und Flöte? Von wem, weiß ich nicht. Habe es einmal im Musikverein gehört. Nun aber mein Lieb, will ich schließen, um wieder anzufangen mit einem Brief an Wenty; Fortsetzung folgt dann nach Erhalt des Briefes von Dir. Mit liebenden Küssen, in Sehnsucht,

Dein Robert

6. XI.1920

Mein Liebstes!

Bin heute so glücklich, Dir den Empfang zweier Briefe bestätigen zu können. Herzlichen Dank dafür. Wie’s scheint, kommst Du langsam auf die Annehmlichkeiten des Alleinseins! Gratuliere also herzlich zur Abreise Deines Genossen! Aber weißt, Schatz, wenn die langweilige Adresse ohnehin nichts nützt, schreib ich sie nimmer. Daß Du aber so großmütig verzeihst, freut mich unendlich. Auf diese Großmut bauend, kann ich ja in Zukunft alles mögliche anstellen, gelt?! Eben war mein glühendster Verehrer hier. Ein komischer Kauz. Neulich einmal erzählte er Mutter, er hat so viel Geld und weiß nicht, was er damit anfangen soll. Vor 14 Tagen ließ er mir durch eine Mittelsperson einen Heiratsantrag machen. So ein Unsinn. Hansi ist ins Kino gegangen. Man spielt den „Waffenschmied“, sogar mit Gesang. Der Fortschritt ist eben unverkennbar und wenn’s so weitergeht, werde ich meine „Spinnefeindschaft“ mit dem Kino wohl aufgeben müssen.Übrigens wenn das Schnüren ein Grund Deiner Mode-Feindschaft ist, kannst Du die jetzt auch ruhig aufgeben. Man schnürt sich jetzt gar nicht. Auch Valerie hat seinerzeit ein Magenleiden davon getragen, mich aber hat das Mieder von einem Übel befreit. Ich hatte jahrelang, von einem Fall herrührend, Kreuzschmerzen. Seit ungefähr eineinhalb Jahren trage ich ein Mieder und die Schmerzen sind verschwunden. Ich vermute, daß das die gleichmäßige Wärme bewirkte. Schnüren tue ich mich freilich nicht, hab sogar alle Fischbeiner herausgezogen, um ganz unbeengt zu sein. Aber wenn Du meinst, daß ich spinnen kann, außer „mit drei Faden“, wie man in Rottenbach sagt, täuschst Du Dich sehr. Ich hatte nicht einmal Zeit es zu versuchen. Habe bloß genäht, wenn die Mädels spannen. Man hätte mit auch schwerlich gestattet, eines der Spinnräder zu benützen, ist doch jede einzelne sehr besorgt um ihr Rad. Sehe das auch ganz gut ein. Ich mag’s ja auch nicht, wenn jemand auf meiner Maschine näht. Daß ich keine Angst vor Deiner Weisheit, nein, vor Deinen Wünschen haben muß, freut mich recht! Habe auch bei mir die Bemerkung gemacht, daß alles Lernen umsonst war. ’s ist mir doch das meiste wieder aus dem Gedächtnis entschwunden. Vor Deinem Brummen aber fürcht’ ich mich so wenig wie Du vor meiner „Größe“. Freue mich auch, daß Dir gerade der „Friedensfürst“ so gut gefiel; der Artikel hat auch mir am besten gefallen. In dem „Stern“, den ich jetzt erhielt, ist der Schluß davon. Muß ihn Dir also doch senden. Was eine junge Frau wissen muß, hab ich, soviel ich weiß, vorher nicht gelesen. Es kann sein, daß ich’s vergaß. Auch ist’s möglich, daß Deinerseits eine Verwechslung vorliegt. Das blaue Buch über „Die Ehe“ ist ja ganz ähnlicherweise geschrieben. Das Buch liegt übrigens noch bei mir. Emmy hat mir’s einmal gebracht, während der Kriegszeit, und da sie bald darauf von Wien abreisten, hab ich’s auch nicht zurückgegeben. Kannst Dir’s ja von mir auch holen, net? Du, das „Versfußambulatorium“ wäre wirklich sehr nötig. Fällt mir aber gerade wieder etwas von Fuhriman ein. Als er zum ersten Mal Abschied nahm, hat ihm Konrad in der letzten Versammlung ein selbstverfaßtes Lied nach der Melodie „Behüt Dich Gott, es wär so schön gewesen“ gesungen. Nach dem Lied noch ein paar Abschiedsworte und Konrad reicht Br. Fuhriman die Hand hin. Der schaut ihn erst groß an und reicht sie erst nach langem Zögern. Den nächsten Tag war F. bei uns zu Tisch. Als wir nachher plauderten, sagte er auf einmal: „Haben Sie gehört gestern, Br. Hirschmann ist ein Dichter.“ Er lachte - ich lachte. „Wissen Sie, ich habe immer so hinaufgeschaut, ob er wo oben sitzt, weil er so hoch gesungen hat.“ Mit Thilde werde ich mich ganz gut vertragen. Ist sie die alte, werde ich’s auch sein. Kehrt sie aber ihren Hochmut heraus, muß ich das doch nicht weiter beachten. Wie sich die anderen ihr gegenüber verhalten werden, weiß ich freilich nicht! Freue mich schon auf das Weihnachtslied, hoffentlich kommt’s bald. Aber wenn Du dann nicht kommst, wer soll Baß singen? Daß Du nicht tanzt, weiß ich schon lange. Ist mir übrigens ganz recht. Ich schrieb Dir ja, ich tanze auch nicht mehr besonders gern. Wenigstens nicht auf so großen Unterhaltungen. Auf unseren „Hausbällen“ allerdings ist das ganz anders. Damit aber wird’s nun ziemlich vorbei sein. Thilde, die Seele der Tanzerei, zürnt ja!

Bin aber wirklich neugierig, was das Mädel morgen für ein Gesicht machen wird! Berta ist schon im Vorhinein wütend, weil ich sagte, daß Thilde in der ersten Reihe sitzen muß. Da aber der Alt vorne sitzt, kann ich Berta eben nicht helfen, sie muß den Anblick eben doch ertragen. Und wenn sie „das Weib noch so sehr haßt“.

Die „Fledermaus“ kenne ich nicht. Du weißt vielleicht, daß ich Operetten nicht besonders liebe. Die Figurentänze sind auch mir die liebsten; es tut mich auch sehr leid, daß ich die Quadrille und Lancier im Laufe der Jahre verlernte. Sie sind nämlich nicht nur zum Zusehen sondern auch zum Tanzen sehr schön. Noch schöner allerdings Kör und Beseda, die ich nie konnte. Nun, wie’s aussieht, wird’s heute wieder 12 Uhr. Dein Brummen hat wenig gefruchtet. Muß mich doch noch einer Generalreinigung unterziehen.

Herzliche Grüße von den Meinen und von Fritz. Er war heute hier. In heißer Sehnsucht küßt Dich Deine

Gretel

Wien, 8. XI.1920

Liebster Robert!

Heute beginne ich ganz gegen meine Gewohnheit schon vormittag zu schreiben. Aber da ich gestern nichts schrieb, muß ich’s wieder einbringen. Aber ehe ich „zu die eigentliche Thema“ von heute übergehe, will ich doch Deinen lieben Brief vom 3. fertig beantworten. Freut mich recht, wenn’s bei Euch lustig zugeht. Ob mich aber Eure Blechhäfen-Musik an die Spinnstunden bei Hubers erinnert hätte, weiß ich nicht. Eher vielleicht an Ternitz. Bei meiner Tante ist’s manchmal recht lustig zugegangen. Überhaupt als meine Cousins noch alle zu Hause waren. Zwei von ihnen spielten nämlich auch Harmonika, sogar sehr gut. Jetzt ist’s freilich vorbei. Der zweitälteste und lustigste von allen hat sich anno 15 erschossen. Ich glaube, ich schrieb Dir damals davon. Vielleicht aber auch nicht. ’s war ja noch, ehe Du gefangen wurdest. Der Älteste aber geht auf Freiersfüßen und ist nun immer bei seiner Braut. Höchstens wenn ich hinauskomme, spielt er einmal. Diese beiden. meine Cousins, könntest Du übrigens persönlich kennen. Sie waren einige Male in den Versammlungen.

Ich besitze aber so viele Cousins und Cousinen, daß ich selbst nicht alle kenne. ’s sind ca. 3 Dutzend. 12 bis 16 Kinder sind die übliche Anzahl in jeder unserer Familien, und daß da noch eine stattliche Menge am Leben ist, kannst Du Dir denken.

Nun aber mal raus aus der Ordnung. Hansi brachte mir eben Deine Briefe. Der erste, den ich öffnete, war der Olgas an Dich. Ich begann zu lesen. Da kommt so ein kleines Persönchen herein um Äpfel. Hansi wiegt sie ein. Da ruft mir die Kunde zu: „Na, lesen S’ nur recht fleißig! Is vom Robert a a Brief dabei? I bin nämlich sei Schwester.“ Kannst Du Dir denken, wie ich mich freute? Aber weißt, Schatz, sehr formell, wie sich ’s der bösen Schwiegermutter gegenüber gebührt hätte, war ich gerade nicht. Ich hab’ sie ganz einfach umarmt und geküßt. Ob’s ihr recht war, weiß ich zwar nicht, aber schließlich hat sie sich’s doch müssen gefallen lassen. Mit so kleinen Leuten werde’ ich ja doch fertig. Übrigens meint Olga, ich sollte mir einen Stuhl oder Ziegelsteine auf den Kopf legen, damit ich nicht vielleicht noch weiter wachse. Du siehst also, sie ist gar nicht mit Deiner Wahl einverstanden. Beim Abschied hat sie mir auch gesagt, sie wird Dir schreiben, ich gefalle ihr gar nicht. Ob ich g’rad’ einen guten Eindruck auf sie machte, weiß ich wirklich nicht, auf jeden Fall aber war se sehr lieb! Von dr bösen Schwiegermutter keine Spur. Und ich hoffe, daß wir uns mit der Zeit immer lieber gewinnen werden. Daß ich immer erst ein wenig auftauen muß, weißt Du doch. Nun, Liebster, ich weiß nicht, wem von uns beiden es mehr leid tut, daß Du am Ersten nicht mit uns singen kannst. Ich würde Dich doch so notwendig brauchen! Nicht nur zu Haus, sondern hauptsächlich im Chor. Sag’ mal, warum interessierst Du Dich jetzt auch noch für Sopranstimmen? Willst Du anfangen zu komponieren? Ist ein sehr undankbares Geschäft, wenn man nicht Contra-Baß studiert hat. Weißt, Kind, ich habe oft so viele Melodien im Kopf, aber das zu Papier zu bringen, bin ich nicht im Stande. Ist eh g’scheiter, net? So wie’s gescheiter wär’, wenn unsere Genius-Geküßten das Dichten lassen würden, denn mit der Zeit wirkt das am Ende ansteckend und auf einmal wirst Du im Stern lesen: Von Grete Mühlhofer, Wien. Ob da nicht auch das Ambulatorium nötig wäre?! Aber ich komme ganz in ein anderes Fahrwasser. Also eine mittelmäßige Sopranstimme kann singen bis „f“. Das folgende „g“ ist fast für jedermann schon zu hoch. Neulich probierte ich auf meiner Freundin Frage hin, wie tief und wie hoch ich singen kann. Es geht von „c“ bis „f“. Daß Dir Frau Donts Verhalten nicht gefiel, setzt mich nicht sonderlich in Erstaunen. Mir hat ihr Verhalten schon öfter nicht gefallen. Nur habe ich mir mit der Zeit abgewöhnt, anderer Fehler zu be- oder gar zu verurteilen. Da hab ich genug bei mir selbst zu tun. Und wenn ich tatsächlich ausfällig werde wie eben zuvor über Mathilde und Konrad, ist das nicht bös gemeint. Daß Frau Dont Lina nicht so lieb hat wie Emmy, ist mir gar nicht neu und Friedl hat mir einmal erzählt, daß das auf Gegenseitigkeit beruht. Daß sich aber Mutterliebe auch in dem Fall nicht überwinden sollte, ist auch meine Ansicht und einer rechten Mutter Liebe wird es auch nicht tun. Im Gegenteil.

Wenn Du brummst, daß ich zu spät schlafen gehe, muß ich Dir leider recht geben. Mutter sagte zwar eben heute: „Sechs Stunden Schlaf sind mehr als genug.“ Aber ich bin nicht der Meinung. Also bitte, beherzige aber Deine Worte auch selbst. Wenn Du schon bis 10 Uhr beim Müller bleibst, was ich recht gut verstehe, so schreibe mir wenigstens dann nicht mehr. Wenn ich den ausfallenden Brief auch sehr entbehren werde, will ich Dich doch nicht durch meinen Egoismus u jeden Genuß bringen.

Herzlichen Dank für das Weihnachtslied, werde es vielleicht heute abend probieren zu spielen.

Berta hat mir übrigens heute große Freude gemacht. Sie kaufte mir nämlich einige Weihnachtslieder und auch einige der Rosenlieder von Eulenburg.

Bei Familie Kulhanek werde ich mich morgen erkundigen, was los ist. Hoffentlich wirft man mich nicht hinaus.

Nun komme ich doch heute wieder nicht dazu fertig zu antworten.

[Schluß fehlt]


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