Grete Schröfl - Robert Schröfl: Korrespondenz


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Dienstag, 23. XI.20

Liebste Gretel!

Zwar hab’ ich von Dir, bis jetzt wenigstens, ’s ist erst 6 Uhr, noch nichts bekommen, dafür aber einen Brief von Wenty und eine Karte von einem Reisekollegen, aus Rußland. Ich glaube gar, daß sich derselbe wieder zurückwünscht, da’s dort „eigentlich doch ganze schön war“, in Wien aber langweilig ist. Ich denke zwar auch hie und da gerne zurück, denn ’s gab auch dort manch trauliche Stunde, auch Naturschönheiten, die man hier nicht sieht, aber zurück - brrr, nein. Wenn so sternenhelle Nächte sind, da erinnere ich mich, wie herrlich schön es war, wenn man so, fest angezogen, auf dem zugefrorenen Meere im Schlitten dahinfuhr, so ganz allein auf dem weißen Eisfeld. Dazu das Flackern des Nordlichtes. Und wir froh man doch war, wenn man an die Küste kam, dort bei Kameraden in einer warmen Hütte Tschei trank und Speck oder Butterbrot dazu, selbst erzählend, was es in Kandalakscha oder Knascha oder an anderen Stellen Neues gab, Friedensparolen brachte, denn solche gab’s genug. Oder auch, wenn man im Frühling, wohl erst im Juni, in den dichten Wäldern herumstreifte, Birk- und Auerhuhn aufscheuchend, oder „hoch zu Roß“ über Stock und über Stein, mehr aber Stock, dahinritt, wobei’s zwar einmal vorkam, daß der Wille des Pferdes stärker war als meine Kunst, ich einen Fußtritt bekam, das Pferd ganz gemütlich zurücktrabte zum Stall und mich die 4 km zu Fuß gehen ließ. Einmal hatte ich rechte Freude. ’s war an meinem Geburtstag im Jahre 17. Den ganzen Tag hatte ich schlechte Arbeit in Wasser und Schnee, kam abends ganz erfroren nach Haus. Unser Heim war ein Wagen, in welchem unser Kontrollor-Mechaniker und ich hausten, da hatte mir ersterer einen „zuckersüßen“ Milchreis gekocht und Keks dazu, zum Geburtstag. Mit ihm war’s überhaupt schön und wir machten uns mit dem Kochen Konkurrenz. Wenn er zu seiner Frau kam, was alle Monate auf 2 bis 3 Tage der Fall war, da war er nicht nur Herr des Hauses, sondern auch der Küche. Sie durfte nichts anrühren. Na, mir scheint, das wird heute wieder ein Brief aus der Gefangenschaft. Nun bevor ich „die eigentliche“ Brief anfange, geh’ ich erst essen.

Mein Hoffen war umsonst. Nix is’ da. Na ja, - morgen.

Karls Brief leg’ ich wieder bei. Es freut mich, daß er doch kommt, vielleicht kennst Du ihn schon und er Dich, auch freut’s mich, daß er nun doch ein wenig das innere Gleichgewicht erlangt hat, die Arbeit wird ihm wohl über das fehlende Hinweghelfen.

Wegen des Urlaubes habe ich noch immer keine Nachricht. Herr Kulhanek hat aber heute eine Verständigung bekommen, daß er heuer noch, laut gesetzlichen Bestimmungen, seinen 14tägigen Urlaub antreten MUSS. Also muß er bis 15. wegfahren. Wenn ich Anspruch habe, sollte auch ich diese Verständigung bekommen. Na, ob ich sie krieg’ oder nicht, ich komme! Übrigens bin ich bis dahin meinerseits fertig. Und wenn ich einmal in Wien bin, dann muß ich auch einige Tage, wenn auch unbezahlt, Urlaub bekommen. Kind, wie’s mich zieht,ich kann Dir’s gar nicht sagen. Je näher die Zeit kommt, desto stärker. Es ist nur gut, daß ich in Sibirien vernünftiger war, sonst wär’ ich eh nicht normal nach Haus gekommen. Aber das kommt davon, wenn man so einen lieben Schatz zu Haus hat! Na, Geduld! Von Olga auch noch nichts. Ich glaub’, Du mußt doch noch einmal Briefträger werden. Heut’ schreibe ich aber nicht, denn Wenty will auch noch was. Auch möcht’ ich wissen, ob Olga den Brief bekommen hat, bitte frag’, und ob Lohnzettel dabei waren.

Mein Pole ist gestern, gleich nachdem ich fertig war mit dem Schreiben, nach Haus gekommen mit einem „großartigen“, wie H. K. sagen möchte, Affen. Hat sich zwar mir gegenüber recht anständig und höflich benommen, dafür aber mit sich selbst aufgedreht, denn das ’rausgeworfene Geld ging ihm doch im Kopf ’rum. Heut’ ist er nach Teschen gefahren, scheint aber wieder verunglückt zu sein, da er schon zurück sein müßte.

Nun muß ich aber Schluß machen, damit Wenty nicht zu kurz kommt. ’s ist schon 10 Uhr, bin also wieder einmal nicht anständig. Wentys Brief laß bei Dir.

Schlaf gut, Liebchen! Mit vielen herzinnigen Küssen umarmt Dich Dein

Robert

Wien, 23. XI.1920

Liebster Robert!

Heute hab’ ich mal wieder geflickt und werde nun jedenfalls mit dem Schreiben nicht fertig. Aber anfangen will ich doch. Übrigens, sag einmal, Schatz, mit welcher Flickerei hast Du Dich denn vorigen Samstag so angelegentlich beschäftigt? Kann mir Dich mit einer Nadel in der Hand gar nicht vorstellen. Einmal mußte ich auch herzlich lache, nämlich als Franz C. das Maschinnähen lernen wollte. Er war aber doch sehr überzeugt, daß er’s kann. Der Glaube macht selig!

Bin neugierig, wie das Lied geht. Werde Franz am Heimweg auffordern, es zu singen. Auch auf einiges andere bin ich neugierig. Z. Bsp. ob Konrad seine Rolle annehmen wird. ’s tut mir leid, daß ich für Loisel keine hab’, aber ’s ist nichts daran zu ändern, wenn sie sich auch wieder zurückgesetzt fühlen wird. Weißt, in der Weise biete die Stellung als „Regisseur“ durchaus keine Annehmlichkeiten. Da soll man immer und überall auf jedermann Rücksicht nehmen, hat gegen alle möglich und unmöglichen Bockbeinigkeiten, Kränkungen und Launen anzukämpfen. Aber wenn zum Schluß doch alles klappt, freut’s mich immer wieder.

Trotzdem werd’ ich aber froh sein, wenn ich „Amt und Würden“ in eines Mannes Hand legen kann! Ich fühle nämlich durchaus keinen Drang in mir, „etwas zu sein vor anderen“, muß mir aber doch, so lange ich die Pflichten des Chorleiters habe, auch dessen Rechte anmaßen. Vor allem unbedingten Gehorsam in Festangelegenheiten zu fordern. Von der Gesangstunde seh’ ich ja ohnehin schon ab, da seit Beginn der Streitigkeiten nichts mehr zu erreichen ist. Na, aber ’s ist nicht zu ändern, folglich muß ich mich darein fügen.

3tens und letztens bin ich neugierig, wann Hubers kommen, da Hrubesch mir gestern erzählte, daß Fritz Schw. Gusterschitz besuchen ging, weil Hubers kommen.

Hansi studiert eben Geographie. Allerdings versteh’ ich nicht ganz, was damit der Winkel der Sonnenstrahlen zu tun hat. Aha, kommt schon! ’s ist doch wahr, daß das auch zur Geographie gehört. Habe nämlich die Absicht, zur Behebung meiner Dummheit mit Hansi mitzulernen. Ich kann mir doch nicht meine Nichte (geistig) über den Kopf wachsen lassen. Wie würde sich das mit meinem „Größenwahn“ vertragen? Und die Behauptung, daß ich größenwahnsinnig bin, nimmt Thilde, wie sie Fritz gegenüber auch jetzt wieder behauptete, nicht zurück. Ist mir auch recht! Irgendeinen Wahn muß ich, als Mormonin, doch haben. Morgen schreib ich Dir wahrscheinlich gar nicht. Ich werde nämlich einmal versuchen, Bäckerei zu backen. Hrubesch brachte uns gestern Mehl. Aber weißt, Deinen Zucken könnt’ ich dazu brauchen! Nehm’ ich Sacharin, ist’s wohl süß, aber nicht die richtige Menge. Übrigens freu ich mich schon auf das Backen. Kalt wird mir dabei auch nicht werden. Hansi ist g’rad ein bisserl überg’schnappt. Liegt wohl in der Familie.

Na, ’s wird Zeit zu schließen, muß doch schauen, daß ich morgen wenigstens den Brief fertig kriege.

Es küßt Dich in Sehnsucht

Deine Gretel

am 24. XI.1920

Guten Morgen, mein Lieb! Hoffentlich bist Du besser ausgeschlafen als ich. Br. Niederhauser ist gestern angekommen und da hatten wir nach 10 Uhr noch eine Menge zu erzählen. Bin neugierig, wie das jetzt wieder wird. Anscheinend will der Bruder alle möglichen Neuerungen einführen. Wie er aber den Frauenhilfsverein hier gründen will, bei unseren anderthalb Leuten, kann ich mir vorläufig nicht vorstellen. Aber schließlich ist das seine Sache und soll mir wenig Kopfzerbrechen machen.abends

Bin heute früh nicht weitergekommen, da mich Berta unterbrach.

Nun fand ich zu meiner Freude beim Nachhauskommen Deine beiden Briefe und Karten von Samstag, Sonntag und Montag vor. War auch sehr nötig, denn so gutgelaunt ich morgens war, so mißgestimmt verbrachte ich den Nachmittag. Und ’s war eigentlich auch eine Dummheit. Aber weißt, durch den Hausfreund ist jedenfalls etwas an dem Herd verdorben worden, so daß das Rohr gar keine Überhitze hat, während von unten her alles verbrennt. Dem Übel wär’ nun zwar abzuhelfen gewesen, wenn ich das nötige Material dazu gehabt hätte. War aber leider nicht der Fall. Zweitens hatte ich ganz nasses Holz, das immer erst eine Weile kochte, ehe es zu brennen anfing.

Da wir aber schon beim Heizmaterial sind. Man bekommt hier als gewöhnlicher Sterblicher je nach Anzahl der Wohnräume, für je 2 Räume einen Zimmerbrand, der sich auf 3 kg Kohle pro Woche beläuft. Ein Küchenbrand mit demselben großartigen Quantum. Hat man jedoch irgendeinen Betrieb, bei dem Kohle absolut notwendig ist, bekommt man sie auch, soviel ich beurteilen kann, in ausreichender Menge.

Morgen abends haben wir Versammlung. Besonders diejenigen Mitglieder, die ein Amt haben, haben zu erscheinen. Aus welchem Grund, wird sich erst weisen. Bitte, Fritz hat mich als Chorleiterin vorgestellt, hab’ aber auch gleich gesagt: „Ja, von dem Chor, der gar net da is.“ Br. Niederhauser aber meinte: „Na, was nicht ist, kann aber noch werden.“ Es scheint, er hat mehr Hoffnung als ich.

Nun, Liebster, Deine Briefe werd’ ich erst morgen beantworten. Ja, aber falls die Olga nicht geschrieben hat: das Geld von Schuckert kam vorgestern, gerade als ich dort war. Ich brauchte also gar nicht fragen. Papa ärgert sich, daß Du so unleserlich schreibst, dachte aber nicht daran, daß Du doch die Adresse nicht geschrieben hast. Übrigens stand Thornsgasse darauf anstatt Phorusgasse.

Nun, Schatz, schlaf wohl und träume süß, meinetwegen sonderbar oder nicht. Mit tausend innigen, sehnsüchtigen Küssen, Deine

Gretel

Donnerstag, 25. XI.20

Mein Liebstes!

Habe Deinen lieben Brief vom 22. heute empfangen. Freue mich, daß nun doch von Olga ein Brief kommt. Wenn ich aber schon zugeben muß, daß ich bei Olga der schuldige Teil der Unterbrechung war, bei Papa bin ich’s wirklich nicht, denn ICH warte auf Antwort. Da ich am Schlusse Deines Schreibens mit Freuden bemerkte, daß Du „einmal“ brav und folgsam warst (kommt das öfters bei Dir vor?), so war ich’s auch, indem ich gleich eine Karte an Emmy schrieb. Wie sie dieselbe aufnimmt, weiß ich nicht, und das war auch der Grund, daß ich nicht schrieb. Im Hintergrund kommt dann vielleicht erst der Trotz. Weißt, Schatz, wenn Emmy wollte, so hätte sie mir doch schreiben können, umsomehr, als ich sie um die Adresse eines Arbeitskollegen aus Konstantinopel bat, welcher jetzt Betriebsleiter in einem El.-Werk in Oberösterreich ist. Doch ist’s ja möglich, daß sie den Brief nicht erhalten hat oder wirklich nicht schreiben will.

Als ich heute vormittag beim Müller Deine lieben Zeilen las, da ging’s mir grad so wie Dir mit Deinem Seifenagenten. Herr Andrefschik, unser Pole, erzählte mir nämlich, trotzdem er sah, daß ich lese, allerhand politisches Zeug, bis ich ihm sagte, daß mich momentan weder die Beteiligung Österreichs am Völkerbund noch der polnisch-russische Krieg noch die Ausschließung der tschechischen Studenten von den deutschen Hochschulen interessiert, sondern allein dieser Brief! Da hatt’ ich Ruh’! Nicht sehr höflich, aber zweckdienlich.

Fredys Besserung freut mich recht. Schau, Lieb, vielleicht geht doch die Hoffnung in Erfüllung! Ich las neulich einen Artikel über Knochentuberkulose in einem Wiener Blatt, anläßlich der Eröffnung einer neuen Heilstätte, in welchen auch erwähnt wurde, daß Kinder, welche wirklich sehr schlecht waren, in kurzer Zeit als geheilt entlassen wurden. Mit Dir hoffen wir das Beste.

Was Fritzls Wunsch anbetrifft, wenn Deine Gedanken recht haben, so kann ich ihm diesen nicht erfüllen. Das Priesteramt, Gretel, erfordert Brüder, welche sowohl im Evangelium als auch mit den Büchern und den Geboten der Kirche vollständig bewandert sind. Und auch innerlich fühle ich mich nicht reif genug, um in ein solches Amt treten zu können, so lieb es mir wäre. Auch hier wäre es das Beste, wenn ich in Wien bleiben könnte.

Daß Schw. Gusterschitz wieder kam, freut mich, vielleicht kommt sie auch zu Weihnachten. Möchte sie gerne sehen. Nun, wenn Franz sooo gerne singt, wird’s schon klappen, unser Quartett. Sopran singt Frau Hon? Freue mich schon auf’s Lied! Wird das Fest im Saal sein? Ist dort elektrisches Licht? Weißt, mit bengalischer Beleuchtung bin ich gar nicht bewandert, aber etwas wird sich schon machen lassen. Vielleicht mit Azetylen. Nun, Lieb, hast Du schon einen Tag in Aussicht, wann wir zu Fredy fahren? Nur noch 30 Tage! Weißt, es ist gut, daß wir jetzt viel Arbeit haben, denn Du kannst Dir vorstellen, daß wir trachten, alles fertig zu bringen. Mein Arbeitskollege fährt Samstag ab zu einer anderen Montage, also bin ich allein. Sonntag wird wahrscheinlich die neue Kolonne schon eingeschaltet. Bin recht froh, denn die Leute gehen einem schon langsam auf die Nerven mit den Fragen, wann sie endlich Licht bekämen. Es ist ja recht unangenehm, im Finstern zu sitzen, Petroleum und Kerzen gibt’s bereits gar nicht, aber zaubern können auch wir nicht. Die ganze Arbeit hätte eben 2 Monate früher angefangen werden sollen. Haben mit dem Wetter sowieso großes Glück gehabt. Jetzt beginnt’s wieder kälter zu werden. Heute ist herrliche Vollmondnacht. Mein Pole schläft schon. Er ist seit gestern recht „anständig“. Hat aber auch Ursache dazu. Morgen wird er abdampfen. Die Waggone sind schon geladen, doch erfuhr er, daß der Transport polnischerseits eingestellt ist. Hofft aber, durch Geld den Transport doch zu bewerkstelligen. Morgen Mittag fährt wieder ein Monteur von hier nach Wien! Wegen des Urlaubs noch immer nichts. Bis zum 5. wart’ ich, dann schreib’ ich direkt an die Firma. Bis dahin weiß ich auch dann genau, wann ich fahre. Gleich ist’s 10 Uhr. Will den drei Rufzeichen keine Schande machen, daher kriech ich in’s Bett. Herzliche Grüße an Br. Hrubesch sowie alle Geschwister und die Unseren.

Sehnsüchtig küßt Dich im Geiste Dein

Robert

25. XI.1920

Liebster!

Beeile mich vor allem Dir zu versichern, daß meine Mißstimmung von gestern nachmittag bereits gänzlich geschwunden ist. Habe heute früh den Herd gekehrt und im Rohr etwas eingelegt. Somit war nun er mit mir und ich mit ihm ganz zufrieden. Unzufrieden bin ich nur, weil es schon wieder so kalt ist. Fühle mich sehr versucht, Olgas Rat, bei ihr zu schreiben, anzunehmen. Aber heute bin ich wieder allein. Mein Hänsel ist in der Schule. Nun, wenn Ihr am 20. XII. schon wegfahrt, kommt Ihr ja noch vor Weihnachten. Kind, ich freue mich schon so! Werde bald beginne, die Tage zu zählen. Von Deiner Geduld oder sogar „vielen Geduld“ wußte ich zwar bisher nichts. Wenn’s aber so ist (?), ist’s nur gut für mich. Wirst sie manchmal nötig haben!

Daß Du „mein Rechtsgefühl“ nicht kränken wolltest, weiß ich. Auch ist Deine Ansicht über die Streiterei ganz logisch. Nur gibt’s leider hier nicht nur zwei Seiten oder Parteien, sondern fast so viele als Personen daran beteiligt sind. Und daß ich bei der ganzen Sache so ziemlich unbeteiligt blieb, trug und trägt mir von allen Seiten Vorwürfe ein. Sie berühren mich aber herzlich wenig. Ich weiß nur so viel, daß ich, wenn auch vielleicht von einem anderen Standpunkt als dem meinen betrachtet, manches, was ich tat, nicht richtig war, doch zu keiner Zeit anders handeln, anders sprechen würde als ich’s getan. Ob Thilde das nun Verrat an ihrer Freundschaft nennt, ob Ehlers und Berta samt Mutter behaupten, ich laufe Mathilde noch immer nach und tue ihr schön, ist mir egal. Ich tat und tue, was mir recht scheint. Der anderen Gerede kümmert mich nichts. Schluß der Debatte!

Ob auch meinen Briefen die Eigenheit innewohnt, schönes Wetter zu bringen, kann ich Dir nicht sagen, Schatz, weiß das nur von meiner eigenen Person. Aber wenn Du mich nur als Regenschrecker auf den Ötscher mitnimmst, bleib’ ich just zu Haus! Denn wenn ich mir auch „furchtbar viel“ darauf einbilde, in einer derartigen Funktion amtieren zu können, gerade nur als Mittel zum Zweck laß’ ich mich nicht verwenden. Mir scheint wirklich, es ist Dir kein Mensch recht. Wie ich’s anfing, daß Du Dich mit mir verträgst, weiß ich gar nicht. Ich glaube, ich erzähl’ Dir auch manchmal etwas, was Dich „gar nicht interessiert“! Und wehrst es mir doch nicht!? Da es mir aber gerade so geht wie Dir, werden wir uns in Zukunft eine Einsiedelei anlegen müssen, um ungestört von allen Mitbürgern dieser Erde unser Dasein zu verbringen!? Na, übrigens ist die Sache nicht so schlimm wie sie aussieht, es gibt doch einige Leute, die Dir und auch einige, die mir recht sind, wie sie sind! Also, die größte Gefahr ist schon abgewendet.

Schade, daß ich nicht mir Dir durch den verschneiten Wald gehen konnte! Meine Leute halten das zwar auch für verrückt, deshalb ist’s aber nicht weniger schön.

Mein Hausfreund ist mir, scheint’s, auch eifersüchtig. Er sprüht Funken und hat er mir früher bloß die Finger verbrannt, so wollte er scheinbar jetzt, während ich eine Kunde bediente, den Brief in Flammen aufgehen lassen. Das vereitelte ich zwar, konnte aber die Spur seiner Tätigkeit leider nicht verwischen. Den „Stern“ sende ich noch nicht. Wollte ihn mit den Büchern schicken, aber dann doch vergessen, ihn hineinzulegen. Und da ich denselben nun erst Sonntag mit dem Lied abschicken werde, kannst Du einmal wieder die „viele Geduld“ in Aktion treten lassen. Ob ich weiß, wie’s ist, wenn man Heimweh hat? Ich glaube schon, wenn ich’s auch nie in der Fremde empfand, vielmehr es gewöhnlich dort hatte, wenn ich zu Hause war. Es war immer nur ein Heimweh nach meiner Tante Heim und nach ihr selbst. Weißt, als unser Hansel ganz klein war, ging ich immer mit ihr auf die Magdalenenstraße, heutige Linke Wienzeile, und wenn ich dann einen Zug der Stadtbahn pfeifen hörte, dann kam’s - das Heimweh! Trotzdem ich doch alt genug war zu wissen, daß der Zug mich nie ans Ziel meiner Sehnsucht bringen konnte. Doch packte es mich jedes Mal wieder, bis ich unseren Spielplatz gänzlich in den Schillerpark verlegte. Aber noch Jahre hindurch, nachdem Tante schon tot war (sie starb 1908) fühlte ich dies’ Sehnen in mir, das, wie ich meinte, Baden, als Tantes letzten Aufenthalt, galt. So lange, bis ich mich, ich glaube zu Ostern 15, aufmachte und mit Hansi nach Baden fuhr. Ich wandelte all die altbekannten mir vertrauten Wege, auf Rauhenstein, Rauheneck, Scharfeneck u.s.w., wo ich seinerzeit mit Onkel gegangen. Mein Sehnen war gestillt, allerdings in ganz anderer Weise als ich erwartete. Denn all’ die so oft gegang’nen Wege muteten mich fremd an, nun, da mir Onkel Eugen nicht zur Seite schritt und nun wußte ich plötzlich, daß es nicht der Ort, daß es immer nur die Menschen sind, nach denen man Heimweh hat. Menschen, die man liebt!Übrigens mein herzlichstes Beileid den „alten Herren“! Umso verzeihlicher finde ich die „Dummheit“. Du weißt doch, wie ich über alte Leute urteile.

Nun, Schatz, ich hab’ gar keine Angst, daß Du komponierst! Wenn Du’s zustande brächtest, wär’s auch kein Unglück. Ich könnte also auch dann die Angst beiseite lassen. Daß es mich einmal nicht freuen wird, Dir etwas zu sagen, was ich weiß, glaube ich nicht, aber vielleicht wird’s Dich gar nicht freuen, wenn ich das, was Du gern wissen möchtest, selbst nicht weiß! Bitte also im Vorhinein um Nachsicht.

Nun ist’s gut, daß ich zu Ende komm’, denn Mütterlein wird bald erscheinen, damit ich zur Versammlung gehen kann. Bin recht neugierig, welchen Zweck sie haben soll.

Werde Dir Deinen Brief morgen fertig beantworten. Für heute wär’s genug geplaudert! Herzlichen Dank noch für die beiden Karten; so wahr die eine ist, so schön ist die andere.

Morgen werde ich mal wieder zu Olga gehen! Heißt das, wenn ich Zeit hab’!

In innigster Liebe küßt Dich Deine

Gretel

Freitag, 26. XI.20

Mein geliebter Schatz!

Muß halt doch mit Dir plaudern! Zwar wird das Papier nicht voll werden, also der Brief erst morgen weggehen, d.h. übermorgen früh, doch wird Dir ja die heute abgesandte Karte helfen, ein wenig geduldig zu sein. Trotzdem ich sooo auf einen Brief von Dir oder Olga oder Schuckert rechnete, ging ich abends leer aus. Als wir heute unsere Wochenzeitausweise schreiben, sagte Herr Kulhanek: „Jesses, morgen is scho wieder der 27.“ Ich: „Na, san S’ froh, i kann’s eh nimmer erwarten, bis Weihnachten kummt. I g’freu mi scho so drauf.“ Er: „G’freuen S’ Ihnen net z’viel drauf, denn g’wöhnlich, wann ma si sooo g’freut auf was, geht’s schief.“ Und so erzählte er mir, wie er einmal am Heiligen Abend nach Hause fahren wollte, sein Gepäck nebst einer Kiste Äpfel und auch Bäckerei schon am Bahnhof hatte, und noch im letzten Moment doch dort bleiben mußte, da ein großer Motor defekt wurde. Na, wenn’s mir so geht, werde ich auch defekt. Das wär’ wieder einmal so ein kalter Tusch, so wie früher immer, wenn unsere Heimfahrt in’s Wasser fiel. Jetzt vielleicht noch ein eisig kalter. Aber warum sich die Bedenken machen, wo doch gar keine Ursache ist. Die Kälte wird immer größer und wir machen uns daher bei der Arbeit ein Feuer. Das ist recht angenehm, aber die Arbeit geht natürlich ein wenig langsamer, denn die Leute zieht’s grad so als die Insekten zum Feuer, von wo sie dann nicht wegzubringen sind. Habe eigentlich noch immer Glück gehabt mit meinen Helfern. Habe hier drei Polen, die zwar nicht deutsch können, jedoch meine Mittelsprache von deutsch, russisch, polnisch und tschechisch doch verstehen. Dazu noch die Zeichensprache - und ’s geht. Und sogar ganz gut, zur Verwunderung meines Arbeitskollegen, der mit zwei von den Leuten gar nichts anfangen konnte, trotzdem er sich mit ihnen verständigen kann. In KOnstantinopel hatte ich einen Armenier, da ging’s mir im Anfang auch schlechter mit der Verständigung. Er konnte türkisch, armenisch, griechisch und französisch aber nicht deutsch und ich wiederum deutsch, aber nicht türkisch, armenisch, griechisch und nur ganz wenig französisch. Und doch gewannen wir uns lieb, daß es beiden beim Abschied schwer wurde, er weinte sogar. Was aus ihm nur geworden sein mochte? Es gibt wirklich so viele Leute, die die Fähigkeit hätten, etwas zu leisten und müssen sich oft ihr ganzen Leben hindurch durch stumpfsinnige Arbeit fortwursteln. Wäre es nicht gescheiter gewesen, wenn nur 1/100 von den Geldern, die der Krieg verzehrte, dazu Verwendung gefunden hätte, Schulen, allen ohne Klassenzugehörigkeit zugänglich, zu schaffen, die den einzelnen Staaten wirklich leistungsfähige Staatsbürger schaffen würden? Diese Schulen resp. Gelder würden sich schon im Zeitraum einer Generation, selbst mit Zinsen, bezahlen. Eigentlich ist man in Rußland noch am nächsten einer solchen Reform, aber was machen die anderen Staaten, die sich Kulturstaaten nennen und mit verächtlichen Blicken auf den zurückgebliebenen dummen Russen herabsehen? Gerade weil sie diese kommende Reform sehen, darum trachten sie mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln diesen Staat zu Grunde zu richten. Aber, mein Lieb, wo komm ich denn heut’ hin? Doch das macht nichts, ’s ist ja eben eine Plauderei, gelt? Morgen werd’ ich die Arbeit von Herrn Trojan, meinem abreisenden Arbeitskollegen, übernehmen. Das freut mich gar nicht, denn er hat mir nicht den schönsten Teil derselben übergelassen, und auch nicht den kleinsten. Heute in 4 Wochen ist Heiliger Abend. Da heißt’s zu Haus sein. Es ist nur gut, daß hier genügend Hilfskräfte zur Verfügung stehen. Eventuell Werksmonteure, von denen es hier wimmelt, aber doch nichts gemacht wird. Nun, siehst, drei Seiten sind voll, da muß die vierte auch noch daran glauben, selbst wenn ich dabei Gefahr laufe, ein wenig Anständigkeit einzubüßen.

Beinahe wär’s mir eben mit dem Brief so ergangen, wie mit Wentys, der mir beim Trocknen auf den Ofen fiel und verbrannte. Nur hätte ich diesen heute nicht mehr nocheinmal geschrieben. Weißt, Schatz, ich hab’ mir zwar schon Vieles hier gekauft, aber zu einem Löschpapier hab’ ich’s noch nicht gebracht.

Heute haben wir berechnet, daß 1 kg Mehl, welches man mittels Ausfuhrbewilligung ausführen würde, auf cka 120 K öst. kommen würde. Mein Mehl, als auch der Zucker für Dezember bleibt daher da, werde es meiner Zimmerfrau geben. Bis dahin wird’s grad 10 kg sein. Ist das nicht zu dumm? Nämlich nicht das Hergeben, sondern daß man’s nicht mitnehmen kann.

Zu meiner Rückfahrt muß ich mir einen kleineren Handkoffer kaufen, wahrscheinlich in Teschen, wenn ich zu der Gerichtsverhandlung (wie gefährlich das klingt) fahre. Bin neugierig, wie teuer der wieder ist. Wenn man die hiesigen Preise jetzt umrechnet in österreichisches Geld, kommt einem alles sündteuer vor.

So, jetzt geh’ ich schlafen. Bin noch immer anständig. Gute Nacht! Küsse von Deinem

Robert

Wien, 26. XI.1920

Mein Liebling!

Erhielt gestern abends Deinen lieben Brief von Dienstag. Die Frage bezüglich der Lohnlisten brauch ich Dir nun wohl nicht mehr beantworten, da Du jedenfalls heute Olgas Brief erhalten hast. Auch die Frage, ob Richard den Brief zu Olga schickte, ist dadurch erledigt.

Ich war heute vormittag bei meinem Schwiegermütterlein. Und da es just Zeit zum Kochen war, erhielt ich gleich einige Orientierung, was du gerne ißt. Ganz gut für mich. Papa sagte mir übrigens heute, daß ich wenigstens zwei Mal pro Woche kommen muß. Schreib’ Dir das, weil ich weiß, daß Du Dich freust, gelt?

Bezüglich Bertas kann ich Dir immer noch nicht beipflichten, denn auch nur die Rolle der Lehrmeisterin zu spielen, ist sie viel zu launenhaft. Sie wird einen Tag durch ganz unnötige Strenge Erbitterung hervorrufen, um vielleicht schon den nächsten Tag durch irgendwelche Dummheiten sich allen Respekt zu verscherzen. So ist’s auch gewesen, als sie die Schneiderei hatte, die Mädels schmeichelten ihr in’s Gesicht um sie hinter’m Rücken auszulachen und über sie zu schimpfen.

Nun, ich denke doch, daß ich Deinen Brief vom 16. nicht erhielt. Denn wenn Du einmal nicht geschrieben hast, war das am 17., weil Du mir das mitgeteilt hast. Beweis Nr.2, ich habe auf meine Briefe vom 12. und 13. gar keine Antwort.

Nun zu Deinem Brief vom Dienstag. Es freut mich immer, wenn ich so einen Bericht aus Deinem Gefangenschaftsleben erhalte. Auch daß Du so viele schöne Erinnerungen daran hast, das wiegt dann doch vieles Unangenehme auf.

Daß es jetzt in Wien langweilig ist, hört man allgemein. Persönlich kann ich’s aber nicht bestätigen, vielleicht weil ich nicht weiß, wie lustig es früher war. Aber ich denke, langweilen kann sich nur ein wirklich dummer Mensch, ein halbwegs vernünftiger aber wird sich immer so zu beschäftigen wissen, daß er Langweile gar nicht kennen lernt.

Na, Schatz, mir scheint, das „Zuckersüße“ spielt bei Dir eine Hauptrolle. Da wird’s Dir in Wien recht schlecht gehen, weil wir doch so wenig Zucker bekommen. Hoffentlich machst Du nicht mir auch mit dem Kochen Konkurrenz, sonst geb’ ich’s überhaupt auf.

Daß Karl doch kommen wird, freut auch mich. Hoffentlich findet er dann auch heraus, wie ich bin. Nach dem Brief zu schließen, ist er wirklich ein wenig ausgelichener in seinem Inneren. Wünsche von Herzen, daß er den Posten bekommt.

Du kommst also, ob mit oder ohne Urlaub! Schön von Dir!! Liebstes, dann werden das sicher die schönsten Weihnachten sein, die ich bis jetzt erlebte! Daß es Dich hierher zieht, brauchst Du mir gar nicht zu sagen! Denn alle meine Gedanken wünschen Dich ja herbei. Ich denke, Du mußt das fühlen!

Eben war Frl. Peperl oder Fini, einmal hör’ ich sie so, einmal so nennen, bei mir, mir zu sagen, daß mich Olga dringend zu sprechen wünscht. Und vielleicht ist das auch eine Dummheit, aber ich bringe den Gedanken nicht los, Du bist da. Erstens war ich vormittag bei Olga, zweitens, wenn sie mir so etwas wichtiges (wie Frl. Peperl sagte) mitzuteilen hat, warum kommt sie nicht selbst. Und warum ist das Fräulein so verlegen geworden, als ich fragte, was los sei? Lieb, mein Lieb, wenn’s doch wahr wäre! Sitze wie auf Nadeln hier und seh’ alle zwei Minuten auf die Uhr, ob’s nicht bald 6 Uhr ist. Um 6 Uhr hab ich nämlich Hansl befohlen, ihren Dienst wieder anzutreten. Bis dahin ist sie beurlaubt. Vielleicht denkst Du, wenn Du dies liest, ich bin wirklich ganz verrückt, aber wenn man Sehnsucht hat, baut man auch mitunter Luftschlösser. Und wie Frl. P. betont, es sei jedenfalls etwas für mich sehr wichtiges. Was ist mir wichtiger, wenn nicht Du!

10 Uhr

Also, ’s war Unsinn, was ich dachte, eigentlich ganz logisch. Aber man hofft doch immer, was man so gerne möchte!

Olgas Wunsch war, mich mit Rudolf und Bernhard bekannt zu machen. Da wir aber dann, als ich endlich hinüberkam, alle keine Zeit mehr hatte, ist die -Bekanntschaft sehr oberflächlich geblieben. Papa hab’ ich versprochen, Montag abends zu ihm zu kommen, damit wir uns einmal „ausplaudern“ können. Wie’s dabei bei mir ausschauen wird? Kannst Du Dir’s denken? Aber wenn wir allein sind, wird’s schon gehen! War jetzt bei Frl. Schwarz, Poldi aber, die ich erwartete, kam aber nicht. ’s is a Kreiz mit meine Leit! Sie werden’s wieder so lang treiben, bis im letzten Moment alles Hals über Kopf geschehen muß. Br. Niederhauser hielt gestern eine Beamtenversammlung ab. Für welche Beamten weiß ich zwar nicht, aber meint auch hier wieder „was nicht ist, kann noch werden“.

27. XI.1920

Bitte verzeih, daß ich den Brief gestern nicht vollendete, aber mein herannahender Kopfschmerz zwang mich zu Bett zu gehen! Bin auch heute bis Mittag gelegen. Nun ist’s aber voraussichtlich wieder für einige Wochen vorbei. Deine Karte mit dem Brief für Olga bekam ich heute. Unangenehm ist mir der Auftrag nicht, Kind, aber für Olga bedeutet es immer eine Verzögerung, ehe sie die Briefe bekommt. Mit dem Brief muß sie nun leider bis Montag warten. Ich dachte ja, daß sie Samstag früher sperrt, ging aber doch um vier Uhr hinüber. Natürlich war’s zu spät. Bin übrigens heute gar nicht im Geschäft gewesen, sondern nähte nachmittag für Hilde Hrubesch. Und wär’ der Brief für Olga nicht gewesen, wär’ ich jedenfalls heute nicht vor die Tür gekommen. War also auch für etwas gut! Gelt, Schatz? Ich glaube, es würde mich jetzt gar nicht mehr freuen, die ganze Woche nicht hinauszugehen, wie’s früher doch so oft vorkam.

Is a a Dummheit!

Eben grübelte ich über Fuhriman. Mutter kramte im Kasten und warf mir dabei mein Stammbuch heraus. Nebstbei bemerkt, steht nicht viel drinnen, trotzdem ich’s schon 16 Jahre hab’. Aus freien Stücken forderte ich nie jemanden auf hineinzuschreiben. Fuhriman aber wurde von Hansi dazu aufgefordert und er schrieb: „A fool uttereth all his mind; but a wise man keepeth it in, till afterwards.“ (Ein Narr gibt all seinen Geist aus; aber ein Weiser behält ihn für sich, bis später.)

[Schluß fehlt]

Sonntag, 28. XI.20

Herzliebste!

So, mein Schatz, jetzt hab’ ich den ganzen Tag Zeit zu plaudern. Vor allem auch Dir einen schön’, guten Morgen! Zwar wirst Du schon zusperren, denn es ist schon 10 Uhr, ja richtig, bei Euch schon 11 Uhr, da Ihr ja um eine Stunde voraus seid. Aber auch ich war schon fleißig, Richards Brief ist fertig und an Olga geschwind noch ein Nachtrag geschrieben worden. Nun aber zu Deinen lieben Briefen, denn da gibt’s viel zu beantworten.

Also, Samstag flickte ich meinen Arbeitsrock, dem es auch schon lieber wäre, wenn die Arbeit schon fertig wäre und er dann in Pension gehen könnte. Daß Du Dir nicht vorstellen kannst, daß ich nähen kann, glaub’ ich, weil Du mich eben nicht gesehen. Aber denke nur nicht, daß ich’s wirklich nicht kann. Jeder, der in der Gefangenschaft war, war gezwungen es zu lernen und ich übrigens konnte es schon früher. Sogar maschinnähen. Vielleicht macht aber auch bei mir „der Glaube selig“.

Als Regisseur, mein Lieb, weiß ich, daß der Stand ein schwerer ist. War ja in Tobolsk auch Mitglied der „Deutschen Theatergruppe“, als Spieler, Beleuchter, Dekorateur, Kulissenschieber, mit einem Wort: Theaterfaktotum, auch manchmal …ritter, und weiß, daß das Theater manchmal hinter den Kulissen ein größeres ist als vor diesen. Aber das geht in einem großen Theater auch nicht anders, nur gibt’s da manchmal sogar Tränen. Wenn Du daher „Amt und Würden“ ablegen wirst, wird’s mir nur recht sein, sonst wirst am Ende Du auch noch nervös, denn das hängt ja so innig mit den neuen Regisseur zusammen. Und nervös kann ich mir Dich ebenso wenig vorstellen, wie Du Dir mich mit einer Nadel. Na, jetzt bin ich aber schon froh, daß ich glücklich die „ich mir Dich und Du Dir mich“ hinweg bin.

Weißt Du, daß ich eigentlich auch manchmal nervös bin? Aber das ist „schröflisch“, liegt also wohl auch in der Familie.

Daß Du mir morgen gar nicht schreibst, würde ich wahrscheinlich nicht als sehr erfreulich finden, wenn ich den Brief von morgen nicht schon hätte. Kind, wie gerne möchte ich Dir den Zucker mitbringen!

Als ich meiner Zimmerfrau sagte, daß man in Wien nur 6 kg Kohle bekommt, konnte sie es gar nicht glauben, ich verheize hier täglich 2 Kübel voll, und wie gerne möchte ich Dir ein bißchen Wärme abgeben. ’s ist doch dumm, diese Verteilung auf der Welt.

Mit der Thomsgasse bin ich wohl indirekt doch schuld, hab’s wahrscheinlich auf dem Begleitbrief schlampert geschrieben. Also auch Papas Ärger indirekt gerecht (sollte heißen: Phorusgasse). Fällt mir eben ein, daß ich den diesmonatlichen Zucker ganz unvorsätzlich gar nicht genascht habe. Sollte Deine Ermahnung ganz ohne daß ich’s wollte, gewirkt haben?

Jetzt gehe ich zu Mittag, denn erstens will ich noch vor dem Essen ein bißchen spazierengehen und zweitens ist mir heute einmal auch kalt, weil noch nicht eingeheizt ist.

Einstweilen leb wohl! Laß Dir auch das Mittagessen gut schmecken! Kind, es brennt! Zwar nicht in meinem Ofen, sondern in der ersten, fertigen Kolonne. Das ist der erste Schritt, der unser Wiedersehen sichert. Komme eben von der Probe und vom nachträglichen Buchtelessen bei Herrn Kulhanek.

Doch jetzt wieder zurück zum Brief und zwar schon zum zweiten, vom 25. Warum befolgst Du denn Olgas Rat nicht, wenn Dir kalt ist? Mir ist’s auch, wenngleich nur in den Fingern.

Also gehst Du nicht mit mir als Regenschrecker? Da muß ich Dich dann eben mitnehmen als mein gutes, süßes, einziges Lieb. Gehst Du dann mit mir? Ach, wenn ich Dich nur da hätte, ganz klein wenig, so auf einige Stunden. Da wüßte ich, was ich heute anfange, möchte Dir die schönsten Plätze zeigen in meinem, unserem Wald, da Du mich ja auch oft begleitest, wenn auch nur im Geiste.

Hab’ schon angefangen mit dem Tagezählen. Wenn ich auch nicht ganz bestimmt weiß, wann ich komme. So überhaps, bis zum 22. noch 24 Tage. Zu lange noch, um vernünftig zu sein. Oder wird man das Gegenteil, je näher die Zeit kommt? Hab’ aber jetzt ganz vergessen, auf meine viele Geduld.

Mein Pole ist gestern verschwunden, wahrscheinlich unerwartet abgefahren.

Wenn Du glaubst, daß Du mir einmal auch nur ein Wort geschrieben hast, daß mich gar nicht interessiert, dann bist Du im Irrtum. Wohl aber ist mir der Plan der Einsiedelei recht. Ich wünschte nur, er ließe sich verwirklichen!

Deinem „Hausfreund“ werde ich gar nicht gut Freund werden können, wenn er es auf meine Briefe abgesehen hat!

Nun, heut’ bekomm’ ich kein Heimweh. Werd’ jetzt gleich wieder in den Wals marschieren. Es ist recht schön draußen und die Sonne scheint mir grad in die Augen, daß ich gar nicht schreiben kann. Ob sie Dich auch bescheint? Dort könnten sich eigentlich unsere Blicke treffen. Aber Humbug, möchte Br. Olsen sagen. Ich hab’, liebe Gretel, was Unbedachtes geschrieben in einem der letzten Briefe, das streich aus. Es ist nämlich betreffs der Priesterschaft „so lieb es mir wäre“. Wird Dich vielleicht wundern, doch darüber später einmal. Nun, mein Lieb, hoffe ich, daß Dir der heutige Tag gut vergeht und schick Dir viele, viele Busserln.

Robert.

Montag, 29. XI.20

Liebste Gretel!

Sollte Dir eigentlich lieber nicht schreiben, denn wenn man in schlechter Stimmung ist, soll man’s Briefeschreiben lassen, so steht’s im Stern. Da ich aber will, so schreib’ ich Dir doch. Weiß selbst nicht, was mir heut’ über die Leber gerumpelt ist. Ist’s die schlechte Arbeit, oder weil mir heut’ ein Helfer einen Kurzschluß machte, was eben für meine Monteursehre nicht sehr angenehm ist, oder ist’s, weil meine alten Schuhe dem Untergang nahe sind und meine Stiefel noch nicht fertig, so daß ich bis dahin meine neuen Schuhe anziehen muß oder - weil ich keine Post bekam? Oder hilft alles z’samm’?

Mußten uns heute melden zur Volkszählung, welche Ehre, in der tschechoslovakischen Republik mitgezählt zu werden. Wieso wir dazu kommen, weiß ich aber nicht, denn meiner Ansicht sollten Ausländer doch nicht zu dem Volksstand zählen, den ein Staat hat. Na, mir ist’s ja recht.

Die nächsten Tage werden aus Wien und Ostrau Ingenieure kommen, die unsere Arbeit besichtigen. Bin schon recht neugierig auf sie. Lieber wär’s mir, sie wären schon wieder fort, denn man fängt hier schon an nervös zu werden. Diesmal aber nicht ich, denn so was läßt mich immer ruhig, außer die hiesige Umgebung geht mir auf die Nerven. Riesig interessant heute, gelt? Werde lieber einen Sprung in die Werkstätte machen, schauen, ob Herr Kulhanek dort ist.

Servus, einstweilen!

Dienstag, 30. November 20

Mein Liebstes!

Aus dem „einstweilen“ ist nun ein Tag geworden, denn gestern legte ich mich gleich nach dem Essen schlafen. Und hab’ auch wirklich wieder einmal „sonderbar“ geträumt, so daß meine Stimmung heute schon eine bessere ist wie gestern. Aber dafür ist das Wetter unangenehmer. Zwar warm, aber so dichter Nebel, daß man keinen Mast weit sieht.

Betreffs des Urlaubs noch immer keine Nachricht. Hab’ nun direkt an die Firma geschrieben. Bin neugierig, ob dann die Erledigung kommt. Wäre mir schon recht angenehm, etwas bestimmtes zu wissen. Werde mir das Geld doch hierher senden lassen, da ich nach den neuen Vorschriften 3000 Kc mitnehmen kann und die tschechische Valuta doch nicht so rapid fällt.

So sehr ich mich sehnte ein Schreiben von Dir zu bekommen - umsonst. Schon der dritte Tag! Du böse, böse

[Schluß fehlt]

Wien, 30. XI.1920

Mein lieber Robert!

Heute bekommst Du nun endlich mal wieder einen Brief. Kommt mir schon recht lang vor, daß ich Dir geschrieben. Und ’s ist doch erst zwei Tage. Von Dir erhielt ich heute nichts, dafür aber eine Einladung von meinem ehemaligen Englischlehrer zu einem selbstverfaßten Theaterstück, bei dem auch seine Frau als Tänzerin auftritt. Wenn’s nur nicht gerade am Dienstag wäre! Aber ich glaube, ich werde doch gehen! Ferner kam eine Karte von Bertas Bruder und ein Brief von Fuhriman. Die Antwort auf meinen letzten vom 6.- 14. Oktober. Den vorherigen, den ich während Deines Hierseins schrieb, hat entweder er nicht bekommen oder ich erhielt die Antwort nicht! Eher glaube ich letzteres, denn daß Festus so lange nicht geschrieben hätte, glaube ich einfach nicht. Weißt, Schatz, ich möchte Dir den Brief so gerne lesen lassen, aber er ist englisch. Vielleicht, wenn ich einmal nichts besseres zu tun weiß, werd’ ich Dir eine Übersetzung davon schicken. Vorläufig muß ich aber erst daran denken, ihm zu antworten. Nun aber zur Beantwortung Deiner Briefe. Ich weiß wirklich nicht mehr, inwiefern ich „einmal“ brav und folgsam wäre. Das ist wohl der beste Beweis, daß es „öfter“ vorkommt, sonst würde mir diese Ausnahme sicher besser in Erinnerung sein. Aber, daß Du eine Karte an Emmy schriebst, freut mich wirklich. Ich denke, sie wird dieselbe ganz gut aufnehmen, Dein Trotz also nicht nötig sein. Sonntag nach der Versammlung haben wir ein Weilchen miteinander geplaudert, Frau Dont, Emmy und ich. Emmy sieht jetzt wieder besser aus. Aber weißt, Schatz, Du bist beinahe noch unmöglicher als ich. Wie das auf den überhöflichen Polen gewirkt haben mag?

Wann wir zu Fredl fahren? Kind, wann Du willst. Ist mir ganz gleich! Mutter wollte erst, daß Br. Niederhauser hinausfährt und ihn segnet und ihm die Hände auflegt. Nun er ihr aber sagte, wenn Fredy darauf nicht binnen kurzem gesund wird, so stirbt er innerhalb von drei Wochen, nun will sie nicht mehr. Und doch wär’ auch das für das Kind besser als das ewige Kranksein. Übrigens habe ich zu Br. Niederhauser sehr viel Vertrauen. Allerdings, mein Freund zu werden, wie Fuhriman, würde ihm wohl nie gelingen.

Daß Du das Priesteramt nicht annehmen würdest, verstehe ich ganz gut, trotzdem ich jedenfalls mit Fug und Recht behaupten kann, daß Du von allen Wiener Brüdern der beste Mensch bist!

Ja, den Sopran singt Frau Hon! Wußte es allerdings bis Sonntag nicht, weil sie jetzt nie hier war. Nun mußte ich erst Herrn Hon ersuchen, ob seine Frau singen darf! Du, weißt, wann ich mal singen will, frag’ ich Dich aber nicht.

Nun, Liebling, ob Du nun doch auch fertig wirst mit der Arbeit, wenn Dein Kollege fort ist? Na, auf jeden Fall hoffe ich, daß kein Motor defekt wird.

Fritz hat mich Sonntag gebeten, das Weihnachtsprogramm schon am 19. abzuhalten, weil Br. Niederhauser wegfährt, um zu Weihnachten in Basel bei Frau und Kindern zu sein. Ich habe Fritz sein anliegen in Gegenwart Br. N’s rundweg abgeschlagen, weil ich Dich brauche. Als ich kurz darauf hinausging, hat Berta unser Geheimnis erraten! War mir zwar nicht recht, aber was kann man machen. Br. N. ist übrigens daraufhin ganz einverstanden gewesen, daß ich auf Dich warte!!

Natürlich macht’s nichts, wenn Du mir irgendetwas von früher, von der Arbeit oder auch, wie diesmal, eine Kritik des Völkerringens schreibst oder erzählst. Ich will doch teilnehmen an Deinen Gedanken und Empfindungen! Werde auch nie so unhöflich sein, Dir zu sagen, daß mich etwas nicht interessiert! Wäre übrigens auch Lüge! Auch muß ich Dir, soweit ich’s beurteilen kann, recht geben. Also, wie Fuhriman sagt: „Sie haben recht - wiedereinmal.“ Aber, so wie er’s getan, das wievielte Mal „heute“, kann ich nicht. Nun, ich möchte es auch nicht, sonst, wenn was zu oft wäre, würdest Du Dir am Ende wirklich noch einbilden, Du hast auch immer recht (so wie ich).

Damit Du keinen Brief mehr verbrennen mußt, schickte ich Dir gestern das Stückchen Löschpapier. Es besseres hatte ich nicht, mußt also mit dem vorlieb nehmen.

Bitte auch die Noten nicht kritisch zu betrachten. ’s war alles in Eile und damit ich alles auf den Bogen bringe, schrieb ich Sopran und Alt in eine Zeile. Dabei kam’s dann vor, daß ich den Strich anstatt aufwärts abwärts oder umgekehrt machte. Einmal schrieb ich oberhalb der Pause. Bitte also recht laut zu schweigen!

Gestern vormittag hat mir Olga ihre „Wut“ auf die Mormonen ausgedrückt. Nun ist sie neugierig, ob Du mir den Brief, worin sie sich auch Dir gegenüber so äußert, schicken wirst. „Aber dann soll er si’ anschau’n!“ Wenty war immer noch nicht da. Er wird sich wahrscheinlich denken, ’s ist noch Zeit, wenn Du da bist. Nun ist’s gerade Zeit zur Bibelstunde. Leb wohl mein Lieb, sei innig geküßt von Deiner

Gretel

Mittwoch, 1. XII.20

Liebste Gretel!

Nun kam ja doch ein Brief! Es war aber auch schon Zeit! Und wenn derselbe auch nicht schönes Wetter brachte, so doch Freude und gute Laune. Er ist vom 26./27. Da Du mir schreibst, daß Du vom 12./13. keine Antwort hast, weiß ich auch, daß ich am 16. schrieb. Will den Brief kurz wiederholen. Oft fühlte auch ich an mir, wie Bücher ergreifen können, aber mich noch mehr Bilder oder Musik. Bei letzterer war’s besonders „Parsifal“, welche einen großen eigentümlichen Eindruck machte, doch manchmal auch ganz lustige Musik.

Betreffs Mitzi bist Du mit Deinen Ansichten im Recht und wäre dieser Vorfall in Wien gewesen, so wäre, hättet Ihr beide darüber sprechen können, Mitzi auch nicht mehr dort. Da sie eben aber allein ist - ob ich so oder so denke, hätte sie weggehen müssen. Ob nur ihr Wille nicht stark genug war?

Nun weißt, Lieb, wenn Ihr Euch raufen wollt, Olga und Du, dann ist jetzt keine Zeit mehr. Möchte vielleicht die Eine oder die Andere Beulen oder blaue Augen bekommen und das wäre zu Weihnachten gar nicht schön.

Daß Du Dir in Dein „spezielles Fach“ nichts dreinreden läßt, ist recht. Auch ich teile deine Meinung, daß, wenn die Chorlieder als solche geschrieben sind, so sollen sie auch so gesungen werden und nicht als Quartett, da sie wahrscheinlich als letztere an Wert verlieren würden.

Wenn Du auch bittest, daß ich über Dich schimpfen soll, wegen der Karte, die Du zwei Tage in der Tasche hattest, ich tu’s doch nicht. Vielleicht aber einmal, wenn Du mich nicht bittest darum?!

Auch mir tut Herr Kunschener leid und Du hast recht, „es tut doch weh, wenn man dem anderen weh tun muß“. Übrigens haben wir durch unsere Liebe, die uns doch so glücklich macht, Einigen, wenn auch nur vorübergehend, wehgetan.

Mit dem Rat Br. Olsens bin ich nicht ganz einverstanden, ich glaube nicht, daß man gar keine Romane lesen soll, doch natürlich nicht minderwertige und auch nicht zu viel. Und bildend, glaube ich, wirken auch Romane.

Sag, Lieb, hast Du den Bericht über meine Arretierung in Rußland nicht bekommen? Wenn nicht, dann erzähl’ ich Dir’s, wenn ich komme. Nur noch 21 Tage! (Bitte nicht entgleisen!)

Wenn Olga nocheinmal sagt, daß wir verrückt sind, da sag’ ihr nur ruhig, daß man sich freilich nicht alle Tage schreiben braucht, wenn man sich alle Tage sieht, wie Olga und Bernhard in Baumgarten. Nun hab ich eine kleine Rauferei gehabt mit meiner Zimmerfrau, ’s ist aber ohne blaue Flecken ausgegangen. Hab’ nämlich endlich sie dazu gebracht, zum rechnen meiner Schuld. Und da rechnete sie für alles, Kaffee, Wäsche und Bedienung 50 K. Mir scheint, die Leute passen auch nicht in die Zeit mehr. Nun zu Deinem lieben Brief von 26./27. Freue mich jedesmal sehr, wenn Du oder Olga mir schreibst oder schreibt, daß Ihr beisammen wart und ich bin Papa recht dankbar für den „Befehl“, daß Du jede Woche zweimal kommen mußt. Schade, daß Du Rudolf und Bernhard nur flüchtig gesehen hast. Na, zu Weihnachten!

Du, Dein Urteil über die Menschen, die Langeweile haben, ist nicht gerade schmeichelhaft für meinen Reisekameraden, „.. nur ein wirklich dummer Mensch..“. Er ist’s in Wahrheit nämlich nicht. War mir übrigens der liebste während der Heimreise von allen. muß Dir nun aber schon wieder erzählen. Weißt, er und ich waren die Einzigen von den Bekannten, welche schon eine größere Seefahrt mitgemacht haben. Und da fühlten wir uns beide natürlich als „alte Seebären“. Als die ersten schon bald nach der Ausfahrt seekrank wurden, da lachten wir über die „Landratten“ und stellten uns zum Trotz ganz nach vorn an den Bug, wo’s so schön schaukelte. Am 2ten Tag, als nun schon alle außer uns „daniederlagen“ (ich meine nur unsere Backschaft, welche 20 Mann zählte), lachten wir noch immer, umsomehr als wir uns natürlich das Essen von den anderen gut schmecken ließen. Aber noch war das Ende unserer Fahrt nicht da. Am 3ten Tag bekamen wir Sturm. Schon in der Nacht wurden wir durch einen Heidenkrawall geweckt, denn zuerst wurde das Eßgeschirr von den Tischen geschleudert. Da alles Blech war, kannst Du Dir die Musik vorstellen. Wir hatten Frauen und Kinder, Zivilgefangene, an Bord. Frauen schrieen, Kinder weinten. Ich sah so mit einem Auge unter meiner Decke hervor. Aha, dachte ich, soviel hat’s g’schlagen? Da ist’s besser, Du bleibst liegen. Aber als auch die Tische selbst zu tanzen anfingen und umfielen und auch die Pritschen ganz bedenklich ächzten, da wurde auch mir unheimlich. Innen und außen. Ist aber doch eine Dummheit, dachte ich, alles nur Einbildung. Zog mich an, meine Schuhe hatten eine Luftreise gemacht und bereits auf allen Vieren konnte ich sie doch erreichen und wollte hinaufgehen. Aber kaum auf der halben Stiege angelangt, war das Ende des Seebären schon da. Das Stiegengeländer umarmt, denn das Schiff neigte sich um beinahe 70°, bleich und dabei elend, so fanden mich die Schiffsbediensteten, welche tröstend und beruhigend unten versuchten Ordnung zu machen und alles verkeilten, was sich noch bewegte, oder wenigstens so legten, daß’s nimmer umfallen konnte. Einer fragte mich, ob ich ’rauf oder ’runter wollte, ich sagte ihm, ich weiß selber nicht, er soll mich nur lassen. Froh war ich

[Schluß fehlt]

Wien, 2. XII.1920

Liebster Robert!

Nun, Schatz, ich komme eben von Olga. Sie war nämlich vormittag bei mir, doch hatte ich eine Menge Laufereien, so traf sie mich nicht an. Nun bin ich schnell ein wenig hinübergegangen, ehe Hansi zur Schule mußte.

Also Olga ist mit Deiner Antwort zufrieden, demzufolge werde ich’s jedenfalls nicht sein. Na, aber das hat Zeit bis wir mal mündlich darüber verhandeln können. Vielleicht gelingt es Dir, mich zu Deiner Ansicht zu bekehren, vielleicht werden wir uns auch nicht darüber einigen.

Es wundert mich aber durchaus nicht, daß sich das „so lieb es mir wäre“ streichen soll, vielmehr hat es mich gewundert (aber auch gefreut), daß Du’s schriebst! Denn nach Deinem eig’nen wie auch nach Olgas Äußerungen, mußte ich das Gegenteil annehmen. Ich streiche es also ohne jede Verwunderung nur mit einem leisen Bedauern! Aber Du siehst, heute fange ich mal wieder von rückwärts an mit der Beantwortung. Hab’s aber gestern mit Fuhrimans Brief ebenso gemacht. Denn wes’ das Herz voll ist u.s.w. und hier wie dort hat mich der Schluß am meisten berührt.

Sag, wie kommst Du auf die Idee, daß wir um eine Stunde voraus sind? Die Sommerzeit ist doch schon lange vorbei.

Ich dachte, ich komme heute ohne den Hausfreund aus, denn es ist bedeutend wärmer geworden, leider geht’s aber doch nicht und ich mußte wieder einheizen.

Na, auf Deine Näherei bin ich neugierig. Fuhriman bildete sich auch ein, er kann es, war aber immer recht froh, wenn ich ihm die Arbeit abnahm. Aber, Liebstes, es scheint wirklich, als würdest Du denken, ich sei die Ruhe in Person. Kind, täusch Dich nicht! Freilich hab ich mir die Nervosität ziemlich abgewöhnt, aber es ist doch noch leider ein gut’ Teil übrig geblieben. Als Kind war ich so nervös, daß ich oft tagelang nicht gehen konnte, irgendwelcher Aufregung wegen. Als mein Bruder starb, bin ich sechs Wochen gelegen. Und als ich aus der Schule kam, haben meine Lehrer Mutter entschieden abgeraten, mich auf die Handelsschule zu schicken, weil ich absolut unfähig war, längere Zeit zu schreiben. Ich kann Dir das Gefühl, das mich dabei überkam, nicht beschreiben, aber am liebsten wäre ich davon gerannt. Wenn es mit heute noch ebenso ginge, dann würde es schlecht aussehen um Deine Briefe! Nun, ’s ist zum Glück ziemlich vorbei. Bezüglich der Kohlen hab ich mich geirrt. Man bekommt auf einen Küchenbrand 7 kg Kohlen, also für Zimmer und Küche 8.5 kg, für Zimmer, Küche und Kabinett 10 kg, also immerhin etwas mehr, aber von zwei Kübeln täglich oder auch nur wöchentlich keine Idee. Aber bitte schimpfe nicht über die dumme Verteilung. Ich bin recht froh, wenn Du wenigstens nicht frieren mußt. Wenn du den ganzen Tag im Freien arbeitest, tut’s Dir jedenfalls recht gut, wenn Du abend ein warmes Zimmer zur Verfügung hast. Es freut mich, daß „es brennt“. Aber Du schriebst mir doch schon vor längerer Zeit einmal, daß Ihr mit der ersten Kolonne bereits fertig seid. Wie ist das nun zu verstehen?

Warum ich Olgas Rat nicht befolge? Ich glaube, ich habe Dir das schon einmal geschrieben! Erstens kann ich doch nicht einfach über Olgas Räume verfügen und zweitens würden wir dann plaudern und Du kämst sicher zu kurz dabei.

In „unserem Wald“ würde ich Dich tatsächlich lieber in Wirklichkeit begleiten! Nicht nur im Geiste.

Ja, Liebstes, ich denke, man wird immer unvernünftiger, je näher die Zeit des Wiedersehens rückt. Es wäre fast besser, man denkt nicht daran, wenn’s eben möglich wäre! Nun, ’s wird schon auch einmal zu Ende gehen, diese Wartezeit.

Freue mich auch, daß Du wieder allein bist, obzwar ich Dir lieber angenehme Gesellschaft wünschen sollte. Denn schau, so schön mein Plan von der Einsiedelei auch wäre, taugt er doch nichts. Ich denke, auch hier würde Br. Olsen sagen: „Humbug!“ Nebstbei bemerkt freut es mich, daß Du Dich Br. Olsens so gut erinnerst. Er war mir so lange als ich Fuhriman nicht kannte, der liebste von allen Brüdern. Nun „die eigentliche Thema“. Der Mensch ist doch auf Erden nicht allein für sich selbst. Wir können doch nur durch gemeinsames Schaffen vorwärtsschreiten. Wohin würde das denn führen, wenn jeder Mensch solch’ dumme Gedanken hätte wie ich, sich irgendwo zu verkriechen und von seinen Mit- und Nebenmenschen keinerlei Notiz zu nehmen!? Das wäre doch Egoismus in krassester Form! Du siehst, wie der Schreiber jener Zeilen im „Stern“ behauptet, es kommen Widersprüche! Aber ich glaube, sie kommen auch beim Sprechen vor. Es ist doch kaum eines Menschen Gedanke so klar, daß er nicht Eigenschaften hätte, die sich widersprechen. Somit müssen sich auch seine Anschauungen und Ansichten widersprechen. Z. Bsp. ich träume viel und gern mit wachen Augen (ein Traum auch die Einsiedelei), aber ich träume doch mit dem Bewußtsein, daß Träume sich nicht verwirklichen lassen oder aber es doch gewöhnlich Unsinn ist, wenn man sie verwirklicht!

Nun, Du siehst, mein Briefpapier wird zu klein und eine Karte hat auch keinen Platz Also Schluß! Es küßt Dich in Sehnsucht Deine

Gretel

Donnerstag, 2. XII.20

Mein Lieb!

’s is a a Kreiz mit meine Brief!! Heute bin ich wieder durchgefallen. Will daher die Beantwortung von gestern fortsetzen. Du hast recht, Schatz, das „zuckersüße“ habe ich gern und wenn Dir Olga alles das sagte, was ich gern esse, so wirst Du’s ja daraus ersehen haben. Aber deswegen spielt das noch immer keine Hauptrolle, ich eß’ eigentlich alles gern, wenn’s nur genießbar ist. Und daß es mir wegen des Zuckermangels schlecht gehen wird, hab’ ich gar keine Angst. Bin ich doch dort bei Dir, meinem süßen Lieb, und das würde mich über alle Entbehrungen, wenn solche wirklich wären, hinwegsetzen. Und mit dem Kochen brauchst Du Dir auch keine Sorgen machen, bezüglich der Konkurrenz, Dir gegenüber laß’ ich’s wohlweislich gehen. Einem Manne gegenüber ist’s ja ganz etwas anderes. Ob Karl wohl schon bei Dir war? Daß Du glaubtest, ich sei in Wien, sehe ich recht gut ein, im gegenteiligen Falle wäre auch ich wahrscheinlich „ganz verrückt“ gewesen. Nur ist natürlich die Enttäuschung desto schwerer, daß ’s doch nicht so ist. Als ich auf Dich hier wartete, fühlt’ ich’s ja auch so. Jedesmal wenn ich am Bahnhof ging, dachte ich: nun, wenn du nur nicht mehr allein zurückgehen müßtest! Und wenn sie so langsam einer nach dem anderen ausstiegen, da glaubte ich, ich muß Dich aussteigen sehen. Und doch war alles nur Illusion. Aber wenn ich komm, schreib ich Dir schon früher! Am Samstag oder Sonntag sollten alle Kolonnen, also unsere ganze Anlage eingeschaltet werden. Nach dem kommt die Schlußarbeit, welche hoffentlich in zwei bis drei Wochen beendet ist und dann - fahr’n ma!

Daß Du Rudolf nicht näher kennenlerntest tut mir leid, denn Du mußt wissen, daß er mein Lieblingsbruder ist, vielleicht eben, weil ich viel von seinem Charakter hab’ und auch weil er der jüngste nach mir ist. Wenn Du Papa öfters abends Gesellschaft leistest, so bin ich froh darüber, hoffentlich vertragt Ihr Euch. Wegen dem Plaudern hab’ ich keine Angst.

Br. Niederhauser ist anscheinend ein Deutscher, wenn ihn nur nicht seine Hoffnungen trügen!

Nun hab’ ich doch Post bekommen. Deine liebe Karte vom 29. mit dem Lied und Sterne. Wie’s kam, daß ich dieselbe nachmittag nicht vorfand, weiß ich nicht, um 5 Uhr ist gewöhnlich die Post schon da. Nun, die Hauptsache ist, ich hab’ sie! Besten Dank!

Das Lied hab’ ich natürlich schon probiert. Für Baß ist’s ja nicht besonders schwer, im allgemeinen aber schon. Besonders da es im ersten Teil im 5/8 Takt geschrieben ist, mit 32stel Noten. Da muß ich aber schon schauen, daß ich noch Zeit zum Proben hab’. Wann wird das Fest sein?

Heute waren die Herren aus Ostrau da, ohne daß ich’s wußte. Abends sagte mir’s Herr Kulhanek. Waren zufrieden und Donnerstag (9.) soll die Anlage vom Werk übernommen werden. Herr Kulhanek erfuhr auch von denselben, daß Schuckert in Italien eine 42 Millionen Lire-Arbeit bekommen hat. Sind zka 500 Millionen Kronen. Überhaupt soll Wien riesig viel Arbeit haben. Nun, freut mich! Aber noch mehr unser Wiedersehen, auf’s Fortfahren darf ich gar nicht denken, will auch noch nicht.

[Schluß fehlt]

Freitag, 3. XII.20

Mein Liebstes!

Auch ich freute mich, als ich heute wieder einmal einen lieben Brief von Dir bekam. Und doch weiß ich nicht, ob ich mit der Beantwortung fertig werde, da die am Montag stattfindende Umschaltung mir sehr viel Arbeit, auch nach Feierabend, macht. Mußt halt wieder einmal bescheiden sein! Es tut mir sehr leid, daß ich den Brief Br. F’s nicht lesen kann, möchte ihn sehr gerne, wenigstens durch seine Briefe, näher kennen lernen. Aber mit dem Übersetzen, mein Schatz, ist’s besser, Du läßt das, bis Du weniger in Anspruch genommen bist, denn die Vorbereitungen für Weihnachten werden Dir wohl sehr viel zu schaffen machen.

Weil Du EINMAL meinen Rat befolgtest und zeitlich schlafen gingst, warst Du EINMAL brav und folgsam“. Glaub aber kaum, daß das zu oft vorkommt, das Schlafengehen natürlich.

In der Arbeit geht mir mein Kollege kaum ab, denn er hat sich ja immer durch sein Trinken mehr auf mich verlassen, doch privat vermisse ich ihn ein wenig, man hat sich eben aneinander gewöhnt.Übrigens hatte ich heute eine Unterredung mit dem hiesigen Ingenieur, bei welcher auch unser Abfahren erwähnt wurde. Sein Wunsch wäre, wenn ich nach den Feiertagen wieder ’raus kommen möchte, bis Ende Februar oder März. Nun ist das aber Sache der Firma, das zu bestimmen, da ich ja nur zur Montage der fertigwerdenden Anlage herausgeschickt wurde, ich sagte ihm daher, daß er diesbezüglich mit den Ingenieuren von uns, die bei der Übernahme kommen werden, sprechen soll, die sollen dann machen, wie sie wollen, mir ist’s Wurst.

Schade ist, daß Br. Niederhauser fortfährt. Hätte ihn gerne kennengelernt.

Für’s Löschpapier nochmals besten Dank, geh’ aber doch nach Vollendung jeder Seite zum Ofen, dort fällt mir erst ein, ja richtig, hast ja ein Löschpapier.

Auch wenn ich die Noten kritisch betrachten wollt, hätte ich kein Recht dazu, denn da müßte ich sie ja selbst erst kennen. Und wenn ich auch dieses Recht hätte, tät’ ich’s auch nicht.

Nun aber, daß Olga Dir gegenüber ihre „Wut“ gemeistert hat, ärgerte mich, grad so als daß sie neugierig war, ob ich Dir den Brief, in welchem sie ausdrücklich bemerkte, daß derselbe nur für mich wäre, nachdem sie fürchtet, daß Du ihr das Geschriebene übel nimmst. Ich hoffe, daß Du ihr das nun persönlich geäußerte nicht übelnimmst und auch mir nicht, daß ich Dir den Brief wirklich nicht sandte. Doch denke ich ihrem Wunsche gemäß gehandelt zu haben, eine Neugierde Olga-seits finde ich überflüssig. Glaube aber, auch ohne ihre Bemerkung würde ich Dir das Schreiben nicht geschickt haben, obwohl ich ihr in einigen Punkten nicht unrecht geben kann. An Olga sandte ich diesbezüglich heute mittag eine Karte. Hab darauf auch „meine Wut“ ausgedrückt.

Weiß nicht, wer da draußen jetzt nach halb 11 noch Teppich zu klopfen hat!

Gute Nacht, mein Gutes, schlaf süß! Nur noch 19 Tage! Mit innigen Küssen in Sehnsucht Dein

Robert

Samstag, 4. XII.20

Mein einzig Lieb!

Halt’s doch nicht aus! Insbesonders, da ich Deinen lieben Brief vom 2. erhielt, muß ich Dir schreiben. Obwohl es besser ist, daß wir mit, entschuldige, „die eigentliche Thema“ welches ich Dir mitzuteilen wünschte, doch warten, bis zur mündlichen Aussprache. Aber einiges, das Thema betreffend, will ich doch schreiben. Als ich las, daß Olga mit Dir über die Gemeinde, überhaupt wahrscheinlich über Religion gesprochen hat,ärgerte ich mich sehr und schrieb ihr auch gleich. Und zwar darum, weil ich glaube, daß sie das in einer Dir unangenehmen Art sagte und ich über das mit Dir selbst zu sprechen wünschte. Nun aber ist auch hier eine gute Seite, die meinen Ärger ein wenig dämpfte, und die ist, daß daraus ersichtlich ist, daß Ihr offen gegeneinander und Olga Dich lieb hat, denn sonst hätte sie mit Dir darüber nicht gesprochen. Daß Du sehr unzufrieden gewesen wärst mit meiner Antwort, glaube ich ebensowenig als daß Olga sehr zufrieden ist. Ich schrieb in dem Sinne, daß sich zwar meine Ansichten von früher sehr geändert haben, doch damit nicht gesagt ist, daß ich Atheist bin, auch nicht sein kann. Da Olga schrieb, sie wundert sich über mich, da ich doch nicht einen beschränkten Verstand habe und mich früher gern mit Wissenschaft beschäftigte, antwortete ich, daß eben das mich meinen Gott erkennen läßt. Verwies sie auch auf eine Stelle aus „Faust“ und bemerkte so ähnlich, als Du Dich über Olga geäußert, daß auch in ihr das „unbegreiflich holde Sehnen“ ist. Auch bat ich sie, über diesen Punkt mit Dir nicht zu sprechen (da sie’s nun schon früher tat, ist nur ein Beweis: „Mit die Weiber is a Kreiz.“). Nun aber, liebste Gretel, werde ich Dir wohl immer meine Ansichten mitteilen, nie aber versuchen, Dich zu ihnen zu „bekehren“, denn, wenn wir auch in so vielen Dingen eins sind, ganz gleich werden nie zwei Menschen denken. Wohl aber wird’s mich sehr freuen, ja ich glaube das auch bestimmt, daß wir uns in unseren Anschauungen einigen werden. Denn je mehr wir uns gegenseitig anpassen, desto glücklicher stelle ich mir unsere Zukunft vor. Wohl ist die erste Kolonne schon lange fertig, aber weißt, um zu beleuchten, muß alles fertig sein. Denn alles hängt an EINEM Kabel. Morgen wird angefangen, endgültig einzuschalten. Morgen die erste, Montag die zweite und dritte, Dienstag die vierte Kolonne, wenn nichts passiert. Punkt 2 wegen des Schreibens bei Olga laß ich gelten, Punkt 1 nicht, denn (jetzt fang’ ich an) erstens hat Dich ja Olga eingeladen, zweitens gehörst Du ja doch schon zu uns, Höflichkeit, allzu große, ist daher nicht am Platze. Wieder recht unhöflich, gelt? Mit der Einsiedelei hast Du recht, doch möcht’ ich sie doch auf kurze Zeit haben, muß ja nicht lebenslänglich sein.

Weißt, mit dem gemeinsamen Schaffen, es ist ja wahr, daß nur dadurch Großes geleistet wird, doch ist dasselbe in der heutigen Form eben der Herd des Egoismusses, der Grund aller Leiden der Welt. Würde das gemeinsame Schaffen der Allgemeinheit gelten, dann würde es nutzbringend sein für die Menschheit, so jedoch triebt eine kleine Anzahl von Leuten Millionen zum „gemeinsamen Schaffen“, um sich ihre Begierden stillen zu lassen. Durch eben dieses werden die Menschen gegenseitig, von unten herauf, Rivalen, jeder sieht im anderen seinen Konkurrenten und somit auch seinen Feind. Na, wir werden’s auch nicht ändern!

Gar nicht freut’s mich, daß dein Briefpapier so klein ist und Du infolgedessen immer so früh Schluß machen mußt. Mein’s ist zwar auch nicht größer, schreib aber JUST noch eine

[Schluß fehlt]


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