Grete Schröfl - Robert Schröfl: Korrespondenz


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Wien, 7. Okt.1935

Lieber Vater!

Nun muß ich Dir doch wieder einmal schreiben. Wenn die Schrift heute etwas unleserlich wird, darfst Du das nicht meiner Schreibfaulheit zuschieben, da ich im Bett liege. Ich habe mich nämlich erkältet und fühlte mich heute morgens so mies, daß ich liegen blieb. Jetzt ist es schon wieder besser. Haben heute Deinen lieben Brief erhalten und freuen uns, daß Du auf den Balkan fuhrst, da Du uns dann viel erzählen kannst. Die in Fett schwimmende Eierspeise haben wir deutlich gesehen.

In der Schule geht es uns gut. Zumeist Wiederholungen. Demnächst beginnt ein Kurs der Rettungsgesellschaft über „Erste Hilfe“. Dieser kostet S 2. Auch findet ein Gratiskurs über Rettungsschwimmen, wobei von ganz vorne angefangen wird, im Dianabad statt. Bitte würdest Du uns erlauben, diese beiden Kurse mitzumachen.

Wir freuen uns über Deine baldige Rückkehr. Hoffentlich geht es Dir recht gut.

Viele Busserln, Robert

Wien, 8.10.1935

Mein Herzensschatz!

Vielen Dank für Deinen lieben Brief, wenn er auch erst am Montag kam. Daß Du wieder so viel Schönes gesehen hast, freut mich für Dich, und wenn ich nicht dabei sein konnte, so kränk Dich nicht darüber. Ein andermal sehen wir doch wieder vieles zusammen und wie viel haben wir schon miteinander gesehn! Gelt, wir wollen doch lieber daran denken!

Mehr Kopfzerbrechen macht mir Dein Urlaub. Wieviel wird davon übrigbleiben? Wenn die Kommission am 3. noch nicht zur Übernahme dort war und es ungefähr so lange dauert wie beim Netz, dann wird’s ja Ende des Monats sein ehe Du fortkommst. Wieviel Tage bleiben Dir dann bis zum Ersten?

Na, die Hauptsache bleibt doch wohl, daß Du kommst.

Denke Dir, Mitzi (Rudolf) ist heute operiert worden. Sie hat vorige Woche auf einmal einen Bluterguß im Kropf bekommen, sodaß eine sofortige Operation notwendig war, um der Erstickungsgefahr, bei einer Wiederholung, zu begegnen. Da Mitzis Herz sehr schwach sein soll, war große Gefahr, daß sie die Operation nicht übersteht. Nun ist sie aber laut Bericht gut vorübergegangen.

Mit Trude macht man noch alle möglichen Experimente, ehe man zur Operation schreitet. Heute wurde ihr der Magen ausgepumpt. Vorgestern nahm man ein Röntgenbild ihrer Lunge auf.

Sie war natürlich gleich Donnerstag bei der Polizei, doch muß jetzt erst wieder ein Gesuch an das Bundeskanzleramt gerichtet werden, mit Zeugnisabschrift. „So schnell geht das bei uns net“, lautete der Bescheid. Nun, wenn die Operation vorbei ist, wird Trude auf jeden Fall trachten, einen anderen Posten zu bekommen, bis die Sache in irgendeiner Weise erledigt ist.

Nun Schatz, heute habe ich eigentlich ein schlechtes Gewissen Dir gegenüber. Ich habe nämlich Mittwoch die Lotterbank aus dem Versatzamt gekauft. Sie ist ganz neu und kostet samt Transport 123.50 S. Sollte sie Dir als Bank absolut nicht gefallen, kann man sie aufgeklappt tadellos als Lotterbett verwenden. Also bitte nicht vorzeitig ärgern, sondern erst ansehen! Ja?!

Schatz, Du darfst wirklich nicht glauben, daß ich Dir alles verderben will, wie Du mir in Russe sagtest, sondern daß ich mindestens ebensoviel Interesse daran habe wie Du, die Wohnung schön zu haben. Wenn Du sie nur schon einmal gesehen hättest, dann kann man ja viel besser darüber urteilen.

Mit tausenden heißen Küssen

Dein Weib.

Habe eben Roberts Epistel gelesen und sehe, daß er Dir nicht alles schreibt. Die beiden obgenannten Kurse sind von der Pfadfindervereinigung aus und hätten die Kinder natürlich nur durch Vermittlung des derzeitigen Leiters der Mormonengruppe, Zutritt. So lieb mir nun im allgemeinen die beiden Kurse wären, so bringt das, wenigstens meiner Ansicht nach, die Verpflichtung mit sich, sich auch an der Pfadfindergruppe selbst zu beteiligen, die jeweils Mittwoch, von 8 - 9, Stunden hat. Nun bin ich, wie Du weißt, immer dafür gewesen, daß die Kinder abends ins Bett gehören und möchte diesbezüglich auch um Deine Ansicht bitten. Mit Religion hat die Gruppe eigentlich nichts zu tun. Sie singen (weltlich) und turnen, spielen und lernen praktisch. Derzeit ist der Mormonensaal in der Seidengasse, zwischen Schottenfeldgasse und Kaiserstraße, ca. 20 Minuten von uns.

Russe, den 4.-6.11.35.

Mein Liebes!

Bin nun wieder glücklich hier. Die Fahrt war wohl ein wenig langweilig, aber von der rumänischen Grenze bis nach Kronstadt, das sind beinahe 7 Stunden, habe ich geschlafen. Es kostete wohl 50 Lei (ca. S 1.50), doch war das Schlafen das schon wert. In Bukarest verbrachte ich die 1 ½ Stunden mit mittagessen. Auch schaute ich mir diesmal, soweit Zeit war, die äußeren Bezirke an. Da ist schon ein Unterschied zwischen der inneren Stadt. So ein schlechtes Pflaster wie dort haben wir in Russe nicht. Auch spürt man dort schon sehr den Orient, die Armut auf der Straße, das Schreien usw. Meine Schuhe wurden in Bukarest wieder einmal richtig geputzt.

Schön war die Fahrt zwischen Kronstadt und Bukarest. Die Strecke geht meist durch sehr schmale Gebirgstäler, zu deren beiden Seiten große Wälder und teilweise gewaltige Felsmassive sind. Sehr lieb liegt Sinaia, der Sommeraufenthalt des Königs. Schon wieder im Flachland oder im Hügelland sind die Öllager, deren Erträge in manchmal einfachen Erdgräben zu den Fabriken fließen, wo das Erdöl gereinigt und verarbeitet wird. Tausende Tankwaggons stehen zur Füllung bereit. Das bedeutet für den Staat einen enormen Vorteil.

In Giurgiu brannte eben ein Bahnmagazin und es war gut, daß wir schnell abfuhren, denn knapp danach erfolgte eine Explosion, wahrscheinlich waren Brennstoffe aufbewahrt. Inwieweit sich diese auf die Umgebung auswirkte, weiß ich nicht, denn wir waren schon zu weit weg. Von Giurgiu nach Ramadan ist dann noch ca. ¼ Stunde zu fahren.

Bei der Revision in Ramadan wäre die so behütete Palme bald von einem Hamal zerdrückt oder vielleicht verrückt worden. Ich konnte diesem Kerl gerade noch in den Arm fallen. Schon in Bukarest spürte ich, daß es hier in diesen Landen sehr kalt ist. Auf der Donau war es nun durch den Ostwind geradezu bissig kalt. Wellen gab es, beinahe wie am Meer. Von weitem sah ich schon Fritz, Horky, Muradian, Biciste mit Familie und noch einige Leute. Ja, Herr Tang war auch da. Herr Baranoff wartete schon am Zollamt auf mich, die Zollbeamten begrüßten mich wie einen alten Bekannten, schauten nur ganz flüchtig formhalber meinen Koffer an und - ich war wieder in Russe. Der erste Gang, es waren ja alle so erfroren, war in das Bahnhofsrestaurant, wo uns der Slivovitz fein erwärmte. Dann nach Hause. Da Herr Baranoff schon früher mit meinem Koffer nach Hause ging, so war die Ungeduld der Kinder natürlich dementsprechend. Nun, alles freute sich, es war auch alles recht. Viel fragte Frau Kallinova und die Kinder nach Dir und Werner. Fritz war bereits ausgezogen, er wohnte die paar Tage im Hotel. Ofen ist im Zimmer noch nicht, aber wird hoffentlich heute aufgestellt.

Abends fand beim Markoff die feierliche Übergabe der Palme statt. Es war der Großteil der deutschen Kolonie anwesend. Dann gingen wir ins Kino , dann brrr- ins kalte Bett. Frau Moskopp freute sich sehr über die Palme.

Heute mittag fuhr nun Fritz ab. Da ja Fini ihn doch schon oben haben will, und auch er schon ein wenig Reisefieber hatte, dachte ich, es ist ja doch am besten, Fritz fährt ab. Hier ist ja alles in schönster Ordnung und alles erledigt, sodaß ich ohne weiteres nach Sofia fahren kann. Es hätte mich natürlich sehr gefreut, wenn Fritz noch acht Tage hier geblieben wäre, na, da kann man eben nichts machen. Fritz fährt über Bukarest, Lemberg, Kattowitz, Breslau, Berlin, Regensburg, Passau, Linz, Wien. Die Fahrt kostet infolge der Ermäßigungen in Deutschland nicht mehr wie von hier über Bukarest nach Wien, d.h. die Fahrt bis Passau. Von Passau bis Wien kostet es ca. 20 S. Ich glaube, das zahlt sich schon aus und ich überlege noch, ob ich es im Jänner nicht auch so machen soll. Bis dahin ist ja noch viel Zeit.

Wir haben nun erst vergessen, Roberts Weste abzumessen. Bitte hole dies nach. Am besten ist es, Du nimmst Dir als Vergleich meine graue Weste vom Russener Anzug. Mein schwarzer Anzug wird Mitte des Monats fertig.

Im Amt geht alles einen schleppenden Gang. Die Einschaltung wird wahrscheinlich erst am 27.d. M. erfolgen, da die Berliner Kräfte in Sofia stärker sind als unsere, wodurch Varna früher eingeschaltet wird, trotzdem wir in der Arbeit bedeutend weiter sind. Na, wir haben ja kein weiteres Interesse an einer schnellen Einschaltung, da meine drei Monate vom Tag der Unterzeichnung des Protokolls gelten. Ich habe nun mein Telephon fix angeschlossen und werde es die ganze Zeit behalten. Ganz angenehm.

Auch eine Teekanne habe ich gekauft, ich denke, sie faßt bei 3 l. Sie ist vernickelt und schaut ganz schön aus. Jetzt brauche ich noch eine kleine Porzellankanne für den Tee. Der Petroleumofen, welcher ebenfalls dableibt, leistet mir ganz gute Dienste. Ich werde wahrscheinlich sehr oft abends zu Hause bleiben. Übrigens gibt es jetzt für Dir. Wjürgens, Müller, Fischer und mich ein Stammlokal, wo wir meist um 6 Uhr zusammenkommen und um 7 oder halb 8 schon heimwärts ziehen. Es geht dort, wie Du Dir denken kannst, recht lustig zu und man hat, wenn man zu Hause ist, doch das Gefühl, daß man unter Menschen war. Dabei ist die Sache viel billiger als bei Markoff. Ich zahle mit einem kleinen Abendessen meist 12 bis 15 Lewa.

Gestern war ich mit Fischer bei einem sehr schönen Film. Im Bulgarischen heißt er „Geheimnis“, im Deutschen ähnlich wie „Hohe Schule“. Ein Film, ähnlich dem „Regina“. Wenn er in Wien vielleicht gegeben wird, schaue ihn Dir an.

Nun erfahre ich eben, daß die Liste erst morgen abends von Sofia abgesendet wird, da ist jetzt die beste Gelegenheit wegzufahren. Also heute, um 10 Uhr 12 Minuten abends. Wenigstens erspare ich das Übernachten, wenn ich nachts fahre. Aber etwas Unangenehmes, nämlich daß ich nun Deinen Brief, der ja doch bald kommen muß, wieder später bekomme.

In Sofia soll, wie ich von Herrn Fischer erfahre, eine gute Oper sein, also freue ich mich schon darauf. Könnte ich doch wieder mit Dir gehen!

Dieser Brief hat nun von vorgestern gedauert. Es ist aber auch viel drinnen. Fritz fährt jetzt schon auf Deutschland zu.

Jetzt Schluß, ich muß noch einiges herrichten.

100000000000 innige Küsse

Robert

Wien, 5.11.1935

Mein Herzlieb!

Gestern kam Deine liebe Karte aus Budapest, heute die aus Bukarest. Vielen Dank, mein Lieb! Freue mich sehr, daß Du die Nacht gut verbrachtest. Wahrscheinlich sind die Damen doch schon in Budapest ausgestiegen.

Fini ging vom Bahnhof doch mit mir nach Hause, weil sie ja sonst gerade zur Mittagszeit zu Redlichs gekommen wäre. Nach dem Essen begleitete ich Fini zur Straßenbahn und als ich wieder heimkam, stand gerade Rudolf vor der Tür. Er wollte wissen, was mit dem Radioapparat ist. Ich bin dann mir Rudolf auf den Markt und in die Thaliastraße zum Fleischer gegangen. So wurde es 5 Uhr, ehe ich noch richtig zur Besinnung kam. Es war wohl gut so! Schatzerl, Du weißt ja gar nicht, wie sehr ich Dich nun wieder vermisse! und raunzen soll ich auch nicht.

Draußen singt das Radio so schwermütige russische Lieder und mein Herz ist so schwer!

Na, drei Monate werden auch ein Ende nehmen. An Weihnachten denke ich vorläufig lieber nicht, um nicht enttäuscht zu sein.

Heute wollte ich zu Trude gehen, doch wurde ich infolge der Bettwäsche zu spät fertig. Trude hatte Samstag über 39 Grad Fieber. Sonntag wurde Angina konstatiert.

6.11., morgens. Nun konnte ich den Brief gestern nicht mehr beenden, sonst wäre mir das Badewasser zu kalt geworden.

Montag vormittag kam Richard. Hat mich just bei bewußter Sucherei erwischt. Sie waren schon seit Freitag abend zu Hause. Schade, aber man kann eben nichts machen. Das Rad hat Richard gleich mitgenommen, auch den Fuchs, der ihn sehr freute. Er meint, Anna wird sich ihn gar nicht um- und annehmen trauen. Aber ich denke, sie wird sich dareinfinden.

Nun, Schatz, warte ich schon auf den ersten Brief. Wie Du die Arbeit gefunden hast. Ob tatsächlich so viel schlecht ist. Ob Frau Kallinova und Herr Baranoff mit dem Mitgebrachten zufrieden waren und was unsere Kinder sagten. Wie hast Du die Palme hinuntergebracht?

Heute wird der Brief nicht länger. Es hat sich ja gar nichts ereignet. Sonntag, nachdem ich Werner holte, waren wir im Belvedere. Robert wollte es sich ansehen.

Nun recht viele Busserl an Dich und herzliche Grüße an alle Bekannten. Viele Busserln von den Kindern. Es umarmt Dich heiß und innig

Dein Weib

Wien, 11.11.1935

Mein lieber Mann!

Vielen Dank für Brief und Karte aus Sofia. Daß Frau Schmitt schon ein Putzerl hat, freut mich. Man ist doch immer froh, wenn es wieder vorüber ist. Aber wahrscheinlich wäre ihnen diesmal ein Bub lieber gewesen. Aber sie müssen eben mit den Mädeln vorlieb nehmen, wie wir mit unseren Buben, gelt?

Eben haben wir auch wieder einen Geburtstag gefeiert, leider wieder mal ohne Dich, mein Liebstes! Na, Schwamm drüber! Ich muß ja tapfer sein.

Seit gestern spielt jemand in der Nähe fortwährend mit seiner Rückkopplung und wir haben ständig das reizende uuuiii! Wenn ich den Kerl da hätte, möcht ich ihn prügeln.

Heute ist ein ganz schönes (Geld) Konzert. (Fredy liest eben Werner etwas vom Geld vor.) Vor einigen Tagen waren Stücke von Richard Strauß. Da drängt sich mir unwillkürlich der Vergleich mit dem Roman auf, den Dir Hansi zuletzt brachte. „Liebe am laufenden Band“. Ich habe das Buch jetzt gelesen. Wenn es wirklich so ist, wie eine zuletzt angeführte Kritik schreibt, daß es sozusagen die ganze Psyche der heutigen Jugend enthüllt, dann ist mir eben diese Psyche ebensowenig verständlich wie die moderne Musik. Teilweise ansprechend, wirkt das Buch an anderen Stellen wieder ganz verworren. Nicht in der Ausdrucksweise, aber verworren in den Gefühlen. Ob sich überhaupt jede Generation so anders entwickelt als die vorhergegangene, daß sie dieser zum Großteil unverständlich bleiben muß.

Heute waren Störs da. Fritz gefällt es auch ganz gut bei uns. Sogar der Aufgang „denn da steht doh wenigstens nix um“. Sein ewiger Kampf mit der Schwiegermutter. Und ich sag Dir trotzdem, wenn Frau Slavitinsky anders wäre, wär es nicht halb so gemütlich dort. Du brauchst nur an das Sitzen im Bett zu denken. Es schaut bestimmt nicht nett aus, aber es ist gemütlich.

Nun haben wir über die Lotterbank gesprochen und ich bemerkte unter anderem, daß wieder zwei Bänke im Dorotheum waren, als ich es in der Vorwoche besichtigte. Die eine beinahe gleich der unseren. Die andere Bank ist heller. Ich glaube sogar, Du hast diese schon gesehen, als Du noch hier warst. Ich dachte nun, sie werden vielleicht schon weg sein. So sind wir zu dritt hinübergegangen. Sie standen noch beide dort und kommen am 20.11. zur Versteigerung. Fini und Fritz meinen nämlich, ich soll mir die beiden Bänke nicht entgehen lassen. Ich sagte aber, ich werde Dir auf jeden Fall vorher schreiben. Wenn ich auch die dunkle Bank in Frage ziehen würde, ob wir uns jetzt schon eine solche im Schlafzimmer kaufen sollen, wenn noch so viele notwendigen Dinge zu besorgen sind, weiß ich nicht.

Das Geld möchte mir Fritz vorstrecken, er bringt mir auf jeden Fall am Donnerstag 200 S.

Ich möchte Dich aber bitten, mir sofort Antwort zu geben, was Du von der Sache denkst. Wenn Du glaubst, daß wir’s überhaupt machen können, dann wäre mir ja auch das Lotterbett im Schlafzimmer recht, nur dürfen unsere Schulden jedenfalls nicht das übersteigen, was wir hereinbringen können. Von Deinem normalen Gehalt können wir ja bei dem derzeitigen Zins nichts auf Schuldentilgung verwenden.

Von dem Brennmaterial, das wir vor 14 Tagen bekommen haben, habe ich noch etwas Koks, aber nicht viel. Habe jetzt wieder 1 Sack Kohle, 1 Sack Koks und 5o kg Hartholz bestellt, womit ich jedenfalls bis zum 3.12. auszureichen hoffe. So wäre das an Geld für 5 Wochen ca. 27 S. Gas werden wir ca 4,50 S haben. Wenn man noch in Betracht zieht, daß das gesamter Brennmaterial hier teurer ist als in Weidlingau, so schneiden wir eigentlich vorzüglich ab. Noch besser wäre es freilich, man müßte gar kein Geld in den Ofen stecken.

Weiß Du, was mich freut? Daß Du nun Gesellschaft hast, mit der Du nicht bis Mitternacht oder noch länger im Gasthaus sitzen mußt. Und doch etwas Zerstreuung hast.

Samstag waren wir bei Wentys und gestern Frau Wenty und Trude bei uns. Ich habe 20 m Molino bestellt und ein Stück Chiffon für Weihnachten.

Nun, was in Berlin war, wird Dir Fritz ja selbst schreiben. Ich weiß auch nicht viel. Die Kinder haben von Leo „Emil und die Detektive“ bekommen, doch hat Fritz es vergessen mitzubringen. Daß man Kästner überhaupt noch verkauft in Deutschland. Oder Schröfls haben das Buch noch aus der Zeit, da es noch kein Verbrechen war, Sozialdemokrat zu sein.

Die Bücher, die ich für die Buben kaufte, haben wir jetzt auch nicht angeschaut. Eines ist davon von Ewald.

Nun, liebes Kind, schlaf wohl und träume süß! Hoffentlich ist Dein Bett nicht mehr so kalt. Grüße an alle Bekannten.

Viele tausend Busserl

Gretel

Russe, 15.11.35

Mein Liebes!

Wegen der Lotterbetten, oder Bänke? will ich Dir morgen schreiben, weil ich Deinen Brief, den ich heute in aller Eile durchgelesen, im Geschäft habe. Ich weiß nun nicht, hast Du Lotterbetten oder-bänke geschrieben. Ich hätte gerne im Schlafzimmer ein Lotterbett, während draußen eine Lotterbank in Frage kommen würde. Du kannst schon mit einer Ersparnis von S 500.- meinerseits rechnen. Doch ist der Tisch und die Stühle nicht zu vergessen. Im Schlafzimmer würde es im Notfall mit einem Überwurf und dem alten reparierten Diwan genügen. Ob dies zusammen den Preis eines Lotterbettes ausmacht, weiß ich nicht. Mach es nur weiter so gut, wie bisher, mein lieber Schatz, dann ist’s schon recht.

16.11.

Liebes Kind! Deine Bedenken wegen der zweiten Bank sind richtig. Wie ich gestern schon schrieb, wäre nach meiner Ansicht im Schlafzimmer ein Lotterbett passender. Aber die Bank für das andere Zimmer kaufe jetzt. Und vielleicht kannst Du auch die Sessel kaufen, wenn Du dies willst.

Nun hoffe ich, daß Du den Brief wenigstens am Montag bekommst! Mein Liebes, ich will ja auch nicht jammern, aber manchmal möchte ich Dich so herziehen können. Aber es wird wohl zu Weihnachten ein Wiedersehen geben.

Viele, viele Busserln an Euch

Robert

Wien, 19.11.1935

Mein einzig Lieb!

Endlich ist Dein lb. Brief angekommen. Diesmal war mir schon wieder ganz weh zu Mute. Heute morgens bin ich dreimal umsonst zum Briefkasten gelaufen. Endlich mittags hat Robert Deinen Brief heraufgebracht.

Daß Du jetzt viel Arbeit hast, dacht ich wohl und es ist das auch ganz gut. Man vergißt dann doch leichter.

Trude ist seit Freitag zu Hause. Es geht ihr noch nicht ganz gut, sie hat noch Gelenksschmerzen. Aber das wird sich ja auch noch geben.

Samstag waren Schäfers da. Er ist extra mitgekommen, um mich wegen des Radioapparates zu bitten. Sie möchten das Radio doch wenigstens zu Weihnachten haben. Natürlich konnte ich gar nichts versprechen. Sag, kann ich irgendetwas mit dem Apparat machen? Was wolltest Du damit tun?

Nun gleich noch etwas, damit ich nicht wieder vergesse. Frau Schäfer bat mich schon das erste Mal, als sie hier war, Du möchtest ihr zu Weihnachten für Trude so ein Armband mitbringen wie meines war. Nun hat aber Frau Wenty auch das Armband unserer Trude gesehen und möchte auch für Weihnachten für ihre Trude eines. Entzückt wirst Du ja nicht sein von den Aufträgen, aber wenn Herr Horky vielleicht noch dort ist, würde er wohl auch so gut sein und Dir eines mitnehmen. Frau Wenty würde es dann, wenn nötig, auch verzollen.

Nun aber zu uns, Liebstes! Warum willst Du mir Geschäftliches nicht schreiben? Es interessiert mich doch.

Daß Sofia wieder mit einem solennen Abschiedsfest beschlossen wurde, ist mir vielleicht noch weniger sympathisch als Dir, trotzdem ich nicht dabei war. Aber auch diese Dinge werden ein Ende finden.

Wir sitzen wohl manchmal im ersten Zimmer, meist aber im vorderen, denn es ist doch für die Kinder heller zum Schreiben.

Unsere Lichtrechnung betrug diesmal (ohne den Zählerbetrag von 92) 9 S 20 gr, im Gegensatz zur letzten Doppelrechnung, die ohne Zählerbetrag 3 S 60 g ausmachte. Du siehst, das Radio frißt. Aber nichtsdestoweniger freut’s mich doch. Mittags vergeß ich meist darauf, aber eben jetzt spielt man die Rosamunden-Ouverture und das ist doch sehr schön.

Frl. Fleischmann war bis jetzt nicht da. Ich kann es ihr schließlich nicht verdenken, wenn sie sich bessere, nämlich zu ihr passende Gesellschaft finden wird.

Bitte schicke Roberts Anzüge samt seinem Film. Von der Aufnahme mit der Raupe 2 Stück. Er hat sich von einem Mitschüler schon eine Aufnahme bezahlen lassen, da er nicht wußte, daß ich Dir die Negative mitschicke.

So, nun geh ich baden und beende den Brief morgen früh. Einstweilen viele Gutenacht-Busserl! Schlafe süß, mein Schatz!

20.11. morgens

Guten Morgen, mein Lieb! Ich wollte, ich könnte Dir’s wirklich sagen. Eigentlich ist’s ja noch gar nicht so lange her, daß ich es konnte, mich aber dünkt es eine Ewigkeit. Das Leben geht wohl den gewohnten Gang, ist aber schal und öde ohne Dich! Wohl vergeht mit der einzelne Tag schnell, hab ja auch genug Arbeit, die Zeit im allgemeinen aber ist endlos.

Etwas bin ich froh, Dir heute schreiben zu können. Es geht mir besser, nachdem ich jetzt 2 Tage wieder furchtbare Magenbeschwerden hatte. Von vorgestern mittag bis gestern abend konnte ich gar nichts essen. Nun darf und mag ich doch einige Bissen und die allgemeine Schwäche verschwindet. Nehme natürlich wieder Salzsäure.

Wenn Du Schmidts schreibst oder telefonierst, auch von mir herzl. Glückwünsche zur Geburt des zweiten Töchterchens. Auf Deiner Sofioter Karte aus dem Kalten, kenne ich mich natürlich nicht aus. Ist aber wohl belanglos.

Nun, Liebstes, sei innig umarmt und geküßt von Deiner

Gretel

Schreibe Dir dann nur noch dazu, ob und wie teuer ich die Bank bekommen hab.

Konnte heute keine der beiden Bänke bekommen. Bernhard war mit mir. Ihm ist leid gewesen um einen Auszugtisch aus Mahagoni, der nicht wegging. Ausrufpreis 35 S. Er wäre zwar dunkel, aber in der Farbe natürlich nicht passend. Platte ziemlich beschädigt.

Roberts Weste muß um 5 cm enger und um 3-4 cm kürzer sein als Deine graue. Der Ausschnitt vom Hals gemessen 16 cm.

Russe, den 20.11.35

Mein liebstes Butzerl!

Nun läßt die Arbeit schon ein wenig nach. Es ist schon das ganze Amt nebst Fernamt eingeschaltet und es läuft alles gut. Sonntag ist große Einweihung mit Minister und Popen und allem anderen Glimpim. Freitag kommt Schedlbauer und Nikoloff. Ich freue mich schon auf ihn. Wieder einer von daheim.

Sonntag ist mittags ein offizielles Bankett im Militärkasino, nur für „geladene Gäste“. Die anderen essen im Gradsky-Kasino. Na, da werde ich halt einmal mit Ministern an einem Tisch sitzen. Schad’, daß der Zar nicht hier ist. Ich fürchte, der Post-Nikoloff wird eine Rede schwingen auf uns von Siemens, da muß ich antworten. Nun, auch dies geht vorüber. Abends gibts dann ein gemeinsames Gelage im Gradsky-Kasino. Da wird’s lustiger sein und nächste Woche Montag oder Dienstag ist dann eine Zusammenkunft von uns Technikern und mit geladenen Telefonfräuleins. Damit es nicht so einseitig ist. Dann ist es Schluß. Die Gäste und Feste werden verschwinden und die Einsamkeit wird da sein. Aber nicht lange, denn ein Monat wird bald vorüber sein und dann - heidi! zu den Feiertagen zu Euch! Werde das noch mit Schedlbauer besprechen. Es ist zwar möglich, daß die Post die Woche meiner Abwesenheit auf diese Weise verlangt, daß ich im Jänner eine Woche länger hier bleiben muß, na, das macht nichts, im Gegenteil, ich habe meine Diäten länger. Dann kommt in Wien der Frühling auch bald, wie freue ich mich nach Hause!

Diese Woche bekommst Du den Brief aber bestimmt noch. Ich bin jetzt abends, wenn ich von der Arbeit wegkomme, meistens zu Hause. Ich habe mir eine kleine Teekanne, 2 Teller, 1 Tasse gekauft und hause ganz gemütlich. Den ersten Tee habe ich mir aber so stark gemacht, daß ich bis halb drei Uhr früh nicht schlafen konnte, aber jetzt habe ich die Mischung schon heraussen. Denk Dir, vor einigen Tagen erst habe ich die Nüsse und Rosinen gefunden, die Du da ließest. Frau Kallinowa heizt mir immer schön ein. Ich kaufte mir ½ t Kohle um 320 Lewa. Das ist billig, gelt? Ich glaube, damit komme ich aus.

Ich esse noch bei Frau Graf (Fr. Müllers Schwester). Sie kocht gut und reichlich. Mein Eß-Genosse ist Herr Fischer, mir dem ich auch ganz gut auskomme. Herr …, der Dicke, ist pensioniert und ein anderer, deutschsprechender an seiner Stelle. Frau Nikoloff hat mir gestern Grüße an Dich aufgegeben, ebenso Fr. u. H. Mookopf. Petkoff, der Sach-…, fährt nach Sofia. Das sind so die Russener Lokalnachrichten.

Meinen schwarzen Anzug und die Knikkerbokker und Roberts Weste bekomme ich morgen. Lege auch die Fotos bei, soweit sie nicht zu verwackelt sind. Robert soll beim Knipsen ein wenig acht geben. Es ist schade um die Bilder. Ich habe in meinem Apparat einen Auslöser, den soll Robert nehmen, aber nicht verlieren. Ich glaube, es geht damit besser. Ich habe doch von Wien einige Negative mitgenommen und weiß nicht, wo ich sie hingegeben. Übrigens bekam ich noch die Bilder, die ich schon verloren glaubte, dabei ist Deine Aufnahme von meiner Wohnung.

Weiß Du, daß es noch Melonen gibt? Sehr wenig, aber immerhin ist das im November sonderbar. Weintrauben werden auch noch viel auf den Markt gebracht und kosten nur Lw 8.

Seit zwei Tagen geht schon ein Sturm, er ist kalt und heute hat es zum ersten Mal geschneit. Der Winter kommt schon.

Wahrscheinlich nächste Woche bekomme ich ein Radio. Leihweise um Lw.150 pro Monat. Bin neugierig, was ich höre und freue mich schon. Bei Ritters in Sofia habe ich sehr gut Wien gehört.

War bei Fredy schon wieder Elternversammlung? Wie geht das Schreiben bei ihm? Und wie geht’s sonst den Kindern?

Was macht das neue Lotterbett? Fritz schreibt mir, daß die S 136.- noch nicht gezahlt sind. Da haben wir beide wohl nicht daran gedacht! Desto besser, wenn es auch wirklich so ist.

Schatz, viele Busserln

Robert

Wien,26.11.1935

Mein lieber Mann!

Nun ist heute die letzte Festlichkeit. Hoffentlich unterhältst Du Dich recht gut. Ist Mara und die „Wuckerlmadam“ auch geladen?

Ich habe Sonntag immer an Dich gedacht; wie ist’s Dir mit Deiner Rede ergangen. Jedenfalls hab ich Dir die Daumen gehalten; Zeit hatte ich ja dazu, weil ich mal wieder zu Bette lag. Eine tüchtige Erkältung hält mich in ihren Klauen. Nun ist sie etwas besser, aber das Husten schmerzt sehr. Bin neugierig, wie es Bernhard geht. Den Schnupfen haben wir uns nämlich beide vorigen Mittwoch im Dorotheum geholt. Als Ersatz für die nichtbekommene Lotterbank. So sehr leid war mir eigentlich nicht. Nun hab ich vorläufig an Möbel nichts gekauft. Doch eine Menge anderer Dinge. Donnerstag kauft ich im Stadt-Dorotheum einen Stoff für mich auf ein Winter-Sonntagskleid. Kostet zwar 24 S. Ich glaube, ich bekomme aber auch für Mutter noch eine Schoß davon. Wenn ich dann bei Wenty noch 2 bis 2.5 m Crepe de Chine kaufe, für Mutter auf eine Bluse und für mich als Aufputz, dann haben wir Mutters Weihnachtsgeschenk auch schon. Freitag kauft ich bei der Bücherversteigerung Heines sämtliche Werke in drei Bänden und Tiecks ausgewählte Werke, zusammen um 3,60 S.

Samstag kaufte ich für Fredy einen Anzugstoff, 2 m - 12 S. Das freut mich, so oft ich daran denke. Außerdem war ich wieder im Büchersaal und erstand um 2 S 40 g Uhlands sämtliche Werke in einem Band. Ferner um zusammen 3 S den „Freibeuter“ von Cooper und den „Sternsteinhof“ von Anzengruber. Die drei Bücher möchte ich eigentlich Robert zu Weihnachten geben, weiß’ aber nicht, ob er für den Anzengruber schon alt genug ist. Die Bücher sind alle drei ganz neu und alle in rotem Leinen gebunden. Ja, noch etwas kaufte ich am Samstag; 4 Frottierhandtücher um 6 S 60 g. Also lauter gute Käufe. Das Geld habe ich einstweilen von unserem Einrichtungsgeld genommen und muß es dann von der Remuneration zurückgeben.

Für Werner hat Robert angefangen einen Bahnhof zu machen und Fredy sägt an einem Bauernhof herum. Der Kleine selbst wünscht seinen Laden frisch eingerichtet, ein Consum-Auto (wahrscheinlich ein Lastauto) und eine Kreuzung.

Na, werden ja sehen. Ich trachte natürlich mit möglichst wenig Geld möglichst viel auszurichten.

Fredy wünscht natürlich nach wie vor eine Zither und eine Dampfmaschine. Letzteres hab ich ihm natürlich ausgeredet, a conto Geldpunkt.

Den Auslöser von Deinem Apparat haben wir nicht gefunden. Vielleicht liegt er noch bei Dir in der Lade.

Stör war Donnerstag wieder bei uns, hat mich aber nicht getroffen. Er hat mir Donnerstag vor 8 Tagen 204 S gegeben; davon sind 80 S geborgt und 124 S gehören uns, in Sache der 136 S. Wie das zusammenhängt, weiß ich nicht. Fritz sagte, er wird schon mit Dir abrechnen. Jedenfalls war ich froh darüber, vergaß aber, Dir davon zu schreiben.

Kind, Du hast nicht nur einige Negative, sondern auch Fredys ganzen Film mitgenommen. Hoffentlich findest Du die Sachen wieder. Es wäre mir lieb, wenn ich der Polin wenigstens bis Weihnachten ein Bild senden könnte. Wenn Dir das Negativ von mir unterkommt, bitte lasse mir ein Bild für Fuhriman machen.

Elternversammlung war seither nur bei Robert und an dem Abend war mir just so elend, daß ich schon um halb 8 Uhr ins Bett ging. Fredy schreibt etwas besser.

Freue mich, daß Du jetzt ein Radio bekommst, und hoffe, daß Du gut hörst. Vorige Woche waren alle Abende schön. Dafür gestern ein Mords-Geschrei „Starhemberg“. Heute abends habe ich noch gar nicht eingeschaltet.

Sag, waren die Nüsse nicht schon ganz verschimmelt, als Du sie fandest? Den Frühling erwartest Du ein bißchen sehr bald, na, mir soll er recht sein, je eher, je lieber. Ich glaube, ich muß mir doch noch Filzpantoffeln kaufen. Meine Füße sind ständig wie Eis.

Nun, Schatzerl, find ich Deine Junggesellenwirtschaft ja recht nett, aber wenn Du Dir den Tee so stark kochst, daß Du nicht schlafen kannst, ist das denn doch ein wenig stark. Noch etwas Erworbenes verschwieg ich Dir. 5 Bände von Julius Wolff. Lurley, Tannhäuser, Der Rattenfänger, Der Fliegende Holländer. Zusammen 3 S. Ich habe Wolff sehr gerne.

Nun, Liebstes, laß Dir’s einstweilen gut gehen; ich hoffe Dich heute in vier Wochen in den Armen zu halten! Leb wohl, mein Süßes! Bis dahin viele tausend und abertausend Küsse von Deiner

Gretel

Russe, den 26.11.35

Mein Liebes!

Nun ist wieder einmal eine Epoche in dieser Montage abgeschlossen. Die feierliche Übernahme und damit die offizielle Inbetriebsetzung der Zentrale ist vorüber. Ich atme erleichtert auf. denn solche Feste bedeuten nur viele Arbeit und nachfolgendes Nichtschlafen infolge der Drahrereien. Auch dieses Mal hat es sehr lange gedauert. Sonntag/Montag bis ½ 6 Uhr. Aber wie gewöhnlich war es sehr lustig, aber auch sehr feierlich. Ich will von vorne beginnen. Schon Freitag und Samstag wurde auf der Post fieberhaft gereinigt und geschmückt. Fahnen von den Fenstern und Girlanden mit Glühbirnen in den Landesfarben zierten von außen das Gebäude, innen stellte man kleine Bäumchen und Blattpflanzen auf, Teppiche wurden gelegt, die wichtigsten Türen wurden mit Willkommenschmuck versehen, mit einem Wort, es wurde vorbereitet. Wir machten in einem freien Zimmer eine kleine Ausstellung, welche die Entwicklung des Telefones zeigen sollte, auch wurde ein großer Plan von Russe angefertigt, einige Musterinstallationen fertiggestellt und ein Demonstrationsgestell von einer kleinen Zentrale montiert.

Der Chef der techn. Abteilung der Generaldirektion der Post kam schon Samstag vormittag, gemeinsam mit Herrn Schedlbauer, und besichtigte die Vorbereitungen. Es wurde alles tadellos befunden, besonders gefiel der Ausstellungsraum, das Museum, wie es hier benannt wird.

Sonntag um 11 Uhr kamen nun die Gäste aus Sofia an. Es war in Aussicht genommen, daß der Ministerpräsident und der Verkehrsminister kommen sollte. Da aber Samstag wieder einmal Regierungswechsel war, kam nur der Generaldirektor der PTT. Der Bischof von Russe hielt erst einen Gottesdienst ab, dann wurde zuerst das Gebäude im allgemeinen, dann die Zentrale besonders eingeweiht. Die Herren besichtigten dann diese. Dann war das Amt für die Besichtigung allen zugänglich. Wir mußten uns anstrengen um die Leute im Zaum zu halten. Die Neugierde war riesig groß. Ein Regiefehler war uns bei der Besichtigung momentan recht unangenehm. Wir hatten nämlich schon vorher beschlossen, von unseren drei Türen die mittlere abzusperren, damit uns bei dem Andrang der Leute, den wir schon vermuteten, niemand bei dieser Tür hereinkann. Den Schlüssel zogen wir natürlich ab. Nun wurden schlechterweise die Leute schon früher als geplant in die Post gelassen. Im Nu füllte sich der Korridor von beiden Seiten voll. In der Mitte eingeklemmt der Generaldirektor, der Bürgermeister, der Bischof und noch einige Größen. Natürlich standen sie gerade vor der versperrten Tür, der Schlüssel war in unserem Büro, aber es war unmöglich, durch die Leute hindurchzukommen. Wir verständigten uns zwar, aber sonst konnten wir gar nichts unternehmen, als die Leute vorerst bei der einen Außentür hereinlassen, um wenigstens für unsere Herren Platz zu schaffen. Nun, so etwas kommt eben vor, es war uns aber sehr unangenehm.

Der Chef der technischen Abteilung versprach mir eine Auszeichnung. Ob es wahr ist?

Nach der Besichtigung war ein Bankett, veranstaltet von der Handelskammer in Russe. Wir waren 80 geladene Herren und es war wirklich sehr schön arrangiert. Es gab der Reihe nach: Kaviar mit Butter und Oliven, dazu Slivovitz, dann Fisch mit Salat, Weißwein, Ente und einen gutgemachten Apfelstrudel. Zum Schluß Sekt. Es wurden eine Menge Reden gehalten, die aber nicht übersetzt wurden, da keine Zeit dazu war. Im großen handelte es sich um die Annehmlichkeit und den Fortschritt im Wirtschaftsleben, den die neue Zentrale bringt. Danach war Pause für mich, die Postleute hatten eine Besprechung mit dem Generaldirektor.

Abends um halb 8 Uhr war gemeinsames Bankett im Gradsky-Kasino. 200 Personen waren anwesend. Wieder sehr gut organisiert. Um 10 Uhr fuhren die Sofioter Herren ab, dann kam das Gemütliche mit dem Ende um 6 Uhr früh im Cafe Bulgaria.

Am Montag gab es dann einen dummen Kopf, aber doch die Freude, daß alles vorüber war.

Nun noch eine angenehme Nachricht. Ich bekomme S 300.-- Einschaltprämie. Diese wird Dir von der Firma zugesendet. Gelt, mein Schatz, die können wir ganz gut brauchen. Ich weiß nicht, ob Fritz auch etwas bekommt, daher sage einstweilen noch nichts. Und noch etwas Angenehmes! Ich komme bestimmt zu Weihnachten. Und zwar, wenn alles glatt geht, bin ich am Heiligen Abend um 16 Uhr in Wien. Ich habe Dir glaube ich schon geschrieben, daß ich gesehen habe, das Fliegen ist gar nicht so teuer, ja nur um wenig teurer als 2. Klasse Schnellzug. Es kostet von Sofia nach Wien und zurück Lewa 6320. Dazu kommt noch die Bahnfahrt von Russe nach Sofia und zurück: Lewa 920, das sind zusammen Lewa 7240. Ich fahre am 23. von Russe mit dem Personenzug dritter Klasse Schlafwagen um 18.35 ab, und bin in Sofia morgens um 7.30. Am 24. geht das Flugzeug um 12.10 von Sofia und ist um 16 Uhr M. Z. in Aspern.

Dem Lewabetrag 7240 steht bei Benützung der Bahn gegenüber: Fahrt Schnellzug zweite Klasse Russe - Wien und zurück Lewa 5640, die Diäten vom 24.12. 16 Uhr bis 25.12. 21.26, d.s. 429 Lewa, ein halbes Taggeld für Nachtfahrt: LW 165, das macht zusammen Lw 594. Dieselben Diäten gelten für die Rückfahrt, also LW 1188 + 5640 sind Lewa 6828.

Wenn man noch rechnet, daß ich in zwei Tagen, die ich beim Fliegen weniger auf der Tour bin, auf der Bahn per Tag Lw 100 mehr brauche, so kostet mich der Flug nur ca. Lw 250, das ist er glaube ich schon wert. Außerdem kann ich in Lewa auch die Rückfahrt zahlen.

Ich freue mich also schon mächtig darauf und wünsche mir nur schönes Wetter, besonders aber, daß ich dadurch zwei Tage länger bei Euch sein kann. Also auf Wiedersehen!!!

28.11.35

Nun habe ich schon gerechnet, daß die Bankette zu Ende sind, aber falsch. Gestern war Abschiedsfeier von Herrn Petkoff, dem Sub-Chef der Post. Zugleich hat Herr Horky Abschied gefeiert. Er fährt heute um 12 Uhr über Bukarest nach Hause. Der Letzte! - -

Aber gestern war es ganz nett, ich habe mich wie gewöhnlich gut unterhalten, sogar wenig getrunken, viel Horo getanzt und viel gelacht. Frau Nikoloff war zwar fürchterlich wütend auf ihren Mann, weil er schon einen Affen hatte, aber Ende gut Alles gut. Es war für mich um 3 Uhr, für die unsoliden Leute um 4 Uhr, da ich ins Bulgaria nicht mehr mitgegangen bin.

Heute vielleicht bekomme ich einen Radioapparat, dann werde ich mit Euch zugleich hören. Das ist doch eigentlich sehr fein. Ich bekomme jetzt einstweilen einen Apparat hier kostenlos geborgt, nächste Woche wahrscheinlich kommt von Sofia ein anderen. Gebühr brauche ich nicht zu zahlen, das hat mir Nikoloff von Russe schon versprochen.

Jetzt habe ich Dir aber sehr viel von mir geschrieben. Nun, es war auch in letzter Zeit hier viel los. In Hinkunft wird es stiller sein, da habe ich dann Zeit für mich. Meine „Memoiren“ möchte ich doch noch in Russe schreiben, sonst wird es wohl nie.

Etwas werde ich jetzt sehr gut lernen, bulgarisch. Außer meinen Kumpanen aus dem tiefen Keller, d.s. Dir. Wjürgens, Müller und Fischer habe ich keinen deutschen Umgang.

Nun, wie geht es den Kindern in der Schule? Was macht Werner? Und Du? Liebes, wie gern möchte ich, daß Du hier wärst. Aber Du weißt es ja selbst und willst auch dasselbe.

Hoffentlich erreicht Dich das Schreiben noch diese Woche, es geht heute um 12 Uhr von hier weg.

In einem Monat sind wir schon wieder beisammen. Küsse Dich und die Kinder

Robert

Wien,3.12.35

Mein Lieb!

Vielen Dank für Deinen lieben ausführlichen Brief. Ich habe ihn zwar erst gestern bekommen, nicht Samstag, wie Du dachtest. Es geht halt doch drei Tage und wenn ein Sonntag dazwischenkommt, dauert es vier Tage. Na, das ist aber belanglos; die Hauptsache ist, daß Du mir viel von Dir geschrieben hast. Bin eigentlich schon sehr neugierig, worin die bulgarische Auszeichnung besteht (wenn sie überhaupt besteht). Robert meinte ganz ernstlich, Du könntest vielleicht ein Diplom bekommen und wärst dann Diplomingenieur. Er stellt sich also das Ingenieurwerden äußerst leicht vor.

Na, froh bin ich für Dich, daß der ganze Rummel glatt verlaufen ist!

Um Deine nun kommende Einsamkeit beneide ich Dich eigentlich ein bißchen. Ich sehne mich manchmal so sehr danach. Vielleicht wird aber auch mir einmal noch mehr davon zu teil, als mir lieb ist. Gelt? Man sollte sich halt immer alles so einteilen können, wie man es sich wünscht.

Sonntag war Konferenz. Und nun habe ich Dir Grüße auszurichten von Br. Huber und Niedermaier. Huber hat mich gestern zwei Stunden besucht und war so nett wie schon lange nicht. Auch hat er Dich sehr gelobt. Was für ein verständiger und tüchtiger Mensch Du seist, wie vernünftig man mit Dir sprechen kann, kurzum, Du hast ihm sehr gut gefallen, als Du das letzte Mal dort warst.

Natürlich war er nicht allein bei uns, sondern mit Irma und Lotte, Kurt und Erwin. Und er würde sich sehr freuen, wenn wir im Sommer eine Radpartie nach Rottenbach machen würden. Schw. Huber hat mir einen Brief geschickt. Und wäre ich jetzt ledig gewesen, so wäre ich daraufhin sofort nach Rottenbach gefahren. Sie ist körperlich nicht ganz wohl, und daher kommen wohl auch die seelischen Depressionen, die in dem Schreiben zum Ausdruck kommen. „Manchmal komme ich mir vor, als gehörte ich gar nicht hier her“ schreibt sie unter anderem. Und sie hätte so gern mit mir persönlich gesprochen. Ihr Zustand erlaubt ihr nicht mehr, nach Wien zu fahren.

Niedermeier habe ich eingeladen, bei uns zu schlafen, da er kein Quartier hatte. Ich denke, Du hast nichts dagegen, daß ich mich so für seine sommerliche Liebenswürdigkeit revanchiere. Und ich liebe Schulden nicht, wie Du weißt, auch nicht Dankesschulden. Geniert hat er uns ja nicht, da er in dem Gartenzimmer allein schlafen konnte. Und er läßt Dich recht herzlich grüßen!

Diesmal hat mit Herr Zahlmann das Gehalt gebracht. Schon Freitag abends. Er sagte mir auch, daß Rommel im Laufe der Woche zu mir kommen wird. Ich denke, es handelt sich da um außertourliche Verrechnungen. Ja, übrigens: Mit den 300 S Einschaltprämie hatte ich halb und halb schon gerechnet; natürlich aber freut es mich sehr, daß es nicht nur ein schöner Traum blieb. Wir brauchen sie ja wirklich notwendig. Ich möchte doch die Wohnung in Ordnung bringen und trotzdem die Schulden bezahlen, und das, wenn möglich, ohne Dein Jubiläum in Frage zu ziehen. Dieses Geld würde ich lieber gar nicht angreifen. Wir werden ja doch für das Studium der Buben noch Geld genug brauchen. Du siehst, mein Schatz, ich bin durchaus Deiner Meinung, daß wir das Geld „brauchen“ können. Übrigens, wenn wir schon bei dem Punkt sind: Die 5 S von der Krankenkasse bekommen wir wahrscheinlich nicht, denn solche Rechnungen müssen spätestens 1 Monat nach Bezahlung eingereicht werden. Ich hab mich aber kein bisserl darüber geärgert.

Ja, noch etwas: Frau Schäfer war schon wieder da und hat mich bestürmt wegen des Apparates. Sie hat jemand, der ihn ihr anschauen würde. Ein Mann aus einer Radiofirma. Da dachte ich, Rudolf wird ja doch nicht bis zum Frühjahr warten und habe ihn ihr mitgegeben. Ich weiß ja da nicht, ob ich in Deinem Sinn gehandelt habe.

Und nicht genug der Neuigkeiten. Emmerl war Sonntag da und bat mich, ich möchte Mutter einmal besuchen, sie wäre so krank, daß der Arzt ihr höchstens noch 14 Tage Lebensfrist gibt. So bin ich heute hingegangen. Aussieht sie ja schon sehr schlecht, aber ist springlebendig dabei und spricht immer noch wie ein Wasserfall. Besonderes wollte sie eigentlich nicht von mir. Heinrich hat noch Arbeit, hätte auch jetzt zu Schuckert zurückkönnen, doch wahrscheinlich nur aushilfsweise. Jedenfalls hat Mitzi ihm abgeraten, weil er mit den Kollegen dort sich wieder versaufen würde.

Und nun noch die Hauptsache! Dein Kommen, Kind! Das Letzte ist’s Beste!

Die Buben freuen sich natürlich riesig, daß Du im Flugzeug kommst, möchten Dich natürlich alle drei abholen. Glaubst Du, ist das möglich? Ich würde diesmal wirklich zu Hause bleiben, gleich die Bescherung herrichten, so daß wir dann noch einen langen Abend vor uns hätten. Die Kinder könnten dann spielen und wir --- nun, wir würden uns eben liebhaben! Gelt, Du?

Deine Verrechnung bezüglich des Fliegens habe ich eigentlich nur auf ihre Endresultat hin angesehen und das nur flüchtig. Liebes, schau, wenn’s Dir soviel Freude macht, ist’s doch logisch, daß Du Dir das leistest, jetzt wo doch nicht so viel daran liegt. Du weißt doch, ich bin im Geldausgeben niemals kleinlich, wenn ich nicht muß.

Am 5.d. M. ist bei Fredy Sprechtag. Werde dann sehen, wie es steht. Vorläufig sagte er mir voll Freude, er sei als einer der Vorzugschüler verlesen worden. Ihn wunderte, daß er im Zeichnen keine Ermahnung bekam.

Also bitte vergiß nicht die beiden Armbänder für die Trudes. Du machst keinerlei Erwähnung davon.

Viele tausend Busserl und ein recht herzliches Gute Nacht!

Deine Gretel.

Russe, den 3.12.35

Mein Liebes!

Armes, warst schon wieder krank. Warum gibst Du denn nicht acht, hast Du Dich denn nicht gut angezogen? Das ist die Lottersache gar nicht wert.

Unseren Bücherkasten richtest Du aber fein ein. Das ist schon recht, auch für die Kinder. Ich glaube, daß Robert den Sternsteinhof schon lesen kann. Vielleicht ist ihm manchen noch nicht ganz verständlich, aber im Großen ist es, glaube ich, schon reif dazu. Was denkst Du denn für Fredy zum Lesen zu kaufen? Und für Werner? Diesmal mußt Du die Weihnachtseinteilung ganz allein machen, denn ich komme ja erst am Heil. Abend an. „Vom Himmel hoch da komm ich her!“ Und diesmal muß ich Dich sogar fragen, was Du Dir wünschst. Aber Du mußt mir das auch wirklich sagen. Nicht allein, sondern Dir auch kaufen. So etwas mach ich zwar gar nicht gerne, aber - ich bin ja froh, daß ich bei Euch sein kann.

Ich habe letzten Freitag an die Lufthansa in Sofia wegen Reservierung des Flugplatzes geschrieben und erwarte schon Antwort. Auch wegen der Bezahlung der Rückfahrt in Lewa. Dazu wird wahrscheinlich eine Bewilligung der Nationalbank in Russe notwendig sein.

Sollte Fritz Stör zu Dir kommen, so zeige ihm die Beschreibung der Einweihung der Zentrale, ich werde ihm wirklich bald schreiben. Eben fällt mir ein, daß ich eine Kopie davon habe, die werde ich Fritz senden. Eigentlich bleibt mir jetzt ebenfalls nicht viel Zeit. Das ist wohl darauf zurückzuführen, daß ich regelmäßig mit dem Hr. Nikoloff und den Mechanikern Kurs halte, der bis 6 Uhr dauert und darüber hinaus meist noch mit persönlichen Dingen oder praktischem Unterricht bis halb 7 oder 7 Uhr ausgedehnt wird, so daß die Herren vom „Tiefen Keller“ auch noch schimpfen, warum ich so spät komme. In Übrigen kommen wir seit voriger Woche nicht mehr im tiefen Keller zusammen, sondern bei Kaudelka, das ist das Gasthaus mit Garten, wo wir einige Male waren, in der Nähe des Fleischmarktes. Natürlich nicht mehr im Garten, sondern in der jetzt als Gastzimmer hergerichteten Wohnung des Besitzers. Es ist, da dort drei kleine Zimmer sind, sehr gemütlich, man könnte denken, daß man bei uns wo in einem kleinen Gasthause ist. Müller geht meist schon um 8 Uhr, ihn ziehen die Fleischtöpfe, Wjürgens bleibt oft bis 9 oder halb 10 Uhr, dann aber bekommt er es mit der Angst vor seiner Frau zu tun, der er ja physisch überlegen ist, psychisch aber doch Respekt hat. Mit ihm gehen dann Fischer und ich auch.

In Russe ist man jetzt bankettnärrisch. Jeder der irgendwo versetzt wird oder sonst wegfährt, gibt ein Bankett. Man ist, glaube ich, bei den Einschaltungsbanketten auf den Geschmack gekommen, es findet also Samstag wieder ein solches statt. Ich werde natürlich immer eingeladen, dafür sorgt schon Nikoloff. Überhaupt werde ich hier als Letzter sehr verwöhnt und bekomme, obwohl ich gar nicht so eingenommen davon bin, Einladungen, so sollte ich auch an einer Hochzeit teilnehmen, das habe ich aber abgelehnt. Mir genügen eigentlich wirklich die paar Bekannten, die ich hier habe.

Zuhause habe ich jetzt einen Radioapparat, mit welchem ich ganz Europa höre. Sonntag habe ich aus Wien „Hilda und die 4 PS“ gehört. Vielleicht zusammen mit Dir? Ich schwelge jetzt in Musik, das ist eine sehr schöne Zerstreuung. So vergeht die Zeit doch schnell und in 20 Tagen bin ich schon in Sofia und in 20 Tagen und 3 Stunden fliege ich schon. Wenn das Wetter auch so schön wäre wie heute hier, dann wäre ich zufrieden. Wir hatten die letzten Tage scheußliches Regen- und Nebelwetter, dabei war es wohl warm, aber sehr feucht. Heute scheint wieder die Sonne. Hier ist Schulfeiertag, mit Musik wird zur Kirche gezogen.

Bitte erkundige Dich, ob am 27. und 28.12. bei der Firma gearbeitet wird, oder ob die Zeit eingebracht wird. Letzteres wäre sehr unangenehm, weil ich mir die Paßbesorgungen selbst erledigen müßte, was immerhin einen Tag Laufereien bedeutet.

Morgen ist Nikolo und ich werde den Mäderln Äpfel, Nüsse und Zuckerback geben. Nach europäischem Muster. Im Geiste aber werde ich bei Euch sein.

Vielleicht läßt sich Fredys Wunsch, eine Dampfmaschine, doch erfüllen. Ich glaube, um 15-20 S bekommt man schon eine. Ich habe mir ja auch eine gewünscht und sogar bekommen. Wir haben ja unverhofft die 300 S bekommen. Bin schon wieder leichtsinnig, gelt?

Bezüglich der Armbänder werde ich diese selbst mitbringen. Aber bestimmt versprich nichts! Wenn Schäfers eines der Trude zu Weihnachten geben wollen, wird es wohl zu spät sein, denn ich komme erst um ca.5 Uhr abends an.

Wegen des Radios müssen Schäfers wohl noch warten. Ich habe bei dem Apparat wohl alles zurückgeschaltet, weiß aber nicht, ob er funktioniert. Ich glaube halt immer, die Buben haben etwas rumgemacht. Vielleicht haben sie ihn doch bei Gleichstrom angesteckt.

Eben war Hr. Adamek, ein deutscher Lehrer, hier und sah sich das Museum an. Dieses bekommt in Russe schon einen Ruf, gestern hat mir Hr. Fischer (im Spaß natürlich) im Namen der österreichischen Regierung seine Anerkennung ausgesprochen. Die deutsche Schule wird in nächster Zeit einen Besuch bei uns machen. Hr. Adamek wird vorher einen Vortrag über automatische Telefonie halten, damit die Schüler (15-17 Jahre) schon ein wenig eingeführt sind. Habe mit Nikoloff heute über meine Abfahrt zu Weihnachten gesprochen und ihm gleich mitgeteilt, daß ich dafür eine Woche länger bleibe. Mit der Firma werde ich dies noch ins Reine bringen, wenn ich in Wien bin. Nikoloff ist natürlich einverstanden.

Fr. Nikoloff wird in nächster Zeit nach Sofia zu ihren Eltern fahren und ich glaube, daß dies mit dem letzten Bankett zusammenhängt. Es sind aber auch beide Teile schuld, na, so etwas kommt eben vor, nicht?

Die automatische Zentrale hatte nun zur Folge, daß sieben Telefonistinnen versetzt werden. Du kennst aber, glaube ich, keine davon. Mara und Nadja (Wuckerlmadam) bleiben. Um eine von den sieben tut mir leid; da sie deutsch spricht, habe ich mich, da sie auch sonst vernünftig ist, oft unterhalten. Du wirst deshalb nicht unvernünftig denken, gelt, mein Lieb!

4.12.35

Mein Schatz!

Nun habe ich heute schon Nachricht von der Lufthansa. Der Platz ist bereitgehalten und es kann die Fahrt auch in Lewa bezahlt werden. Das ist fein, denn ich brauche mir dann in Wien keine Schilling zu nehmen. Ich habe gleich Lewa 2000.-- Angabe gezahlt, es ist also fix. Du wirst ja wohl gerade an diesem Tag keine Zeit zum Abholen haben, aber das macht nichts, oder besser, da kann man nichts machen. Aber wenn es Dir doch ausgehen sollte? Das wäre fein!

Grüße soll ich Dir von Nikoloffs und Tanks ausrichten. Letztere trafen wir, Fischer und ich, im Kino. Es war ein Stück mit Kiepura. Gestern habe ich auch vom Techn. Büro in Sofia Nachricht erhalten, daß man mir bis Februar einen Radioapparat leihweise zur Verfügung stellt. Das ist auch gut, denn erstens kostet er nichts und dann braucht man hier nicht immer die Schwierigkeiten mit dem Ausborgen zu haben. Du siehst, es geht hier auf allen Seiten gut.

Nun freuen wir uns auf Weihnachten!

Viele Busserln

Dein Robert

Wien, 10.12.1935

Herzliebster Mann!

Recht vielen Dank für Deinen lb. Brief, den ich gestern erhielt. Ich habe wieder viel Liebes zwischen den Zeilen gelesen.

Aber vorerst! Dein Vorwurf betreffs nicht aufpassen trifft mich gar nicht. Ich denke, sowohl Bernhard als ich sind wahrscheinlich angesteckt worden. Bernhard geht es wieder ganz gut. Bei mir erneuert sich der Schnupfen jede 2. bis 3. Nacht und das Husten will auch kein Ende nehmen. Na, irgendeinmal muß es doch wieder aufhören.

Daß ich diesmal die Bescherung so ganz allein besorgen muß, freut mich ja gar nicht, aber auch ich bin froh, daß Du wenigstens am Heil. Abend da sein wirst. Hoffentlich kommst Du aber nicht als Eiszapfen hoch vom Himmel her, sonst müßten wird Dich dann erst auftauen. Sag, wie lange bleibst Du denn eigentlich bei uns? Kind, ich freu mich doch schon so! Alles wird mir zu eng, wenn ich an Dein Kommen denke!

Weißt Du, was mich freut? Daß Dir „die paar Bekannten genügen, die Du jetzt hast“. Ich weiß nicht, Lieb, aber ich werde, glaube ich, entgegen Deinen Prophezeiungen, immer menschenscheuer. Mir genüge ich selbst zwischen meinen vier Wänden eigentlich vollkommen. Wenn Freunde kommen, kann das ja mitunter ganz nett sein, kommt aber niemand, so vermisse ich auch nichts. Sollte ich aber irgendwohin gehen, ist es mir direkt unangenehm.

Vielleicht ja auch, weil ich wieder sehr viel zu tun habe. Fredys Rock habe ich eben beendet, die Hose ist noch zu nähen.

Na u.s.w.

Aber jetzt, Schatz, ich soll Dir sagen, was ich mir wünsche. Ich hab mir doch schon Stoff für ein Kleid gekauft und wenn alles gut geht, will ich’s zu den Feiertagen schon anhaben. Chiffon habe ich mir auch bei Wenty bestellt (ich habe nämlich nur mehr 2 Hemden außer den Ribgarnituren). Letztere sind mir im Winter zu kalt. Und da ich auch die Wolff-Bücher eigentlich für mich kaufte, hab ich wohl für unsere Verhältnisse genügend für mich gesorgt. Meine sonstigen Wünsche (ein neuer Wintermantel und ein paar elegante, folglich teure Schuhe) gehen über unser derzeitiges Vermögen hinaus, also ist das Wünschen zwecklos. Vielleicht bekomme ich später einmal im Dorotheum Stoff. Auch für die Buben, die die Mäntel ebenso nötig brauchen würden wie ich. Fredys Hubertus sieht noch am besten aus.

Wegen der Dampfmaschine werde ich mir’s noch überlegen. Ich glaube, ich bin im Grund leider nicht weniger leichtsinnig als Du, doch liegt es natürlich nahe, daß ich besser weiß, was an Praktischem gebraucht wird, wodurch mein zeitweiliges Bremsen bei Überflüssigem hervorgerufen wird.

Mit Fredys Fortgang in der Schule geht es nicht so gut, wie er sagte. Er steht nicht nur durchschnittlich sondern durchwegs auf 3. Vielleicht wird auch das besser sein, wenn Du hier bist. Schulgeld bezahlen wir 7 S für das Halbjahr. Ich habe es bereits abgeschickt. Für Fredy habe ich schon Ende September Bücher für Weihnachten gekauft. „Jochen Bär“ heißt das eine, „Tiere um uns“ ein anderes. Ersteres von Seton, letzteres von verschiedenen Schriftstellern. Ferner von Ewald „Tiere unter sich“ und zuletzt ein kleines Buch von Hugh Lofting, das kann Werner bekommen, „Der böse Gutsherr und die guten Tiere“. Alles sehr gut erhalten.

Nun Liebstes, unvernünftig denke ich gar nicht und wäre eigentlich auch nicht darauf verfallen, daß ich’s könnte, wenn Du mich nicht hättest darauf aufmerksam gemacht. Es tut mir nur leid, daß Du liebe Gesellschaft verlieren mußtest. Es war wohl dasselbe Mädel, das man bereits für mich hielt, nicht?

Gib bitte alle Grüße an mich wieder zurück. Ich denke gerne und oft an die Russener Bekannten. Vor allem allerdings an Frau Kallinowa und die Kinder.

Nun schließe ich heute. Es ist fast elf Uhr und ich habe schrecklich Kopfweh. Leb wohl mein Schatz! Auf ein frohes Wiederhaben in 14 Tagen!

Viele Busserl,

Gretel

Russe, den 16.12.35

Mein liebes Butzerl!

Da ich Dir diesmal Deine lieben Briefe nur mit einer Karte belohnte, muß ich es jetzt nachholen. Es wird ja der letzte Brief sein bis zu unserem Wiedersehen.

Vorerst muß ich Dir mitteilen, daß ich wahrscheinlich doch mit der Bahn kommen werde, weil der Flugplatz in Sofia durch dauernden Regen so aufgeweicht ist, daß derzeit der Flugverkehr eingestellt ist. Aber ich würde dann schon Sonntag wegfahren und über Bukarest Montag den 23.d. Mts. abends am Ostbahnhof ankommen. Du siehst, es geht auch bei den Deutschen nicht alles glatt. Es ist wohl sehr anständig, daß die Lufthansa mich diesbezüglich informierte. Ich werde auf alle Fälle wieder telegrafieren. Ich freute mich wohl schon sehr auf’s Fliegen, aber --- dafür komme ich einen Tag früher nach Hause, das wiegt natürlich alles wieder auf.

Übrigens ist aufgeschoben nicht aufgehoben und ich werde die 2000.- Lewa, die ich schon für den Hin- und Rückflug gezahlt habe, bis Ende Jänner stehen lassen, dann werde ich endgültig nach Hause fliegen. Wie freue ich mich darauf. Du hast recht, es wird besser werden mit dem Lernen, wenn ich zu Hause bin.

Diese Nachricht hat mich wirklich enttäuscht, denn ich dachte nicht, daß Fredy durchwegs schlecht steht, im Schreiben war ja so etwas zu erwarten. Ich weiß bestimmt, daß er lernen kann, wenn er nicht will, gibt es eben einen Übertritt in die Hauptschule. Ich hoffe aber, daß es nach dem Jänner geht.---

Eben ließ ich durch unser Fernamt in Sofia nachfragen, ob es dort noch regnet und erfuhr, daß es kalt ist und schneit. So kann aus dem Fliegen doch noch etwas werden. Es heißt eben abwarten.

Heute ist Susi wieder bei uns und schreibt, da sie dies gut kann, Bezeichnungsschilder für die Zentrale. Wahrscheinlich das letzte Mal. Wie ich gehört habe, macht sie für Werner als Weihnachtsgeschenk einen Sweater.

Gestern war ich mit den Mechanikern aus und wir haben auch Horky geschrieben. Ich habe ihn eingeladen, uns am 25.12. zu besuchen, weil ich einiges zu besprechen habe. Wir werden ja dann zu Hause sein, denke ich. Es ist Dir doch recht?

In Wien werde ich bis 30.d. Mts. bleiben, da am 1. Jänner Nikoloff wieder kommt. Er ist derzeit in einem Kurs in Sofia. Das alte Jahr werde ich dann in Russe zu Grabe tragen. Ich bin natürlich schon eingeladen.

Und bald im Neuen Jahr werden wir dann immer zusammen sein, mein Schatz, wie ich mich schon darauf freue. Es ist mir, wie als ich noch ein Bub war und ich mich nach Hause zur Mama gesehnt habe. So gehts mir jetzt. Du bist auch so die Verkörperung eines warmen Nestes, mit viel Liebe.

Ich weiß, wenn ich daheim bin, daß ich das dann nicht so spüre wie jetzt. Aber es ist nötig, daß man es spürt.

Ich werde diese Zeilen noch heute absenden, die bekommst Du dann bestimmt noch.

Also, ich telegrafiere, wie alles geht. Freue Dich mit mir, aber das brauche ich Dir bestimmt nicht sagen, gelt?

Auf Wiedersehen! Und ich laß auch allen Bekannten gute Feiertage wünschen.

Robert


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